End of Summer – Madrid und Südengland

Tag 8 – Mitt­woch, 29. August 2018
Bucket List – Twicken­ham nach Croydon

„Yes, your home is your cast­le, but it is also your iden­ti­ty and your pos­si­bi­li­ty to be open to others.” – David Soul 

High­cle­re Cast­le steht schon lan­ge auf mei­ner Liste der Her­ren­häu­ser, die ich ger­ne besu­chen möch­te. Dabei bin ich noch nicht ein­mal Down­ton Abbey Fan, son­dern fin­de das Anwe­sen nur ein­fach so inter­es­sant. Ganz ein­fach ist es aber nicht hier­her­zu­kom­men, denn wegen der gro­ßen Bekannt­heit durch die Fern­seh­se­rie ist das Her­ren­haus ein wah­rer Publi­kums­ma­gnet und die Tage, an denen es geöff­net ist, ganz schnell ausverkauft.

Inzwi­schen ist es fast nur noch mög­lich, ein Ticket vor­zu­be­stel­len, spon­ta­ne Besu­che sind nur mit viel Glück mög­lich – es sei denn, man hat eine Mit­glied­schaft des HHA. Mit der kann man näm­lich kom­men, wann man will und muss dann nur auf die näch­ste freie Ein­lass­zeit im Haus war­ten. So bin auch ich heu­te nach High­cle­re unter­wegs. Ich fah­re aller­dings gleich zur Öff­nung hin, da ich nicht zu lan­ge auf ein Haus­ticket war­ten will. Außer­dem zah­le ich noch den Auf­preis für die ägyp­ti­sche Ausstellung.

Das Land, auf dem sich High­cle­re befin­det, ist schon im Doo­mes­day Book auf­ge­führt und bereits seit 1692 im Besitz der Fami­lie Her­bert. Schon lan­ge stand hier ein Schloss, das der 3. Earl of Car­nar­von aller­dings von 1839 bis 1842 neu bau­en ließ. Archi­tekt war Sir Charles Bar­ry, der auch die Plä­ne für den West­min­ster Palace, das heu­te Par­la­ment, ent­warf. Der Innen­aus­bau wur­de jedoch erst von sei­nem Sohn im Jahr 1878 voll­endet. Heu­te ist High­cle­re Cast­le das Heim des 8. Earl of Car­nar­von und sei­ner Fami­lie. Und so besteht lei­der im gesam­ten Gebäu­de mal wie­der Fotoverbot.

Sehr inter­es­sant ist neben dem Her­ren­haus auch die ägyp­ti­sche Aus­stel­lung. Der 5. Earl of Car­nar­von finan­zier­te ver­schie­de­ne Aus­gra­bun­gen in Ägyp­ten und arbei­te mit Howard Car­ter, dem Ent­decker des Gra­bes von Tuten­cha­mun zusammen.

Die Gar­ten­an­la­ge wur­de vom berühm­ten Land­schafts­ar­chi­tek­ten Capa­bi­li­ty Brown ange­legt und ent­hält eini­ge sehr inter­es­san­te Bau­wer­ke. Dazu gehört ein Por­tal aus korin­thi­schen Säu­len, das aus dem 1743 abge­ris­se­nen Devon­shire Hou­se in Lon­don hier­her gebracht wurde.

Mein Besuch von High­cle­re Cast­le dau­ert mehr als vier Stun­den und ich habe längst noch nicht alles gese­hen, da ich Tei­le des Parks nicht besucht habe. Auf jeden Fall wer­de ich hier noch ein­mal her­kom­men, denn High­cle­re ist auf jeden Fall eines der impo­san­te­sten Her­ren­häu­ser Eng­lands und dazu muss man kein Down­ton Abbey Fan sein.

Die Aus­fahrt vom Gelän­de führt dann über eine ande­re Strecke als die Ein­fahrt. Die­ses Mal fah­re ich noch ein gan­zes Stück über das Anwe­sen und ent­decke dabei noch die­ses inter­es­san­te Gebäu­de, bevor ich High­cle­re Cast­le durch ein wei­te­res Tor verlasse.

Ich über­le­ge kurz, was ich am heu­ti­gen Nach­mit­tag noch machen möch­te. Zwar habe ich ein Hotel im Süden Lon­dons gebucht, doch der Him­mel sieht im Nor­den viel bes­ser aus. Und so fah­re ich noch ein klei­nes Stück Rich­tung Nor­den, bevor ich Brough­ton Cast­le errei­che, das eben­falls Mit­glied beim HHA ist.

Brough­ton Cast­le ist noch heu­te der pri­va­te Wohn­sitz der Fami­lie Twisleton-​Wykeham-​Fiennes, Baro­ne Saye and Sele. Bereits seit 1377 ist das Anwe­sen in Fami­li­en­be­sitz. Im Jahr 1300 wur­de es von John de Brough­ton gebaut, bevor es Wil­liam von Wyke­ham, der Bischof von Win­che­ster war, kauf­te. Im Jahr 1451 fiel Brough­ton Cast­le durch Ver­er­bung an die Fami­lie Fien­nes, Baro­ne von Saye and Sele und rund 100 Jah­re spä­ter wur­de das Wohn­haus im Tudor­stil umge­baut, in dem es noch heu­te zu sehen ist. Betre­ten aber wird die Anla­ge noch immer doch ein Tor­haus, vor dem eine Brücke den Burg­gra­ben überspannt.

Das Haus ist heu­te nur zu Tei­len von der Fami­lie bewohnt, die Räu­me, die der Öffent­lich­keit zugäng­lich sind, wer­den nur noch zu beson­de­ren Anläs­sen genutzt. Sehr gut gefällt mir, dass ich mich auf eige­ne Faust umse­hen und auch nach Her­zens­lust foto­gra­fie­ren darf. Und da sich die Son­ne gera­de hin­ter ein paar Wol­ken ver­steckt, schaue ich mit gleich ein­mal das Haus an.

Durch den Haupt­ein­gang gelan­ge ich zuerst in den Rit­ter­saal. Die­ser Raum war der Mit­tel­punkt des Hau­ses im 14. Jahr­hun­dert. Über dem Kamin hängt das Por­trät von Wil­liam von Wyke­ham, der das Haus für die Fami­lie kaufte.

Durch ein klei­nes Speisezimmer …

… gelan­ge ich in das Ess­zim­mer des Hau­ses. Hier trifft sich die Fami­lie auch heu­te noch zu beson­de­ren Anläs­sen und Festlichkeiten.

Dann geht es wei­ter durch ver­schie­de­ne inter­es­sant aus­ge­stal­te­te Flure.

Das erste Schlaf­zim­mer, das ich besich­ti­ge, ist der Queen Annes Room. Er ist nach Köni­gin Anne von Däne­mark, der Frau von James I. und Mut­ter von Charles I. benannt. Sie über­nach­te­te hier mit ihrem älte­sten Sohn Prinz Hen­ry im Jahr 1608.

Gleich neben­an befin­det sich ein wei­te­res, etwas klei­ne­res Schlaf­zim­mer, das eben­falls mit einer kost­ba­ren Tape­te aus­ge­stat­tet ist.

Ein recht außer­ge­wöhn­li­cher Raum ist das Schlaf­zim­mer des Königs. In die­sem Raum über­nach­te­te schon James I. im Jahr 1604 und fast 300 Jah­re, im Jahr 1901, spä­ter Edward VII. als er noch Prinz von Wales war. Wäh­rend die Tape­te schon 1880 aus Chi­na impor­tiert wur­de, stammt das Bett erst aus dem Jahr 1992.

Die gro­ße Gale­rie erstreckt sich über den gesam­ten Mit­tel­teil des Hau­ses. Zu sehen sind hier Fami­li­en­por­träts aus dem 16.–19. Jahr­hun­dert. Der Tep­pich war übri­gens das Geschenkt einer ande­ren Film­crew, die hier Three Men and a litt­le Lady drehte.

In einem wei­te­ren Raum ist eine klei­ne Biblio­thek ein­ge­rich­tet. Außer­dem sind hier die Tala­re zu bewun­dern, die der Vis­count und sei­ne Frau zur Königs­krö­nung trugen.

Beson­ders bemer­kens­wert sind vie­le der Decken, die im Zuge der Restau­rie­rung im 19. Jahr­hun­dert wie­der her­ge­stellt wurden.

Über ein Trep­pen­haus stei­ge ich immer wei­ter nach oben, bis ich in ein Turm­zim­mer gelan­ge, das einen schö­nen Aus­blick bietet.

Doch hier ist noch nicht Schluss, denn über eine Tür kann ich dem Her­ren­haus im wahr­sten Sin­ne des Wor­tes aufs Dach stei­gen und die Aus­sicht von hier genießen.

Den­sel­ben Weg geht es dann wie­der nach unten und ich set­ze die Besich­ti­gung fort.

Zum Schluss kom­me ich noch in das gro­ße Eichen­zim­mer. Die­ser Teil des Hau­ses wur­de im 16. Jahr­hun­dert hin­zu­ge­fügt. Und wem der Raum nun bekannt vor­kommt, der irrt nicht, denn hier wur­den schon eini­ge Fil­me wie Shake­speare in Love oder Jane Eyre gedreht.

Im Anschluss an die Haus­be­sich­ti­gung gehe ich in den schö­nen Gar­ten. Die­ser wur­de haupt­säch­lich von Lady Alger­non Gordon-​Lennox gestal­tet, die um 1900 hier als Mie­te­rin lebte.

Gleich neben Brough­ton Cast­le liegt die St. Marys Church, die ich auch noch besich­ti­ge. Die Kir­che ist von einem histo­ri­schen Fried­hof umge­ben und kann auch von innen ange­schaut werden.

In der Kir­che sind auch die Grab­stät­ten ver­schie­de­ner Fami­li­en­mit­glie­der von Brough­ton Cast­le zu sehen.

Nach­dem ich aus der Kir­che kom­me, will ich zu mei­nem Auto gehen. Fast alle ande­ren Fahr­zeu­ge sind schon weg, denn ich bin bis zur Schlie­ßung geblie­ben. Doch da gibt es ein Pro­blem. Mein Auto ist bela­gert. Zwei Jung­bul­len machen sich an den unzäh­li­gen Insek­ten, die an der Auto­front kle­ben, zu schaf­fen. Doch nicht nur das, rund­her­um ste­hen auch aus­ge­wach­se­ne Rin­der und die haben ganz schön lan­ge Hörner.

Rich­tig pro­ble­ma­tisch wird es aber erst mit die­ser Mut­ter­kuh. Sie sieht mich irgend­wie also Gefahr für ihren Nach­wuchs und ver­sucht ihr Revier zu ver­tei­di­gen. Das sieht dann so aus, dass sie in Angriffs­po­se zwi­schen mir und mei­nem Auto steht. Lei­der ist auch sonst nie­mand zu sehen, sodass guter Rat teu­er ist.

Ich blei­be eine gan­ze Wei­le ruhig ste­hen, sodass sie sich wie­der ihrem Nach­wuchs zuwen­det. Dann gehe ich in einem gro­ßen Bogen ganz lang­sam zu mei­nem Auto. Ein­stei­gen geht aller­dings nur über die Bei­fah­rer­sei­te. Als ich die Tür geschlos­sen habe, atme ich erst ein­mal tief durch. Als ich den Motor star­te, ist die Kuh sofort wie­der in Angriffs­po­se und mar­schiert auf mich zu. Zum Glück ist das Auto dann ja etwas schnel­ler, sodass ich zügig das Anwe­sen verlasse.

Nun folgt erst ein­mal eine län­ge­re Fahrt auf der Auto­bahn. Auf dem Ring um Lon­don, der M25, fah­re ich ein­mal um die hal­be Stadt, um zu mei­nem Hotel zu kom­men. Für heu­te Abend habe ich ein Zim­mer in Croy­don reser­viert. Das Hotel ken­ne ich eben­falls schon und es liegt für mei­ne mor­gi­gen Plä­ne sehr gut.

Zum Abend­essen hole ich mir heu­te etwas aus dem nahen Sains­bu­ry, bevor ich noch ein paar letz­tes Pla­nun­gen für mor­gen voll­ende und noch ein­mal das Wet­ter über­prü­fe. Wenn ich schon den hohen Ein­tritt für einen Ort bezah­le, der weder HHA, Natio­nal Trust noch Eng­lish Heri­ta­ge ist, dann will ich wenig­stens eini­ger­ma­ßen gutes Wet­ter haben.

Mei­len: 211
Wet­ter: 16–21 Grad, bewölkt
Hotel: Hil­ton Croydon

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