Hoch hinaus in Tallinn – der Tallinner Domberg

Der Dom­berg von Tal­linn ist eine eige­ne klei­ne Stadt in der Stadt, denn wäh­rend das Gebiet außer­halb der Stadt­mau­ern liegt, gehört es doch zum histo­ri­schen Stadt­kern. Auf dem Kalk­berg im Her­zen der est­ni­schen Haupt­stadt befin­det sich die soge­nann­te Ober­stadt, die bis 1877 von der Unter­stadt getrennt war.

Am wohl berühm­te­sten Stadt­turm der Reva­ler Stadt­be­fe­sti­gung, dem Kiek in de Kök ver­las­se ich die Unter­stadt. Der Wach­turm wur­de 1475 erbaut, ist acht­und­drei­ßig Meter hoch, misst sieb­zehn Meter im Durch­mes­ser und hat drei bis vier Meter dicke Wän­de. Sei­ner­zeit war er der größ­te Wach­turm in Euro­pa. Sei­nen Namen erhielt der Turm durch die Geschich­te, dass die Sol­da­ten aus den Fen­stern in die Küchen der Bür­ger schau­en konn­ten, denn Kiek in de Kök bedeu­tet so viel wie Guck in die Küche.

Von Kiek in de Kök fol­ge ich der Stadt­mau­er bis zum Mäg­de­turm, in dem heu­te ein Café zu fin­den ist. Das aber sieht man nur, wenn man auf die ande­re Sei­te der Stadt­mau­er geht.

Vor der Stadt­mau­er befin­det sich heu­te ein Rosen­gar­ten, der von der däni­schen Köni­gin ein­ge­weiht wur­de und an die däni­sche Geschich­te in Est­land erin­nert sowie an die Ent­ste­hung der däni­schen Flag­ge. Die­se soll näm­lich der Legen­de nach in Est­land ent­stan­den sein und gehört heu­te noch zu den älte­sten durch­gän­gig genutz­ten Flag­gen der Welt.

Eines der beein­druckend­sten Gebäu­de auf dem Dom­berg und ein Wahr­zei­chen Tal­linns ist die Alex­an­der New­s­ki Kathe­dra­le. Die russisch-​orthodoxe Kir­che wur­de zwi­schen 1895 und 1900 erbaut.

An die­sem Stadt­ort war ursprüng­lich ein Luther­denk­mal vor­ge­se­hen, des­sen Errich­tung von den rus­si­schen Behör­den jedoch unter­sagt wur­de. Wäh­rend der ersten Unab­hän­gig­keit Est­lands soll­te die Kathe­dra­le 1924 eigent­lich wie­der abge­ris­sen wer­den, doch glück­li­cher­wei­se wur­de davon abgesehen.

Der Sockel des impo­san­ten Got­tes­hau­ses besteht aus fin­ni­schem Gra­nit, auf dem fünf Zwie­bel­tür­me errich­tet wur­den, die mit ver­gol­de­ten Kreu­zen geschmückt sind. Auch das Inne­re ist reich ver­ziert, jedoch besteht hier ein strik­tes Fotografierverbot.

Die Kathe­dra­le steht am Schloss­platz, der von histo­ri­schen Gebäu­den umrahmt ist. Dazu gehört die­ses aus dem 17. Jahr­hun­dert stam­men­de Gebäu­de, das 1818 grund­le­gend umge­baut wur­de und sein heu­ti­ges Aus­se­hen erhielt. Im Jahr 1921 erwarb der est­ni­sche Staat das Gebäu­de und nutz­te es zunächst als Sitz des Staats­prä­si­den­ten. Wäh­rend der rus­si­schen Besat­zung hat­te es ver­schie­de­ne Funk­tio­nen. Nach der Unab­hän­gig­keit Est­lands wur­de das Haus reno­viert und beher­bergt heu­te die Deut­sche Botschaft.

Ein Gebäu­de mit beson­de­rer Geschich­te steht auch am Schloss­platz 4. Zuerst stand hier ein ein­stöcki­ges Haus, das spä­ter ver­grö­ßert wur­de. Im Jahr 1711 gehör­te es dem schwe­di­schen Major-​General Anton Wol­mar von Schlip­pen­bachi­le, der zunächst in rus­si­sche Gefan­gen­schaft geriet, sich aber dann mit Zar Peter I. anfreun­de­te und von die­sem zum Major-​General der rus­si­schen Armee ernannt wur­de. Als der Zar und sei­ne Frau im Dezem­ber 1711 Tal­linn besuch­ten, über­nach­te­ten sie im Haus ihres ehe­ma­li­gen Fein­des. Spä­ter wur­de der Bal­kon an das Gebäu­de ange­bracht, der dem Bal­kon des Zaren­pa­la­stes Katha­ri­nen­thal nach­emp­fun­den ist.

Das größ­te Gebäu­de am Schloss­platz aber ist das Schloss von Tal­linn. Eigent­lich stand an die­ser Stel­le eine Burg, die bereits im 10. oder 11. Jahr­hun­dert errich­tet wur­de. Katha­ri­na die Gro­ße aber ließ Tei­le der öst­li­chen Burg­an­la­ge abrei­ßen und statt­des­sen einen Barock­pa­last wie in St. Peters­burg errich­ten. Heu­te wird das Schloss vom est­ni­schen Par­la­ment genutzt.

Wäh­rend das Schloss selbst nicht besich­tigt wer­den kann, ist der Gar­ten der Gou­ver­neu­re öffent­lich zugäng­lich. Von hier habe ich eine schö­ne Sicht auf den Lan­gen Her­mann, der ursprüng­lich einer der vier Eck­tür­me der mit­tel­al­ter­li­chen Burg­an­la­ge war. Errich­tet wur­de der rund 45 Meter hohe Turm zwi­schen 1360 und 1370 und hat eine ganz beson­de­re Bedeutung.

Tra­di­tio­nell weht auf dem Lan­gen Her­mann die Flag­ge des Herr­schers von Est­land. Im Jahr 1918 wur­de zum ersten Mal die weiß-​schwarz-​blaue Flag­ge Est­lands gehisst. Heu­te wird sie jeden Tag bei Son­nen­auf­gang zu den Klän­gen der Natio­nal­hym­ne gehisst und am Abend wie­der eingeholt.

Ich fol­ge nun den engen Gas­sen auf dem Dom­berg, die mich an vie­len histo­ri­schen Gebäu­den vor­bei­füh­ren. An die­sem ver­rät mir eine Inschrift, dass sich hier bis 1939 die Reva­ler Dom­schu­le befun­den hat, die bereits 1240 gegrün­det wor­den war und von 1920 bis 1939, nach Auf­lö­sung der est­ni­schen Rit­ter­schaft, als deut­sche Schu­le fungierte.

Gleich gegen­über steht der Tall­in­ner Dom. Gegrün­det wur­de er bereits 1219 als katho­li­sche Kir­che und erst mit Abschluss der est­ni­schen Refor­ma­ti­on im Jahr 1561 in eine evangelisch-​lutherische Dom­kir­che umgewandelt.

Bei einem Feu­er auf dem Dom­berg im Jahr 1684 wur­den auch gro­ße Tei­le der Kir­che zer­stört, die anschlie­ßend wie­der auf­ge­baut wur­de. Für die barocke Aus­stat­tung der Kir­che wur­de der Tall­in­ner Mei­ster Chri­sti­an Acker­mann gewon­nen, dem wäh­rend mei­nes Besuchs eine Aus­stel­lung in der Kir­che gewid­met war.

Die heu­ti­ge Ladegast-​Sauer-​Orgel wur­de 1878 vom Wei­ßen­fel­ser Orgel­bau­er Fried­rich Lade­gast her­ge­stellt und 1913/​14 von der Fir­ma W. Sau­er moder­ni­siert. Heu­te ist sie eine der füh­ren­den Kon­zert­or­geln Euro­pas, nach­dem sie 1998 noch­mals mit Unter­stüt­zung der Deut­schen Bot­schaft restau­riert wurde.

Wäh­rend mei­nes Besuchs hat­te ich das Glück, eini­ge Klän­ge der Orgel hören zu kön­nen, da gera­de eine klei­ne Pro­be stattfand.

Tal­li­ner Dom – Orgelspiel

„Bet­tys Vaca­ti­on nutzt WP You­Tube Lyte um You­Tube Video’s ein­zu­bet­ten. Die Thumbnails wer­den von You­Tube Ser­vern gela­den aber nicht von You­Tube getrackt (es wer­den kei­ne Coo­kies gesetzt). Wenn Sie auf “Play” klicken, kann und wird You­Tube Infor­ma­tio­nen über Sie sammeln.”

Sehr inter­es­sant sind auch die 107 Wap­pen­epi­ta­phe, die in der gan­zen Kir­che ver­teilt sind. Sie alle erzäh­len die Geschich­te deutsch-​baltischer Adli­ger und wur­den mit finan­zi­el­ler Unter­stüt­zung der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land auf­wen­dig restauriert.

Außer­dem sind in der Kir­che auch inter­es­san­te Grab­ma­le zu fin­den, die zwi­schen dem 13. und dem 18. Jahr­hun­dert errich­tet wurden.

Nach mei­ner Besich­ti­gung der Kathe­dra­le schaue ich mich noch ein wenig auf dem Kir­chen­platz um, der sich rund um das Got­tes­haus befin­det. Auch hier gibt es wie­der eini­ge schön restau­rier­te Gebäu­de zu entdecken.

Einer der ehe­ma­li­gen Adels­pa­lä­ste auf dem Dom­berg ist die­ses Gebäu­de, das sein heu­ti­ges Aus­se­hen um 1798 erhielt. Eigen­tü­mer war unter ande­rem Graf Hans Hein­rich von Tie­sen­hau­sen, des­sen Sohn Fer­di­nand in der Schlacht von Auster­litz töd­lich ver­wun­det wur­de und im Dom bei­gesetzt ist.

Gleich neben­an ist in die­sem schön restau­rier­ten Gebäu­de die fin­ni­sche Bot­schaft zu finden.

Schräg gegen­über steht das Haus der Est­län­di­schen Rit­ter­schaft, in dem sich die deutsch-​baltischen Adli­gen tra­fen. Das heu­ti­ge Gebäu­de ersetzt ein frü­he­res und wur­de 1845 bis 1848 im Renais­sance Revi­val Stil erbaut. Nach der Auf­lö­sung der Rit­ter­schaft im Jahr 1920 hat­te das Gebäu­de ver­schie­de­ne Funk­tio­nen, steht jedoch momen­tan leer.

Vom Tall­in­ner Dom sind es nur noch weni­ge Meter bis zur Piis­ko­pi Aus­sichts­platt­form, einem von drei Aus­sichts­punk­ten des Dom­ber­ges. Von hier reicht der Blick nach Nor­den zur Ost­see und in Rich­tung Fähr­ha­fen, sodass ich die Fäh­ren beob­ach­ten kann, die den Hafen von Tal­linn anlaufen.

Vom Aus­sichts­punkt muss ich zurück zum Dom­platz und bie­ge dort in eine wei­te­re Gas­se ein, die mich zu eini­gen inter­es­san­ten Gebäu­den führt. Zuerst ent­decke ich eine wei­te­re Bot­schaft, die dies­mal Sitz des Bot­schaf­ters der Nie­der­lan­de ist.

Das viel inter­es­san­te­re Gebäu­de steht aber schräg gegen­über und ver­birgt sich hin­ter die­sen unschein­ba­ren Mau­ern. Hier befin­det sich Sten­bock Haus, das heu­te Sitz der est­ni­schen Regie­rung ist.

Gleich um die Ecke befin­det sich die Pat­ku­li Aus­sichts­platt­form, die einen fan­ta­sti­schen Blick über Tal­linn bie­tet. Dabei sind von hier sowohl die Alt­stadt als auch das neue Tal­linn mit sei­nen Hoch­häu­sern zu sehen.

Ich kann sogar bis zum Kreuz­fahrt­ha­fen schau­en, wo heu­te gleich zwei AIDA Schif­fe fest­ge­macht haben. Ab und zu tref­fe ich eine Rei­se­grup­pe von einem der Schif­fe, doch die mei­ste Zeit bin ich auf dem Dom­berg fast allein unter­wegs. Die geführ­ten Tou­ren strei­fen nicht so durch die Gas­sen wie ich es tue.

Der für mich schön­ste Aus­blick ist aber der vom drit­ten Aus­sichts­punkt direkt an der Pat­kul­schen Trep­pe. Der traum­haf­te Blick auf die Reva­ler Stadt­be­fe­sti­gung, die Tür­me der Alt­stadt und den Hafen dahin­ter ist ein­fach wunderschön.

Schließ­lich rei­ße ich mich aber doch los und ver­las­se den Dom­berg über die 1903 erbau­te Pat­kul­sche Trep­pe, die mit 157 Stu­fen die Ober­stadt und die Unter­stadt verbindet.

Die Trep­pe mün­det in den Dom­park und von hier habe ich nun einen präch­ti­gen Blick auf die Prunk­fas­sa­de des Sten­bock Haus. Das Stadt­pa­lais wur­de zwi­schen 1784 und 1792 im Stil des Klas­si­zis­mus erbaut. Bereits ab 1855 wur­de das prunk­vol­le Haus von der Ritter- und Dom­schu­le in Reval genutzt.

Spä­ter zogen ver­schie­de­ne Gerich­te in das Gebäu­de und auch wäh­rend der rus­si­schen Besat­zung wur­de das Palais von der Justiz genutzt. In die Erhal­tung wur­de jedoch nie inve­stiert und so wur­de der Bal­kon bereits um 1890 ent­fernt. Rund hun­dert Jah­re spä­ter war das gesam­te Gebäu­de so bau­fäl­lig, dass es ein­sturz­ge­fähr­det war und geräumt wer­den muss­te. Von 1996 bis 2000 erfolg­te eine umfas­sen­de Reno­vie­rung und auch der Bal­kon kehr­te an das Palais zurück. Anschlie­ßend wur­de Sten­bock Haus der Sitz des est­ni­schen Prä­si­den­ten und der Regierung.

Damit endet mei­ne Besich­ti­gung des Tall­in­ner Dom­ber­ges, der heu­te Teil der histo­ri­schen Alt­stadt ist, die 1997 zum UNESCO-​Weltkulturerbe erklärt wur­de. Mei­ne Ent­deckungs­tour ist aber noch lan­ge nicht been­det und so führt mich mein Rund­gang nun zurück in die Unter­stadt. Doch davon erzäh­le ich in einem wei­te­ren Artikel.

Wei­te­re Arti­kel die­ser Reise:

Ein­lei­tung: Per­len des Bal­ti­kums – Kurz­trip nach Riga und Tallinn

Stadt­rund­gang durch Riga, Lett­land, Teil 1

Stadt­rund­gang durch Riga, Lett­land, Teil 2

Hoch hin­aus in Riga – St. Petri­kir­che und Aka­de­mie der Wissenschaften

Tipps für den Städ­te­trip nach Riga, Lettland

Stadt­rund­gang durch Tal­linn, Est­land, Teil 1

Stadt­rund­gang durch Tal­linn, Est­land, Teil 2

Hoch hin­aus in Tal­linn – der Tall­in­ner Domberg

Ein Blick in die Geschich­te – Besich­ti­gung des Tall­in­ner Rathauses

Von Zaren und der Som­mer­fri­sche – Schloss und Park Katha­ri­nen­thal (Kadri­org), Tal­linn, Estland

Tipps für den Städ­te­trip nach Tal­linn, Estland

Review: Luft­han­sa Busi­ness Lounge, Flug­ha­fen Berlin-Brandenburg

Review: LOT Busi­ness Class DeHa­villand Bom­ba­dier Dash‑8: Berlin-Warschau

Review: LOT Busi­ness Lounge Polo­nez, Warschau

Review: LOT Busi­ness Class Canad­air Jet 900: Warschau-Tallinn

Review: Pri­me­class Busi­ness Lounge Riga

Review: Tal­linn Air­port Busi­ness Lounge

Review: Hil­ton Gar­den Inn Riga Old Town, Riga, Lettland

Review: Hotel Tele­graaf, Mar­riott Auto­graph Coll­ec­tion, Tal­linn, Estland

Lesen Sie wei­te­re Bewer­tun­gen von Flug­zeu­gen, Air­port Loun­ges, Miet­wa­gen und Hotels.

© 2021 – 2024, Bet­ty. All rights reserved. 

Weiter lesen:

Betty

Es gibt nichts, was ich mehr liebe als die Welt zu bereisen. Immer mit dabei ist meine Kamera, wenn ich spannende Abenteuer erlebe und neue Reiseziele erkunde. Das Reisen bereitet mir so viel Freude, dass ich nun auch meine Leser an meinen Erlebnissen und Erfahrungen teilhaben lassen möchte.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Mit der Nutzung dieses Formulars erklären Sie sich mit der Speicherung und Verarbeitung ihrer Daten durch diese Website einverstanden.

drei × drei =