Tag 2 und 3: Mittwoch, 29. Dezember 2021 und Donnerstag, 30. Dezember 2021
City by the Bay – San Francisco – Teil 1
“San Francisco is a golden handcuff with the key thrown away.” – John Steinbeck
San Francisco habe ich schon oft besucht. Meine erste Reise in die kalifornische Stadt liegt inzwischen fünfundzwanzig Jahre zurück. Einiges hat sich seitdem verändert, anderes ist geblieben, sodass ich auch bei diesem Besuch einige Klassiker angesteuert habe und dazu Orte, die ich bisher noch nicht kannte.
Zwei Tage habe ich nun Zeit, die City by the Bay zu erkunden. Doch zunächst muss ich in die Stadt kommen. Und da bietet sich die BART an, die den Flughafen mit der Stadt verbindet. Im Jahr 1972 wurde die erste Strecke eröffnet und inzwischen verbinden fünf Linien viele Vororte und eben auch den Flughafen mit der Stadt.
In San Francisco steige ich lieber auf ein anderes Verkehrsmittel um, die berühmte Cable Car. Mit acht Dollar ist das Ticket inzwischen nicht gerade günstig, aber der Spaß ist es mir wert.
An der Endstation der Ecke Powell und Market Streets schaue ich zunächst den Mitarbeitern zu, wie sie die Wagen auf der Drehscheibe umdrehen. Es ist immer wieder interessant zu beobachten, dass das bis heute Handarbeit ist und mit Muskelkraft funktioniert.
Dann heißt es aber: „Alle einsteigen!”. Und zu morgendlicher Stunde klappt das noch auf Anhieb. Später am Tag sind die Schlangen oft so lang, dass man erst mit der dritten oder vierten Bahn mitkommt. Jetzt aber ist das kein Problem und ich bekomme sogar einen Sitzplatz im Außenbereich. Eigentlich hänge ich auch gerne an den Standen, doch Ende Dezember ist es in San Francisco schon etwas frisch, sodass ich dieses Mal lieber auf der Bank sitze.
Und los geht die Fahrt. Es ist immer wieder faszinierend den „Gripman” zuzusehen, wie sie den Wagen die steilen Hügel von San Francisco hinauf und wieder herunter steuern. Dabei passieren die Cable Car auch so manches berühmte Gebäude wie das St. Francis Hotel.
An den Kreuzungen muss manchmal auch das Cable Car halten, denn eine Ampel springt auf Rot. Das erfordert Geschick und Präzision, denn dann heißt es auf den steilen Hügeln abzubremsen, um halten zu können.
Die Powell & Hyde Linie ist übrigens die längste Linie, die man mit dem Cable Car fahren kann. Sie endet direkt am Wasser und auch hier kann man beobachten, wie die Wagen von Muskelkraft gedreht werden.
Gleich hinter der Station liegt der Maritime Garden, von wo ich über die Bucht bis zur Golden Bridge schauen kann.
Ich laufe nun weiter Richtung Westen, an den historischen Pieranlagen vorbei und ebenso an vielen Geschäften und Restaurants, die heute in einigen der alten Lagerhäuser zu finden sind. So komme ich auch am historischen Pier 43 Ferry Arch vorbei. Unter dem Bogen befindet sich eine alte Hebevorrichtung, die 1914 erbaut wurde, um Eisenbahnwagons auf Fähren zu verladen.
Von hier habe ich auch einen besonders schönen Blick auf die Gefängnisinsel Alcatraz, die von 1934 bis 1963 in Betrieb war und als Hochsicherheitsgefängnis betrieben wurde.
Ich laufe jedoch weiter, bis ich den Pier 39 erreiche. Auch hier befanden sich einst Bootsanleger, heute ziehen allerdings eher die Geschäfte und Restaurants die Besucher an. Von der äußeren Plattform, wo es etwas ruhiger zugeht, habe ich einen schönen Blick auf die Piers und die dahinter liegende Stadt. Sogar die Golden Gate Bridge kann ich von hier sehen.
Die heimlichen Stars von Pier 39 sind aber die Seelöwen, die sich auf einigen Anlegeplätzen neben dem Pier angesiedelt haben. Die Tiere sind noch gar nicht so lange hier, erst seit 1989 kommen sie regelmäßig in das Hafenbecken. Damals, kurz nach einem schweren Erdbeben, war es ruhig im Hafen, da es zahlreiche Schäden gab, und so nutzen die Seelöwen die verlassenen Piers für Ruhepausen.
Zunächst war das übrigens gar nicht gerne gesehen, denn als die Reparaturen abgeschlossen waren, wollten die Tiere trotzdem nicht weichen. Die Bootsbesitzer aber hatten Schwierigkeiten, sicher an den bis zu 450 Kilogramm schweren Tieren vorbeizukommen. Schließlich wurde dieser Teil des Hafens geschlossen und den Tieren überlassen.
Doch durch das Gewicht der Tiere, es kamen anfangs nur rund zehn Seelöwen, später bis zu vierhundert, wurde der alte Pier immer mehr in Mitleidenschaft gezogen. Teile der Holzkonstruktion wurden sogar unter Wasser gedrückt. So wurde 1995 beschlossen, die gesamte Steganlage abzureißen und durch Potons zu ersetzen.
Es ist übrigens trotzdem nicht ganz selbstverständlich, die Tiere immer hier anzutreffen. Ich habe es selbst schon erlebt, dass die Potons fast gänzlich leer waren. Besonders im Winter kann es vorkommen, dass die Tiere die Bucht verlassen und ihre Winterlager woanders aufschlagen. Normalerweise verlassen aber nicht alle Seelöwen ihren sicheren Rückzugsort, denn in der Bucht finden sie reichhaltig Futter, sind aber gleichzeitig vor Feinden wie den Killerwalen geschützt.
Nach einiger Zeit verlasse ich den Pier wieder und gehe zurück zur Straße. Hier fährt gerade eine der historischen Straßenbahnen vorbei, die am Embacadero verkehren. Sie sind zwar nicht so berühmt wie die Cable Cars, doch eine Fahrt macht ebenso Spaß und ist noch dazu um einiges günstiger zu haben.
Die Strecke, die die Straßenbahnen befahren, ist nicht historisch gewachsen, sondern wurde in den 1980er Jahren extra für diese Züge gebaut. Auch die historischen Fahrzeuge stammen nicht aus San Francisco, sondern aus aller Welt. Die erste Bahn stammte aus Hamburg, ist aber heute nicht mehr in Betrieb. Der regelmäßige Betrieb der heutigen Strecke wurde sogar erst 1995 aufgenommen und die Verlängerung zum Fishermans Wharf, dort wo ich gerade einsteige, erst im Jahr 2000 eröffnet. Die heutigen Züge stammen übrigens aus Mailand und wurden dort in den 1920er Jahren gebaut. In San Francisco rattern sie nach über hundert Jahren immer noch über die Straßen.
Auf ihrem Weg durch die Stadt kommen die Straßenbahnen am historischen Ferry Building vorbei, einem der Wahrzeichen von San Francisco. Besonders berühmt ist der große Turm, der dem der Giralda, der Kathedrale von Sevilla, nachempfunden wurde. Die große Turmuhr dagegen spielt tagsüber jede volle und halbe Stunde einen Teil des Westminsterschlags.
Wer einmal um das Gebäude herumläuft, wird mit einem anderen Ausblick belohnt, dem auf die Oakland Bay Bridge. Sie ist die wichtigere der beiden großen Brücken der Stadt, ist aber weit weniger bekannt wie die ikonische Golden Gate Bridge. Die Brücke wurde ursprünglich 1936 eröffnet und besteht eigentlich aus zwei Teilen, denn in der Mitte führt sie über die Insel Yerba Buena Island. Wie man sehr schön im Bild sehen kann, besteht auch der westliche Teil nochmals aus zwei Hängebrücken mit jeweils zwei Pylonen, die in der Mitte zusammengeführt wurde. Trotz diverser Umbauten und Modernisierungen sieht der westliche Abschnitt der Brücke auch heute noch wie 1936 aus.
Aber zurück zum Ferry Building, das ein gar bemerkenswertes Bauwerk ist. Im Jahr 1898 wurde es eröffnet und ersetzte einen Vorgängerbau aus Holz. Selbst die zwei großen Erdbeben von 1906 und 1989, die beide großen Schaden in der Stadt anrichteten, konnten dem Ferry Building so gut wie nichts anhaben. Bis zur Fertigstellung der Golden Gate und der Oakland-Bay Bridge in den 1930er Jahren war das Gebäude nach dem Londoner Bahnhof Charing Cross der zweitgrößte Umschlagplatz der Welt.
Zwar wird das Gebäude bis heute als Fährterminal genutzt, viele Jahre wurde es jedoch vernachlässigt, da man einen solch großen Bau nicht für die Abfertigung von Personenfähren benötigte und Fracht nicht mehr auf Fähren befördert wurde. Erst 2004 begann eine umfassende Renovierung, die das Ferry Building wieder wie 1898 erstrahlen lassen sollte.
Zusätzlich wurde im Gebäude Büros und Geschäfte eingerichtet. So kann man heute durch Feinschmeckergeschäfte der gehobenen Preisklasse bummeln und interessante Köstlichkeiten mit nach Hause nehmen.
Nach diesem schönen Stopp geht es für mich zurück zur Straßenbahnhaltestelle. Gegenüber erheben sich schon die ersten Hochhäuser nahe der Market Street, auf der auch ich meine Fahrt fortsetzen werde.
Doch von dieser Fahrt und weiteren Entdeckungen erzähle ich erst im zweiten Teil dieses Kapitels. Dann finde ich unter anderem heraus, was Marilyn Monroe mit San Francisco verbindet und bekomme einen sehr schönen Einblick in die City Hall.