TAG 9: 21. Juni 2012
Abschied von Schottland – von Aberdeen nach Berlin
Da mein Flug von Aberdeen zurück nach Deutschland erst am Abend startet, habe ich heute noch den ganzen Tag Zeit, eines weiteres Stück Schottlands zu erkunden. Und so fahre ich ein letztes Mal durch die wunderschöne Landschaft von Schottland. Diesmal sind die Berge westlich von Aberdeen mein Ziel. Bis nach Braemar führt mich mein Weg. Unterwegs fängt es jedoch leider wieder zu regnen an. Ein Ziel will ich aber auf jeden Fall noch besuchen und das ist Balmoral Castle.
Die Ferien verbringt die königliche Familie schon seit mehr als 100 Jahren in Balmoral Castle. Keine Geringere als Königin Victoria erwarb 1852 das Anwesen und ließ es zusammen mit ihrem Ehemann renovieren und als königliches Feriendomizil ausbauen. Aufgrund seiner Abgeschiedenheit und isolierten Lage, kann sich die königliche Familie hier einmal ganz unbeobachtet bewegen. Für Besucher ist das Anwesen deshalb auch nur von April bis Juli geöffnet, sodass die Königin, wenn sie sich von August bis Oktober hier aufhält, nicht gestört wird. Auch ist nur ein Raum des Schlosses öffentlich zugänglich – der Ballsaal. Sonst beschränkt sich der Besuch eher auf ein kleines Museum und das riesige, wunderschöne Anwesen, von dem ich im Regen allerdings nur einen kleinen Teil sehe.
Der nächste größere Ort bei Balmoral ist Ballater. Hier befindet sich auch der Bahnhof, an dem Queen Victoria mit ihrer Familie ankam, wenn sie Balmoral besuchte. Heute ist er stillgelegt und beherbergt ein kleines Museum.
In der Station zu sehen ist unter anderem der Warteraum, in dem sich die königliche Familie vor der Abreise aufhielt. Und nicht nur sie, denn Balmoral wurde auch von fast allen royalen Hoheiten Europas besucht, die zur damaligen Zeit mit dem Zug reisten. Selbst der russische Zar kam 1896 in Ballater an.
Auch ein Nachbau des königlichen Wagons gehört zum Museum. So reiste die englische Königsfamilie zur damaligen Zeit nach Schottland.
Im Laufe meiner Fahrt zurück nach Aberdeen hört es doch tatsächlich auf zu regnen und so entschließe ich mich, noch ein weiteres Ziel anzusteuern – Crathes Castle.
Im Inneren der Burg sind wertvolle Möbel und Kunstgegenstände aus mehreren Jahrhunderten zu bewundern. Für eine besondere Atmosphäre sorgt jedoch die Tatsache, dass Crathes Castle bis vor 60 Jahren noch das Zuhause einer Familie war. Dies ist noch in vielen Räumen gut zu spüren. Crathes Castle war Stammsitz der Burnett Familie. Die Burnetts ließen die Burg Mitte des 16. Jahrhunderts erbauen und lebten hier ununterbrochen bis in das Jahr 1951, als Major General Sir James Burnett, der 13. Baron of Leys, die Burg und das Anwesen in die Hände des National Trust for Scotland gab.
Der Stammbaum der Familie Burnett lässt sich bis in das Jahr 1066 zurückverfolgen. Zwar gehörten die Burnetts nicht zu den berühmten Familien Schottlands, doch über die Jahrhunderte kamen aus ihren Reihen Generäle, Admiräle, Bischöfe, Richter und sogar ein Gouverneur von New York hervor.
Da ich immer noch etwas Zeit habe, bevor ich meinen Mietwagen zurückgeben muss und nicht zu lange am Flughafen verweilen will, stoppe ich auch noch am Drum Castle. Die Burg war über Jahrhunderte hinweg Sitz des Clan Irvine. Drum Castle wurde William de Irwyn im Jahre 1325 von Robert the Bruce übergeben, und blieb bis 1975 im Besitz des Clans. Heute wird es vom National Trust verwaltet.
Nun ist es leider so weit. Ich muss in Richtung Flughafen aufbrechen und dort meinen Mietwagen zurückgeben. Das klappt auch problemlos, nur der Regen fängt wieder an, als ich mich auf den Weg zum Terminal mache. Und verabschiedet sich Aberdeen von mir, wie es mich begrüßt hat, mit einer ordentlichen Portion Regen und ganz und gar ohne Sonnenschein.
Auch auf dem Rückweg lässt mich das Wetter nicht in Ruhe. Von Aberdeen hebe ich, trotz schlechten Wetters, noch pünktlich ab. Unterwegs informiert uns dann der Pilot, dass wir ein Unwetter umfliegen müssten und deshalb eine Ausweichroute über Südnorwegen einschlagen. Dadurch würde sich der Flug um etwa 30 Minuten verlängern. So weit, so gut. Als wir uns endlich Frankfurt nähern, wütet über der Stadt auch ein heftiges Unwetter, dass uns über eine Stunde daran hindert zu landen. Nun werde ich langsam unruhig, denn ich habe schließlich einen Anschlussflug.
Endlich landen wir in Frankfurt. Draußen ist Endzeitstimmung und die kleine Maschine wird bei der Landung ordentlich durchgeschüttelt. Als ich ins Terminal komme, habe ich noch 15 Minuten bis zu meinem Anschlussflug. Wer Frankfurt kennt weiß, dass das eigentlich illusorisch ist, sowas noch zu schaffen. Ich versuche es trotzdem. Ich nehme also die Beine in Hand und renne los. Zuerst vorbei an einer Gruppe Italiener, die mich freundlicherweise vor sich in den Fahrstuhl lassen, dann passiere ich eine Gruppe Franzosen, die mir noch viel Glück wünschen. Auch an der Security werde ich diesmal netterweise vorgelassen und alle dort drücken mir die Daumen. Genau zwei Minuten vor Abflug komme ich am Gate an.
Dort sind schon alle Monitore dunkel und die Tür geschlossen. Die Mitarbeiterin am Counter sagt mir, dass ich zu spät sein und der letzte Flug des Tages nach Berlin schon weg. Super, das heißt dann wohl, dass ich die Nacht in Frankfurt verbringen muss. Ich will gerade gehen, da öffnet sich hinter mir die Tür zur Fluggastbrücke und ein andere Lufthansaangestellte kommt heraus. Sie sieht mich und fragt, ob ich auf diese Maschine gebucht sein, was ich bejahe. Dann bittet sie mich doch tatsächlich näherzutreten und sagt mir, dass die Maschine noch am Gate sei und ich noch einsteigen könne. Ich war unheimlich erleichtert, als ich endlich auf meinem Platz saß.
Doch damit war die Odyssee leider noch nicht zu Ende. Als wir gerade vom Gate zur Startbahn rollen, bricht über Frankfurt ein riesiges Unwetter herein. Die Blitze zucken nur so vom Himmel und der Regen prasselt auf die Maschine. Ich muss sagen, dass mir da doch etwas mulmig wurde, denn ich saß bereits einmal in einer Maschine nach Frankfurt, die von Blitz getroffen wurde – kein Erlebnis, das ich unbedingt wiederholen muss. Kurz vor der Startbahn kommt dann die Durchsage des Kapitäns, dass er einen Start bei den derzeitigen Wetterbedingungen für zu gefährlich hält und wir vorläufig am Boden bleiben. Es war bereits 22:30 Uhr. Wer Frankfurt und auch Berlin kennt, weiß, dass beide Flughäfen ein Nachtflugverbot haben. Das rückte zunächst nur in Tegel immer näher. Als es auf 23 Uhr zugeht und wir noch immer am Boden sind, wird uns erlaubt zu telefonieren. Außerdem erfahren wir, dass man sich bereits um eine Sondergenehmigung bemüht hat, damit wir auf jeden Fall noch starten und auch in Tegel landen dürften.
Und so vergehen die Minuten und bald stehen wir eine geschlagene Stunde auf dem Vorfeld. Erst gegen 23:15 Uhr lässt das Unwetter endlich nach und wir bekommen eine Starterlaubnis. In einer Rekordzeit von nur 38 Minuten fliegen wir dann nach Berlin, wo wir kurz vor Mitternacht aufsetzen. Mein Gepäck hat es an diesem Abend natürlich nicht geschafft, aber das hatte ich auch nicht erwartet. Das kam dann am nächsten Tag mit dem Lufthansashuttle bis vor die Haustür.
Meilen: 85
Wetter: bewölkt mit Schauern/ 7–12 Grad