Traumziele im Mittelmeer – mit dem Schiff von Rom nach Barcelona

Tag 5: Sonn­tag, 23. Okto­ber 2022
Kein Gar­ten Eden – Sardinien

„Die Lei­den­schaft nach frem­den Län­dern ist das süße­ste und wei­te­ste Laster, wel­ches die Erde kennt.” (Kasi­mir Edschmid)

Ein neu­er Tag, eine neue Insel – im Mor­gen­grau­en kann ich bereits Sar­di­ni­en vom Bal­kon aus sehen. Wir sind kurz vor Olbia im Nord­osten der zweit­größ­ten Insel des Mit­tel­meers. Sar­di­ni­en ist unge­fähr hun­dert­mal so groß wie Elba, heißt also, wir wer­den auf kei­nen Fall die gan­ze Insel sehen kön­nen. Eine klei­ne Stipp­vi­si­te wird das, mehr nicht.

Kur­ze Zeit spä­ter kann ich bereits Olbia ent­decken, die viert­größ­te Stadt der Insel und ein tou­ri­sti­scher Kno­ten­punkt in die­sem Teil von Sar­di­ni­en. Hier kom­men die Fäh­ren vom Fest­land an und es gibt auch einen inter­na­tio­na­len Flughafen.

Ger­ne hät­ten wir auch hier ein Auto gemie­tet, doch das war abso­lut unmög­lich. Heu­te ist näm­lich Sonn­tag und dazu ist die Sai­son schon vor­bei. Und so haben die Ver­mie­ter in Olbia alle geschlos­sen. Nur am Flug­ha­fen hät­te es etwas gege­ben, doch der liegt zu weit außer­halb. So haben wir uns dazu ent­schie­den, heu­te einen Aus­flug über die Ree­de­rei zu buchen. An die Costa Sme­ral­da soll es gehen, die Smaragd-Küste.

Mit der Grup­pe geht es für uns bereits um vier­tel neun vom Schiff und zu einem Bus. Noch sind wir guter Din­ge und gespannt, was wir alles sehen wer­den. Den ersten Dämp­fer bekommt der heu­ti­ge Tag aber gleich nach der Abfahrt, denn unser Gui­de ist nicht gera­de sehr gut geeig­net für die­sen Beruf. Die Dame kann dazu noch kein gutes Eng­lisch, sodass es manch­mal gar nicht so ein­fach ist, ihr zu folgen.

Von Olbia geht die Fahrt zunächst nach Nor­den. Erst ein­mal ist noch nicht viel zu sehen, was sich lei­der auch nicht ändert, als wir die Küste errei­chen. Wir hal­ten zwar an einem Aus­sichts­punkt, doch das gesam­te Pan­ora­ma ist hier kom­plett im Gegen­licht. Genau das ist der Grund, war­um ich geführ­te Tou­ren mei­de, auf Foto­gra­fen wird da oft gar kei­ne Rück­sicht genom­men. Spaß macht das so nicht. Spä­ter wer­de ich mich fra­gen, wie­so man die Tour nicht in umge­kehr­ter Rei­hen­fol­ge gefah­ren ist. Dann hät­te das ver­mie­den wer­den können.

So aber ist es ein­fach nur scha­de, dass wir vom schö­nen Golf von Aran­ci eigent­lich kaum etwas sehen kön­nen. Hier­her müss­te man am Nach­mit­tag kom­men und nicht um neun Uhr in der Früh. Wer plant bit­te sol­che Touren?

Wir fol­gen der Küste wei­ter, aber so rich­tig springt hier der Fun­ke nicht über. Wir sehen alles nur aus der Fer­ne und unser Gui­de trägt jetzt auch nicht dazu bei, in mir mehr Inter­es­se zu wecken.

Irgend­wie ist es fast gespen­stig, hier unter­wegs zu sein. Die Stra­ßen sind teil­wei­se men­schen­leer. Irgend­wie unvor­stell­bar, dass sich hier zwi­schen Juni und Sep­tem­ber hun­dert­tau­sen­de Men­schen tum­meln. Und selt­sam, wie eine gan­ze Regi­on eigent­lich nur für vier Mona­te im Jahr zum Leben erwacht.

Schließ­lich kom­men wir an zwei der berühm­te­sten Luxus­ho­tels auf Sar­di­ni­en vor­bei. Das erste ist das Cala di Vol­pe, doch davon sehe ich so gut wie nichts. Erstens ist es für die­se Sai­son bereits geschlos­sen und zwei­tens fah­ren wir so schnell vor­bei, dass nicht mal ein Foto aus dem Fen­ster gelingt. Etwas bes­ser klappt das am Hotel Romazz­i­no, doch viel mehr zu sehen ist hier auch nicht. Zum ersten Mal fra­gen wir uns, wie­so man uns hier­her bringt?

Die­ser Ein­druck ver­stärkt sich, als wir Por­to Cer­vo errei­chen. Der Bus muss auf einem Park­platz etwas außer­halb stop­pen, wo wir zusam­men mit dem Gui­de aus­stei­gen. Nach einer end­lo­sen Toi­let­ten­pau­se läuft sie im Lauf­schritt los, als sei jemand hin­ter ihr her. Ob die Grup­pe fol­gen kann, inter­es­siert sie nur am Ran­de. Das führt sogar dazu, dass jemand an einem Über­weg fast über­fah­ren wird. Aller­dings nicht wegen Unauf­merk­sam­keit, son­dern weil eine abso­lut rück­sichts­lo­se Auto­fah­re­rin mein­te, sie wür­de es durch eine Lücke zwi­schen den zwei Tei­len der Grup­pe schaffen.

Nach rund zehn Minu­ten Fuß­weg errei­chen wir dann das Zen­trum von Por­to Cer­vo. Der Ort wur­de erst 1962 von Karim Aga Khan IV. gegrün­det, der hier einen Urlaubs­ort für den inter­na­tio­na­len Jet­set schaf­fen woll­te. Das hat er auch geschafft, wie man schon unschwer an den gan­zen teu­ren Geschäf­ten wie Her­mes, Har­ry Win­s­ton, Cho­pard, Dior und vie­len mehr erken­nen kann. Das Pro­blem ist nur, auch hier ist ledig­lich vier Mona­te im Jahr Sai­son und jetzt, Ende Okto­ber, alles ver­rie­gelt und verrammelt.

Und wenn ich ver­rie­gelt und ver­ram­melt sage, dann mei­ne ich das hier auch so. Sämt­li­che Türen sind ver­schlos­sen und die Schau­fen­ster zuge­klebt. Zu sehen gibt es hier abso­lut nichts und außer uns ist auch kaum eine Men­schen­see­le unter­wegs. Fast schon gespen­stig ist das hier. Ein biss­chen wie eine Geisterstadt.

Auch die Restau­rants sind alle geschlos­sen, nur ein klei­nes Café ist noch geöff­net für die weni­gen Tou­ri­sten, die sich jetzt noch hier­her verirren.

Die Aus­sicht auf die Bucht vor dem Ort ist dann auch wirk­lich schön und ich kann mir schon vor­stel­len, dass es sich hier gut leben lässt. Im Som­mer wer­den hier die Jach­ten kreu­zen und die rie­si­gen Feri­en­do­mi­zi­le wer­den bewohnt sein, die den Super­rei­chen gehö­ren. Jetzt aber ist auch hier ein­fach alles tot.

Wäh­rend C. schon genervt auf einer Brü­stung Platz nimmt und auf unse­re Abfahrt war­tet, strei­fe ich noch ein biss­chen umher. Ich will sehen, ob mich noch irgend­was inter­es­sie­ren könn­te. Fün­dig wer­de ich jedoch nicht. Das ist hier abso­lut fru­strie­rend. Nicht mal die Gebäu­de sind inter­es­sant, denn die sind ja auch alle erst vor sech­zig Jah­ren ent­stan­den und der gan­ze Ort künst­lich gewachsen.

Wir sind gera­de­zu erleich­tert, als es end­lich wei­ter­geht. Was will man denn hier noch machen? Unter­wegs mache ich noch ein paar Schnapp­schüs­se aus dem Bus von den end­lo­sen Feri­en­sied­lun­gen, die auch hier alle total ver­waist sind. Nichts gegen Feri­en­sied­lun­gen, aber wie kann man das alles hier denn wirk­lich nur für vier Mona­te im Jahr nutzen?

Wir machen noch einen wei­te­ren Foto­stopp an einem Aus­sichts­punkt, aber so rich­tig kann uns das hier auch nicht begei­stern. Wir sind ein­fach nur noch genervt, vom schlech­ten Gui­de und den nichts­sa­gen­den Zie­len. Mit einem Miet­wa­gen hät­ten wir da sicher mehr erkun­den kön­nen. Aber das soll­te ja nicht sein.

Ein wei­te­rer Stopp wird nun ein Baja Sar­di­nia ein­ge­legt, einem Feri­en­ort ganz im Nor­den der Insel. Auch hier ist es schon irgend­wie schön, doch schon auf dem Weg zum Meer bemer­ken wir wie­der, dass alles aus­ge­stor­ben ist. Wie­so bringt man uns hier­her? Archi­tek­to­nisch ist das jetzt nicht so der Brül­ler und ohne Leben in den Stra­ßen ein­fach nur langweilig.

Ich mache etwas lust­los ein paar Bil­der, bevor die abso­lu­te Krö­nung des Aus­flugs kommt. Im Pro­gramm stand, dass wir alle ein ita­lie­ni­sches Eis bekom­men sol­len. Und wenn man schon in Ita­li­en ist, dann erhofft man sich ja auch ein lecke­res ita­lie­ni­sches Eis. Oh, wie konn­ten wir das nur den­ken? Die eigent­li­che Eis­bar ist näm­lich auch längst für den Win­ter ein­ge­mot­tet und das, was wir hier bekom­men, ist das ita­lie­ni­sche Äqui­va­lent eines Cor­net­to aus dem Tief­kühl­fach im Super­markt. Unglaublich.

Danach sind wir end­gül­tig bedient. C. bleibt anfangs ein­fach nur noch im Café sit­zen, ich lau­fe los und schaue mich mal an der klei­nen Bucht um. Schließ­lich haben wir hier gera­de Zeit zur frei­en Ver­fü­gung bekommen.

Wenig­stens ein paar schö­ne Moti­ve ver­su­che ich noch ein­zu­fan­gen, doch so rich­tig Lust habe ich auch nicht mehr. Irgend­wie löst inzwi­schen nichts mehr Begei­ste­rung aus und wir wol­len eigent­lich nur noch zurück zum Schiff.

Die Rück­fahrt ver­läuft dann noch lang­wei­li­ger, denn irgend­wie fah­ren wir durch das Hin­ter­land zurück nach Olbia. Was sind wir froh, als wir die Stadt erblicken und die­ser Aus­flug, der unge­fähr so zäh wie Kau­gum­mi ver­lief, sich end­lich dem Ende nähert.

Blöd nur, dass wir auch sonst nichts mehr machen kön­nen, denn vom Hafen scheint es recht weit in die Stadt und unser Gui­de ist hier so gar kei­ne Hil­fe. Da wir so gar nicht ein­schät­zen kön­nen, wie wir hier weg und auch wie­der zurück­kom­men kön­nen, beschlie­ßen wir aufs Schiff zu gehen und Sar­di­ni­en Sar­di­ni­en sein zu las­sen. Viel­leicht irgend­wann ein ande­res Mal. Heu­te jeden­falls holen wir uns lie­ber erst ein­mal Lunch vom Buffet.

Am frü­hen Abend heißt es wie­der „Lei­nen los” und wir ver­las­sen Olbia und machen uns auf zu unse­rem näch­sten Ziel. Wir sind schon jetzt froh dar­über, dass wir mor­gen wie­der einen Miet­wa­gen haben wer­den, denn so kön­nen wir uns unse­re Rou­te sel­ber aussuchen.

Die Aus­fahrt aus dem Hafen und durch die Bucht von Olbia ist dann aller­dings noch­mal sehr schön und so blei­ben wir noch eine gan­ze Wei­le an Deck, um das zu genießen.

Rechts und inks der Fahr­rin­ne kön­nen wir die Mies­mu­schel­far­men sehen, die über­all im Golf von Olbia zu fin­den sind. Coz­ze di Olbia sol­len sogar die besten Mies­mu­scheln welt­weit sein und wer­den in vie­len Fein­schmecker­re­stau­rants auch über die Gren­zen von Sar­di­ni­en hin­aus ange­bo­ten. Auf­ge­zo­gen wer­den die Muscheln an den Bojen, die über­all im Was­ser schwim­men. Seit mehr als ein­hun­dert Jah­ren ist das hier in Olbia bereits ein Wirtschaftszweig.

Ein Stück wei­ter kann ich das Iso­la del­la Boc­ca Light­house ent­decken. Der auch heu­te noch akti­ve Leucht­turm wur­de bereits 1887 erbaut und ist 22 Meter hoch. Am Fuße des Leucht­turms gibt es zwar ein Leucht­turm­wär­ter­haus, doch das steht inzwi­schen leer, denn der Turm ist voll­stän­dig automatisiert.

So lang­sam geht drau­ßen die Son­ne unter und so kön­nen wir heu­te noch einen schö­nen Son­nen­un­ter­gang genie­ßen. Ende Okto­ber sind die Tage doch schon merk­lich kür­zer, auch wenn wir uns hier in Süd­eu­ro­pa befinden.

Da der Abend heu­te sehr mild ist, ent­schei­den wir uns, ein­mal nicht ins Restau­rant zu gehen, son­dern auf der Ter­ras­se am Heck des Schiffs zu spei­sen. Hier wer­den nur die Geträn­ke ser­viert und Essen holt man sich am Buffet.

So kön­nen wir noch ein wenig die Aus­fahrt aus dem Hafen genie­ßen, bevor es auf die Kabi­ne geht. Mor­gen steht wie­der ein vol­les Pro­gramm an und da wol­len wir schließ­lich fit sein.

Wet­ter: son­nig, 16–28 Grad

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