The Best is yet to come – Unterwegs in Südengland


Tag 9: Sams­tag, 20. Mai 2017
Sur­pri­ses – Mil­ton Keynes nach Corby

„You use a glass mir­ror to see your face; you use works of art to see your soul.” – Geor­ge Ber­nard Shaw

Der Regen und die Wol­ken von gestern Abend sind lei­der auch heu­te noch nicht so ganz abge­zo­gen. Ab und zu traut sich mal ein Son­nen­strahl her­aus, aber so rich­tig will der Him­mel nicht auf­rei­ßen. Ich packe mei­ne Sachen und räu­me schwe­ren Her­zens mei­ne Suite, nach­dem ich im Restau­rant noch ein lecke­res Früh­stück geges­sen habe, das für Hil­ton Dia­monds inklu­si­ve war. Ich kann ein wenig trö­deln, denn weit habe ich es zu mei­nem ersten Ziel heu­te nicht und das macht erst um 10 Uhr auf. Ich habe mir vor­ge­nom­men Wob­urn Hou­se zu besu­chen, das zu den zehn Tre­a­su­re Hou­ses, den präch­tig­sten Her­ren­häu­sern Eng­lands gehört. Schon die Zufahrt ist toll, denn man fährt durch einen rie­si­gen Park und immer wie­der kann ich sogar Rot­wild entdecken.

Schließ­lich kom­me ich am Her­ren­haus vor­bei. Das hier ist die pri­va­te Sei­te der Eigen­tü­mer und eigent­lich soll man hier nicht hal­ten, doch da gera­de nie­mand hin­ter mir ist, mache ich schnell ein Foto.

Durch tol­le Land­schaft mit Seen, alten Bäu­men und ein paar Kunst­wer­ken geht die Fahrt über das Anwe­sen wei­ter. Wirk­lich rie­sig ist das Are­al und ich fra­ge mich irgend­wann, wo denn der Park­platz ist.

Nach etli­chen Kilo­me­tern Fahrt errei­che ich dann doch den Besu­cher­park­platz. Am Ein­gang zei­ge ich mei­nen HHA Pass vor und mir wird Ein­tritt gewährt. Ich gehe auf direk­tem Weg zum Haus, denn momen­tan ist es noch recht leer und das will ich aus­nut­zen. Wob­urn Abbey gefällt mir sehr gut, nur lei­der darf ich mal wie­der kei­ne Innen­auf­nah­men machen. Bei den Pri­vat­häu­sern ent­schei­det der Eigen­tü­mer eben selbst, ob er es gestat­tet oder nicht.

Nach der Innen­be­sich­ti­gung möch­te ich mir noch den Gar­ten anschau­en. Dazu lau­fe ich durch den ehe­ma­li­gen Stall­hof und gelan­ge so auf die Gar­ten­sei­te des Herrenhauses.

Erst­ma­lig erwähnt wur­de Wob­urn Abbey 1145, als es von Hugh de Bole­be­cals als Klo­ster des Zister­zi­en­ser­or­dens gegrün­det wur­de. Damals war die Abtei ein Toch­ter­klo­ster von Foun­ta­ins Abbey in North York­shire. 1538 erfolg­te schließ­lich die Auf­lö­sung, bei der der letz­te Abt Robert Hob­bes und zwei Mön­che hin­ge­rich­tet wur­den. Danach wur­de Lord Rus­sell of Che­nies, dem spä­te­ren Duke of Bedford, das Anwe­sen zuge­spro­chen. Noch heu­te ist Wob­urn Abbey der Stamm­sitz der Dukes of Bedford. Momen­tan woh­nen der 15. Duke of Bedford und sei­ne Fami­lie im Haus. 

Wob­urn Abbey ist heu­te aller­dings klei­ner als das im 18. Jahr­hun­dert erbau­te Her­ren­haus. Nach der Nut­zung durch die bri­ti­sche Regie­rung im 2. Welt­krieg wur­de im Haus ein mas­si­ver Befall von Haus­schwamm fest­ge­stellt. Da der 13. Duke zur sel­ben Zeit auch hohe Erb­schafts­steu­ern zah­len muss­te, war kein Geld für die Reno­vie­rung da. Er wei­ger­te sich aller­dings sei­nen Stamm­sitz den Natio­nal Trust zu über­ge­ben. So wur­de die Hälf­te des Hau­ses abge­ris­sen und das Anwe­sen 1955 erst­mals der Öffent­lich­keit zugäng­lich gemacht.

Ich star­te mei­nen Rund­gang durch den Gar­ten. Die Gar­ten­an­la­ge wur­de in den letz­ten 20 Jah­ren wie­der in ihren ursprüng­li­chen Zustand ver­setzt, nach­dem sie Jahr­zehn­te­lang ver­nach­läs­sigt wor­den war.

Ich kom­me am Camel­lia Hou­se vor­bei, das 1822 als Gewächs­haus für tro­pi­sche Pflan­zen erbaut wur­de und bis 2008 nicht für die Öffent­lich­keit zugäng­lich war. Obwohl man es eigent­lich besu­chen könn­te, ste­he ich heu­te aller­dings auch vor ver­schlos­se­ner Tür, denn der Gar­ten wird auch ger­ne für Hoch­zei­ten genutzt und somit ist die­ser Bereich heu­te abgesperrt.

Der gesam­te Gar­ten wur­de übri­gens von Hen­ry Rep­ton (1752–1818) ent­wor­fen, der sei­ner­zeit ein berühm­ter Land­schafts­ar­chi­tekt war. Noch heu­te ist die Anla­ge das am besten erhal­te­ne Bei­spiel sei­ner Arbeit. Dazu gehört auch der Stein­gar­ten mit dem asia­ti­schen Pavil­lon, des­sen Restau­rie­rung erst 2012 abge­schlos­sen wurde.

Wäh­rend mei­nes Rund­gangs ver­schlech­tert sich das Wet­ter lei­der Zuse­hens. Ein fri­scher Wind zieht auf und dunk­le Wol­ken erschei­nen am Hori­zont und ver­schlin­gen die letz­ten Son­nen­strah­len. So beschlie­ße ich etwas frü­her zum Auto zurück­zu­ge­hen. Dabei kom­me ich noch an der Chi­ne­se Dia­ry vor­bei. Sie wur­de bereits 1787 von Hen­ry Hol­land für den 5. Duke erbaut. Damals war es modern im asia­ti­schen Stil zu bau­en und der Duke woll­te gern Räu­me für sei­ne Samm­lung asia­ti­scher Kunst und Porzellans.

Als ich mit dem Auto zur Aus­fahrt fah­re, sehe ich noch ein­mal eine gan­ze Her­de Rot­wild. Ab und zu gelingt es mir auch kurz zu hal­ten und noch ein Foto zu machen. Ins­ge­samt gibt es über 1200 Tie­re auf dem Anwe­sen, die zu neun Spe­zi­es gehö­ren. Damit ist Wob­urn Abbey eines der größ­ten Schutz­ge­bie­te für Rot­wild in Europa.

Um die Mit­tags­zeit ver­las­se ich Wob­urn Abbey wie­der und fah­re wei­ter nach Shaw’s Cor­ner. Unter­wegs beginnt es lei­der immer wie­der zu reg­nen und auch als ich am Haus ankom­me, bes­sert sich das Wet­ter kaum. Zum Glück ist der Weg vom Park­platz zum Haus nicht sehr weit und mit dem Natio­nal Trust Pass wer­de ich auch gleich hin­ein gelassen.

Shaw’s Cor­ner war von 1906 bis 1950 das Wohn­haus des berühm­ten Autors Geor­ge Ber­nard Shaw. Ursprüng­lich 1902 als Haus für den Prie­ster der Gemein­de erbaut, ver­mie­te­te es die Kir­che schon kur­ze Zeit spä­ter, denn man emp­fand es als zu groß für die klei­ne Gemein­de. 1920 konn­te Shaw das Haus schließ­lich kau­fen. Heu­te gehört es dem Natio­nal Trust und ist noch genau­so ein­ge­rich­tet wie am Todes­tag von Ber­nard Shaw, wie der Autor sel­ber genannt wer­den wollte.

An die­sem Schreib­tisch ver­fass­te Shaw jedoch kaum eines sei­ner Wer­ke, die hier ent­stan­den. Viel­mehr ließ er sich eine rund sechs Qua­drat­me­ter gro­ße Hüt­te im Gar­ten errich­ten, die er „Lon­don” tauf­te. So konn­te sei­ne Frau unge­be­te­nen Gästen immer sagen, er sei in Lon­don und die­se gin­gen davon aus, dass er sich in der Haupt­stadt befindet.

Im Ober­ge­schoss gibt es auch eine klei­ne Aus­stel­lung zum Leben und den Wer­ken von Ber­nard Shaw. So sind auch sein Oscar sowie sein Nobel­preis zu sehen. Shaw ist übri­gens neben Bob Dylan der ein­zi­ge Mensch, der je einen Aca­de­my Award und den Nobel Pri­ze gewann, bis 2016 war er sogar der ein­zi­ge Mensch.

Als ich aus dem Haus kom­me, hat zumin­dest der Regen nach­ge­las­sen, sodass ich beschlie­ße noch eine kur­ze Run­de durch den Gar­ten zu dre­hen. Ins­ge­samt hat­te Shaw nach ver­schie­de­nen Zukäu­fen eine knapp ein­ein­halb Hekt­ar gro­ßes Grundstück.

Es beginnt wie­der stär­ker zu reg­nen, als ich zum Auto zurück­keh­re. Ich über­le­ge, was ich noch machen kann, denn zu mei­nem heu­ti­gen Über­nach­tungs­ort ist es nicht weit und es ist auch erst frü­her Nach­mit­tag. Erst ein­mal fah­re ich zurück zur Schnell­stra­ße und schla­ge die Rich­tung nach Nor­den ein. Unter­wegs sehe ich plötz­lich ein Schild zum Kneb­worth Hou­se. Das hat­te ich irgend­wo schon mal gehört und ent­schlie­ße mich kur­zer­hand abzu­bie­gen. Über das Han­dy über­prü­fe ich kurz ob geöff­net ist und ich habe tat­säch­lich Glück, sodass ich den kur­zen Weg zum Anwe­sen weiterfahre.

Durch die­ses Tor gelan­ge ich auf das Anwe­sen, das sich für Besu­cher zu den Öff­nungs­zei­ten auto­ma­tisch öffnet.

Danach führt mich die Zufahrt über ein rie­si­ges Grund­stück und erst nach einer gan­zen Wei­le kann ich einen Blick auf das Her­ren­haus werfen.

Kneb­worth Hou­se ist bereits seit 1490 der Stamm­sitz der Fami­lie Lyt­ton. Ursprüng­lich stand hier ein Gebäu­de aus rotem Back­stein, das um einen Innen­hof ange­legt war. Fast alle Gebäu­de, außer des West­flü­gels, wur­den jedoch zwi­schen 1813 und 1816 abge­ris­sen. Der ver­blie­be­ne Haus­teil wur­de dann im Tudor-​gotischen Stil umge­baut. Eine wei­te­re Moder­ni­sie­rung fand 1845 zu einem Haus im neu­go­ti­schen Stil statt. Noch heu­te wird das Haus von der Fami­lie Lytton-​Cobbolt bewohnt und kann wäh­rend einer Füh­rung besich­tigt werden. 

Ich par­ke auf einem gro­ßen Park­platz, der aller­dings ziem­lich ver­las­sen aus­sieht. Viel ist hier heu­te nicht los. Das mer­ke ich auch, als ich im Haus ankom­me. Es läuft zwar gera­de eine Füh­rung und man bit­tet mich, eine Wei­le zu war­ten, doch als nie­mand kommt, bekom­me ich eine Pri­vat­tour, die sehr inter­es­sant ist. Beson­ders die trau­ri­ge Geschich­te um Emi­ly Bulwer-​Lytton war lan­ge ein Geheim­nis und wur­de erst vom jet­zi­gen Besit­zer ent­hüllt. Lei­der herrscht aber mal wie­der Foto­ver­bot, da Kneb­worth noch immer von der Fami­lie bewohnt wird.

Das Haus wur­de übri­gens auch für vie­le Film­auf­nah­men genutzt. Eine der bekann­te­sten Pro­duk­tio­nen ist sicher Tim Bur­tons 1989 gedreh­ten Film „Bat­man”. Kneb­worth Hou­se dien­te damals als Way­ne Manor.

Als ich nach einer Stun­de wie­der nach drau­ßen kom­me, hat sich das Wet­ter merk­lich gebes­sert. Die Son­ne scheint und es ist blau­er Him­mel zu sehen. Das ist ja super, denn so kann ich nun doch noch den Gar­ten anschauen.

Der Gar­ten in sei­ner heu­ti­gen Form wur­de größ­ten­teils vom wohl berühm­te­sten Bewoh­ner des Hau­ses, Edward Bulwer-​Lytton, ange­legt. Bulwer-​Lytton war Schrift­stel­ler, Dra­ma­turg und Staats­mann in der vik­to­ria­ni­schen Zeit.

Am frü­hen Abend errei­che ich schließ­lich das Hamp­ton by Hil­ton in Cor­by, in dem ich schon mehr­mals zu Gast war. Ich bekom­me ein schö­nes Zim­mer und ruhe mich ein biss­chen aus.

Drau­ßen beginnt es der­weil noch ein­mal zu schüt­ten und kur­ze Zeit spä­ter ist ein tol­ler Regen­bo­gen zu sehen. bei genaue­rem Hin­se­hen ent­decke ich sogar, dass es ein Dop­pel­re­gen­bo­gen ist.

Zum Abend­essen gehe ich schnell in den Pub gegen­über, den ich schon von mei­nem letz­ten Besuch ken­ne. Auch heu­te bin ich wie­der zufrieden. 

Mei­len: 116
Wet­ter: hei­ter, spä­ter bedeckt mit Schau­ern, 11–16 Grad
Hotel: Hamp­ton by Hil­ton Corby

zurück   Start   weiter