Tag 3: Samstag, 24. August 2019
Medieval Times – Nottingham nach Coventry
“The medieval hall house was very primitive when it became the characteristic form of dwelling of the landowner of the Middle Ages.” – Stephen Gardiner
Ein weiterer schöner Tag bricht an und als ich die Vorhänge zurückziehe, lacht bereits die Sonne vom blauen Himmel. Besonders auf Englandreisen ist das ein Bild, was ich nicht immer zu sehen bekomme. So freue ich mich besonders, dass es auf dieser Tour klappt.
Als ich im letzten Jahr Chatsworth House besucht habe, plante ich auch den Besuch von Haddon Hall, der sich dann aber aus Zeitgründen zerschlagen hat. Heute soll es nun endlich so weit sein und ich fahre nach Bakewell, das sich mitten im schönen Peak District befindet. Gleich an der Zufahrtsstraße zum Ort befindet sich der Parkplatz der mittelalterlichen Anlage. Von hier geht es zu Fuß weiter.
Die Anfänge von Haddon Hall gehen bereits auf das 11. Jahrhundert zurück und das Haus wurde zwischen dem 13. und 17. Jahrhundert kontinuierlich aus- und umgebaut. Der Hauptteil der Anlage ist im elisabethanischen Stil errichtet und nach einer umfassenden Restaurierung im 20. Jahrhundert wieder in einem sehr guten Zustand. Eigentümer von Haddon Hall ist der Duke of Rutland, dem auch Belvoir Castle gehört, das ich gestern besucht habe. Derzeit wird das Haus von Lord Edward Manners, dem Bruder des Duke of Rutland, und seiner Familie bewohnt.
Als ich um kurz vor halb elf am Haus ankomme, stehen schon eine Handvoll Besucher vor der Tür. Auch ich muss mich noch einen Moment gedulden, denn das schwere Holztor wird erst ganz pünktlich um halb elf geöffnet. Über eine steinerne Schräge geht es dann direkt in den Innenhof der Anlage, die einem kleinen Burghof gleicht.
Ich begebe mich gleich zielstrebig zur Eingangstür, denn ich habe die Erfahrung gemacht, dass es ganz praktisch ist, sich ein Haus gleich nach Öffnung anzuschauen, vor allem wenn man im Inneren auch fotografieren darf. Und das ist hier erlaubt.
Zuerst gelange ich in die große Halle, die der Mittelpunkt eines Tudor Hauses war. Hier traf man sich und hier wurde gespeist, weswegen es von diesem Raum auch einen direkten Zugang zur Küche gibt.
Die historische Küche erreiche ich durch einen kurzen Gang. Sie ist in Teilen wieder in den Zustand vor ein paar Jahrhunderten versetzt worden.
In der Banqueting Hall sind besonders die vier Wandteppiche wertvoll. Sie stammen aus dem 17. Jahrhundert und man glaubt, dass sie aus Frankreich stammen. Aus derselben Zeit stammen auch die Möbel des Raumes.
Der nächste Raum sieht hingegen etwas unfertig aus. Haddon Hall wurde leider mehrmals von Feuern heimgesucht, sodass einige historische Stücke und auch Teile des Hauses zerstört wurden. Erst vor rund 100 Jahren startete eine groß angelegte Renovierung, nachdem das Haus von 1700 bis 1920 leer gestanden hatte.
Von diesem Raum habe ich einen schönen Blick auf den Innenhof des Hauses.
Anschließend gelange ich in die große Halle. Hier herrscht gerade geschäftiges Treiben, denn heute soll in diesem Raum eine Hochzeit stattfinden. Ich darf mich aber trotzdem umschauen und werde gleich mal um meine Meinung zu den Blumenarrangements gebeten.
Im letzten Raum dieses Hausteiles haben die Eigentümer einen Billardraum eingerichtet. Da das Haus ja immer noch bewohnt ist, werden diese Räume durchaus genutzt und sind nicht nur Museum.
Als ich durch eine weitere Tür komme, stehe ich plötzlich im Garten. Das ist aber nichts Besonderes in Tudor Häusern, denn diese hatten oft eine etwas seltsame Raumanordnung. Entweder konnte man viele Zimmer nur über andere Zimmer erreichen oder eben direkt von außen.
Nach etwa einre viertel Runde um das Haus gibt es dann einen weiteren Zugang in das Haus, der mich in den Speisesaal bringt. Diesen kann man heutzutage aber nicht nur von außen, sondern auch von der großen Halle betreten.
Ich gehe aber nicht zurück in die Halle, sondern wieder nach draußen, da ich mich noch ein wenig mehr im Garten umschauen möchte.
Zu Haddon Hall gehört auch eine Kapelle die bereits 1427 erbaut wurde und dem heiligen Nicholas gewidmet ist. Die Kapelle ist übrigens nicht privat, sondern dient den umliegenden Bewohner als Kirche.
Aus der Kapelle komme ich wieder in den Innenhof. Von hier geht eine Tür in einem kleinen Raum, in dem die Geschichte der Renovierung und der vorangegangenen Feuer erzählt wird.
Nach der Besichtigung dieses beeindruckenden Herrenhauses mache ich mich wieder auf den Rückweg zum Auto. Auf dem Rasen vor dem Haus, kann man heute Bogen schießen und ich schauen noch einen Moment dabei zu.
In der Gegend des Peak District gibt es noch ein weiteres Herrenhaus, das ich schon seit Jahren besuchen will, Renishaw Hall. Das Problem, das Haus ist, außer im Juli und August, nur an einem Tag in der Woche für genau zwei Führungen geöffnet. Und dieser Tag ist Freitag. Da aber August ist, ist zum Glück auch samstags auf und das passt ja perfekt. So steht für mich fest, ich fahre nach Renishaw Hall.
Das Ticket für die Hausbesichtigung ist hier in meiner HHA Mitgliedschaft nicht inkludiert, nur der Eintritt in den Garten ist für mich inkludiert. So bezahle ich an der Kasse mein Ticket und bekomme eine Karte für die nächste Tour.
Renishaw Hall ist seit über 350 Jahren der Familiensitz der Sitwells. Erbaut wurde das Herrenhaus 1625 für George Sitwell, der auch High Sheriff von Derbyshire war. Da das Haus auch heute noch von der Familie bewohnt wird, schließe ich mich also der einstündigen Tour an. Fotografieren ist leider auch nicht erlaubt. Allerdings ist es doch immer wieder spannend, durch ein wirklich genutztes Gebäude zu laufen. Und dabei trifft unsere Gruppe plötzlich eine ältere Dame, mit der wir uns kurz unterhalten. Als sie weiter geht, erklärt uns unsere Führerin, dass das die Witwe des letzten Barons gewesen ist. Er verstarb 2009 und vererbte das Haus, was extrem ungewöhnlich ist, seiner Tochter Alexandra, die nun hier mit ihrem Mann und den zwei Kindern lebt.
Nach der Hausbesichtigung gehe ich in den wunderschönen italienischen Garten. Ein Großteil wurde im 19. Jahrhundert von George Sitwell, 4. Baron angelegt, der der Urgroßvater der heutigen Eigentümerin war.
Der Garten von Renishaw Hall wurde übrigens in der Fernsehserie Sinn und Sinnlichkeit der BBC genutzt. Viel delikater ist allerdings die Tatsache, dass Renishaw Hall wohl D.H. Lawrence zu seinem Buch „Lady Chatterlys Lover” inspiriert haben soll.
Und um D.H. Lawrence soll sich auch mein nächstes Ziel drehen. Ich weiß gar nicht mehr genau, wie ich auf den D.H. Lawrence Birthplace gekommen bin, aber da das kleine Museum direkt auf meiner Strecke liegt, entschließe ich mich anzuhalten. Auf dem Weg vom Parkplatz zum Haus sehe ich diesen hübschen Beetle.
Das Haus, in dem der bekannte Schriftsteller 1885 das Licht der Welt erblickte, steht in einem Arbeiterviertel des kleinen Städtchens Eastwood. Heute gehört neben dem schmalen Reihenhaus auch noch das Eckhaus zum Museum, in dem sich der Shop und eine Ausstellung befinden. Die braune Haustür war der eigentliche Eingang und im großen Wohnzimmerfenster legte die Dame des Hauses Häkelwaren aus, die sie zum Verkauf anbot, um der Familie etwas dazuzuverdienen.
Das Wohnzimmer ist dann auch das beste Zimmer und wie es sich gehörte, mit den teuersten Möbel eingerichtet. Hier wurde sich nur zu besonderen Anlässen aufgehalten.
Nun geht es zuerst weiter in den ersten Stock, wo sich die Schlafzimmer der Familie befinden. Im Schlafzimmer der Eltern erblickte der berühmte Poet und Autor am 11. September 1885 das Licht der Welt.
Nachdem ich auch das letzte Schlafzimmer direkt unter dem Dach angeschaut habe, geht es über die schmale Treppe wieder ins Erdgeschoss, wo ich die Küche erreiche, die der am meisten genutzte Raum des Hauses war.
Durch die Hintertür gelange ich in einen winzigen Innenhof, wo sich noch die Waschküche befindet.
Als ich mit der Besichtigung fertig bin, überlege ich, was ich als Nächstes tue. Option eins wäre direkt zum nächsten Hotel zu fahren, aber irgendwie ist es mir dafür noch zu früh. Option zwei wäre sich noch etwas anzuschauen, doch viele Orte in der Gegend machen recht zeitig zu. Da kommt mir Winterbourne House in den Sinn. Das ist zwar ein Stück zu fahren, aber versuchen könnte ich es ja. Und so fahre ich los, immer in Richtung Birmingham, bis ich südlich der Innenstadt das Gelände der Universität erreiche. Zu der gehört das interessante Haus aus der Zeit des Arts and Craft nämlich und ist für Besucher geöffnet.
Winterbourne House wurde im Jahr 1903 für John und Margaret Nettlefold erbaut. Die Familie lebte hier bis 1919, als sie die Gesundheit zwang wegzuziehen und das Haus zu verkaufen. Es hatte danach noch zwei weitere Besitzer, von 1919 bis 1925 die Familie Wheelock und von 1925 bis 1944 den Geschäftsmann John Nicolson, der das Anwesen nach seinem Tod der Universität von Birmingham vermachte.
Die Universität nutze das Haus zuerst für verschiedene Zwecke, bis man sich 2010 dafür entschied, es komplett zu restaurieren und als Museum zu eröffnen.
Das Haus wurde einst so entworfen, dass die Räume möglichst viel Tageslicht bekommen. Es gibt große Fenster, die besonders an einem sonnigen Tag wie heute, viel Licht ins Innere des Gebäudes lassen. Außerdem sind die wichtigsten Zimmer des Hauses alle nach Süden ausgerichtet.
Das Haus ist mit zeitgenössischen Möbel aus den 1920er Jahren eingerichtet, um ein Gefühl dafür zu geben, wie eine Vorstadtvilla wie diese damals eingerichtet war.
Zu Winterbourne Haus gehört auch ein großes Grundstück mit einem wunderschön angelegten Garten, der heute als der Botanische Garten der Universität bekannt ist. Auf dem gesamten Gelände wurde Gewächse aus der ganzen Welt angepflanzt.
Der erste Garten wurde von Margaret Nettlefold angelegt, als die Familie das Haus erbauen ließ. Weitere Anlagen kamen später durch John Nicolson dazu, der ebenfalls ein leidenschaftlicher Gärtner war. Die Universität restaurierte einen großen Teil des Gartens in den letzten Jahren, sodass dieser nun ein wahres Kleinod ist.
Ich bin einer der letzten Besucher, als ich Winterbourne wieder verlasse. Nun habe ich noch ein Stückchen Fahrt vor mir, aber das stört mich nicht weiter. Nach einer guten Stunde Fahrt erreiche ich dann die Ricoh Arena, ein riesiges Stadium in der Nähe von Coventry, in das mal wieder ein Hotel eingebaut ist. Heute ist hier aber gähnende Leere und deshalb der Parkplatz gleich vor der Tür. So sind es nur ein paar Meter bis zum Hoteleingang.
Das Zimmer, das ich hier bekomme, ist allerdings etwas enttäuschend. Ich bekomme zwar ein Upgrade auf den Stadium View, aber ansonsten ist der Raum eher klein und auch schon etwas älter. Schade, da haben mir andere Stadium Hotels in England besser gefallen.
Da es schon recht spät ist und ich nicht mehr fahren will, entschließe ich mich, auch heute das Hotelrestaurant zu testen. Und das ist im Gegensatz zum Zimmer ein Volltreffer. Es ist nicht nur richtig toll renoviert, sondern das Essen schmeckt ausgezeichnet. Ich kann es ja kaum fassen, schon das zweite Doubletree Hotel mit toller Küche.
Auf dem Zimmer werden danach erst einmal wieder die Bilder gesichert und dann plane ich noch ein wenig für morgen. Das Wetter verspricht noch einmal toll zu werden, sodass ich mich gar nicht recht entscheiden kann, wo ich nun als erstes hinfahre. Mal schauen, ob ich alle geplanten Ziele schaffen werde.
Meilen: 170
Wetter: sonnig, 16–23 Grad
Hotel: DoubleTree by Hilton Hotel at the Ricoh Arena