Down by the Lake – Rund um die Großen Seen


Tag 6: Sonn­tag, 03. Sep­tem­ber 2017
42 degrees North – Lon­don nach Detroit

„My mother taught me to dri­ve using the ‚Detroit Method,’ whe­re speed limits and traf­fic lights are taken as cute sug­ge­sti­ons.” – W. Bruce Cameron

In Lon­don ist es wei­ter­hin bedeckt und es reg­net sogar etwas, so hält mich hier nichts mehr, denn das Ban­ting Hou­se hat heu­te sowie­so geschlos­sen und wei­ter in Rich­tung Toron­to will ich dies­mal nicht. Schon früh packe ich mei­ne Sachen und fah­re zurück in Rich­tung USA. Heu­te neh­me ich jedoch eine ande­re Rou­te, denn ich möch­te noch einen kana­di­schen Natio­nal Park besu­chen, den ich bis­her nicht ken­ne, den Point Pelee Natio­nal Park.

Der Park wur­de bereits 1918 gegrün­det und ist einer der zehn älte­sten Natio­nal­parks in Kana­da. Point Pelee liegt auf einer Halb­in­sel, die weit in den Erie­see hin­ein­ragt. Doch davon ist wäh­rend mei­ner Fahrt erst ein­mal nichts zu sehen. Sobald ich die letz­ten Sied­lun­gen hin­ter mir gelas­sen habe, führt die Stra­ße durch einen nicht enden wol­len­den Baumtunnel.

Nach einer fast nicht enden wol­len­den Fahrt errei­che ich schließ­lich das Visi­tor Cen­ter, wo ich mein Auto abstel­le, um mir wei­te­re Infor­ma­tio­nen zu besor­gen. Point Pelee wird auch „The Tip of Cana­da” genannt, denn die Spit­ze der Halb­in­sel ist der süd­lich­ste Punkt des kana­di­schen Fest­lands. Nur eine klei­ne Insel, die auch zum Park gehört, liegt noch etwas südlicher.

Im Visi­tor Cen­ter hängt eine über­di­men­sio­na­le Kar­te, die alle Natio­nal­parks in Kana­da zeigt. Da gibt es auch hier eini­ge und man­che in ziem­lich unwirt­li­chem Gebiet, das ich wohl nie­mals errei­chen werde.

Vor der Tür gibt es einen klei­nen Teich, in dem ich ein paar Frö­sche beob­ach­ten kann.

Im Visi­tor Cen­ter habe ich dann auch erfah­ren, wie das mit dem Besuch des süd­lich­sten Zip­fels funk­tio­niert, denn ein­fach mit dem Auto hin­fah­ren, das geht lei­der nicht. oder bes­ser gesagt, es ist nur im Win­ter mög­lich, weil es nicht genü­gend Park­plät­ze gibt. So muss ich ent­we­der zu Fuß gehen oder den Shut­tle nut­zen. Ich ent­schei­de mich für letz­te­res, um erst ein­mal einen Über­blick zu bekommen.

Nach kur­zer Fahrt lädt mich der Shut­tle am süd­li­chen Park­platz ab. Mit an Bord waren um die­se Zeit noch weni­ge Men­schen, anschei­nend schläft man heu­te aus. Hier gibt es eine klei­ne Aus­stel­lung zu den vier Ecken Kana­das, denn sie alle sind als Natio­nal Park geschützt.

Außer­dem liegt der Park noch genau auf dem 42. Brei­ten­grad. In Euro­pa liegt auf sel­ber Höhe zum Bei­spiel Kor­si­ka, im Westen die Gren­ze zwi­schen Kali­for­ni­en und Ore­gon oder auch Chicago.

Von der klei­nen Aus­stel­lung geht es dann zunächst auf einem Board­walk durch den Wald. Nur eine vier­köp­fi­ge chi­ne­si­sche Fami­lie macht sich außer mir auf den Weg, aber das wird rei­chen, um  ich zu nerven.

Irgend­wann muss ich dann aber ent­we­der einen Abzweig ver­passt haben, oder der Weg ist zuge­wach­sen, jeden­falls lan­de ich auf einer Art Tram­pel­pfad, der aus Sand besteht. Zumin­dest aber sehe ich end­lich mal Wasser.

Durch den Sand geht es dann wei­ter am Ufer ent­lang. Als ich Scha­de ist, dass es hier völ­lig bedeckt ist. Komisch, im nörd­li­chen Teil des Parks, der nur weni­ge Kilo­me­ter ent­fernt ist, schien die Son­ne. Ich will also gera­de ein paar Fotos machen, da taucht plötz­lich die chi­ne­si­sche Fami­lie auf und als wenn es nicht genü­gend Platz gäbe, müs­sen sie natür­lich immer genau dort her­um­tan­zen, wo ich bin. nach einer Wei­le zie­hen sie aber weiter.

Nun sind es nur noch weni­ge Meter und ich habe den süd­lich­sten Zip­fel des kana­di­schen Fest­lan­des erreicht. Die­ser Strand mit den paar Fels­brocken, die in den Erie­see hin­ein­ra­gen, ist sozu­sa­gen das Ende von Kanada.

Span­nend fin­de ich auch, dass ich vor weni­gen Tagen noch am Süd­ufer des Lake Erie gewe­sen bin, das von hier aber nicht zu erken­nen ist. Im Visi­tor Cen­ter wur­de ja gewarnt, hier ins Was­ser zu gehen, denn rund um die Spit­ze gibt es gefähr­li­che Strö­mun­gen. Und auch Wind und Wel­len erschei­nen hier viel kräftiger.

Die chi­ne­si­sche Fami­lie scheint das aber nicht wei­ter zu inter­es­sie­ren und so tur­nen sie mit ihren klei­nen Kin­dern auf den Stei­nen her­um, machen Krach und natür­lich Sel­fies. Bis die Mut­ter fast ins Was­ser plumpst, dann tre­ten sie end­lich den Rück­zug an und ver­schwin­den. Nun habe ich mei­ne Ruhe und kann mich hier umsehen.

Nach einer Wei­le tre­te aber auch ich den Rück­weg an, denn der Wind ist heu­te ganz schön frisch. Den Rück­weg will ich zu Fuß zurück­le­gen und ent­decke einen schö­nen Weg direkt am See­ufer. Nach rund einem Kilo­me­ter kommt dann wie­der die Son­ne raus, komi­sches Wet­ter ist das hier.

Unter­wegs fin­de ich dann noch die­se Tafel, die über Midd­le Island auf­klärt, das wirk­lich der süd­lich­ste Punkt Kana­das ist, wenn man alle Inseln mitzählt.

Umso wei­ter ich in Rich­tung Visi­tor Cen­ter lau­fe, desto schö­ner wird das Wet­ter wie­der. Bald habe ich nur noch blau­en Him­mel über mir.

Über dem See kann ich aber die Wol­ken­kan­te erken­nen, die wohl den Haupt­teil des Sees heu­te über­spannt und somit auch noch den süd­li­chen Teil von Point Pelee trifft.

Nach einer guten Stun­de bin ich dann wie­der zurück am Auto und fah­re ein paar Kilo­me­ter wei­ter zu einem wei­te­ren Park­platz. Von hier führt ein klei­ner Trail zum DeLau­rier House.

DeLau­rier Hou­se ist ein Zeu­ge aus einer längst ver­gan­ge­nen Zeit, denn noch vor 60 Jah­ren gab es hier eine klei­ne Sied­lung. Doch zum Schut­ze der Natur wur­den die Men­schen hier zum Umzug gezwun­gen und die mei­sten Gebäu­de ange­ris­sen. DeLau­rier Hou­se jedoch wur­de als Denk­mal ste­hen gelassen.

Zwi­schen 1850 und 1966 gab es hier am Point Pelee eine französisch-​kanadische Sied­lung, eine der weni­gen außer­halb von Que­bec. Die Sied­ler ver­wan­del­ten Sumpf­land in Acker­land und schu­fen eines der ersten gro­ßen Land­wirt­schafts­ge­bie­te in Ontario.

DeLau­rier Hou­se wur­de von Oli­ver DeLau­rier erbaut und war so etwas wie das Herz der Gemein­de. Hier traf man sich am Abend auf ein Bier oder fei­er­te Feste. Bis heu­te ist das Haus wie eine Zeit­kap­sel und als Erin­ne­rung an die Sied­ler erhal­ten geblieben.

Das Sumpf­land, das die Sied­ler einst zu Acker­land mach­ten, wur­de nach deren Umsied­lung größ­ten­teils rena­tu­riert und damit kom­men wir zu mei­nem drit­ten Stopp im Park. Inzwi­schen ist es spä­ter Vor­mit­tag und es wird merk­lich vol­ler. Auf dem Park­platz habe ich Mühe einen Stell­platz zu fin­den. Ist aber auch kein Wun­der, denn hier gibt es nicht nur einen Aus­sichts­turm und einen Board­walk, son­dern auch einen Kanu­ver­leih und dort tum­meln sich vie­le Leute.

Zum Pad­deln habe ich kei­ne Lust und so klet­te­re ich auf den Aus­sichts­turm, um mir einen Über­blick zu ver­schaf­fen. Mein erster Gedan­ke als ich oben bin, das sieht hier irgend­wie ein biss­chen aus wie in den Ever­glades, feh­len nur die Alligatoren.

Wie­der unten star­te ich den 1,4 Kilo­me­ter lan­gen Rund­weg auf dem Board­walk, der sich durch den Cat­tail Marsh schlängelt.

Bei mei­ner Rück­kehr zum Auto war­ten die näch­sten schon sehn­süch­tig auf die Park­lücke, komisch, auf dem Trail war gar nicht so viel los. Da müs­sen wirk­lich vie­le Leu­te pad­deln sein. Ich fah­re wei­ter Rich­tung Aus­gang und hal­te noch ein letz­tes Mal an einem klei­nen Park­platz. Von dort führt ein kur­zer Weg zum Lake Erie, der hier viel ruhi­ger ist als eini­ge Kilo­me­ter wei­ter südlich.

Als ich nach links schaue, kann ich dann sogar die Süd­spit­ze erken­nen, die sich aber anschei­nend noch immer in dicke Wol­ke hüllt. 

Da blei­be ich lie­ber noch ein Weil­chen hier und genie­ße den Strand, den ich ganz für mich allein habe. Die kur­ze Bade­sai­son im Som­mer ist hier längst vorbei.

Gegen Mit­tag bre­che ich dann wie­der Rich­tung Gren­ze auf. Kurz­zei­tig habe ich mit dem Gedan­ken gespielt, den Grenz­über­gang in Sar­nia zu neh­men, den ich bereits aus 2004 und 2011 ken­ne, die­se Idee jedoch wie­der ver­wor­fen, da mit der Umweg zu weit erschien und ich die heu­ti­ge Nacht schon in Detroit gebucht hatte. 

So lan­de ich nun wie­der in Wind­sor, wo ich noch kurz an einer Mall hal­te, um in einen Hud­son Bay Store zu schau­en, aber nicht wei­ter fün­dig wer­de. Dann geht es wei­ter auf direk­tem Weg zur Gren­ze. Heu­te will ich aber nicht den Tun­nel neh­men, son­dern die Ambassa­dor Bridge, ich habe ja kei­ne Ahnung, auf was ich mich hier ein­las­se. Aber erst ein­mal sieht alles super aus, als ich auf die Brücke fah­re, die ich noch gestern vom Park aus bestaunt habe.

Nach dem Über­que­ren der Brücke errei­che ich die Ein­rei­se­kon­trol­le für die USA. Naja, sagen wir mal so, ich ver­su­che es. Ich habe die Gren­ze nach Kana­da ja schon oft über­quert, aber so etwas wie hier habe ich noch nie erlebt. Nicht mal zwi­schen Seat­tle und Van­cou­ver war das Cha­os so groß. Denn wäh­rend die Brücke zwei Spu­ren hat, auf der sowohl Autos als auch LKW unter­wegs sind, öff­net sich dahin­ter ein rie­si­ger Platz ohne Spu­ren oder sonst was und in wei­ter Fer­ne ste­hen die Kon­troll­häus­chen. Dazwi­schen herrscht Anar­chie zwi­schen LKWs und PKWs, denn jeder ver­sucht sich irgend­wie in eine Schlan­ge ein­zu­ord­nen, das rein­ste Cha­os. Irgend­wie schaf­fe ich es aber doch mich anzu­stel­len, rund eine drei­vier­tel Stun­de zu war­ten und schließ­lich bei einem Offi­cer vor­zu­fah­ren. Die Ein­rei­se ist dann super schnell erle­digt, da ich ja schon aus den USA kam und auch kei­ne Waren zu ver­zol­len habe. Ich bin zurück in den USA. 

In Detroit selbst ist dann gäh­nen­de Lee­re auf den Auto­bah­nen, denn am heu­ti­gen Sonn­tag ist hier nichts los. Ich las­se die Stadt links lie­gen und fah­re in den Vor­ort Roche­ster Hills, wo sich die Mea­dow Brook Hall befin­det, die ich mir heu­te anschau­en will.

Detroit ist ja bekannt­lich die Wie­ge der ame­ri­ka­ni­schen Auto­mo­bil­in­du­strie und so ziem­lich jeder kennt wohl den berühm­te­sten Ein­woh­ner, Hen­ry Ford, des­sen Eltern­haus und auch Wohn­haus heu­te genau­so Muse­en sind, wie eini­ge sei­ner Fabri­ken. Doch es gab noch ande­re Auto­pio­nie­re in der Gegend, wie zum Bei­spiel die Fami­lie Dodge.

Mea­dow Brooks Hall liegt auf dem Grund­stück der Oak­land Uni­ver­si­ty, zumin­dest heu­te, und so fah­re ich an einem Sonn­tag­nach­mit­tag über ein gäh­nend lee­res Uni­ver­si­täts­ge­län­de, um den Park­platz zu errei­chen. Von dort geht es zu Fuß auf die­sen gro­ßen Vor­hof. Schon an den Neben­ge­bäu­den sieht man, auch hier wur­de alles im Tudor Stil erbaut. Eng­li­sche Land­häu­ser waren in Mode.

Aber ganz so histo­risch kor­rekt ist man dann natür­lich nicht, denn wir befin­den uns schließ­lich auf dem Anwe­sen eines der gro­ßen Auto­mo­bil­her­stel­ler, bzw. sei­ner Erben. Und so führt mich mein Weg erst ein­mal in die Gara­ge, wo eine schö­ne Aus­wahl an histo­ri­schen Dodge Fahr­zeu­gen zu sehen ist.

Von der Gara­ge geht es nun wei­ter, vor­bei an schö­nen Neben­ge­bäu­den, die einst vom Per­so­nal bewohnt wurden.

Dann ste­he ich vor dem Haupt­haus, Mea­dow Brook Hall. Erbaut wur­de es 1926–29 für Matil­da Dodge Wil­son und ihren Mann Alfred G. Wil­son. Ihr Ver­mö­gen erb­te Matil­da von ihrem ersten Ehe­mann, John Fran­cis Dodge. Dodge und sein Bru­der grün­de­ten 1914 die Dodge Motor Com­pa­ny, mit der sie sofort extrem erfolg­reich wur­den. John war ins­ge­samt drei Mal ver­hei­ra­tet. Sei­ne erste Frau, mit der er drei Kin­der hat­te, ver­starb an Tuber­ku­lo­se. Sei­ne zwei­te Frau war sei­ne Haus­häl­te­rin und er ließ sich schon kur­ze Zeit spä­ter schei­den. 1907 ehe­lich­te er dann Matil­da Rausch, Kind deutsch­stäm­mi­ger Ein­wan­de­rer aus Onta­rio. Mit ihr hat­te Dodge noch­mals drei Kin­der, von denen aber nur eines ein hohes Alter erreich­te. Die jüng­ste Toch­ter ver­starb mit fünf Jah­ren an den Masern, ein Sohn mit 21 Jah­ren bei einem Unfall.

John Fran­cis Dodge und sei­nen Bru­der ereil­te jedoch auch selbst ein trau­ri­ges Schick­sal. Auf dem Höhe­punkt ihres Erfol­ges rei­sten sie 1920 nach New York und infi­zier­ten sich dort mit der Spa­ni­schen Grip­pe. bei­de Brü­der über­leb­ten die Erkran­kung nicht und so wur­de Matil­da Dodge zur Wit­we mit drei klei­nen Kin­dern und gleich­zei­tig schlag­ar­ti­ge die reich­ste Frau der USA. Fünf Jah­re spä­ter hei­ra­te­te sie den Holz­ba­ron Alfred G. Wil­son. das Ehe­paar lies nun für sich und die Kin­der ihr Traum­haus errich­ten – Mea­dow Brook Hall.

Zusam­men mit ihrem zwei­ten Mann und den Kin­dern Dani­el und Fran­ces sowie den zwei Adop­tiv­kin­dern Richard und Bar­ba­ra zog die Fami­lie in das Haus ein.

Mea­dow Brook Hall wur­de im Tudor Stil erbaut. Das Land, auf dem sich das Haus befin­det, gehör­te ursprüng­lich John F. Dodge, der hier eine Farm auf­kauf­te, die sei­ne Fami­lie als Feri­en­haus nut­zen woll­te. Die Kosten für den Haus­bau betru­gen damals vier Mil­lio­nen Dol­lar. Matil­da Dodge Wil­son leb­te hier bis zu ihrem Tod, abge­se­hen von Aus­flü­gen in ihr Som­mer­haus in Bar Har­bor, Maine, sowie ihr Win­ter­haus in Scotts­da­le, Arizona. 

Das Haus ist heu­te ein Muse­um und wird aber auch für Hoch­zei­ten genutzt. Auch an die­sem Sonn­tag gibt es eine Fei­er, doch die fin­det nur in einem Flü­gel sowie im Gar­ten statt. Ich darf das Anwe­sen trotz­dem erkun­den. Von einer net­ten Mit­ar­bei­te­rin wer­de ich durch das Haus geführt. Außer mir ist kei­ner da, sodass ich mal wie­der eine tol­le Pri­vat­füh­rung bekomme. 

Mea­dow Brook hall hat ins­ge­samt 8200 Qua­drat­me­ter­wohn­flä­che, ver­teilt auf 110 Zim­mer. 1957 spen­det das Ehe­paar ihr Anwe­sen der Michi­gan Sta­te Uni­ver­si­tät zusam­men mit zwei Mil­lio­nen Dol­lar in bar, um die Oak­land Uni­ver­si­tät zu grün­den, auf deren Gelän­de sich Mea­dow Brook Hall noch heu­te befin­det. Das Her­ren­haus ist heu­te das viert­größ­te Haus­mu­se­um der USA.

Danach kann ich mich auf eige­ne Faust im Gar­ten umse­hen. Hier sehe ich schon ein paar Vor­be­rei­tun­gen für die Fei­er am Abend. Noch sind aber kei­ne Gäste da. Fei­ern begin­nen erst nach der Schlie­ßung des Hau­ses für Besucher.

Mea­dow Brook Hall hat mir sehr gut gefal­len, doch nun ist es Zeit wei­ter­zu­fah­ren. Nor­ma­ler­wei­se hat­te ich geplant, gleich ins Hotel zu fah­ren, doch das Wet­ter ist ein­fach zu schön, sodass ich das noch ein wenig genie­ßen will. Oft wird man ja eher schief ange­se­hen, wenn man sagt, man fah­re nach Detroit. Da gäbe es doch nichts zu sehen, nur eine ver­fal­le­ne Stadt. Dass dem nicht so ist, haben mir inzwi­schen drei Besu­che bewie­sen. Allein die Ford Häu­ser und Muse­en sind ein­fach fan­ta­stisch, doch es gibt so viel mehr zu ent­decken. So bin ich auf die Bel­le Isle gesto­ßen. Eigent­lich nur, weil ich die Insel mit­ten im Detroit River mal anschau­en woll­te – aus rei­ner Neugier. 

Nach­dem ich über die Mac­Ar­thur Bridge auf die Insel gefah­ren bin, errei­che ich zuerst das 1908 erbau­te Casi­no. Hier wur­de aber nie Glücks­spiel ange­bo­ten, son­dern das Gebäu­de ver­folg­te eher den ursprüng­li­chen Ansatz eines Casi­nos als Begeg­nungs­stät­te und für Entertainment.

Nur weni­ge Schrit­te wei­ter sehe ich die Staue von James Scott. Wer die­sen Namen jetzt noch nie gehört hat und nicht weiß, wer die­ser Herr war, der befin­det sich in guter Gesell­schaft, denn eigent­lich war Scott nie­mand beson­de­res, ja er soll sogar zuwei­len ein recht unan­ge­neh­mer Zeit­ge­nos­se gewe­sen sein. Und so kam es, dass Scott, als er sein Testa­ment mach­te erkann­te, dass er eigent­lich nie­man­den hat­te, dem er sein Ver­mö­gen ver­ma­chen konn­te. Erbe wur­de dadurch die Stadt Detroit, die ursprüng­lich 200.000 Dol­lar erhal­ten soll­te, mit der Auf­la­ge, einen Brun­nen und eine Sta­tue von Scott zu errich­ten. Doch es war umstrit­ten, ob man das Geld von einem Bür­ger mit recht zwei­fel­haf­tem Ruf anneh­men soll­te. Als man sich schließ­lich dazu ent­schied, war das Ver­mö­gen auf über eine Mil­li­on Dol­lar ange­wach­sen. Und so bekam Scott postum sei­ne Sta­tue, doch nicht nur das.

Viel gewal­ti­ger und impo­san­ter ist die James Scott Memo­ri­al Foun­tain, die gan­ze 500.000 Dol­lar an Bau­ko­sten ver­schlun­gen hat. 160 Meter im Durch­mes­ser und gan­ze 38 Meter hoch ist sie, kom­plett aus Mar­mor, ent­wor­fen vom Archi­tek­ten Cass Gil­bert und geschaf­fen vom Bild­hau­er Her­bert Adams.

Der Brun­nen ist aber nur eines von vie­len Monu­men­ten auf der Bel­le Isle, die als Kron­ju­wel der Stadt­parks von Detroit bezeich­net wird. Lei­der ist auch hier der Abstieg von Detroit nicht spur­los vor­bei­ge­gan­gen, denn es fehl­ten ein­fach die öffent­li­chen Gel­der, den Park, in dem sich auch der Zoo und Ame­ri­kas älte­stes Aqua­ri­um befin­den, zu finan­zie­ren. Mit­te der 2000er Jah­re sah es ganz düster aus, da wur­den Zoo und Aqua­ri­um sogar geschlos­sen. Doch die Bür­ger wer­ten sich und ver­lang­ten, dass ihr schön­ster Stadt­park nicht schlie­ßen dür­fe und so sprang der Staat Michi­gan ein, der die Bel­le Isle seit 2013 als Sta­te Park ver­wal­tet. Seit­dem ist die Insel nun wie­der vol­ler Leben, wie an die­sem Sonntagnachmittag.

Ich fah­re auf der Park­stra­ße wei­ter, die sich ein­mal rund um die Insel win­det. Auf den Wie­sen tum­meln sich die Men­schen, sie pick­nicken, Kin­der spie­len im Gras und auf dem See sind klei­ne Boo­te unter­wegs. Durch die Bäu­me ent­decke ich einen Turm, den Nany Brown Peace Caril­lon Tower.

Wäh­rend der Turm zu mei­ner Lin­ken zu sehen ist, befin­det sich zu mei­ner Rech­ten die Fahr­rin­ne des Detroit River, einem wich­ti­gen Ver­bin­dungs­weg zwi­schen den Gro­ßen Seen. Immer wie­der kann ich Fracht­schif­fe sehen, die Seen zei­gen mal wie­der, dass sie doch eher Bin­nen­mee­re sind.

Und auch die all­ge­gen­wär­ti­gen Kana­da­gän­se dür­fen nicht feh­len. Im Herbst sind sie ein­fach über­all rund um die Gro­ßen Seen zu finden. 

Der Blick über das Was­ser gibt immer wie­der den Blick auf die Küste Kana­das frei. Im Gegen­satz zu Detroit gibt es hier vie­le teu­rer Appar­te­ments, denn was in den USA eine der käl­te­sten Regio­nen im Nor­den ist, ist für die Kana­di­er eine der wärm­sten. Das habe ich schon auf mei­ner Tour 2016 an den St. Lorenz Strom gelernt. So ist das Land in Kana­da locker fünf bis zehn Mal so viel wert, allein weil die­ses Gebiet für Kana­da ein sehr mil­des Kli­ma aufweist. 

An der Nord­spit­ze ange­kom­men, stel­le ich mein Auto wie­der ab, denn ich möch­te den rund zwei Mei­len lan­gen Trail zum Bel­le Isle Light­house und ent­lang der Blue Heron Lagoon lau­fen. Das Wil­liam Living­ston Memo­ri­al Light­house wur­de nach dem von 1902–1925 amtie­ren­den Prä­si­den­ten der Lake Car­ri­ers’ Asso­cia­ti­on benannt. Living­ston über­zeug­te die Regie­rung unter ande­rem zum Bau der größ­ten Schleu­se in Sault St. Marie und ließ ver­schie­de­ne Was­ser­stra­ßen ver­tie­fen und begradigen.

Der Leucht­turm besteht kom­plett aus Mar­mor und koste­te damals 100.000 Dol­lar, die von der Lake Car­ri­ers’ Asso­cia­ti­on sowie aus Spen­den zusam­men­ge­tra­gen wur­den. Da der Turm meh­re­re Male von Van­da­len heim­ge­sucht und beschä­digt wur­de, ist das Gelän­de lei­der ein­ge­zäunt und ich kom­me nicht näher heran.

Ich lau­fe noch ein Stück wei­ter an der Blue Heron Lagoon ent­lang und kann nun auf das ande­re Ufer des Detroit River schau­en. Hier geht es nicht so idyl­lisch zu, denn zu sehen sind Schorn­stei­ne und Fabrik­an­la­gen, genau­er gesagt die eines der Chrys­ler Wer­ke in Detroit.

Da wen­de ich mei­nen Blick doch lie­ber nach Nor­den, wo der Detroit River auf den St. Clair Lake trifft.

Die Zeit rennt mal wie­der viel zu schnell und da mein Besuch auf den frü­hen Abend fällt, kann ich natür­lich nichts mehr von innen besich­ti­gen. Doch einen Stopp will ich noch machen und er führt mich in den histo­ri­schen Distrikt. Hier liegt die Insel­ru­he Ave­nue. War­um die Stra­ße so heißt, kann ich nicht her­aus­fin­den, wohl aber, dass hier das Herz der Insel schlägt.

Eines der Häu­ser hier ist das 1871 erbau­te White Hou­se das einst, wie die gan­ze Insel, einer Fami­lie Wil­lis gehör­te. Heu­te ist hier die Park­ver­wal­tung unter­ge­bracht, sodass das Haus nur von außen besich­tigt wer­den kann.

Eines der größ­ten Gebäu­de der Insel ist das Bel­le Isle Con­ser­va­to­ry, ein Gewächs­haus mit bota­ni­schem Gar­ten. 1904 eröff­net, ist es das am läng­sten durch­gän­gig geöff­ne­te Gewächs­haus der USA und wur­de 1955 nach Anna Scribbs benannt, die ihm ihre 600 Pflan­zen umfas­sen­de Orchi­deen­samm­lung vermachte.

Ein wei­te­res histo­ri­sches Gebäu­de ist die 1893 erbau­te Poli­zei­sta­ti­on, die noch heu­te in Betrieb ist. Und die­ses Haus hat noch eine wei­te­re Geschich­te zu bie­ten, denn von hier wur­den zum ersten Mal in den USA Poli­zei­wa­gen mit Funk los­ge­schickt, die dann mit dem Haupt­quar­tier Kon­takt hal­ten konnten. 

Auf mei­nem Weg zum Hotel ent­schei­de ich mich, durch eines der Gebie­te von Detroit zu fah­ren, in dem man den Ver­fall der Stadt am deut­lich­sten sieht. Von einst über zwei Mil­lio­nen Ein­woh­nern ist Motown, wie Detroit lie­be­voll genannt wird, auf inzwi­schen 673.000 Ein­woh­ner geschrumpft. Das lan­ge wäh­ren­de ein­sei­ti­ge Ver­trau­en auf die Auto­mo­bil­in­du­strie ein Feh­ler gewe­sen, den die Stadt nun bit­ter bezahlt. Zu sehen ist das auch hier, an der alten Packard Fabrik.

Sech­zehn Hekt­ar Land und 325.000 Qua­drat­me­ter Gebäu­de­flä­che umfasst das Fabrik­ge­län­de, auf dem zwi­schen 1903 und 1958 luxu­riö­se Auto­mo­bi­le von Packard her­ge­stellt wur­den. Vom berühm­ten Archi­tek­ten Albert Kahn ent­wor­fen, war die Fabrik einst die modern­ste der Welt. Noch bis in 1990 Jah­re wur­den wei­te Tei­le genutzt, doch dann ver­fiel sie immer mehr. Auch wenn in den letz­ten Jah­ren eini­ge Reno­vie­run­gen geplant wur­den, war ein wei­te­rer trau­ri­ger Höhe­punkt des Ver­falls erst am 23. Janu­ar 2019 zu bekla­gen. Die berühm­te Fuß­gän­ger­brücke, die auch auf mei­nem Bild noch zu sehen ist, stürz­te an die­sem Tag in sich zusammen. 

Schon 2013 wur­de die gesam­te Fabrik vom Inve­stor Fer­nan­do Pala­zue­lo gekauft, der hier ein gigan­ti­sches Pro­jekt ver­wirk­li­chen will. Viel ist aber bis­her nicht pas­siert, bis auf einen ersten Spa­ten­stich im Jahr 2017. Ob und wie sich das fast 500 Mil­lio­nen Dol­lar teu­re Pro­jekt wei­ter ent­wickelt, das wird wohl nur die Zukunft zeigen. 

Als Hotel habe ich heu­te das Resi­dence Inn Livo­nia gebucht, das ganz in der Nähe des Mar­riott Hotels liegt, in dem ich vor zwei Tagen genäch­tigt habe. Hier bekom­me ich eine schö­ne Stu­dio Suite, in der ich mich sehr wohl fühle.

Ich fah­re noch kurz in einen Super­markt, um mir ein paar Lebens­mit­tel zu besor­gen, bevor ich mir einen gemüt­li­chen Abend in mei­ner Suite mache.

Mei­len: 266
Wet­ter: Schau­er, spä­ter son­nig, 59–80 Grad
Hotel: Resi­dence Inn Livonia

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