Tag 6: Sonntag, 11. Juli 2021
Der Osten ruft – Jyväskylä nach Imatra – Teil 1
„My favourite country is Finland because once you get to a certain point, you can drive for hours without seeing a single person. I love peace and quiet – something I don’t get very often.” – Christopher Lee
Gleich nach dem Frühstück verlasse ich Jyväskylä wieder, denn ich habe heute einen recht langen Fahrtag vor mir. Die Sonne scheint vom blauen Himmel und es ist schon recht warm. Der Sommer ist zurück. Die Strecke, die ich nehme, ist sehr schön und führt mich durch Wälder und vorbei an glitzernden Seen. Hier könnte man sicher noch eine weitere Woche verbringen, doch ich habe auf dieser kurzen Schnuppertour leider keine Zeit, sodass ich bis nach Savonlinna durchfahre. Der kleine Ort mitten im Seengebiet ist berühmt für seine Burganlage und die ist natürlich auch mein Ziel.
Bevor ich die Burg besuchen kann, muss ich jedoch erst einmal einen Parkplatz finden, doch das gestaltet sich gar nicht so einfach. Es ist später Vormittag und auch noch Wochenende, dazu das schöne Wetter, da ist der kleine Ort Savonlinna schon ziemlich voll. Mit etwas Glück finde ich aber noch einen Stellplatz in einer Seitenstraße, der noch dazu kostenlos ist. Von hier mache ich mich zu Fuß auf zur Burg, die sich auf einer kleinen Insel befindet und nur über eine Brücke erreichbar ist.
Zutritt zur Burganlage bekomme ich dann wieder mit meiner Museum Card. Anschließend darf ich die Burg Olavinlinna auf eigene Faust erkunden. Mit dem Bau der Niederungsburg wurde 1475 begonnen, als Finnland zum schwedischen Königreich gehörte. Zu jener Zeit wurde im Vertrag von Nöteborg eine Grenze zwischen dem schwedischen und dem russischen Reich festgelegt, die es dann auch zu verteidigen galt.
Nur wenige Jahre nach ihrer Fertigstellung sah die Burg auch erste Kampfhandlungen, als sie 1495 und 1496 erfolglos von Ivan III. belagert wurde. Auch weitere Versuche, das mächtige Gemäuer einzunehmen, scheiterten bis zum Großen nordischen Krieg, der 1700 bis 1721 stattfand. Im Jahr 1714 mussten sich die Schweden geschlagen geben, da ihnen Lebensmittel und Munition ausgingen. Nur sieben Jahre später erhielten die Schweden Olavinlinna jedoch zurück, nur um die Burg 1743 erneut an die Russen abtreten zu müssen. Als die Schweden 1809 die Herrschaft über Finnland an die Russen verlor, ging auch die Burg dauerhaft in den Besitz des Zarenreiches über.
In den folgenden Jahren verlor die Gegend ihre militärische Bedeutung und 1847 gaben die Russen die Burganlage schließlich auf. Ab 1860 wurde das Gemäuer zunächst als Gefängnis genutzt, bevor zwei Feuer große Schäden anrichteten und die Burg lange Zeit leer stand.
Eine umfassende Renovierung fand erst zwischen 1961 und 1975 statt, sodass die Anlage pünktlich zu ihrer 500-Jahrfeier für Besucher eröffnet werden konnte. Seitdem kann Olavinlinna besucht werden und im Sommer finden hier sogar Konzerte statt.
Vom rekonstruierten Wehrgang, der heute wieder erkundbar ist, habe ich einen schönen Blick auf die umliegende Seenlandschaft.
Die Burg selber ist heute übrigens eine der am besten erhaltenen Mittelalterburgen in Nordeuropa, auch wenn nicht alle Teile aus dieser Zeit stammen. Besonders die Russen bauten während ihrer frühen Herrschaft einige Bastionen an sowie Türme aus und passten sie dem damaligen Standard und den modernen Waffen an.
Von der Inneneinrichtung der Burg ist deshalb nichts mehr erhalten. In den erhaltenen Räumen sind heute ein kleines Museum, ein Restaurant sowie Veranstaltungsräume untergebracht.
Auch das Gebiet um die Burg ist sehenswert. Hier befinden sich einige Sparzierwege sowie weitere Museen, die in historischen Gebäuden untergebracht sind.
Nach meinem kurzen Rundgang gehe ich zurück zum Auto. Es ist bereits früher Nachmittag und bevor ich weiterfahre, möchte ich noch kurz etwas essen, da die weitere Strecke doch durch recht einsames Gebiet führt. Ich entscheide mich für Hesburger, eine finnische Schnellrestaurantkette, die in dem nordischen Land mehr Filialen besitzt als McDonalds. Im Jahr 1966 gegründet, expandierte das Unternehmen aber erst in den letzten zwanzig Jahren im großen Stil. Während es 1992 noch gerade mal 12 Restaurants in Finnland gab, waren es 2016 ganze 270 und dazu noch Filialen in den baltischen Republiken, Russland, Bulgarien und sogar Deutschland.
Für mich geht die Fahrt nun weiter durch die finnische Seenplatte, in der man sicherlich einen ganzen Urlaub verbringen kann. Ich versuche heute aber gar nicht erst mehr von der Gegend zu sehen als durch das Autofenster, denn das wäre so oder so nicht von Erfolg gekrönt. Dafür reicht meine Reisezeit einfach nicht. Da muss sich wohl nochmal wiederkommen. Stattdessen lande ich schließlich auf einem recht vollen Parkplatz am Rande der Straße, die hier nur wenige Kilometer neben der russischen Grenze verläuft. Der Parkplatz in der Nähe des kleinen Örtchens Parikkala ist aber nicht ohne Grund so gut gefüllt, denn hier befindet sich ein ganz besonderer Skulpturenpark.
Zu sehen sind in diesem ungewöhnlichen Park, der mich an den Wisconsin Concrete Park in den USA erinnert, die Werke von Veijo Rönkkönen. Fast fünfzig Jahre lang schuf der Künstler hier 560 Skulpturen sowie eine sehenswerte Gartenanlage. Rönkkönen galt als sehr introvertiert und die Kunst war seine Art, mit der Außenwelt zu kommunizieren, denn schon zu seinen Lebzeiten konnten Besucher den Park kostenlos besichtigen.
Das ist übrigens auch heute noch so, doch um Spenden wird gebeten, denn die Erhaltung des Geländes kostet viel Geld. Der Künstler glaubte übrigens, dass sein Werk nach seinem Tod verschwinden würde, doch seine Erben sorgten dafür, dass das Gelände auch heute noch für Interessierte zugänglich ist.
Der Rundgang startet dann auch gleich an einem der umfassendsten Werke. Rund 250 Skulpturen sind hier in verschiedenen Yoga-Positionen zu sehen, alle ein Abbild des jungen Künstlers. Er selbst sagte einmal, dass die Werke eine Erinnerung an seinen jungen Körper seien.
Der weitere Weg führt dann durch die schön angelegte Gartenanlage. Zwischen den Pflanzen sind immer wieder neue Werke zu entdecken. Einmal sind es größere Gruppen, dann wieder Einzelstücke. Auch Pflanzen und Tiere sind unter den Skulpturen zu finden.
Im Herzen der Anlage lädt ein kleines Museum mit angegliedertem Shop die Besucher ein, ein wenig tiefer in die Hintergrundgeschichte des Parks einzutauchen. Dieser Teil der Ausstellung ist allerdings nur im Sommer oder zu besonderen Anlässen geöffnet.
Das Highlight sind aber sowieso die unzähligen Skulpturen, die überall zu finden sind. Es ist fast unglaublich, dass ein einzelner Mann sie alle allein geschaffen hat.
Immer wieder staunend wandele ich durch den Park. Es gibt wirklich hinter jeder Ecke etwas Neues zu entdecken und auch die Details sind oft einfach bemerkenswert.
Die kleinen Schildchen vor den Skulpturen gehören übrigens Spendern, denn allein von freiwilligen Eintrittsgeldern könnte der Park nicht überleben. So werden Patenschaften für die Skulpturen verkauft und auf diese mit den Schildern hingewiesen.
Ich folge den verschlungenen Pfaden immer weiter. Einen richtigen Rundweg gibt es nicht, denn immer wieder sind neue Werken in Nischen und an Abzweigungen versteckt. Hier muss man auch ein wenig Freude am Entdecken haben, um wirklich alle Skulpturen zu finden.
Nach meiner ausführlichen Besichtigung des Skulpturenparks Parikkala breche ich zu meiner letzten großen Etappe des heutigen Tages auf, die mich nun immer entlang der russischen Grenze führt, einmal näher und dann wieder weiter entfernt. Mein Tagesziel heißt Imatra, doch bis ich dort ankomme, gibt es noch einiges zu entdecken.