Suite Dreams – Kreuz und quer durch Westeuropa


Tag 4: Sonn­tag, 25. August 2019
Row, row, row your boat … – Coven­try nach Mil­ton Keynes

“Ler­nen ist wie Rudern gegen den Strom. Hört man damit auf, treibt man zurück.” – chi­ne­si­sches Sprichwort

Am Mor­gen geht die Fahrt für mich bereits wei­ter. Wie­der strahlt die Son­ne vom blau­en Him­mel. Was für ein Glück ich doch die­ses Mal mit dem Wet­ter habe. Sehr weit habe ich es nicht bis zu mei­nem ersten Ziel, den Fox­t­on Locks. Doe Anla­ge ist eine Mei­ster­lei­stung der Inge­nieurs­kunst vor rund zwei­hun­dert Jah­ren, als man zwei ver­schie­de­ne Wege fand, um mit Schif­fen einen Berg hin­auf und hin­ab­zu­kom­men. Nur die Schleu­se ist davon heu­te noch in Betrieb, doch sehens­wert ist die gesam­te Anlage.

Ich par­ke mein Auto auf dem unte­ren Park­platz und zah­le 2,50 Pfund für bis zu vier Stun­den. Nur weni­ge Schrit­te ent­fernt steht dann ein Modell der Anla­ge, die ich mir hier anschau­en will. Am Anfang war der Grand Uni­on Canal, der auf 220 Kilo­me­tern zwi­schen Lon­don und Bir­ming­ham ver­läuft. Ins­ge­samt gibt es auf die­ser Strecke 166 Schleu­sen, die Gelän­de­hö­hen über­brücken. So wie auch an die­ser Stelle.

Am Beginn des klei­nen Rund­we­ges zum soge­nann­ten Fox­t­on Inclined Pla­ne einer Art Auf­zug für die Boo­te, die auf dem Kanal unter­wegs waren. Zu jener Zeit waren das haupt­säch­lich Frachtkähne.

Der Grund für den Bau die­ser Anla­ge war, dass die Schleu­sen nur schma­le Boo­te pas­sie­ren konn­ten. Mit einem gestie­ge­nen Waren­ver­kehr woll­te man aber auch grö­ße­re Schif­fe nut­zen kön­nen. Es wur­de also eine schie­fe Ebe­ne (inclined pla­ne) ange­legt, um die Boo­te über die Anhö­he trans­por­tie­ren zu kön­nen. Das funk­tio­nier­te ähn­lich wie ein Schiffs­he­be­werk mit einer mit Was­ser gefüll­ten Kam­mer, die mit dem Schiff nach oben oder unten trans­por­tiert wur­de. Zwi­schen 1898 und 1900 wur­de das System hier in Fox­t­on ange­legt. Es dau­er­te nur zwölf Minu­ten, ein Schiff zu trans­por­tie­ren, doch der Trans­port brauch­te viel Ener­gie und bean­spruch­te die Mate­ria­li­en, wie zum Bei­spiel die Schie­nen, extrem. Somit war das System finan­zi­ell nicht trag­bar und wur­de bereits 1926 wie­der abgebaut.

Wäh­rend der Zeit, in der der Schiffs­auf­zug genutzt wur­de, ließ man die Schleu­sen ver­fal­len. Als sich jedoch abzeich­ne­te, dass sich das Pro­jekt nicht tra­gen wür­de, wur­den sie reak­ti­viert. Und so sind die Schleu­sen von Fox­t­on noch heu­te in Betrieb. Aller­dings weni­ger zum Waren­ver­kehr und viel­mehr für den Tourismus.

Gleich neben den Schleu­sen steht das ehe­ma­li­ge Betriebs­haus des Schiffs­auf­zugs, in dem heu­te ein Muse­um zur Anla­ge unter­ge­bracht ist.

Aber zurück zur Schleu­sen­an­la­ge. Fox­t­on Locks ist die größ­te Schleu­se die­ser Art in Eng­land und besteht aus ins­ge­samt zehn Schleu­sen­kam­mern. Eine Rei­se durch die Schleu­sen dau­ert durch­schnitt­lich zwi­schen 45 Minu­ten und einer Stunde.

Erbaut wur­de die impo­san­te Anla­ge ab 1810 und es dau­er­te vier Jah­re bis sie betriebs­be­reit war. Zuerst durch­quert man eine Serie von fünf Schleu­sen, dann geht es durch ein klei­nes Becken und dann fol­gen noch­mals fünf Schleu­sen, deren Tore sich jeweils in die näch­ste Schleu­sen­kam­mer öffnen.

Wäh­rend ich mir die Schleu­se anschaue, kann ich sie auch in Akti­on erle­ben, denn es wird gera­de eines der berühm­ten eng­li­schen Lang­boo­te geschleust. Das ist übri­gens eine gan­ze Men­ge Kno­chen­ar­beit, denn die Schleu­sen­to­re wer­den alle von Hand geöffnet.

Am obe­ren und unte­ren Ende der Schleu­se gibt es jeweils ein Gast­haus, das Tou­ri­sten und Schiffs­crews ver­sorgt, denn gleich neben­an befin­den sich auch eini­ge Liegeplätze.

Wäh­rend Fuß­gän­ger und Rad­fah­rer den Grand Uni­on Canal an jedem Schleu­sen­tor über klei­ne Brücken über­que­ren kön­nen, gibt es nur am unte­ren Ende eine stei­ner­ne Brücke für grö­ße­re Fahrzeuge. 

Ich schaue dem Trei­ben auf dem Kanal noch eine gan­ze Wei­le zu. Es ist ganz schön Betrieb und sobald eine Schleu­sung been­det ist, star­tet auch schon die näch­ste. Im Som­mer kann es hier durch­aus zu län­ge­ren War­te­zei­ten kom­men, denn die Rei­sen auf den Lang­boo­ten sind beliebt.

Schließ­lich fah­re ich aber doch wei­ter, denn ich will heu­te noch eini­ges sehen. Ganz in der Nähe der Schleu­sen befin­det sich Kel­marsh Hall, ein Her­ren­haus, das ich auch schon sehr lan­ge besich­ti­gen möchte.

Kel­marsh Hall wur­de 1732 für die Fami­lie Han­bu­ry erbaut, die bereits seit 1618 auf die­sem Land leb­te. Ins­ge­samt leb­ten acht Gene­ra­tio­nen in dem Her­ren­haus, bevor es 1864 von Richard Chri­sto­pher Nay­lor gekauft wur­de. Unter ihm blüh­te Kel­marsh Hall auf. Er bewirt­schaf­te­te nicht nur die Län­de­rei­en erfolg­reich, son­dern reno­vier­te auch das Haus und bau­te eini­ge Neben­ge­bäu­de an.

Zu Beginn des 20. Jahr­hun­derts wur­de Kel­marsh Hall aber­mals ver­kauft. Der neue Eigen­tü­mer war Geor­ge Gran­ville Lan­ca­ster, der hier mit Ehe­frau und Sohn Clau­de ein­zog. Die­ser erb­te das Haus nach dem Tod sei­ner Eltern und ver­mie­te­te es an Nan­cy und Ron­nie Tree. Und Nan­cy ist es auch, die für die Ein­rich­tung ver­ant­wort­lich ist, die heu­te noch zu sehen ist. Sie wur­de eine bekann­te Innen­ar­chi­tek­tin und arbei­te­te für Cole­fax and Fow­ler. Spä­ter hei­ra­te­te sie Clau­de, der ihr zwei­ter Ehe­mann wurde.

Die letz­te Eigen­tü­me­rin von Kel­marsh Hall war Cice­ly Valen­cia Lan­ca­ster, die das Anwe­sen erb­te, als Clau­de 1977 ver­starb. Sie war es auch, die den Wunsch ihres Bru­ders aus­führ­te und einen Trust grün­de­te, der sich fort­an um Kel­marsh küm­mer­te. Valen­cia leb­te noch bis 1996 in einem Sei­ten­flü­gel des Hau­ses, das da bereits für Besu­cher geöff­net war. Seit ihrem Tod wer­den das Haus und das Land vom Kel­marsh Trust verwaltet.

Zu sehen bekom­me ich das gan­ze Erd­ge­schoss, das mir von einem der zahl­rei­chen Gui­des gezeigt wird. Zu mei­ner Freu­de darf ich auch foto­gra­fie­ren und da ich allein mit dem Gui­de unter­wegs bin, ent­wickelt sich eine inter­es­san­te Unterhaltung. 

Zum Schluss der Haus­be­sich­ti­gung kann ich noch das Unter­ge­schoss besu­chen, wo sich die Unter­künf­te der Die­ner­schaft befan­den, die sich um das Haus kümmerte.

Nach der Haus­be­sich­ti­gung gehe ich wei­ter in den Gar­ten, für des­sen heu­ti­ges Aus­se­hen eben­falls Nan­cy Lan­ca­ster ver­ant­wort­lich ist.

Auf den Län­de­rei­en des Anwe­sens fin­det gera­de das Sham­ba­la Festi­val statt, des­sen Musik gedämpft zu mir her­über­dringt. Das vier­tä­gi­ge Musik­fe­sti­val fin­det bereits seit zwan­zig Jah­ren statt und zieht rund 15.000 Besu­cher an. Den Gar­ten und das Haus kön­nen die Besu­cher aller­dings nicht nut­zen. Wäh­rend mei­nes Rund­gangs kom­me ich ihnen jedoch recht nahe, die eini­ge cam­pen gleich hin­ter dem Zaun, der das Anwe­sen umgibt.

Ich aber zie­he die Ruhe und Abge­schie­den­heit der schö­nen Gar­ten­an­la­ge vor und strei­fe noch ein wenig zwi­schen den schö­nen Blu­men­bee­ten und hohen Hecken herum.

Die Rush­ton Tri­an­gu­lar Lodge liegt nur weni­ge Fahr­mi­nu­ten von Kel­marsh ent­fernt. Schon lan­ge woll­te ich die­ses unge­wöhn­li­che Gebäu­de besu­chen, doch irgend­wie kam immer etwas dazwi­schen. Heu­te aber soll es klap­pen. Als Erstes fah­re ich jedoch fast vor­bei, denn das Grund­stück ist klei­ner als erwar­tet und par­ken nur in einer klei­nen Aus­buch­tung an der Stra­ße mög­lich. Es macht aber auch Sinn, denn die Lodge ist ja nur eine Art Gar­ten­haus gewe­sen. Das Haupt­haus ist heu­te ein Hotel und ein wei­te­res Anwe­sen des frü­he­ren Eigen­tü­mers eine Rui­ne. Ver­wal­tet wird das unge­wöhn­li­che Gebäu­de von Eng­lish Heritage.

Sir Tho­mas Tre­sham ließ die Lodge zwi­schen 1593 und 1597 erbau­en. Tre­sham war Katho­lik und für vie­le Jah­re ein­ge­sperrt, weil er sich wei­ger­te, zum pro­te­stan­ti­schen Glau­ben über­zu­tre­ten. Nach sei­ner Ent­las­sung ließ er aus Pro­test die­ses Gebäu­de errich­ten. Über­all in der Lodge fin­det sich die Zahl drei wie­der, als Zei­chen für die Hei­li­ge Drei­fal­tig­keit. So gibt es drei Wän­de, die jeweils 33 Fuß lang sind und im Inne­ren drei Eta­gen. An jeder Sei­te fin­det sich eine latei­ni­sche Inschrift mit genau 33 Buchstaben.

Auf jeder Sei­te wur­den pro Eta­ge drei Fen­ster ein­ge­baut und die Fen­ster im ersten Stock haben die Form eines Klee­blat­tes, dem Wap­pen der Fami­lie Tre­sham. Ein­fach alles an dem Gebäu­de hat eine Bedeu­tung und umso län­ger ich hin­schaue, desto mehr ent­decke ich.

Es ist span­nend, die vie­len ver­schie­de­nen Zei­chen an dem Gebäu­de zu suchen und mit der Hil­fe eines Buches zu deuten.

All zu lan­ge hal­te mich aller­dings nicht auf, denn zu mei­nem näch­sten Ziel muss ich noch ein klei­nes Stück­chen fah­ren. Der Weg führt mich zurück in eine Gegend, in der ich vor zwei Tagen schon gewe­sen bin, doch das lässt sich nicht ändern, denn die Her­ren­häu­ser haben sehr unter­schied­li­che Öff­nungs­zei­ten und so kann nicht jedes an jedem Tag besucht wer­den. Über klei­ne Land­stra­ßen führt mich der Weg schließ­lich nach Grims­t­hor­pe Cast­le, einem Her­ren­haus, das ich auch schon sehr lan­ge besu­chen will.

In den Besitz der Fami­lie Will­ough­by de Eres­by kam das Anwe­sen bereits 1516. Die Fami­lie selbst ist aber noch viel älter und wur­de bereits 1313 geadelt. Grims­t­hor­pe Cast­le wur­de in die­ser Zeit von einer mit­tel­al­ter­li­chen Burg zu einem Land­haus umge­baut. Sogar Hein­rich VIII. war damals hier zu Gast.

In spä­te­ren Jahr­hun­der­ten wur­de das Haus immer wei­ter umge­baut, bis es sein heu­ti­ges Aus­se­hen erhielt. Dafür hat­te Robert Ber­tie, 1. Duke of Anca­ster and Keste­ven, 17. Baron Will­ough­by de Eres­by den berühm­ten Bau­mei­ster John Van­brugh enga­giert, der auch Häu­ser wie Blen­heim Cast­le oder Cast­le Howard schuf. Es war sein letz­ter gro­ßer Auf­trag, bevor er 1726 verstarb.

Das Haus ist ein Traum und wohl eines der beein­druckend­sten Her­ren­häu­ser, die ich je besucht habe. Nur Foto­gra­fie­ren ist lei­der nicht erlaubt. Grims­t­hor­pe Cast­le ist übri­gens heu­te noch in den Hän­den der Fami­lie. Der­zei­ti­ge Eigen­tü­me­rin ist Jane Heathcote-​Drummond-​Willoughby, 28. Baro­ness Will­ough­by de Eres­by, die eine Enke­lin der legen­dä­ren Nan­cy Astor ist.

Erst im Gar­ten darf ich mei­ne Kame­ra wie­der aus­packen. Hier gefal­len mir beson­ders die Buchs­baum Figu­ren, für die ich immer wie­der eine Schwä­che habe.

Die Zeit ist schon recht fort­ge­schrit­ten, als ich Grims­t­hor­pe wie­der ver­las­se und eigent­lich soll­te mein Tag hier sei­nen Abschluss fin­den. Doch es gibt da in der Nähe noch ein Her­ren­haus, das ich eben­falls schon recht lan­ge anschau­en woll­te, Elton Hall.

Elton Hall befin­det sich eben­falls noch immer in Pri­vat­be­sitz und hat recht eigen­wil­li­ge Öff­nungs­zei­ten, die für mich heu­te wun­der­bar pas­sen. Wäh­rend die mei­sten Häu­ser bereits am spä­ten Nach­mit­tag schlie­ßen, hat die­ses bis 18 Uhr geöff­net, sodass ich tat­säch­lich noch Zeit für eine Besich­ti­gung habe.

Bereits seit 1660 gehört Elton Hall der Fami­lie Pro­by und wur­de über die Jahr­hun­der­te immer wie­der aus- und umge­baut. So hat es sei­ne etwas eigen­wil­li­ge Form erhal­ten, die wie eine klei­ne Burg mit ange­bau­tem Her­ren­haus aus­sieht. Da die Fami­lie das Haus auch heu­te noch bewohnt, darf ich mich im Inne­ren zwar umschau­en, aber auch hier muss die Kame­ra lei­der in der Tasche bleiben.

Nach der Haus­be­sich­ti­gung habe ich noch etwas Zeit mich in der schö­nen Gar­ten­an­la­ge umzu­schau­en, die von der Son­ne nun in ein sanf­tes Licht getaucht wird.

Im Jahr 1980 haben die der­zei­ti­gen Eigen­tü­mer das Anwe­sen über­nom­men und nicht nur das Haus, son­dern auch den Gar­ten umfas­send reno­viert und neu gestal­tet. Ent­stan­den ist eine traum­haf­te Anla­ge, die ein­fach dazu ein­lädt, durch die ver­schie­de­nen Gar­ten­zim­mer zu streifen.

Ich bin einer der letz­ten Besu­cher, der Elton Hall an die­sem Tag ver­lässt. Und es war gar kei­ne schlech­te Idee so spät zu kom­men, denn so hat­te ich den Gar­ten in gro­ßen Tei­len für mich allein. An einem Fei­er­tags­wo­chen­en­de mit so schö­nem Wet­ter ist das nicht selbst­ver­ständ­lich, aber die mei­sten Besu­cher fuh­ren schon ab, als ich mit der Haus­be­sich­ti­gung fer­tig war.

Am Abend errei­che ich Mil­ton Keynes, wo ich zum wie­der­hol­ten Male das Dou­ble­tree by Hil­ton Mil­ton Keynes gebucht habe, wo ich immer wie­der ger­ne über­nach­te. Auch die­ses Mal bekom­me ich wie­der eine net­te Suite als Upgrade.

Zum Abend­essen gehe ich zu Bel­la Ita­lia. Eine Filia­le befin­det sich gleich neben dem Hotel, was beson­ders prak­tisch ist.

Mei­len: 185
Wet­ter: son­nig, 15–25 Grad
Hotel: Dou­ble­Tree by Hil­ton Hotel, Mil­ton Keynes

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