Tag 4: Singapore Town – Vergangenheit und Zukunft
Die Sonne scheint durch das Rollo, als ich aufwache. Also nichts wie raus aus den Federn und zum Frühstück. Das ist hier im Hotel inkludiert und wirklich ausgezeichnet. Dann hält mich aber nichts mehr, denn heute ist der Himmel richtig blau. Ich fahre mit der MRT, das ist hier die U‑Bahn, bis Telok Ayer und beginne hier meine Entdeckungen. So langsam gehe ich ein wenig ins Detail, nachdem ich mir in den letzten zwei Tagen einen groben Überblick verschafft habe.
Gleich neben dem Ausgang der MRT steht der Nagore Durgha Shrine. Zwischen 1828 und 1830 wurde er, damals noch direkt am Wasser, von indischen Moslems errichtet. Heute steht das historische Gebäude allerdings mitten in der Stadt, denn durch Landgewinnung ist das Ufer inzwischen nicht einmal mehr zu sehen.
Nur wenige Schritte weiter erreiche ich schon den Thian Hock Keng Temple. Er ist der älteste und bedeutendste chinesische Tempel in Singapur.
Das Fotografieren gestaltet sich allerdings sehr schwer, denn der Tempel steht leider komplett im Gegenlicht.
Nach ein paar Blicken in Innere laufe ich weiter. Ich habe noch viel vor. Unterwegs sehe ich immer wieder Vögel, die aber fast alle zu schnell für die Kamera sind. Nur der hier bleibt mal kurz sitzen.
Unterwegs fallen mir dann wieder mal die Verbotsschilder auf. Die hängen hier überall an Regierungseinrichtungen und neuralgischen Punkten des Landes. Als ich jemanden danach frage, sag er mir, dass der Mann ohne Waffe früher sogar auf dem Boden lag, man die Schilder vor einiger Zeit aber etwas „entschärft” hätte.
Und dann sehe ich zum ersten Mal mein Ziel des heutigen Morgens. Sieht nah aus, ist es aber nicht. Und inzwischen ist es brütend heiß. Ich versuche zumindest immer im Schatten zu laufen.
Unterwegs halte ich immer mal wieder an, um Eindrücke aus der Stadt festzuhalten.
In dieser Ecke der Stadt liegt die Singapore City Gallery, eine Ausstellung, die von der Urban Redevelopment Authority (URA) geschaffen wurde. Das Museum zeigt in interaktiver Weise und anhand vieler Modelle und Schautafeln die Entwicklung von Singapur in den letzten vierzig Jahren sowie zukünftig geplante Projekte.
Es ist absolut faszinierend und ich kann einen Besuch nur empfehlen. Singapur ist inzwischen fast eine Stadt auf dem Reißbrett geworden und die Planungen der Regierung sind teilweise kaum vorstellbar.
Diese Schautafel zeigt übrigens die Größe von Singapur im Vergleich zu anderen Millionenstädten, wie London, Shanghai oder New York.
Etwas mehr als 45 Minuten halte ich mich im Museum auf. Und das war wirklich rundum interessant. Hätte ich gar nicht gedacht, aber die rasante Entwicklung des Stadtstaates Singapur ist schon beeindruckend.
Fast gegenüber findet sich dann wieder ein historisches Gebäude. Einige haben den Bauboom an vielen Orten der Stadt überstanden.
Schon von weitem ist das Hochhaus mit dem interessanten Namen The Pinnacle @ Duxton zu sehen. Doch bis ich richtig davorstehe, vergeht noch eine ganze Weile. Durch kleine Gassen komme ich meinem Ziel immer Näher.
Und dann stehe ich vor diesem riesigen Wohnkomplex. Eigentlich ist das eher eine Stadt in der Stadt. Es gibt insgesamt sieben Wohnblöcke, die alle miteinander verbunden sind und 1848 Wohnungen. Alle sind übrigens Sozialwohnungen und für Durchschnittsbürger gebaut worden. In Singapur gibt es übrigens strenge Quoten. In jedem Haus müssen in etwa die gleiche Anzahl von Wohnungen an Inder, Malaien und Chinesen gehen. Man will so erreichen, dass alle friedlich zusammenleben. Reibereien gibt es nämlich schon.
Die Wohnungen werden übrigens im Normalfall gekauft und da liegt dann der Hase im Pfeffer begraben. Man kann nicht einfach an jeden verkaufen, wenn man auszieht. Es muss immer auf die Quote geachtet werden.
Aber kommen wir zu dem Grund meines Besuchs. Die sieben Wohnblöcke sind durch zwei Skybridges verbunden, im 26. und im 50. Stock. Im 26. Stock gibt es Gärten, Sportmöglichkeiten, usw. für die Anwohner. Der 50. Stock ist rein der Erholung vorbehalten und auch für die Öffentlichkeit zugänglich. S$5 kostet das, die eigentlich elektronisch an einem Automaten bezahlt werden sollen. Man bekommt dann einen Code, mit dem man die Drehkreuztür öffnen kann. Doch der Automat ist kaputt. Also suche ich nach Hilfe. Erst finde ich niemanden, doch dann kommt eine Bewohnerin, die auch etwas Englisch spricht. Sie führt mich zum Security Office. Der Herr dort ist sehr nett und nimmt die fünf Dollar entgegen. Dann gibt er mir eine Karte für die Tür. So gehe ich zum Fahrstuhl und ab geht es nach oben.
Als ich oben durch die Drehtür komme, bietet sich mir gleich ein fantastischer Ausblick. Das hat sich wirklich gelohnt hier hochzukommen. Wie in einer Parkanlage sieht es hier aus, aber mit tollem Blicken auf die Stadt.
Bei meinem Rundgang begegnen mir zwei Frauen. Wir grüßen uns kurz und ich setze meinen Weg fort.
Als ich wieder zum Ausgang komme, stehen die zwei Frauen davor. Plötzlich sprechen sie mich an, als ich die Karte vor die Drehtür halte. Sie hatten auch eine Karte bekommen, aber die funktionierte nicht. Sie saßen hier fest. Auch die Security hatte sich nicht gemeldet, obwohl sie vor den Kameras hin und her hüpften. Na da helfe ich doch gern. Ich gehe also durch und reiche dann die Karte zurück, damit auch sie wieder ins Haus kommen. Im Fahrstuhl stellen wir fest, dass wir alle Deutsche sind. Die beiden Frauen leben allerdings hier. Ihre Ehemänner wurden von ihren Arbeitgebern hierher versetzt. Interessant war das auf jeden Fall.
Wieder unten, setze ich mich in die nächste U‑Bahn und fahre zur Orchard Road. In einer Seitenstraße der berühmten Einkaufsstraße finde ich das Goodwood Park Hotel. Ich hatte überlegt, hier zu nächtigen und werde das auf einer der nächsten Touren bestimmt auch mal tun. Das Gebäude hat eine interessante Geschichte, denn es wurde von deutschen Siedlern als Teutonia Club gegründet. Von 1900 bis zum Ersten Weltkrieg florierte hier das Leben der deutschen Gemeinde. Während des Krieges wurden jedoch alle Deutschen von den Briten als Feinde eingestuft und nach Australien deportiert. Das Klubhaus wurde konfisziert. Nach dem Krieg wurde es versteigert und zum Hotel ausgebaut. Im Zweiten Weltkrieg wurde es dann nochmals besetzt, diesmal von den Japanern. Doch dazu später etwas mehr.
icht weit entfernt steht eines der wohl imposantesten Shopping Center der Stadt, das ION Orchard. Und das will etwas heißen, in einer Stadt, in der Shopping das beliebteste Hobby seiner Einwohner ist. Ich bin allerdings nicht zum Einkaufen hier, ich will lieber hoch hinaus.
Auf dem obersten Stockwerk des angeschlossenen Hochhauses ist nämlich eine Aussichtsterrasse und die ist auch noch völlig kostenlos. Der Eingang ist zwar etwas schwer zu finden, doch dann bin ich im Fahrstuhl und ab geht die Fahrt nach oben. Und der Ausflug lohnt sich auf jeden Fall, denn von hier ist die Aussicht eine ganz andere, als von den diversen Aussichtspunkten in Downtown.
Ich bekomme auch einen Eindruck von den riesigen Wohnsiedlungen. So wohnen die meisten Menschen hier in Singapur, denn Fläche ist knapp und so baut man in die Höhe. Was mir allerdings immer wieder auffällt, alles ist viel grüner und gepflegter als in anderen asiatischen Großstädten.
Direkt unter mir liegt das bekannte Marriott Hotel im chinesischen Stil und dahinter entdecke ich eine Wohnsiedlung mit kleinen Reihenhäusern. Einige dieser Siedlungen sind erhalten geblieben und heute extrem begehrt. Wie sehr, werde ich später noch sehen.
>Zurück auf dem Gehweg vor dem ION Orchard steige ich wieder in die U‑Bahn und fahre nach Downtown. Auch hier ist alles sauber und aufgeräumt. Überall findet sich öffentliche Kunst.
Das Ascot ist auch so ein Relikt aus einer anderen Zeit. Einst war es der erste und höchste Wolkenkratzer von Singapur. Heute wirkt es winzig neben den Glaspalästen. Doch im Gegensatz zu vielen anderen historischen Gebäuden hat es überlebt und heute sind hier Appartements unterbracht.
Gleich um die Ecke bin ich zurück an der Marina Bay. Die will ich heute mal von der anderen Seite anschauen. Das Customs House wurde in der 60er Jahren als Hauptquartier für den Zoll erbaut, der den geschäftigen Hafen überwachte. Der Zoll ist jedoch längst ausgezogen und der Hafen verlegt worden. So gehört das Gebäude heute zum Fullerton Hotel.
Das Fullerton Hotel erstreckt sich über drei historische sowie ein modernes Gebäude entlang der Marina Bay, genau gegenüber des Marina Bay Sands.
Einer der schönsten Räume des Hotels ist wohl der alte Clifford Pier. Im Jahr 1933 erbaut, wurde er liebevoll restauriert und beherbergt heute eine Lounge und ein Restaurant.
>Früher war das Gebäude übrigens der Ankunftsort für alle Besucher und Einwanderer, die per Schiff nach Singapur kamen. Aus dieser Zeit stammen auch die roten Laternen, die den Seeleuten den Weg wiesen.
Ein Blick nach innen muss einfach sein, wo sich heute die Deckenverzierung im blank polierten Boden spiegelt.
An den Wänden finden sich übrigens überall historische Fotografien, die von einer Zeit erzählen, in der hier ein geschäftiger Hafen war.
Über die ganze Innenstadt verteilt, habe ich schon seit meiner Ankunft diverse Panda Bären und andere bunt bemalte Tiere, ähnlich der Buddy Bears entdeckt. Heute finde ich endlich heraus, dass es sich dabei um eine Open-Air-Ausstellung des Künstlers Julien Marinetti handelt. Der Franzose ist besonders für seine bronzenen Bulldoggen und Pandas bekannt, die er dann mit Lackfarben bemalt.
Aber auch andere Kunst gibt es am Hafen zu entdecken. So entdecke ich eine Kopie des berühmten Rodin Werks „Der Denker” und diese interessanten Bänke.
Wenn keine Häuser den Blick verstellen, fällt dieser jedoch immer mal wieder auf das Marina Bay Sands. Gewaltig thront es über dem ganzen Hafengebiet.
Schließlich endet mein Rundgang wieder am Merlion, den ich heute von der Landseite aus betrachte…
… sowie am Hauptgebäude des Fullerton Hotels. Das war übrigens früher einmal das Hauptpostamt, bis es vor etwa 15 Jahren geschlossen und zum Hotel umgebaut wurde.
Vor dem Hotel steht dieser Stein, der an die Besiedlung von Singapur erinnern soll.
Im Gegensatz zu anderen Luxushotels ist es hier auch ausdrücklich erwünscht, dass Besucher hineinkommen. Zuerst fällt mir die vorweihnachtliche Dekoration ins Auge. Auch hier in Singapur beginnt man Anfang November mit dem Schmücken.
Hauptgrund meines Besuchs ist aber ein kleines Museum, das die Geschichte des Hauses erzählt. Aber im hübschen Atrium lässt es sich auch gut kurz entspannen.
Das kleine Museum ist in fünf bis zehn Minuten zu besichtigen und zeigt hauptsächlich Momentaufnahmen aus längst vergangenen Zeiten. Damals waren Reisende aus Europa mehrere Monate unterwegs, um in diese exotische Stadt zu kommen und das Fullerton eines der höchsten und größten Gebäude.
Dieser original englische Briefkasten ist übrigens einer von zweien aus der Kolonialzeit, die es noch in Singapur gibt. König Elizabeth sitzt ja schon seit 1955 auf dem Thron, weswegen auch ihr Monogramm darauf prangt. Singapur wurde erst 1965 unabhängig, bevor es kurzzeitig zu Malaysia gehörte, aber das ist eine andere Geschichte.
Vor dem Hotel treffe ich wieder auf die zwei historischen Brücken, die den Fluss hier überqueren. Die 1910 erbaute Anderson Bridge ist noch heute für den Autoverkehr freigegeben, auch wenn es an der Mündung des Flusses seit 1997 eine moderne Betonbrücke zur Entlastung gibt.
Die Cavenagh Bridge ist hingegen nur noch für Fußgänger und Radfahrer geöffnet.
Auf der anderen Flussseite erreiche ich schließlich das alte Supreme Court Building. Der oberste Gerichtshof zog jedoch 2005 aus und derzeit wird das Haus zu einem Museum umgebaut.
Auch am alten Parlament komme ich nochmals vorbei, in dem bereits ein Museum untergebracht ist.
Gleich dahinter erstreckt sich das neue Parliament House. Seit dem 4. Oktober 1999 tagt das Parlament von Singapur in diesem neu errichteten Gebäude. Beim Vorbeigehen habe ich etwas von Besuchszeiten gelesen, weshalb ich heute nochmals hierhergekommen bin.
Das Parlament von Singapur und überhaupt die ganze Regierung sind schon eine interessante Angelegenheit. Umso mehr ich mich damit beschäftigt habe, desto mehr hat mich verwundert, dass das hier funktioniert. Denn eigentlich dürfte es das gar nicht. Streng genommen ist das hier ja so etwas wie eine Familiendynastie. Und eigentlich ist der Vater des Stadtstaates ganz allein Lee Kuan Yew. Doch im Gegensatz zu vielen anderen Ländern, wo wenige Politiker nur in ihre Tasche wirtschaften, scheint dieses System hier zu funktionieren. Es gibt zwar Wahlen, aber offene Kritik der Regierung wird nicht geduldet. Die Politiker sind überdurchschnittlich gut bezahlt. Von so einem Lohn können europäische Politiker nur träumen, aber sie arbeiten auch für ihr Volk. Das war übrigens eine der Grundeinstellungen des Premiers, bezahle die Politiker gut, damit sie sich nur um ihr Amt kümmern und keine lukrativen Nebenjobs annehmen. Und es scheint zu funktionieren, denn Singapur boomt. Ich will jetzt nicht behaupten, dass ich Experte bin, aber das, was ich gesehen habe, war schon interessant. Diese Regierung hat ebenso viel westliche Züge wie auch autoritäre, aber es ist ein absolutes Erfolgsrezept.
Enttäuscht bin ich dann aber vom Inneren des Gebäudes, denn man bekommt nicht etwa das Parlament zu sehen, sondern leider nur eine Ausstellung.
Das Parlament ist übrigens sehr an das britische System angelehnt, was ja nicht verwunderlich ist, war Singapur schließlich lange Kolonie.
Zu Singapur muss ich aber auch noch ein paar Sätze sagen. Eigentlich war die Stadt dem Untergang geweiht und jeder war überzeugt, dass sie nie allein überleben könnte. Als England die Kolonie entließ, schloss man sich zuerst Malaysia an. Doch es gab immer Reibereien, sodass Malaysia Singapur nach zwei Jahren, 1965, aus dem Verbund herauswarf. Natürlich glaubte niemand, dass so ein kleiner Stadtstaat überleben könnte. Doch die Menschen hier haben es allen gezeigt und auf diese unkonventionelle Art und Weise einen Stadtstaat geschaffen, in dem sie mit dem höchsten Durchschnittseinkommen und der besten Bildung in ganz Asien leben. Mich hat das schon fasziniert, wie das in etwas mehr als einem halben Jahrhundert geschafft wurde, während an vielen Orten der Nachbarländer bittere Armut herrscht.
Nach diesem kurzen Besuch werfe ich noch einen letzten Blick auf Downtown …
… bevor ich zurück ins Hotel gehe. Ich habe nämlich heute Abend noch etwas vor. Doch erst einmal ruhe ich mich etwas aus und genieße die Aussicht.
Mit Einbruch der Dunkelheit gehe ich zur Bushaltestelle vor dem Hotel. Hier hält auch ein Shuttlebus, der Gäste der verschiedensten Herbergen zum Zoo fährt, oder besser gesagt zur weltberühmten Night Safari. Im Jahr 1999 war ich schon einmal hier, kann mich jedoch kaum erinnern, sodass ich beschlossen habe, nochmals hinzufahren.
Im Bus führe ich ein sehr interessantes Gespräch mit dem Fahrer, der mir einiges über das Leben in der Stadt erzählt. Leider ist die Fahrt viel zu schnell vorbei und wir erreichen etwa 30 Minuten später den Zoo. Wer jetzt allerdings viele Bilder erwartet, den muss ich enttäuschen, denn Fotografieren ist so ziemlich das Einzige, was hier kaum funktioniert. Blitze sind ja verboten und das menschliche Auge gewöhnt sich doch viel besser an das Schummerlicht als die Optik einer Kamera.
Ein paar Worte möchte ich aber doch zum Zoo verlieren. Der Night Zoo ist ein eigenes Gebiet, also nicht derselbe Zoo, den man am Tag besuchen kann. Die Night Safari wurde extra angelegt, und zwar Anfang der 90er Jahre. Ganze 63 Mio. S$ hat das Projekt gekostet. Der Zoo beherbergt 2500 Tiere aus 130 Rassen, die alle nachtaktiv sind. Und das ist auch genau das Besondere, die Gehege sind nur mit einem dem Mondlicht ähnlichen Licht beleuchtet. Es führen vier verschiedene Wege sowie eine Tram durch das Gebiet, wobei man beides machen sollte. Mit der Tram sieht man Gegenden, die man zu Fuß nicht erreicht und umgekehrt. Auf den Wegen ist es auch nicht so voll und man hat mehr Zeit für Beobachtungen.
Etwa vier Stunden bin ich auf dem Gelände unterwegs, bevor ich den Shuttle zurück ins Hotel nehme. Es war ein interessanter Abend, an dem ich auch einiges über nachtaktive Tiere gelernt habe.