Suite Dreams – Kreuz und quer durch Westeuropa


Tag 6: Diens­tag, 27. August 2019
Ain’t no Tower high enough – Madrid nach Hamburg

„Wie oft sind es erst die Rui­nen, die den Blick frei­ge­ben auf den Him­mel.” – Vik­tor Emil Frankl

Viel geschla­fen habe ich nicht, als der Wecker und halb fünf schon wie­der klin­gelt. Wer hat sich das denn nur aus­ge­dacht? Ach ja, das war ja ich, aber natür­lich unter ande­ren Vor­aus­set­zun­gen, denn eigent­lich hät­te ich ja genug Zeit für eine aus­ge­dehn­te Nacht­ru­he gehabt. Aber es hilft alles nichts, ich muss schon wie­der raus aus den Federn, auch wenn ich nur rund zwei Stun­den geschla­fen habe. Heu­te früh ist das Wet­ter in Madrid natür­lich per­fekt und es gibt kei­ner­lei Verspätungen. 

So geht es dann gegen halb sechs wie­der zurück zum Flug­ha­fen. Die­ses Mal fährt auch der Shut­tle­bus, sodass ich mir wenig­stens das über­teu­er­te Taxi spa­ren kann. Da ich nur mit Hand­ge­päck rei­se, bin ich schnell durch die Sicher­heits­kon­trol­le und hole mir noch kurz etwas zu trin­ken in der Lounge. Dann geht es auch schon zum Gate für mei­nen Abflug mit Ibe­ria um kurz nach sie­ben nach Hamburg.

Die Fahrt über den rie­si­gen Flug­ha­fen dau­ert wie­der mal ewig. Nein, mit Madrid Bara­jas wer­de ich irgend­wie nicht warm. Die­ser Flug­ha­fen ist ein­fach total über­di­men­sio­niert und dadurch unpraktisch.

Als wir in der Luft sind, bin ich gera­de dop­pelt froh, dass ich mich kurz­fri­stig ent­schie­den habe, die sech­zig Euro für ein Upgrade in die Busi­ness Class zu zah­len. Denn wäh­rend die Eco­no­my gerap­pelt voll ist, habe ich die rech­te letz­te Rei­he der Busi­ness für mich allein, kann mich so etwas aus­strecken und bekom­me sogar ein Frühstück.

Nach knapp zwei­ein­halb Stun­den star­ten wir unse­ren Lan­de­an­flug auf den Flug­ha­fen von Ham­burg. Ich bin schon ein wenig auf­ge­regt, denn es ist das erste Mal, dass ich in der Han­se­stadt lan­de. Zuvor hat­te ich nur die fan­ta­sti­sche Flug­ha­fen­tour mit­ge­macht. Die­ses Mal sit­ze ich nun sel­ber in einer Maschi­ne, die in weni­gen Minu­ten auf­set­zen wird. Ich glau­be, so gut auf eine Lan­dung vor­be­rei­tet habe ich mich noch nie gefühlt, nach­dem ich auf der Tour alle Punk­te erklärt bekom­men habe.

Die Lan­dung ist dann auch ganz unspek­ta­ku­lär und wir lan­den auf der län­ge­ren der bei­den Bahn, die am äußer­sten Ende bis über die Lan­des­gren­ze nach Schleswig-​Holstein hineinreicht.

Vom Flug­ha­fen fah­re ich mit der S‑Bahn in die Innen­stadt und gehe gleich in mein Hotel. Mal schau­en, ob ich schon ein­checken kann, denn es ist gera­de erst Mit­tag. Gebucht habe ich die Fra­ser Sui­tes, ein nagel­neu­es fünf Ster­ne Hotel in beson­de­rer Lage.

Das Hotel liegt am Ham­bur­ger Rödings­markt im Her­zen der Han­se­stadt. Es befin­det sich im Gebäu­de der ehe­ma­li­gen Ober­fi­nanz­di­rek­ti­on, die 1907 tra­pez­för­mig zwi­schen Rödings­markt, Alster­fleet und Ludwig-​Erhard-​Straße erbaut wurde.

Ich betre­te das Hotel durch den Haupt­ein­gang, der sich gegen­über der Hoch­bahn Sta­ti­on Rödings­markt befin­det. Wie vie­le ande­re Ele­men­te des Luxus­ho­tels ist auch die­ser im histo­ri­schen Stil erhalten.

Über­haupt ist das Haus, das bereits 2014 von der Fra­ser Grup­pe gekauft wur­de, wun­der­schön reno­viert wor­den. Beson­ders beein­druckend ist die zwei­ge­schos­si­ge Lob­by, in der das alte Gebäu­de mit moder­nen Ele­men­ten ver­bun­den wurde.

Das Erd­ge­schoss der Lob­by ver­fügt über gemüt­li­che Sitz­grup­pen, die gera­de­zu zum Auf­ent­halt einladen.

Über eine brei­te Mar­mor­trep­pe errei­che ich das erste Ober­ge­schoss, wo sich die öffent­li­chen Räu­me des Hotels eben­falls erstrecken.

Auf der Empo­re der ersten Eta­ge gibt es wei­te­re Sitz­ecken und hier star­tet auch die schmie­de­ei­ser­ne Trep­pe in die obe­ren Stockwerke.

Wäh­rend es heu­te natür­lich auch einen Fahr­stuhl gibt, neh­me ich die histo­ri­sche Trep­pe in den zwei­ten Stock.

Dabei kom­me ich auch am ehe­ma­li­gen Sit­zungs­saal vor­bei. Auch hier sind die alten Ver­zie­run­gen wun­der­schön erhalten.

Eben­so toll sehen die Hotel­flu­re aus, die auf­grund des Gebäu­des sehr breit mit hohen Decken gebaut wor­den sind. Selbst die alten Büro­tü­ren sind erhal­ten geblie­ben. Die moder­nen Zim­mer­tü­ren befin­den sich dahin­ter, sodass man prak­tisch durch eine dop­pel­te Tür tritt, um ins Zim­mer zu kommen.

Die Fra­ser Sui­tes Ham­burg ver­fü­gen über Sui­ten ver­schie­de­ner Grö­ße, die teils Stu­dio und Juni­or Sui­tes, aber auch Sui­ten mit meh­re­ren Zim­mern sind. Ich habe eine Delu­xe Suite gebucht.

Auch wenn mir das Hotel sehr gut gefällt, so will ich bei die­sem schö­nen Wet­ter doch nicht den gan­zen Nach­mit­tag auf dem Zim­mer sit­zen. Da ich schon öfter in Ham­burg unter­wegs war, schaue ich mich bei jedem Auf­ent­halt nach Orten um, die ich bis­her noch nicht besucht habe. So fällt mei­ne Wahl heu­te auch die Rui­ne von St. Nico­lai, die sich fuß­läu­fig vom Hotel befindet.

Die ehe­ma­li­ge Haupt­kir­che St. Nico­lai ist heu­te nur noch eine Rui­ne, nach­dem sie im Zwei­ten Welt­krieg stark beschä­digt wur­de. Ein erstes Got­tes­haus wur­de auf die­sem Gelän­de bereits 1195 erbaut, jedoch mehr­mals wie­der zer­stört. Der letz­te Wie­der­auf­bau vor dem Krieg fand erst 1874 statt, denn zuvor fiel die Kir­che einem Stadt­brand zum Opfer.

Wäh­rend der Turm sehr gut erhal­ten ist, ist vom Kir­chen­schiff nicht mehr viel zu sehen. Teil­wei­se sind nur ein paar Mau­ern erhal­ten, die den Grund­riss erah­nen lassen.

Ein Glocken­spiel hat­te St. Nico­lai schon lan­ge nicht mehr. Die ori­gi­na­len Glocken des Wie­der­auf­baus wur­den bereits im Ersten Welt­krieg ein­ge­schmol­zen, den nur eine Glocke über­leb­te, die dann im Zwei­ten Welt­krieg schmolz. Erst 1993 bekam der Turm wie­der ein Glocken­spiel. In einer nie­der­län­di­schen Glocken­gie­ße­rei wur­den die 51 Glocken her­ge­stellt und dann im Turm instal­liert. Gan­ze drei­zehn Ton­nen wie­gen sie und kön­nen über einen Seil­zug­me­cha­nis­mus direkt bespielt werden.

So wie die Kir­che heu­te als Rui­ne dasteht, hät­te ihr Schick­sal aller­dings nicht sein müs­sen. Die tra­gen­de Bau­sub­stanz über­leb­te den Bom­ben­an­griff und so war zuerst ein Wie­der­auf­bau geplant. Der Ham­bur­ger Senat ent­schied jedoch, gro­ße Tei­le des Kir­chen­schiffs abzu­rei­ßen und begrün­de­te das mit Siche­rungs­maß­nah­men. Schließ­lich wur­de sich dar­auf geei­nigt, nur den Turm und den Chor stehenzulassen.

Vie­le Jahr­zehn­te stand der Turm nun als Mahn­mal in der Ham­bur­ger Innen­stadt, doch Anfang der 2000er Jah­re fand wie­der Bau­tä­tig­keit statt. Ein Auf­zug wur­de ein­ge­baut, der am 1. Sep­tem­ber 2005 eröff­net wur­de und nun Besu­cher zu einer 76 Meter hohen Platt­form beförderte.

Im Jahr 2009 nut­zen bereits über 30.000 Besu­cher die Mög­lich­keit, die­sen neu­en Blick auf Ham­burg zu bekom­men. Doch 2011 ende­te der Betrieb vor­läu­fig. Damals löste sich ein zehn Kilo­gramm schwe­res Seg­ment aus dem Turm und stürz­te auf eine viel befah­re­ne Stra­ße. Danach wur­de der gan­ze Turm ein­ge­rü­stet und auf­wen­dig saniert.

Die Sanie­rung war erst Anfang 2018 abge­schlos­sen und so konn­te dann auch der Auf­zug wie­der in Betrieb gehen. Der ist übri­gens mit einer Glas­schei­be ver­se­hen, sodass man wäh­rend der Fahrt sowohl das Mau­er­werk sehen kann, als auch immer wie­der wech­seln­de Ansich­ten der Stadt.

Auf der Platt­form ange­kom­men, bie­tet sich schließ­lich ein tol­ler Blick auf Ham­burg. Beson­ders schön ist die Sicht auf das Rat­haus und die dahin­ter lie­gen­de Alster.

Rund­her­um reicht der Blick von der Spit­ze des Kirch­turms. Klei­ne Tafeln am Gelän­der erklä­ren die Aus­sicht und Fotos bie­ten ein Ver­gleich zur Stadt­an­sicht vor der Zer­stö­rung im Krieg.

Von der Platt­form kann ich dann auch den berühm­ten Ham­bur­ger Michel ent­decken, auf des­sen Turm eben­falls ein Fahr­stuhl führt. Die­se Aus­sicht habe ich auf einem ande­ren Aus­flug nach Ham­burg genos­sen.

Eine wei­te­re Beson­der­heit der Kir­chen­rui­ne ist das aus­ge­bau­te Unter­ge­schoss. Hier wur­de ein Muse­um zur Geschich­te und zur Zer­stö­rung im Krieg eingerichtet.

Nach der Besich­ti­gung bum­me­le ich noch ein wenig durch die Alt­stadt und kau­fe mir in einem Super­markt etwas zum Abend­essen, bevor ich mich auf den Rück­weg ins Hotel mache.

Mei­len: —
Wet­ter: son­nig, 18–26 Grad
Hotel: Fra­ser Sui­tes, Hamburg

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