Harpers Ferry National Historic Park, West Virginia

Har­pers Fer­ry liegt auf einer Land­spit­ze, an der der Shen­an­do­ah River in den Poto­mac River mün­det. Das klei­ne Städt­chen ist aber kein rei­nes Muse­um, nur die äußer­ste Spit­ze ist nicht mehr bewohnt und wird vom Natio­nal Park Ser­vice als Natio­nal Histo­ric Park verwaltet.

Inter­es­sant ist, dass man noch immer mit dem Auto durch die histo­ri­schen Stra­ßen fah­ren darf. Aller­dings sind hier unten in der Stadt die Park­plät­ze rar. Bes­ser ist es, zurück zum Visi­tor Cen­ter zu fah­ren, das in eini­ger Ent­fer­nung liegt. Hier gibt es gro­ße Park­plät­ze und einen Shut­tle­bus, der die Besu­cher zurück nach Har­pers Fer­ry bringt.

Doch was macht aus­ge­rech­net Har­pers Fer­ry so beson­ders? Den klei­nen Ort gibt es schon vie­le Jahr­hun­der­te, doch bekannt wur­de er erst durch den Auf­stand von John Browns am 16. Okto­ber 1859. Er woll­te einen Skla­ven­auf­stand her­bei­ru­fen. Bewaff­nen woll­te er die Skla­ven durch den Dieb­stahl von Hand­feu­er­waf­fen aus der hie­si­gen Fabrik. Doch der Plan schei­ter­te. Nur wenig spä­ter soll­te es dann mit der Ruhe ganz vor­bei sein, denn der Bür­ger­krieg brach aus. Wegen der Waf­fen­fa­brik ein begehr­tes Ziel wech­sel­te der Ort gan­ze zwölf­mal den Besit­zer. Dann kehr­te wie­der Ruhe und Beschau­lich­keit ein, die man auch heu­te noch spü­ren kann, wenn man durch die alten Stra­ßen wan­delt. Der 1944 gegrün­de­te Park ist kein rei­nes Muse­um, son­dern auch heu­te noch ein leben­di­ges Städt­chen, das sich den Charme der alten Zeit bewahrt hat.

Das hier nichts los ein, täuscht übri­gens. Ich bin nur sehr früh auf­ge­bro­chen, um eini­ger­ma­ßen gut foto­gra­fie­ren zu kön­nen. Am spä­ten Vor­mit­tag sind die Gas­sen schon gut gefüllt, doch früh am Mor­gen liegt alles noch ruhig da.

Ich kom­me zum Haus von Phil­ip Fran­kel, das eines der Gebäu­de ist, die man nicht nur von außen anschau­en kann. Fran­kel ver­kauf­te in die­sem Geschäft von 1858 bis 1860 Beklei­dung für Her­ren und Jun­gen, die schon vor­ge­fer­tigt war. Das war zur dama­li­gen Zeit eine klei­ne Revo­lu­ti­on, denn Klei­dung muss­te nicht mehr extra genäht wer­den, son­dern konn­te fer­tig erwor­ben wer­den. Die Laden­ein­rich­tung wur­de nach Bil­dern aus alten Zei­tun­gen und Pro­spek­ten nachgebaut.

Ich gehe wei­ter durch den Ort. Wenn nicht ab und zu ein Auto vor­bei­fah­ren wür­de, wür­de ich mich fast in eine ande­re Zeit zurück­ver­setzt füh­len. Aber auch so macht es Spaß zwi­schen den alten Mau­ern auf Ent­deckungs­tour zu gehen. Oft kann man auch Hin­ter­hö­fe betre­ten oder ver­steck­te Ecken besuchen.

Wie schon erwähnt, liegt Har­pers Fer­ry am Zusam­men­fluss von Poto­mac und Shen­an­do­ah River und die­se Stel­le ist in weni­gen Minu­ten gut zu Fuß erreich­bar. Bis zum Ufer rei­chen die Häu­ser nicht, denn bei Hoch­was­ser ist hier alles überflutet.

Im Fluss ste­hen Reste alter Brücken, die für vie­le Jahr­zehn­te Lebens­adern waren. Heu­te gibt es nur noch eine Eisen­bahn­brücke mit ange­schlos­se­ner Fuß­gän­ger­brücke. Die Autos über­que­ren den Fluss an ande­rer Stel­le. Die Fuß­gän­ger­brücke ist jedoch eine ganz beson­de­re. Umso näher ich kom­me, desto mehr Wan­de­rer sehe ich. Eini­ge von ihnen sind nur für einen Tages­trip aus­ge­stat­tet, ande­re schei­nen ihren gan­zen Haus­rat dabei­zu­ha­ben. Das ist auch kein Wun­der, denn hier quert der berühm­te Appa­la­chen Trail. So kom­me ich denn auch dazu, ein wenig auf dem Trail unter­wegs zu sein.

Zurück im Ort will ich noch zur Kir­che lau­fen, die am Hang des Ber­ges liegt. Doch bevor ich die Trep­pen in die Ober­stadt erklim­me, schaue ich mich noch in ein paar Häu­sern um.

Die White Hall Tavern ist auch so ein geschichts­träch­ti­ger Ort. Hier tra­fen sich die Men­schen nicht nur in ihrer Frei­zeit, hier wur­den Geschäf­te abge­schlos­sen und Plä­ne geschmie­det. Wenn die­se Wän­de reden könn­ten, was sie wohl zu erzäh­len hätten?

Auch Meri­we­ther Lewis von den berühm­ten Ent­deckern Lewis and Clark war des Öfte­ren in Har­pers Fer­ry. Ihm gewid­met ist ein klei­nes Muse­um an der Haupt­stra­ße. Dar­ge­stellt wird, wie er sich auf die gro­ße Rei­se vor­be­rei­te­te, die ihm bevor­stand. Ob er wohl ahn­te, was alles auf ihn zukom­men wür­de? Wahr­schein­lich nicht. Doch die Hoff­nung einen Land­weg nach Ore­gon zu fin­den, wird er auch hier schon in sich getra­gen haben.

Men­schen aller Natio­nen und Haut­far­ben nann­ten Har­pers Fer­ry einst ihr Zuhau­se. Der deut­sche Aus­wan­de­rer Fre­de­rick Roe­der betrieb hier von 1845 bis 1860 eine Bäcke­rei. Nicht nur sein Geschäft war in die­sem Haus unter­ge­bracht, er leb­te auch hier mit sei­ner Frau und sie­ben Kin­dern. Doch die Geschich­te von Fre­de­rick Roe­der endet trau­rig. Als der Bür­ger­krieg star­te­te und Har­pers Fer­ry zum Kriegs­ge­biet wur­de, sym­pa­thi­sier­te Roe­der mit den Nord­staa­ten, die gera­de auf der gegen­über­lie­gen­den Fluss­sei­te ihr Lager auf­ge­schla­gen hat­ten. Er lief zum Ufer, um einen Blick auf die ame­ri­ka­ni­sche Flag­ge zu wer­fen, die sie gehisst hat­ten und wur­de dabei von einer Kugel getrof­fen. Roe­der war das erste Kriegs­op­fer in Har­pers Ferry.

Nur ein paar Türen wei­ter wird in einem klei­nen Muse­um die Geschich­te des Civil War in Har­pers Fer­ry erzählt.

Noch ein paar Türen wei­ter, ent­decke ich einen Uhr­mach­er­la­den. Manch­mal ist es gar nicht so leicht her­aus­zu­fin­den, wel­che Häu­ser geöff­net sind, denn Schil­der sind nur sehr klein und unschein­bar ange­bracht, damit sie das histo­ri­sche Gesamt­bild nicht zerstören.

Nun klet­te­re ich die Stu­fen zur Ober­stadt hin­auf. Man muss schon manch­mal schau­en, wo man hin­tritt, denn die Trep­pe besteht aus Natur­stei­nen, die weder glatt noch gleich groß sind. Ein erster Blick zurück zeigt den Teil der Stadt, den ich bereits aus­gie­big erkun­det habe.

Das erste Haus gleich hin­ter den Stu­fen gehört auch noch zum Park und ist zu besich­ti­gen. Es trägt den pas­sen­den Namen Man­si­on on the Hill. Das Haus hat dann auch eine ganz beson­de­re Geschich­te, denn der Bau­platz wur­de vom Stadt­grün­der Robert Har­per gewählt, um sich hier nie­der­zu­las­sen. Von 1775 bis 1782 bau­te er an sei­nem Domi­zil, starb jedoch, bevor er ein­zie­hen konn­te. Erbin des kin­der­lo­sen Har­per war sei­ne Nich­te Sarah Har­per Wag­ner. Ihre Enke­lin Sarah Ann hei­ra­te­te am 6. Sep­tem­ber 1832 in die­sem Haus Noah H. Sway­ne, der 1862 von Prä­si­dent Lin­coln zum Rich­ter am Supre­me Court ernannt wur­de. Die Sway­ne Fami­lie leb­te für 89 Jah­re in dem Haus.

Ein Stück wei­ter errei­che ich die Rui­ne der St. John’s Epis­co­pal Church. 1852 erbaut, wur­de sie im Bür­ger­krieg als Laza­rett genutzt und stark beschä­digt. Zwar bau­te man die Kir­che danach wie­der auf, doch 1895 wur­de sie zugun­sten eines Neu­baus end­gül­tig verlassen.

Rund­her­um beginnt dann schon ein Teil der Ober­stadt, der heu­te noch bewohnt ist. Die Bewoh­ner die­ses Hau­ses haben da einen ganz beson­ders schö­nen Aus­blick über das histo­ri­sche Areal.

Ich lau­fe wie­der über die Trep­pen nach unten. Schließ­lich ist hier auch der Shut­tle­stopp, von wo aus ich wie­der zum Auto kom­me. Der Bus fährt im Herbst alle hal­be Stun­de, sodass ich noch etwas Zeit bis zur näch­sten Abfahrt habe. Dabei ent­decke ich in einem Hin­ter­hof die­se Flut­mar­ken. Wahn­sinn, wie hoch das Was­ser hier ste­hen kann. Rings­her­um gibt es Schil­der mit Bil­dern von Flu­ten, die die klei­ne Stadt mehr­mals zer­stör­ten. Die gro­ße Flut von 1870 war es schließ­lich, die dazu führ­te, dass die Unter­stadt nahe­zu kom­plett ver­las­sen wur­de. Für uns heu­te ein Glücks­fall, denn sonst wären vie­le Gebäu­de wohl nicht mehr so erhal­ten geblieben.

Hier am Fluss­ufer sind dann auch noch die letz­ten Reste der Indu­strie­an­la­gen zu sehen, die Har­pers Fer­ry einst groß mach­ten. Zuerst war es die Waf­fen­pro­duk­ti­on. Nach ihrer Zer­stö­rung sie­del­te man eine Braue­rei an, doch 1914 kam die Pro­hi­bi­ti­on nach West Vir­gi­nia. Danach wur­de hier Was­ser abge­füllt, aber eine Flut im Jahr 1942 zer­stör­te auch die letz­ten Indu­strie­an­la­gen und been­de­te so das Zeit­al­ter der Fabri­ken in Har­pers Ferry.

Heu­te leben noch gut 300 Ein­woh­ner in der Ober­stadt von Har­pers Fer­ry, doch Arbeit fin­den sie hier nur noch durch den Tou­ris­mus oder in den umlie­gen­den Städ­ten. Die Glanz­zei­ten von Har­pers Fer­ry sind vor­bei und doch ist ein Besuch des Städt­chens ein Erleb­nis, das ich nicht mis­sen möch­te. Hier wird Geschich­te leben­dig, hier kann sie ange­fasst und erlebt wer­den – etwas, das es so nur noch sel­ten gibt.

Schließ­lich bringt mich der Shut­tle­bus wie­der zurück zum Park­platz. Hier ist es inzwi­schen voll gewor­den. Men­schen drän­gen sich in die Bus­se und wol­len in die Stadt. Ich aber bin froh so früh am Mor­gen hier gewe­sen zu sein, als es noch ruhig war und ich mich in aller Ruhe umse­hen konnte.

Har­pers Fer­ry Natio­nal Histo­ric Park
171 Shore­li­ne Dri­ve, Har­pers Fer­ry, WV 25425
täg­lich 9–17 Uhr
Ein­tritt: $15 (2019) oder NPS Pass 

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Betty

Es gibt nichts, was ich mehr liebe als die Welt zu bereisen. Immer mit dabei ist meine Kamera, wenn ich spannende Abenteuer erlebe und neue Reiseziele erkunde. Das Reisen bereitet mir so viel Freude, dass ich nun auch meine Leser an meinen Erlebnissen und Erfahrungen teilhaben lassen möchte.

2 Antworten

  1. Julia sagt:

    Hal­lo Bettina,
    Ich woll­te mich für den groß­ar­ti­gen Bericht über Har­pers Fer­ry bedan­ken. Ich schrei­be der­zeit an einem neu­en Buch, das genau in dem Ort spielt. Es han­delt sich um einen Lie­bes­ro­man, aber genug davon. Jeden­falls hat­te ich das Gefühl, mit Ihnen durch Har­pers Fer­ry zu spa­zie­ren, als ich den Rei­se­be­richt gele­sen habe.
    Ich wün­sche Ihnen alles Gute und blei­ben Sie gesund.
    Lie­be Grüße
    Julia

    • Betty sagt:

      Hal­lo Julia, vie­len Dank für die schö­nen Zei­len. Ich wün­sche viel Erfolg beim Buch­pro­jekt und wür­de mich freu­en davon zu hören, wenn es fer­tig ist. Lie­be Grü­ße, Betty

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