Tag 5 – 13. September 2014
The District sleeps alone tonight - Washington nach Baltimore
„Wandel ist schwierig und Wandel ist langsam und es passiert niemals alles auf einmal.”
Michelle Obama
Noch einmal zieht es mich am Morgen an die Mall. Dieses Wochenende steht ja ganz im Zeichen des Star-Spangled Banner und wie könnte man so ein historisches Ereignis besser beginnen, als eben jene Flagge zu besuchen, die vor 200 Jahren über Fort McHenry wehte. Sie ist heute im National Museum of American History ausgestellt. Doch das Museum bietet viel mehr. Einen Schnitt durch die amerikanische Geschichte.
So findet man hier die Schuhe von Judy Garland, die sie im Wizard of Oz trug oder die Videokamera, die als Einzige den Einschlag des ersten Flugzeuges in das World Trade Center aufzeichnete. Auch Ostereier des jährlichen Easter Egg Roll sind ausgestellt.
In einem anderen Raum werden Gegenstände aus so ziemlich jeder Präsidentschaft gezeigt. So schaue ich mir Erinnerungsstücke zum Attentat auf Präsident McKinley, einen Stuhl von George Washington oder Ausstellungsstücke zur Ermordung von Präsident Kennedy an.
Die wohl größte Ausstellung in diesem Teil des Museums ist aber die der First Ladies. Jede einzelne hat ihre Vitrine, in der ein Kleid der jeweiligen Dame ausgestellt ist. Meistens ist es das Kleid, das die First Lady zum Inaugural Ball getragen hat.
Die Ausstellung wäre aber auch so interessant, denn sie zeigt auch, wie sich Mode über die Jahrhunderte verändert hat. Das rote Kleid in der Mitte ist übrigens das neueste Ausstellungsstück, denn es wurde von Michelle Obama getragen.
Genug der Präsidenten, ich will endlich zu dem Ausstellungsstück, wegen dem ich eigentlich hergekommen bin. Hinter dieser Wand liegt es, in dem einzigen Raum des ganzen Museums, wo fotografieren verboten ist – das original Star-Spangled Banner, das an eben jenem 14. September 1814 über Ft. McHenry gehisst wurde und Francis Scott Key zu seinen berühmten Zeilen inspirierte. Wer trotzdem einen Blick drauf werfen will, kann das hier tun.
Ein anderer Teil des Museums ist dann dem Konsum gewidmet oder genauer gesagt den Lebensmitteln, die die Amerikaner so über die Jahrzehnte bevorzugten.
Ganz großer Andrang herrschte vor dieser Ausstellung, denn dies ist die original Küche von Julia Child. Die berühmte Fernsehköchin ist in Europa eher unbekannt, doch in den USA ist sie noch immer ein Superstar. Kaum eine Frau hat die amerikanische Küche so revolutioniert wie sie und ihre Kochsendungen waren Hits. Ihre Kochbücher werden auch heute noch verkauft. Das Leben der Julia Child wurde übrigens auch verfilmt. 2009 kam Julie&Julia in die Kinos, in der Hauptrolle Meryl Streep.
Wieder ein anderer Teil des Museums erzählt die Geschichte der öffentlichen und privaten Verkehrsmittel in den USA. So stehen hier riesige Lokomotiven …
… Cable Cars …
… und Vorstadtzüge, in die man sogar einsteigen kann. Durch eine Projektion auf einer Leinwand habe ich fast das Gefühl wirklich zu fahren.
Eine besonders große Ausstellung ist natürlich dem Automobil gewidmet.
Gegen Mittag breche ich aber auf und verlasse Washington auf direktem Weg nach Nordosten. Hier hat sich einiges getan seid ich diesen Weg zum letzten Mal eingeschlagen habe. Ganze Viertel wurden renoviert und zumindest einige Viertel sehen nun auch wieder ansehnlich und bewohnbar aus.
Ich schlage nun den direkten Weg nach Baltimore ein, doch umso näher ich der Stadt komme, desto mehr verwandelt sich der vorher nur bedeckte Himmel in eine riesige dunkle Wand. Und dann beginnt es zu schütten wie aus Kübeln. Na super, muss das denn ausgerechnet heute sein.
Aber was soll’s, historische Daten kann man nun man nicht verschieben. So fahre ich erst kurz ins Homewood Suites in Columbia und checke für die nächsten 2 Tage ein. Da ich etwas zeitig dran bin, ist nur eine behindertengerechte Suite frei, aber das stört mich nicht weiter.
Dann nur kurz das Gepäck ausgeladen und schon bin ich wieder unterwegs. Nun bin ich gespannt, denn ich habe im Internet einen Parkplatz direkt am Inner Harbor reserviert. Stolze $22 hat das gekostet, aber dafür soll der Parkplatz wenigstens auf mich warten. Also die Adresse des Parkhauses ins Navi eingegeben und los geht die Suche. Der Verkehr fließt auch recht langsam und einige Straßen sind gesperrt, doch das Parkhaus finde ich trotzdem recht zügig. Und tatsächlich, mein Parkplatz wartet auf mich, während andere Autos abgewiesen werden.
So muss ich dann auch nur einen Block bis zum Hafen laufen. Inzwischen hat es aufgehört zu regnen, aber der Himmel sieht noch immer bedrohlich aus. So packe ich Schirm und Regenjacke lieber ein.
Am Inner Harbor haben zur Feier des Tages viele historische Segler festgemacht, so auch dieses Schulungsschiff der Küstenwache. Das hat mich irgendwie an die Gorch Fock erinnert.
Jetzt geht’s zu Fuß zum Check-Point am Inner Harbor, denn um Fort HcHenry zu betreten oder die Navy Schiffe besichtigen zu können, muss man während des Festivals durch eine dem Flughafen ähnliche Sicherheitskontrolle. Auch Taschen sind verboten. Nur eine durchsichtige 3‑Liter Tüte und die Kamera dürfen mit.
Ich komme genau zur richtigen Zeit, denn nach mir wird die Schlange, trotz erneut einsetzenden Regens, immer länger. Dann werden wir in Schulbusse verladen und zum Hafen im Stadtviertel Locust Point gebracht. Hier liegen Schiffe aus Norwegen, Kanada, der Türkei und anderen Nato Partnern, die auch besichtigt werden können.
Leider regnet es immer stärker. Noch trotze ich dem Wetter und erklimme die Gangway des türkischen Marineschiffes.
Als der Regen aber weiterhin nicht aufhört, breche ich ab. Das macht einfach keinen Spaß. Ich besteige den nächsten Bus, der mich nach Fort McHenry bringt. Das ist gleich um die Ecke, doch erstaunlicherweise hört der Regen zwischenzeitlich auf. Also nutze ich die Zeit, um eine kurze Runde durch das Fort zu drehen.
Um Punkt 15 Uhr startet dann die Air Show mit den Blue Angeln. Leider können sie heute nicht alle Formationen fliegen, denn die Wolken hängen einfach zu tief. Wenn ich die Show nicht schon zwei Mal gesehen hätte, wäre ich wohl noch enttäuschter gewesen, aber Sicherheit für die Piloten geht halt vor.
So fällt die Show dann auch dementsprechend kurz aus und besteht eher aus Überflügen als Kunstflug. Ich laufe derweil weiter durch das Fort.
Hier haben sich ganze Gruppen in historischen Kostümen niedergelassen, die das Leben im Fort vor 200 Jahren nachspielen. Dazu leben sie während des Festivals sogar in Zelten auf dem Gelände und bereiten auch ihre Mahlzeiten über dem offenen Feuer zu. Das Essen, das hier gekocht wird, ist übrigens genauso historisch korrekt wie die Kleidung, die hier getragen wird.
Nur das Auge des Gesetzes trägt herkömmliche Uniform.
Das sich das Wetter einfach nicht bessert, packe ich irgendwann meine Sachen. Es ist kalt, es ist windig und tröpfelt auch immer wieder. So mache ich mich auf zur Bushaltestelle. Dort sehe ich schon von weitem eine lange Schlange, doch plötzlich hält ein Bus neben mir und ein paar weiteren Besuchern. Der Fahrer meint, er würde ins Depot fahren, doch da das in der Innenstadt sei, könne er ja auch Leute mitnehmen. Dankbar steigen wir ein und werden bis zum südlichen Inner Harbor gebracht.
Hier angekommen laufe ich noch ein bisschen an den Buden und Schiffen vorbei. Ich überlege schon was ich machen soll, denn das Wetter nervt einfach nur noch.
Trotzdem harre ich aus und werde belohnt. Ganz plötzlich reißt die Wolkendecke auf und blauer Himmel schaut hervor.
Dann kommt tatsächlich die Sonne heraus und es wird schlagartig warm. Unglaublich, das Ganze passiert innerhalb von Minuten. Da macht der Rundgang doch gleich viel mehr Spaß.
Anders als ich müssen meine Kollegen von NBC in Baltimore heute arbeiten. Sie berichten live von den Festlichkeiten hier am Inner Harbor.
Und dann geht die Sonne unter und der Himmel leuchtet in wunderschönen Farben, so als ob der Regen nie existiert hätte.
Auch als es stockdunkel ist, tummeln sich noch viele Menschen am schön beleuchteten Hafen.
Der Abend klingt schließlich mit dem wohl fantastischsten Feuerwerk aus, das ich jemals gesehen habe. Eigentlich sind es sechs Feuerwerke, die von Fort McHenry quer über den gesamten Hafen bis hin zum Inner Harbor abgefeuert werden.
Die Stimmung unter den Leuten hier, ist einfach Klasse. Kein Geschubse, kein Gedränge, obwohl hier Hundertausende das Feuerwerk sehen wollen. Auch ich habe mir schon fast 2 Stunden vor der Show einen guten Platz gesucht und die Zeit mit Small Talk vertrieben.
Nach der Show wollen natürlich alle nach Hause, doch durch das ausgeklügelte Parkkonzept komme ich trotz der Menschenmassen zügig aus der Stadt. Trotzdem bin ich natürlich erst spät zurück im Homewood Suites in Columbia, wo ich hundemüde sofort ins Bett falle.
Meilen: 55
Wetter: stark bewölkt, später teils heftige Regenschauer; 12–20 Grad
Hotel: Homewood Suites Columbia, $221.71 (2 Nächte)