TAG 3: 15. Juni 2012
Hoch hinaus – Rundfahrt durch die Highlands
Lange habe ich überlegt, wie ich die Highlands am besten besuche. Das Gebiet ist ja recht dünn besiedelt und deshalb auch nicht übermäßig mit Hotels gesegnet. Die wenigen, die es gibt, sind dann oft ziemlich teuer. So entschied ich mich, einen Tagesausflug zu machen. Mir war schon klar, dass ich nur ein ausgewähltes Stück sehen würde, aber dass ich in neun Tagen nicht jede Ecke von Schottland besuchen würde, war mir ja von Anfang an bewusst. So mache ich mich am Morgen auf, immer Richtung Norden. Das Wetter sieht leider auch nicht vielversprechend aus und es regnet immer mal wieder.
Auf der A836 fahre ich Richtung Tongue. Diese Straße ist übrigens eine typische Hauptstraße. Hier oben sind fast alle Straßen nur noch einspurig und haben Ausweichstellen. Die Menschen sind das aber gewöhnt und angenehm höflich. Eigentlich habe ich nur einmal ein schlechtes Erlebnis gehabt, und das war mit zwei italienischen Wohnmobilen auf der Insel Skye.
Unterwegs komme ich durch traumhafte Landschaft und auch das Wetter bessert sich tatsächlich etwas. Umso weiter ich nach Norden komme, desto weniger regnet es und die Wolken beginnen sich zu lichten.
Mein erster Stopp an der Nordküste ist das kleine Dörfchen Tongue, wo auch eines der wenigen Hotels hier oben zu finden ist. Eigentlich hatte ich vor hier zu übernachten, die Preise haben mich jedoch etwas abgeschreckt.
Nicht nur Rinder gibt es in Schottland zu Hauff, auch an Schäfchen mangelt es nicht. Oft scheint es, dass ihre Anzahl die der Einwohner eines Dorfes um ein Vielfaches übersteigt.
Tongue liegt an einer lang gestreckten Bucht am Nordatlantik und die Straße führt mich eine ganze Weile am Wasser entlang. Von hier bieten sich immer wieder traumhafte Ausblicke auf die Landschaft.
Mein erster Besichtigungsstopp des heutigen Tages ist das Castle of Mey. Das kleine Schloss im hohen Norden Schottlands war fast 50 Jahre lang der Sommersitz von Königin Elizabeth, besser bekannt als Queen Mum, und auch das einzige Haus, das sie je selbst besessen hat. Gekauft hat sie es während einer Reise nach Schottland kurz nach dem Tod ihres Mannes und dann mit viel Liebe fürs Detail hergerichtet und ausgestattet.
Obwohl die alte Dame schon seit über zehn Jahren tot ist, lebt sie hier doch weiter. Als ich das Haus betrete, ist es fast so, als wenn sie gleich um die Ecke kommen würde. Da stehen ihre Schuhe in der Ecke und der blaue Regenmantel hängt am Haken, als ob Queen Mum gleich noch einmal nach draußen wollte. Auch in den anderen Räumen ist alles genauso erhalten geblieben, wie es zu ihren Lebzeiten war.
Gebaut wurde das Schloss bereits zwischen 1566 und 1572 vom Earl of Caithness, für seinen zweiten Sohn William. Nach dem Aussterben dieser Linie wurde das Schloss Anfang des 20. Jahrhunderts mehrmals verkauft, bevor es das Heim der ehemaligen Königin wurde.
Den ganz besonderen Charme des Castle of Mey machen aber nicht nur die Lage und das Gebäude selbst aus, sondern die vielen kleinen Anekdoten, die auch ich während einer Führung zu hören bekomme. Sie bringen mir Queen Mum fast so nahe, als wenn ich sie selbst gekannt hätte. Und das hätte mir bestimmt gefallen, denn das Bild, das ich von ihr erhalte, ist das einer resoluten, aber herzlichen Dame mit einem großen Sinn für Humor.
Heute kümmert sich der Lieblingsenkel der Queen Mum, der Duke of Rothesay (Prinz Charles), um das Anwesen und ehrt so das Andenken an seine geliebte Großmutter.
Nur unweit des Castle of Mey befindet sich auch Duncansby Head. Seit 1924 ziert auch dieser schöne Leuchtturm die Nordostspitze Schottlands und den will ich mir natürlich nicht entgehen lassen. Hinein geht es aber leider nicht, denn der Leuchtturm ist immer noch in Betrieb und nicht zu besuchen.
Gleich um die Ecke liegt auch John O’Groats, der nördlichste Ort des britischen Festlands. Passend dazu steht hier auch gleich das „Last House”. Vier Jahre zuvor war ich am Lizard Point im südlichsten Hause gewesen und so durfte natürlich auch hier ein Foto nicht fehlen.
Der absolut nördlichste Punkt des britischen Festlands ist dann der Dunnet Head, den ich wenig später erreiche. Über den Pentland Firth kann ich hier bis zu den Orkneyinseln sehen.
Fotografisch festgehalten wird natürlich auch der 1831 erbaute Leuchtturm, der aber ebenfalls nicht zu besuchen ist.
Hinter Dunnet Head wird die Straße dann, zum ersten Mal am heutigen Tag, wieder etwas breiter, denn hier ist die A99 die Zufahrt zu den Fähren nach Orkney und auf die Shetland Inseln. Ich fahre jedoch Richtung Süden weiter, denn dort soll es noch ein weiteres schönes Schloss geben, das Dunrobin Castle. Um so näher ich meinem Ziel komme, desto mehr zieht sich leider der Himmel wieder zu, aber es bleibt wenigstens trocken, sodass ich auch die Gärten rund um das Dunrobin Castle besuchen kann.
Mit seinen vielen Türmchen und weißen Mauern erinnert es fast schon an ein Märchenschloss. Inspiriert wurde der heutige Bau von den französischen Schlössern an der Loire. Dunrobin ist bereits seit dem 13. Jahrhundert das zu Hause der Earls und Dukes von Sutherland und ist somit eines der am längsten bewohnten Gebäude Schottlands.
Direkt an der Nordsee gelegen, bieten die terrassenförmig angelegten Gärten immer wieder schöne Ausblicke auf das Meer.
Doch auch im Garten entdecke ich recht kuriose Pflanzen, wie diesen Riesenrhabarber. Eigentlich heißt die Pflanze ja Mammutblatt und ist mit dem Rhabarber auch gar nicht verwandt. Durch die Ähnlichkeit der Blätter hat die aus dem südlichen Brasilien stammende Pflanze diesen Namen jedoch erhalten.
Der kürzeste und einfachste Weg von Dunrobin Castle zurück nach Inverness wäre natürlich die Fahrt auf der A9. Doch will ich, wenn möglich, lieber Nebenstrecken fahren und so biege ich auf eine kleine Nebenstraße ab, die mich nach Nigg bringen soll. Nigg liegt am Cromarty Firth und ist durch eine kleine Fähre mit dem gegenüberliegenden Cromarty verbunden.
Die Fähre ist so klein, dass gerade mal zwei Autos mitfahren können. Das ist jedoch kein Problem, da ich genau das zweite Auto in einer Schlange aus zwei Autos bin. Normalerweise ist es ja so, dass man auf eine Fähre hinauffährt und dann auch in Fahrtrichtung wieder hinunter. Das ging bei dieser Fähre allerdings nicht und so wunderte ich mich doch recht bald, wie wir hier wieder herunterkommen sollten. Diese Frage wurde aber sofort nach Abfahrt beantwortet, denn die Autos stehen auf einer Drehscheibe und werden während der Überfahrt einfach um 180 Grad gedreht. So ist dann auch das Herunterfahren kein Problem mehr.
Auf der anderen Seite angekommen, mache ich noch einen letzten kurzen Abstecher Chanonry Point. Hier an der zwischen Chanonry Point und Fort George soll eigentlich der beste Ort sein, um Delphine zu beobachten. Doch heute Nachmittag sehe ich keine, was wohl auch dem immer stärker werdenden Wind und der damit immer rauer werdenden See zu schulden ist.
Bald darauf fängt es auch zu regnen an, sodass ich mich recht schnell wieder auf den Weg zum Auto mache. Nach etwa zehn Minuten Fußmarsch über den steinigen Strand habe ich dann mein Auto wieder erreicht, gerade noch rechtzeitig, bevor Petrus so richtig die Schleusen öffnet. Der Regen begleitet mich die gesamte restliche Fahrt nach Inverness, wo ich am Abend erschöpft aber glücklich ankomme. Auch heute gibt es nur ein Sandwich von Tesco, denn ich habe keine Lust mehr, bei diesem Wetter vor die Tür zu gehen.
Meilen: 315
Wetter: bewölkt mit Schauern, teilweise heiter/ 7–12 Grad
HOTEL: Premier Inn Inverness, £29