Tag 10: Samstag, 05. Januar 2019
Jeannie in a Bottle – Vero Beach nach Orlando
“I live in Florida, and when people ask how close to the beach I am, I say, ‘Twelve minutes or twelve hours. Depends on which beach you want to go to.’” – Jarod Kintz
Heute merke ich den Wetterumschwung, denn morgens ist es zum ersten Mal frisch. Sicherlich kein Grund zu Beschwerde, aber es ist schon ein Unterschied, ob es 22 Grad oder eben nur 15 Grad sind, wenn man zum ersten Mal aus der Tür tritt. Ein paar Wolken sind auch immer noch am Himmel zu sehen, die mich zumindest noch am Vormittag begleiten. Recht bald verlasse ich Vero Beach und folge der A1A in nördlicher Richtung. Der Weg führt mich immer wieder über Brücken, die die einzelnen vorgelagerten Inseln verbinden.
Im Süden von Melbourne Beach stoße ich auf die Juan Ponce de Leon Landing Site, die an den spanischen Seefahrer erinnert, dem die Entdeckung Floridas zugerechnet wird.
Lange wurde zwar geglaubt, dass der Seefahrer zuerst nördlich von St. Augustine an Land ging, doch neuere Untersuchungen widersprechen dieser These und haben herausgefunden, dass es wahrscheinlicher ist, dass Juan Ponce de Leon hier zum ersten Mal Florida betrat.
Nachdem ich mich an der kleinen Gedenkstelle umgesehen habe, laufe ich noch über die Dünen zum Strand. Lange halte ich mich jedoch nicht auf, denn momentan pfeift hier ein recht kalter Wind. Da sind die Auswirkungen der Kaltfront doch zu spüren.
Dann geht es immer weiter nach Norden. Ich komme durch Melbourne und sehe plötzlich aus dem Augenwinkel ein großes Flugzeug neben der Straße und am Straßenrand auch einige parkende Autos und Menschen mit Fotoapparaten. Ich drehe also kurzerhand um, fahre zurück und staune nicht schlecht, denn das ist tatsächlich die Air Force One, die Präsidentenmaschine, die hier auf dem kleinen Flughafen von Melbourne steht.
Durch den Maschendrahtzaun geht das mit dem Fotografieren nicht so gut, aber wozu ein SUV nicht gut sein kann. Die Höhe reicht genau aus, als ich mich auf den Rahmen der Tür stelle. So kann ich über den Zaun hinweg fotografieren.
Noch ein Stück weiter nördlich liegt dann Cocoa Beach. Berühmt wurde der kleine Badeort durch die Fernsehserie „Bezaubernde Jeannie” mit Barbara Eden und Larry Hagman. Der Serie zu Ehren gibt es deshalb die „I dream of Jeannie Lane”.
Und noch eine weitere Attraktion gibt es in Cocoa Beach, den Ron Jon Surf Shop. Ursprünglich 1959 in New Jersey von Ron DiMenna gegründet, ist die Filiale in Cocoa Beach derzeit die größte und das Hauptquartier der Firma, die sich vor allem auf Surfbretter und Surfzubehör aber auch andere Strandartikel spezialisiert hat. Besonderes Markenzeichen ist, dass der Laden immer geöffnet ist.
Das Gelände vor dem Geschäft ist toll gestaltet und auf jeden Fall sehenswert. Zahlreiche Skulpturen zeigen berühmte Surfer auf ihren Brettern und auch andere Sportarten haben inzwischen einen Platz gefunden.
Das Areal um den Shop wurde in den letzten Jahren kräftig umgebaut und modernisiert. So gibt es jetzt mehrere Geschäfte, Cafés und sogar ein Hotel gleich nebenan.
Von Cocoa Beach fahre ich nun ins Landesinnere. Das Kennedy Space Center und die Canaveral National Seashore lasse ich links liegen, denn beides habe ich schon mehrmals besucht. An Orlando vorbei, fahre ich bis in das Städtchen Clermont, das für mich eine ganz besondere Bedeutung hat. Hier in Clermont habe ich 1996 meinen ersten Sommer in Florida verbracht. Damals bei einer Gastfamilie, die allerdings längst nicht mehr hier wohnt. In den fast 25 Jahren hat sich das Städtchen auch ganz schön verändert. Die Wohngebiete haben sich ausgedehnt und noch mehr Zitrusfelder, für die die Gegend einst berühmt war, sind verschwunden. Ein bisschen Vergangenheit wird jedoch im Historic Village von Ehrenamtlern am Leben gehalten.
Als ich 1996 zum ersten Mal in Clermont war, existierte das Museum noch gar nicht. Im selben Jahr wurde gerade mal das Gelände mit einigen der historischen Gebäude von der Stadt gekauft. Erst zwei Jahre später wurde die South Lake County Historical Society gegründet, die das Museum immer noch betreibt.
Das erste Haus, das ich besichtige, ist das Townsend House. Als es um 1895 gebaut wurde, stand es am heutigen Highway 50, den ich schon vor 25 Jahren immer mit meiner Gastmutter gefahren bin. Allerdings war die Gegend zu jener Zeit noch deutlich weniger besiedelt, doch der Zuzug nach Florida ist immer stärker geworden und so wurde das Haus, um es vor dem Abriss zu retten, im Jahr 2002 hierher auf das Museumsgelände versetzt.
Seit 2005 kann das Townsend House nun von Besuchern angeschaut werden und präsentiert sich wieder wie vor 120 Jahren. Es gibt keine Elektrizität oder fließendes Wasser, dafür aber jede Menge historische Gerätschaften.
Ich kann im eigenen Tempo und allein durch das Haus laufen. Selbst Fotografieren ist hier überhaupt kein Problem. Ab und zu schaut ein Volunteer vorbei und so bekomme ich auch einige Fragen beantwortet.
Hinter dem Haus befindet sich dann noch das Outhouse, denn auch wenn es bereits ein rudimentäres Badezimmer gab, so war die Toilette noch immer abgetrennt.
Ein zweites Haus, das zur Besichtigung offen steht, ist das Kern House. Ebenfalls um 1895 gebaut, stand es einst an der Montrose Street im alten Stadtkern und kam 2008 auf das Gelände des Museums.
Das Kern Haus ist deutlich luxuriöser ausgestattet als das Townsend House und spiegelt so den Lebensstil der besser verdienenden Bewohner wider.
Die Wohnräume des Kern Hauses erstrecken sich über zwei Etagen, die auch komplett besichtigt werden kann. So befinden sich die Schlaf- und Kinderzimmer hier im ersten Obergeschoss.
Besonders interessant finde ich das tolle Puppenhaus, das hier ausgestellt ist. Mit viel liebe zum Detail ist es im Stil des Hauses eingerichtet, in dem es sich befindet.
Ein weiteres Gebäude auf dem Museumsgelände ist das Herring Hooks School House. Die kleine Einraumschule wurde ursprünglich 1881 als Jagdhütte gebaut und später zu einer Schule umfunktioniert. Zum Museum kam das Gebäude erst im Jahr 2013 und steht seitdem den Besuchern offen.
Zu den weiteren Gebäuden des Historic Village gehören ein kleines Museum sowie eine Bibliothek, in der einige historische Aufnahmen aus Clermont zu sehen sind.
Und es gibt eine kleine Schar an Hühnern, die das Museumsgelände rund um die historischen Gebäude bewohnen.
Bevor ich das Gelände verlasse, schaue ich noch am alten Bahnhofsgebäude vorbei, das als einziges Gebäude schon immer an diesem Platz stand. Innen ist bisher nichts zu sehen, doch das Haus selbst wurde umfassend renoviert und war sozusagen der Ausgangspunkt für das Museum.
Der Landkreis, in dem Orlando liegt und an den Lake County und Clermont anschließen, heißt sogar Orange County und das kommt nicht von ungefähr. In der ganzen Gegend gab es einst riesige Orangenplantagen, von denen nur noch wenige erhalten geblieben sind. Zu sehr haben sich Orlando und angrenzende Orte ausgedehnt und das Gebiet wurde immer mehr zugebaut. Eine der ersten Touristenattraktionen der Gegend war der Citrus Tower, der einen Blick über die Landschaft ermöglicht.
Unzählige Male bin ich damals, als ich hier für eine Weile gelebt habe, an dem großen Turm vorbeigefahren, doch hinauf gekommen bin ich nie. Ich weiß gar nicht, ob das damals möglich war. Heute ist der Aussichtsturm jedoch geöffnet und so will ich endlich erkunden, wie denn der Blick von der Turmspitze ist.
Nachdem ich ein Ticket im Shop am Fuße des Turms gekauft habe, geht es mit einem Fahrstuhl nach oben. Gebaut wurde der 69 Meter hohe Turm im Jahr 1956, damit Besucher die Aussicht über die Orangenfelder genießen konnten.
Orangenfelder sind heutzutage jedoch nicht mehr zu sehen. Egal in welche Richtung ich schaue, das Land ist besiedelt und es gibt einige Grünflächen und Gewässer. Zwar ist der Orangenanbau noch immer ein Industriezweig in Florida, doch die Früchte werden jetzt in weiter abgelegenen Gebieten mit dünner Besiedlung angebaut. Rund um Orlando sind die Bäume mit den Zitrusfrüchten so gut wie verschwunden.
In den ersten zehn Jahren war der Turm ein absoluter Besuchermagnet. Rund 500.000 Menschen besuchten die Aussichtsterrasse jährlich, doch 1964 wurde die Schnellstraße Florida Turnpike verlängert und so kamen weniger Menschen hier vorbei. Zusätzlich nahm die Orangenproduktion der Region sehr großen schaden durch drei Frostwinter in den Jahren 1983, 1985 und 1989. Später sollte besonders das Jahr 1985 als „The Freeze of the Century”, der Frost des Jahrhunderts, in die Geschichtsbücher eingehen. Über neunzig Prozent der Zitrusbäume wurden in jenem Jahr zerstört.
Neben dem Fahrstuhl gibt es noch einen Coin Drop. Es wird eine Münze in den Schlitz geworfen und man kann dann hören, wie sie die gesamten 69 Meter nach unten fällt.
Etwas verwirrend war für mich übrigens die Farbe, hatte ich den Turm doch in Weiß und Türkis in Erinnerung. Aber das sollte sich als korrekt herausstellen, den der damalige Eigentümer Greg Homan ließ den Turm 1995 in jenen Farben streichen. Erst 2015 kam der originale Anstrich in Weiß und Orange zurück.
Gleich neben dem Citrus Tower befindet sich die Presidents Hall of Fame, die ich heute leider nur noch von außen anschauen kann, denn es ist bereits geschlossen.
Laut der Tafel vor der Tür erzählt das Museum die Geschichte der bisherigen 45 Präsidenten der USA und besitzt sogar ein Modell des gesamten weißen Hauses.
Ob das interessant ist, kann ich nicht beurteilen, aber vor der Tür kann ich das Lincoln Memorial sowie Mount Rushmore in Miniatur besichtigen. Allerdings finde ich diese zwei Nachbildungen nicht so ganz gelungen.
Am späten Nachmittag kehre ich nach Orlando zurück, wo ich heute in einem Schloss übernachten will. Nein, nicht im Dornröschenschloss in Disney World, sondern im Castle Hotel am International Drive. Das Hotel gehört seit 2013 zur Marriott Autograph Collection und so bin ich bei meiner Hotelsuche darauf gestoßen.
Die Lobby ist dann schon mal recht eigenwillig mit viel Glanz und Gloria ausgestattet. Leider können die Zimmer da nicht ganz mithalten. Besonders schade finde ich, dass sie ziemlich dunkel wirken.
Richtig cool sind hingegen die zwei Aussichtsterrassen auf dem Dach, von denen ich einen tollen Blick über Orlando habe und sogar das Feuerwerk in Disney World sehen kann.
Den Abend verbringe ich heute mal nicht auf dem Zimmer, sondern ich mache noch einen Ausflug. Schließlich gibt es in einer Stadt wie Orlando auch am Abend noch genügend Angebote. So führt mich der Weg nach Disney Springs, einem Entertainment und Shoppingkomlex, der 1975 unter dem Namen Lake Buena Vista Shopping Village gegründet wurde.
Das fast fünfzig Hektar große Areal besteht aus vier Bereichen Marketplace, The Landing, Town Center und West Side, die alle zu Fuß erkundet werden können. Den Namen Disney Springs trägt das Gelände erst seit einer umfassenden Renovierung und Vergrößerung im Jahr 2013. Seitdem gibt es auch eine deutlich verbreiterte Anfahrt und mehr Parkplätze, die an einem geschäftigen Samstagabend wie heute absolut notwendig sind.
Auf dem Gelände entdecke ich einen Stand der Poutine verkauft, die ich in Quebec kennen und lieben gelernt habe. Doch leider ist Erlebnis hier wenig befriedigend. Es ist nur teuer und schmeckt dafür gar nicht. Schade. Wenigstens der Frozen Yogurt zum Nachtisch ist lecker.
Richtig beeindruckend ist dann der große Lego Store mit den überlebensgroßen Lego Figuren, die rundherum aufgestellt sind. Da gibt es Drachenbezwinger, Star Wars, Toy Story oder Cinderella zu sehen.
Ein weiteres Erlebnis ist eine Sonderausstellung im hinteren Bereich der Anlage. Auch wenn die erste Januarwoche schon fast herum ist, so ist hier noch der Christmas Tree Trail geöffnet, den ich mir natürlich nicht entgehen lasse. Zusehen sind Weihnachtsbäume, die jeweils im Stil eines berühmten Disney Films geschmückt sind.
Beim Betrachten der Bäume kann man wirklich seine Kenntnisse über die zahlreichen Disneyfilme auffrischen, die in der Geschichte des Konzerns entstanden sind. Und wer sich nicht an jeden erinnert, für den hilft das Schild, das hinter den Bäumen angebracht wurde.
Richtig toll finde ich immer wider die Liebe zum Detail, mit der die Bäume geschmückt wurden. So ist die jeweilige Geschichte mit ein bisschen Kenntnis des Films doch immer zu erraten.
Nach dem Besuch der Ausstellung schlendere ich noch ein wenig über das Gelände und schaue in das ein oder andere Geschäft, bevor ich zum Auto zurückgehe und wieder in mein Schloss fahre.
Meilen: 217
Wetter: sonnig, 60–79 F
Hotel: Castle Hotel, Autograph Collection, Orlando