Tag 2 und 3: Mittwoch, 29. Dezember 2021 und Donnerstag, 30. Dezember 2021
City by the Bay – San Francisco – Teil 2
“San Francisco is the only city I can think of that can survive all that thing you people are doing to it and still look beautiful.” – Frank Lloyd Wright”
Meine Straßenbahnfahrt führt mich nun vom Embacadero auf die Market Street, deren Verlauf die Strecke nun folgt. An einer der Stationen steige ich aus, um meinen Weg jetzt zu Fuß fortzusetzen.
Mein Ziel ist das Civic Center von San Francisco, in dessen Mitte das majestätisch anmutende Rathaus der Stadt steht. Doch so idyllisch wie auf diesem Bild ist der Weg längst nicht. Mir ist schon auf meinem ersten Streifzug durch die Stadt aufgefallen, dass es immer mehr wohnungslose Menschen auf den Straßen gibt. San Francisco war jetzt noch nie frei davon, denn schon 1989 erlaubte man ihnen zum Beispiel hier in der Parkanlage für einige Zeit zu campen. Doch die Pandemie scheint das Problem nochmals extrem verschärft zu haben, als viele Menschen ihr Job verloren und sich die teils horrenden Mieten nicht mehr leisten konnten.
Was ich allerdings hier sehe, übersteigt schon fast die Vorstellungskraft. Auf einem Teil der Parkanlage ist eine ganze Zeltstadt entstanden, eingefasst mit Bauzäunen und Planen. Es ist erschreckend, es riecht fürchterlich und ist auch nicht sehr angenehm, denn einige der hier lebenden Menschen scheinen psychische Probleme zu haben und pöbeln die wenigen Fußgänger an. Es ist ja nicht so, dass mir in den USA noch nie Menschen begegnet sind, die auf der Straße leben, denn davon gibt es in jeder großen Stadt viel zu viele, aber das hier ist eine neue Dimension und erinnert mich eher an ein Armenviertel in Afrika.
Das letzte Stück Weg ist dann wie aus einer anderen Welt, denn hier ist es plötzlich viel sauberer und es wurde auch ein Weihnachtsbaum vor dem Eingang der City Hall aufgestellt. Das heutige Rathaus wurde 1915 eröffnet, nachdem der Vorgängerbau beim Erdbeben 1906 stark zerstört wurde.
Das riesige Gebäude, es belegt zwei ganze Straßenblöcke, erstreckt sich auf einer Größe von 119 Meter mal 82 Metern. Seine Kuppel ist mit ihren 20 Metern Durchmesser und 94 Metern Höhe die fünftgrößte der Welt und dem Invalidendom in Paris nachempfunden. Die Kuppel ist sogar 35 Zentimeter höher als die des Kapitols in Washington.
Die City Hall ist für jedermann öffentlich zugänglich und so durchschreite auch ich die erstaunlich kleine Eingangstür, die in starkem Kontrast zu diesem monumentalen Gebäude steht.
Das monumentale Gefühl ist dann aber gleich wieder da, nachdem man die Eingangstüren hinter sich gelassen hat. Dazwischen liegt noch eine kurze Sicherheitskontrolle, etwas, dass inzwischen in fast jedem größeren öffentlichen Gebäude in den USA zu finden ist, und schon steht man in der gewaltigen Eingangshalle, die sich direkt unter der Kuppel über mehrere Etagen erstreckt.
Die Kuppel selbst hat übrigens auch schon eine recht interessante Geschichte hinter sich, die abermals mit einem Erdbeben verbunden ist. Nach der Zerstörung des ersten Gebäudes im Jahr 1906 sollte der zweite Bau besser werden. In gewissem Maße gelang das auch, denn als das schwere Erdbeben 1989 die Stadt erschütterte, überstand das die City Hall relativ gut. Allerdings verschob sich die Kuppel um ganze zehn Zentimeter. Eine noch größere Verschiebung hätte leicht zu einem Einsturz führen können, sodass das gesamte Gebäude in den folgenden zehn Jahren erdbebensicher umgebaut wurde. Dazu wurde eine „Seismic Base Isolation” angebracht, die in den 1970er Jahren in Neuseeland erfunden wurde. Das Gebäude wurde praktisch vom Boden gelöst und steht auf einer Art beweglichen Pfeilern, die die Erdstöße bei Erdbeben abfangen.
Ich setze jetzt aber erst einmal meine Besichtigung fort und will mir auch die öffentlich zugänglichen Räume im Obergeschoss ansehen.
Vom Eingangsbereich führt eine riesige Treppe hinauf in das erste Obergeschoss, wo sich die wichtigsten Büros und Einrichtungen befinden. Die City Hall ist auch ein beliebter Ort für Hochzeiten. So konnte ich während meines Besuchs selbst eine Hochzeitsgesellschaft während ihrer Fotosession beobachten.
Das wohl wichtigste Büro im ersten Obergeschoss ist das des Bürgermeisters von San Francisco. Momentan ist das London Breed, die zweite Frau, die dieses Amt bekleidet. Seit 2018 bekleidet sie den Posten und ist mit dem Wunsch angetreten, vor allem die Wohnsituation vieler Menschen in der Stadt zu verbessern, denn sie selbst stammt auch aus ärmlichen Verhältnissen. Sehr gut zu gelingen scheint es der Demokratin allerdings nicht, wenn man sich die Situation auf dem Civic Plaza so anschaut.
Vor dem Büro stehen die Büsten zwei ihrer Amtsvorgänger. Zum einen ist das George Moscone, der zusammen mit Stadtrat Harvey Milk am 27. November 1978 im Rathaus vom Stadtrat Dan White erschossen wurde. Zum anderen ist es Dianne Feinstein, die hier verewigt wurde. Bevor die Langzeitsenatorin (war von 1992 bis zu ihrem Tod 2023 durchgehend im Amt) den Staat Kalifornien in Washington vertrat, war sie von 1978 bis 1988 die erste Frau im Amt des Bürgermeisters von San Francisco.
Ebenfalls im Rathaus angesiedelt ist ein kleines Museum, das die Geschichte des Gebäudes erzählt. Hier gibt es interessante Ausstellungsstücke aus der Geschichte der ersten und zweiten City Hall zu erfahren.
Zu den Ausstellungsstücken gehören Erinnerungen an den Neubau, natürlich dreht sich einiges um die verschiedenen Funktionen, die so ein Rathaus erfüllt, und dann gibt es noch einen ziemlich großen Bronzekopf, der auf den ersten Blick so gar nicht hierher zu passen scheint. Doch ist genau diese Figur ganz eng mit der Geschichte verbunden. Wer sich weiter oben das Bild der Ruine der alten City Hall genauer anschaut, wird erkennen, dass die obere Kuppel erstaunlich intakt, so auch die Statue, die auf ihrer Spitze steht. Die fast sieben Meter hohe Statue wurde 1896 auf die Kuppel gesetzt und sollte die Göttin des Fortschritts darstellen. Beim Abriss konnte die Statue geborgen werden, fiel dann beim Transport aber vom Wagen, sodass ihr Kopf abbrach. Und genau der ist nun hier im Museum zu finden.
Viele Jahre später, genauer gesagt 1954, ist dieses Foto entstanden, das ebenfalls im Museum hängt und von den meisten Besuchern angeschaut wird. Dass die City Hall ein beliebter Ort zum Heiraten ist, habe ich schon in der Eingangshalle selbst erleben können. Und die wohl berühmteste Trauung in diesen Wänden war die von Marilyn Monroe und Joe DiMaggio. Neben dem Foto ist auch die Hochzeitsurkunde zu sehen.
Zur Weihnachtszeit ist natürlich auch das Rathaus festlich geschmückt. So schaue ich mir noch den Weihnachtsbaum an, der in der kleinen Rotunde im ersten Obergeschoss steht, bevor ich das Gebäude wieder verlasse.
Ich gehe zurück zur Market Street, wo ich die Westfield Shopping Mall besuche, in der jedes Jahr der berühmte „Upsidedown Christmastree” zu finden ist. Inzwischen bin ich froh, dass ich die Möglichkeit hatte, noch einmal hierherzukommen, denn im Sommer 2023 hat auch diese Mall im Herzen San Franciscos geschlossen. Der Abstieg der einstigen Perle am Pazifik nimmt langsam ein beängstigendes Tempo an. Schon bei meinem Besuch sind mir vermehrt die leeren Geschäfte aufgefallen und die immer größer werden Anzahl an Wohnungslosen, die auch auf den einstigen Shoppingmeilen unterwegs ist. Es ist erschreckend, wie schlimm es um San Francisco steht und dass die Stadt anscheinend nicht in der Lage ist, sich wieder aufzurappeln. Was Erdbeben nicht geschafft haben, scheint die Coronapandemie nun zu schaffen, diese einst tolle Stadt zu zerstören.
Im letzten Tageslicht laufe ich zurück zum Union Square. Neben mir rattern die Cable Cars wie eh und je über die Hügel von San Francisco. Noch sind die vollgestopft mit Touristen, doch wer rechts und links schaut, wird auch hier den Absturz der Stadt an vielen Ecken entdecken. Es ist wirklich erschreckend, wenn ich an die Stadt zurückdenke, die ich 1998 zum ersten Mal besucht habe.
Bei meinem Besuch war noch eine gewisse Aufbruchstimmung zu erleben. San Francisco befreite sich langsam aus den Fängen des Lockdowns und auch Weihnachten wurde wieder gefeiert. Doch wenn sich nicht bald etwas ändert, wird die festliche Stimmung wohl auch hier verschwinden. So langsam kippt die Stimmung gewaltig und das ist einfach nur traurig.
Als sich die Nacht langsam über die Stadt senkt, fahre ich noch einmal zum Fishermans Wharf, dorthin, wo der Tag für mich begonnen hat. Auch hier erstrahlt die Stadt in der Weihnachtszeit im festlichen Licht und so schlendere ich ein wenig durch die Gegend. Hier scheint die Welt noch in Ordnung, denn man lebt von den Touristen. Doch die alten Rekorde lassen ebenso noch auf sich warten. San Francisco ist nicht gut durch die Pandemie gekommen, irgendwie fehlt der Spirit, der die Menschen ergriffen hat, wenn sie ihre Stadt nach einem Erdbeben wieder aufbauen mussten.
Ich bummle noch ein bisschen durch die Geschäfte am Pier 39, aber hier gibt es größtenteils nur Ramsch für die Touristen. Doch selbst hier sieht man irgendwie den Niedergang, denn immer wieder stehen Läden leer. Die Mieten sind einfach zu hoch und die Kundschaft zu wenig.
Etwas mehr ist noch im Hard Rock Café los, wo ich heute zu Abend essen will. Auf einen Tisch muss ich jedoch nicht warten, der ist sofort frei.
Nach einer Nacht im traumhaft schönen Palace Hotel geht es für mich schon wieder zurück zum Flughafen. San Francisco wird mich auf dieser Reise zwar noch einmal sehen, doch erst einmal geht es für mich in die Wärme. Zunächst endet die Fahrt aber am Flughafen von San Francisco, wo ich eine weitere Nacht im dortigen Hilton Hotel verbringe.
Das Hotel selbst ist nichts Besonderes, hat aber eine sehr schöne Lage direkt an der Bucht von San Francisco. Direkt nebenan gibt es den kleinen Robert E. Woolley State Park, in dem ich mir gut die Beine vertreten kann.
Park und Hotel grenzen an die kleine Anza Lagune, die ein ausgewiesenes Angelrevier ist, in dem ich aber auch schön die Gezeiten beobachten kann.
Ganz in der Ferne ist sogar San Francisco zu erkennen und ich kann einige der markanten Gebäude der Stadt ausmachen.
Einen richtig tollen Blick habe ich von hier aber auch auf die Einflugschneise des Flughafens von San Francisco. Der Anflug erfolgt hier parallel über dem Wasser und so kann ich die landenden Flugzeuge wunderbar beobachten. Darunter ist übrigens auch eine Boeing 777 von Swiss, mit der ich vor einigen Tagen selbst hier gelandet bin.
Damit endet der erste Teil meines Besuchs in San Francisco. Auf dieser Reise habe ich mich gegen einen Mietwagen in Kalifornien entschieden, denn im Gegensatz zu den erstaunlich günstigen Hotels in San Francisco waren die Mietwagenpreise zu jener Zeit astronomisch hoch. Für mich geht es nun weiter in mein geliebtes Inselparadies Hawaii, doch davon erzähle ich im nächsten Kapitel.