England on the Rocks – Gibraltar und England

Tag 9: Sonn­tag, 16. Juni 2019
Cast­les anyo­ne? – Abing­don nach London

“If you’re curious, London’s an ama­zing place.” – David Bailey

Strah­lend blau­en Him­mel hat­ten die Wet­ter­frö­sche ver­spro­chen, doch davon sind wir heu­te Mei­len­weit ent­fernt. Es ist bedeckt aber immer­hin trocken. Ich fah­re trotz­dem los, denn nun will ich East­nor Cast­le auch besu­chen, egal wie das Wet­ter heu­te ist. So mache ich mich auf den Weg, ein­mal quer durch die Cots­wolds und dann noch ein Stück wei­ter, bis ich den Park­platz des Anwe­sens erreiche.

Ein Stück muss ich durch den Park lau­fen, bis ich vor dem Ein­gangs­tor zur Burg­an­la­ge stehe.

East­nor Cas­le scheint auf den ersten Blick eine mit­tel­al­ter­li­che Burg zu sein, wie es vie­le in Eng­land gibt. Doch so alt ist das Gebäu­de lan­ge nicht. Die Fami­lie Cocks, deren Nach­fah­ren das Anwe­sen noch heu­te gehört, kauf­te das Land erst im 16. Jahr­hun­dert. Das heu­te Gebäu­de wur­de zwi­schen 1812 und 1820 erbaut, gro­ße Tei­le der Innen­aus­stat­tung erfolg­ten erst um 1850. East­nor Cast­le wur­de also nie als Ver­tei­di­gungs­an­la­ge gebaut, son­dern war immer als Wohn­haus im Stil einer Burg konzipiert.

Ich bin genau zur Öff­nung der Innen­räu­me am Burg­tor und betre­te als einer der ersten Gäste heu­te die Wohn­räu­me, die noch immer pri­vat genutzt wer­den und des­halb nur an aus­ge­wähl­ten Tagen zu besich­ti­gen sind.

Als ich die gro­ße Hal­le betre­te, bie­tet sich mir dann ein unge­wohn­tes Bild. Auf den Sofas sit­zen Men­schen und dane­ben ste­hen rie­si­ge Roll­kof­fer. Ich fra­ge eine Mit­ar­bei­te­rin, was es damit auf sich hat. Sie erklärt mir, dass in der Burg auch Hoch­zei­ten statt­fin­den und die Fami­lie sogar über Nacht blei­ben darf, aber bis zur Öff­nung abge­reist sein muss. Die­se Leu­te sind aller­dings zu spät dran und war­ten immer noch dar­auf abge­holt zu wer­den. So hat man sie kur­zer­hand hier plat­ziert, damit die ande­ren Räu­me wie­der geöff­net wer­den können.

So bewun­de­re ich die gro­ße Hal­le eben mit den Hoch­zeits­gä­sten und mache mei­ne Bil­der zum Abschluss des Rundgangs.

Von der gro­ßen Hal­le aus kom­me ich zuerst in den Spei­se­saal, des­sen Wän­de die Bil­der von vie­len Vor­fah­ren der heu­ti­gen Besit­zer zie­ren. Die gro­ße Tafel ist der­zeit lei­der nicht deko­riert, denn hier fand gera­de ein gro­ßes Essen statt, sodass die Deko­ra­tio­nen weg­ge­räumt wurden.

Das goti­sche Wohn­zim­mer ist einer der Räu­me, die fast nicht ver­än­dert wur­den, seit­dem sie 1849 ein­ge­rich­tet wur­den. Nur der Kron­leuch­ter kam erst 1851 hier­her, als er auf einer Welt­aus­stel­lung gekauft wurde.

Die gro­ße Biblio­thek wur­de mit hand­ge­fer­tig­ten ita­lie­ni­schen Rega­len aus­ge­stat­tet, die vor Ort zusam­men­ge­setzt wur­den, wäh­rend die Wand­be­hän­ge die Geschich­te eines Gedich­tes wie­der­ge­ben, das an Catha­ri­na de Medi­ci gerich­tet war.

Die Rega­le der klei­nen Biblio­thek stam­men aus Sie­na, wo sie bereits 1646 her­ge­stellt wur­den. Der Bil­lard­tisch hin­ge­gen wur­de erst Anfang des 20. Jahr­hun­derts gebaut und wird noch heu­te von Gästen des Hau­ses genutzt.

Das gro­ße Trep­pen­haus wur­de auch im 20. Jahr­hun­dert mehr­mals umge­stal­tet und nach dem Geschmack des jewei­li­gen Haus­herrn aus­ge­stat­tet. So ist heu­te ein recht moder­ner Wand­tep­pich neben dem kost­ba­ren höl­zer­nen Kron­leuch­ter aus dem Palaz­zo Cor­si­ni in Flo­renz zu sehen.

Im obe­ren Stock­werk sind vor allem Schlaf­zim­mer zu sehen. Die­se kön­nen auch von Gästen genutzt wer­den, wie der Hoch­zeits­ge­sell­schaft, die gera­de im Begriff war abzu­rei­sen, als ich das Schloss betre­ten habe. Das erste Zim­mer, das ich sehe, ist der Cha­pel Bedroom.

Wei­ter geht es in das blaue Schlaf­zim­mer, das wohl wegen der Wand­far­be die­sen Namen trägt.

Der näch­ste Raum ist das ita­lie­ni­sche Schlaf­zim­mer, das mit kost­ba­ren Anti­qui­tä­ten aus­ge­stat­tet ist.

Lord Somers Dres­sing Room ganz in Rot sowie das chi­ne­si­sche Schlaf­zim­mer kön­nen eben­falls von Über­nach­tungs­gä­sten genutzt werden.

Schließ­lich führt mich der Weg wie­der zurück ins Erd­ge­schoss, wo zum Abschluss noch ein ganz beson­de­rer Raum wartet.

Das Para­de­schlaf­zim­mer ist der ein­zi­ge Schlaf­raum im Erd­ge­schoss. Räu­me wie die­ser wur­den frü­her auch nicht zum Über­nach­ten, son­dern haupt­säch­lich zu Reprä­sen­ta­ti­ons­zwecken ein­ge­rich­tet. In East­nor Cast­le wur­de das Schlaf­zim­mer aber auch von den jewei­li­gen Haus­her­ren genutzt.

Zum Schluss bin ich wie­der zurück in der gro­ßen Hal­le, wo inzwi­schen nie­mand mehr auf den Sofas sitzt und ich mir nun auch noch die mit­tel­al­ter­li­chen Rüstun­gen noch in Ruhe anschau­en kann.

Nach der Innen­be­sich­ti­gung will ich mich natür­lich auch noch auf dem Grund­stück umschau­en. Inzwi­schen lässt sich die Son­ne doch immer mal wie­der sehen, aber vom ver­spro­che­nen strah­len­den Son­nen­schein der Wet­ter­frö­sche sind wir doch Mei­len­weit ent­fernt. Im Gegen­teil, kurz­fri­stig wer­de ich sogar von einem Schau­er überrascht.

Wäh­rend rund um das Schloss ein klei­ner for­ma­ler Gar­ten ange­legt wur­de, gibt es weit­läu­fi­ge Park­an­la­gen, die sich hin­ter dem Gebäu­de erstrecken. Einem der Wege fol­ge ich, der mich rund um den See bringt.

Ein Teil des Wal­des, durch den ich nun lau­fe, ist eine bota­ni­sche Samm­lung. Die Samen und Pflan­zen wur­den von den frü­he­ren Haus­her­ren auf ihren Rei­sen gesam­melt und hier ange­pflanzt. Alle Bäu­me kön­nen auch mit­hil­fe von Schil­dern iden­ti­fi­ziert werden.

Der gro­ße See wur­de nach Been­di­gung der Bau­ar­bei­ten ange­legt. Er befin­det sich genau dort, wo der frü­he­re Fami­li­en­sitz stand. Reste des alten Anwe­sens befin­den sich noch heu­te auf dem Grund des Gewässers.

Etwa auf hal­ber Strecke pas­sie­re ich eine klei­ne Brücke, die an einem künst­li­chen Was­ser­fall vorbeikommt.

Das High­light des Rund­gangs sind aber die immer wie­der wech­seln­den Aus­blicke auf die Burg, die mit der Anla­ge des Parks per­fekt in Sze­ne gesetzt wurde.

Am Nach­mit­tag fah­re ich wei­ter. Es gibt da noch eine Burg, die ich schon sehr lan­ge besu­chen will, Ber­ke­ley Cast­le. Da passt es gut, dass die Burg nur etwas süd­lich von East­nor Cast­le liegt. Als ich Ber­ke­ley Cast­le errei­che, hat sich der Him­mel jedoch lei­der kom­plett zuge­zo­gen und es tröp­felt sogar etwas. Ich mache mich trotz­dem vom Park­platz auf den Weg.

Ber­ke­ley Cast­le ist alt, wirk­lich alt. Die Burg ist nach Wind­sor Cast­le die am zweit­läng­sten durch­gän­gig bewohn­te Burg­an­la­ge in Eng­land und die am läng­sten in den Hän­den ein und der­sel­ben Fami­lie, von der sie noch heu­te bewohnt wird. Bereits 1067 wur­de der Grund­stein für die ersten Gebäu­de gelegt.

Ein Teil der Burg kann auch von innen besich­tigt wer­den und zeigt vor allem Stücke und Bil­der aus ver­gan­ge­nen Zeiten.

In der gro­ßen Hal­le tref­fe ich auf die­se drei Damen, die in Klei­dern aus dem Mit­tel­al­ter unter­wegs sind und sich gern von mir ablich­ten lassen.

Ber­ke­ley Cast­le ist übri­gens auch für ein dunk­les Kapi­tel der eng­li­schen Geschich­te bekannt, die Ermor­dung von König Edward II. im Jah­re 1327. Ganz genau weiß kei­ner, wie der Mon­arch, der zuvor von sei­ner eige­nen Frau und deren Hel­fern gestürzt wur­de, zu Tode kam, doch ist rela­tiv sicher, dass es hier auf Ber­ke­ley Cast­le in sei­ner Zel­le geschah.

Die Burg ist heu­te von einer Gar­ten­an­la­ge umge­ben, die in spä­te­ren Jah­ren ange­legt wur­de. Vie­le der Pflan­zen wur­den auch hier aus ande­ren Regio­nen zusam­men­ge­tra­gen. So soll eine Kie­fer aus einem Zweig gewach­sen sein, der 1746 bei der Schlacht von Cull­oden mit­ge­nom­men wurde.

Gleich neben der Burg­an­la­ge befin­det sich noch ein wei­te­res Muse­um, das Dr. Jen­ners Hou­se. Edward Jen­ner leb­te von 1749 bis 1823, war Arzt und Chir­urg und vor allem einer der ersten Ärz­te, die Imp­fun­gen ange­wen­de­ten. Vor allem die Pocken­imp­fung geht auf ihn zurück. Seit 1985 ist sein Wohn­sitz ein Muse­um und kann besich­tigt werden.

Im Haus sind aller­dings nur eini­ge Stücke erhal­ten, denn nach sei­nem Tod wur­de es an die Kir­che ver­kauft, die es vie­le Jah­re als Wohn­haus für den orts­an­säs­si­gen Geist­li­chen nutzte.

Sehens­wert ist auch der klei­ne Gar­ten, in dem Jen­ner vor allem Heil­pflan­zen anbau­te, die er spä­ter zu Medi­ka­men­ten ver­ar­bei­te­te. Er war dafür bekannt, auch vie­le bedürf­ti­ge Ein­woh­ner der Regi­on kosten­los zu behandeln.

Im Gar­ten noch immer erhal­ten ist der Impf­pa­vil­lon. In die­ser klei­nen Hüt­te emp­fing Dr. Jen­ner sei­ne Pati­en­ten, um sie gegen Krank­hei­ten zu impfen.

Nach die­ser Besich­ti­gung mache ich mich wie­der auf den Weg zurück zum Park­platz. Zum Glück ist es den Rest des Nach­mit­tags zumin­dest trocken geblie­ben, sodass ich mich über­all noch in Ruhe umschau­en konnte.

Über die Auto­bahn fah­re ich nun zurück nach Lon­don. Das ist zwar eine ganz schö­ne Strecke, aber über die Schnell­stra­ße doch gut zu bewäl­ti­gen. Ich fah­re bis in den Westen Lon­dons, wo sich das Hil­ton Syon Park befin­det. Das Hotel, das einst als Wal­dorf Asto­ria gebaut wur­de, befin­det sich auf dem Anwe­sen des Duke of Northumberland.

Zum Abend­essen gehe ich heu­te in das Hotel­re­stau­rant, wo es mir aus­ge­zeich­net schmeckt. Auch der Ser­vice ist sehr gut, sodass ich einen schö­nen Abend verbringe.

Mei­len: 218
Wet­ter: hei­ter bis wol­kig mit Schau­ern, 17–21 Grad
Hotel: Hil­ton Hotel Lon­don Syon Park

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