The third Time is a Charm – England im Herbst

Tag 11: Mon­tag, 16. Okto­ber 2017
Pur­ple Ski­es – Mil­ton Keynes nach London

„If you have a gar­den and a libra­ry, you have ever­ything you need.” – Mar­cus Tul­li­us Cicero

Eigent­lich sieht es heu­te Mor­gen recht viel­ver­spre­chend aus, die Son­ne scheint und der Him­mel ist blau, noch. Von dem, was mich heu­te erwar­ten soll, zeugt bis­her nur ein dün­ner Dunst­schlei­er, den ich igno­rie­re. So mache ich mich auf den Weg nach Sto­we. Das Anwe­sen des Duke of Buck­ing­ham gehört heu­te dem Natio­nal Trust, zumin­dest der Gar­ten. Das Her­ren­haus hin­ge­gen hat eine ande­re Nut­zung und ist über Histo­ric Hou­ses zu besich­ti­gen. Aller­dings nur auf Vor­anmel­dung, die ich vor­ge­stern noch schnell online erle­digt habe.

So fah­re ich nun die tol­le Zufahrt zum Anwe­sen ent­lang, die ihres­glei­chen sucht. Schnur­ge­ra­de führt die Stra­ße auf das Ein­gangs­tor zu.

Immer näher kom­me ich der pracht­vol­len Einfahrt …

… bis ich kurz vor­her scharf rechts abbie­gen muss, denn das Tor ist ver­schlos­sen und auf das Anwe­sen kom­me ich mit dem Auto nicht. Durch das Tor kann ich aber schon einen ersten Blick auf das Her­ren­haus erha­schen, bevor ich zum Park­platz fahre.

Vom Park­platz geht es dann zu Fuß zunächst zum New Inn. Gebaut wur­de die Unter­kunft bereits 1717 für die ersten Besu­cher, die den Park von Sto­we anschau­en woll­ten. Schon im 18. Jahr­hun­dert war der Park im gan­zen Empire berühmt und vie­le Besu­cher kamen, um die Anla­ge zu sehen. Die Unter­kunft ist aller­dings erst seit 2012 wie­der als sol­che zu sehen, denn zuvor war das Gebäu­de lan­ge Zeit Teil einer Farm. Als der Natio­nal Trust das Gebäu­de schließ­lich kau­fen konn­te, wur­de es umfas­send restau­riert und ist nun der Start­punkt einer Besich­ti­gung von Stowe.

Zuerst geht es also in den Innen­hof, ganz so wie die Besu­cher einst, die mit der Post­kut­sche oder eige­nem Gefährt anrei­sten. Sie waren zwar ver­mö­gend genug, sich eine Rei­se hier­her zu lei­sten und doch nicht bedeu­tend genug, um vom Duke in das Her­ren­haus ein­ge­la­den zu werden.

Das Inn, wie das klei­ne Hotel genannt wur­de, ver­füg­te über Spei­se­räu­me, in denen die Gäste zusam­men ver­pflegt wur­den. Alte Auf­zeich­nun­gen besa­gen, dass das Essen nicht beson­ders gut gewe­sen sein soll.

Wer etwas mehr bezahl­te, konn­te durch­aus einen bes­se­ren Ser­vice bekom­men, zu dem unter ande­rem ein pri­va­ter Spei­se­raum zählte.

Heu­te ist das New Inn aber nicht nur Muse­um, son­dern auch Besu­cher­zen­trum des Natio­nal Trust und es gibt auch ein klei­nes Café, in dem Erfri­schun­gen für die Besu­cher bereitstehen.

Vom New Inn geht es dann zu Fuß über den Bell Gate Dri­ve wei­ter. Nach einem kur­zen Spa­zier­gang errei­che ich die gut sicht­ba­re Gar­ten­gren­ze, die auch hier mit einem Haha von den umlie­gen­den Fel­dern abge­setzt wurde.

Nach dem Durch­schrei­ten des Bell Gates habe ich dann einen schö­nen Blick auf Sto­we Hou­se. Gebaut wur­de es 1676 für Sir Richard Temp­le, einem Mit­glied der Temple-​Grenville Fami­lie, die spä­ter den Titel der Dukes of Buck­ing­ham tra­gen sollten.

Wenn ich mich etwas nach rechts dre­he, habe ich auch den goti­schen Tem­pel im Blick, den ich spä­ter nach näher anschau­en wer­de. Die Sicht­ach­sen des Gar­tens sind wirk­lich toll angelegt.

Jetzt schla­ge ich aber erst ein­mal den Weg rechts von mir ein und der führt mich durch eine herbst­li­che Allee.

Mein erster Stopp ist die Pepp­le Alco­ve, ein Unter­stand mit Bank, der einen schö­nen Aus­blick hat. Weit über den Gar­ten reicht mein Blick und ich ahne, dass das ein ziem­lich gro­ßer Rund­weg wer­den wird.

Und wei­ter geht der Weg. Noch fol­ge ich der schö­nen Allee, die im herbst­li­chen Kleid in der Son­ne strahlt.

Der Temp­le of Fried­ship, den ich als Näch­stes ent­decke, ist heu­te nur noch eine Rui­ne. 1739 wur­de er gebaut, damit sich Lord Cob­ham hier mit sei­nen Freun­den tref­fen konn­te, doch spä­ter zer­stör­te ein Feu­er das klei­ne Gebäu­de. So bleibt nur die­ser Blick von außen, denn momen­tan ist die Rui­ne auch umzäunt.

Das Pan­ora­ma über einen gro­ßen Teil des Anwe­sens ist aber auch von hier nicht zu verachten.

Nun führt mich der Weg durch ein Tor, denn auf Tei­len des Grund­stücks wer­den Scha­fe gehal­ten und die sol­len auf den Wie­sen blei­ben. Wei­ter hin­ten erscheint der Rund­bo­gen, der doch kei­ner ist, denn dahin­ter ver­birgt sich die Pal­la­di­an Bridge.

Im Jahr 1738 erbaut, ist die Brücke einer der gro­ßen Fokus­punk­te der Sicht­ach­sen. So schön sie von der Fer­ne aus­sieht, so nagt doch der Zahn der Zeit an ihr. Nach und nach restau­riert der Natio­nal Trust Monu­men­te im Gar­ten, doch das geht immer nur vor­wärts, wenn genü­gend Geld vor­han­den ist.

Hin­ter der Brücke geht der Weg etwas berg­auf und ich begeg­ne einer gro­ßen Schaf­her­de, die aber von mir kaum Notiz nimmt. Ich muss nur auf­pas­sen, nicht in ihre Hin­ter­las­sen­schaf­ten zu treten.

Der 1741 erbaut goti­sche Tem­pel ist eines der letz­ten Gebäu­de, das im Gar­ten errich­tet wur­de. Lei­der kann ich das Gebäu­de nur von außen besich­ti­gen, denn es wird heu­te als Feri­en­woh­nung ver­mie­tet und ist der­zeit belegt.

Der Queen’s Temp­le wur­de 1740 erbaut und war eigent­lich unter dem Namen Ladies Temp­le bekannt, denn hier traf sich Lady Cob­ham regel­mä­ßig mit ihren Freun­din­nen. 1770 wur­de es umge­baut und erhielt die drei klas­si­schen Säu­len an der Front. Im Jahr 1790 wur­de das Gebäu­de schließ­lich zu Ehren von Queen Char­lot­te in Queen’s Temp­le umbenannt.

Nun ist es nicht mehr weit und errei­che Sto­we Hou­se. Da ich bis zu mei­ner gebuch­ten Tour nur etwas Zeit habe, lau­fe ich noch zur Kir­che des Anwe­sens, die aber ver­schlos­sen ist.


Gleich neben­an liegt der Temp­le of the Anci­ent Vir­tue, der 1737 als Gar­ten­schmuck erbaut wurde.

Nun wird es aber Zeit, zurück zum Sto­we Hou­se zu gehen. Das präch­ti­ge Gebäu­de hat eine etwas trau­ri­ge Geschich­te, die ich auf mei­ner Füh­rung durch das Haus erfah­re. Im Gegen­satz zum Gar­ten gehört Sto­we Hou­se nicht dem Natio­nal Trust und kann des­halb auch nur sepa­rat besich­tigt wer­den. Mit mei­ner HHA-​Mitgliedschaft und mei­nem online reser­vier­ten Ticket habe ich aber Zutritt.

Das präch­ti­ge Her­ren­haus wur­de in meh­re­ren Abschnit­ten erbaut. Zuerst ent­stand 1677 bis 1683 der Mit­tel­bau. Rund fünf­zig Jah­re spä­ter wur­de dann die Säu­len­ba­lu­stra­de an der Nord­front gebaut, die ich erst spä­ter sehen wer­de. In den näch­sten fünf­zig Jah­ren wur­den dann noch die Sei­ten­flü­gel ange­baut und die Front ver­schö­nert, sodass 1779 ein Gebäu­de ent­stand, das noch heu­te fast unver­än­dert zu sehen ist.

Wer jetzt jedoch ein voll­stän­dig ein­ge­rich­te­tes Her­ren­haus erwar­tet, der wird ent­täuscht wer­den, denn lei­der mein­te es das Schick­sal nicht gut mit der Fami­lie Temple-​Grenville, die hier für 450 Jah­re Eigen­tü­mer war und allein vier Pre­mier­mi­ni­ster stell­te. Und so ist Sto­we Haus seit 1923 eine Pri­vat­schu­le. Wie es dazu kam, das erfah­re ich auf der Füh­rung durch das Gebäude.

Der Rund­gang beginnt in der North Hall, der Ein­gangs­hal­le. Sie ist einer der Räu­me, der seit sei­ner Ein­rich­tung im Jahr 1730 fast nicht ver­än­dert wurde.

Dann geht es wei­ter in den 22,9x7,6 Meter gro­ßen Sta­te Dining Room. Die Decke zeugt noch heu­te von der Pracht, die hier wohl einst zu fin­den war.

Damit ist es jedoch schon lan­ge vor­bei, denn heu­te ist hier der Spei­se­saal der Schu­le zu finden.

Zum Spei­se­saal gehört heu­te auch der schö­ne Dra­wing Room, in dem beson­ders die mit Sil­ber ver­zier­te Decke hervorsticht.

Ein Foto zeigt, wie die Räu­me einst aus­ge­se­hen haben, bevor alles ver­kauft wer­den musste.

Dann tre­ten wir aus der North Hall her­aus. Hier befin­det sich der Haupt­ein­gang, an dem auch die Gäste einst anka­men. Heu­te ist es der Haupt­ein­gang der Sto­we Schu­le und des­halb den Schü­lern, Leh­rern und Eltern vor­be­hal­ten. Auf der Füh­rung kann ich nur einen seit­li­chen Blick auf das Gebäu­de werfen.

Zurück im Haus geht es wei­ter durch die öffent­li­chen Räu­me der Schu­le. Eini­ge der Räu­me sind mit Lese­plät­zen aus­ge­stat­tet, ande­re für Vor­trä­ge vorgesehen.

Ein­zig die Biblio­thek erfüllt noch heu­te ihren Zweck, auch wenn die Bücher jetzt der Schu­le gehö­ren und nicht mehr die Ori­gi­na­le der Dukes of Buck­ing­ham sind. Die Biblio­thek hat die­sel­be Grö­ße wie der gro­ße Spei­se­saal, wirkt aber durch ihre Ein­rich­tung kleiner.

Im Flur hängt dann ein Bild, dass den letz­ten Akt im Nie­der­gang die­ses präch­ti­gen Anwe­sens beschreibt. Begon­nen hat­te alles schon rund 100 Jah­re frü­her, denn ab den 1830er Jah­ren wur­den die finan­zi­el­len Pro­ble­me immer grö­ßer. Das aus­schwei­fen­de Leben des Gra­fen for­der­te den ersten Tri­but und so muss­ten 1848 bereits vie­le wert­vol­le Stücke, wozu auch die gesam­te Biblio­thek gehör­te, auf einer Auk­ti­on ver­kauft wer­den. Doch damit nicht genug, als der 3. Duke of Buck­ing­ham 1889 starb, ver­mach­te er Sto­we sei­ner Toch­ter. Die­se schenk­te es ihrem Sohn, der im Ersten Welt­krieg starb. So fiel Sto­we an den jün­ge­ren Bru­der, der das Haus 1922 an Har­ry Shaw ver­kauf­te. Im sel­ben Jahr wur­de auch die gesam­te Ein­rich­tung ver­kauft. Ein Jahr spä­ter ging auch Shaw das Geld aus und er ver­äu­ßer­te das Anwe­sen an die Schu­le, die es noch heu­te betreibt. Seit­dem wur­den von der Fami­lie ein­zel­ne Stücke zurück­ge­kauft, die heu­te wie­der im Haus zu sehen sind.

Je wei­ter wir durch das Haus gehen, desto mehr schlägt es mir aufs Gemüt. Das ist schon bedrückend, die­ses präch­ti­ge Anwe­sen so zu sehen. Einer­seits ist es gut, dass es erhal­ten wur­de, ande­rer­seits ist es scha­de, dass so vie­les ver­lo­ren ist. Erstaun­lich ist aller­dings der gute Zustand der fili­gra­nen Ver­zie­run­gen, wenn man bedenkt, dass hier Schü­ler unter­rich­tet werden.

Genau in der Mit­te des Hau­ses ist schließ­lich der präch­tig­ste Raum zu fin­den, der Mar­mor Salon. Gan­ze neun­zehn mal vier­zehn Meter ist er groß und sieb­zehn Meter hoch. Die Fer­tig­stel­lung dau­er­te zehn Jah­re. Die ori­gi­na­len Figu­ren wur­den 1848 eben­falls ver­kauft und sind heu­te auf der Muse­ums­in­sel in Ber­lin zu sehen. Im Jahr 2009 stell­te man aller­dings acht Kopien her, die seit­dem wie­der in Sto­we Hou­se am ange­stamm­ten Platz stehen.

Als ich aus dem Haus kom­me, hat sich das Wet­ter noch­mals merk­lich ver­schlech­tert. Der Dunst­schlei­er ist stär­ker gewor­den und die Son­ne kaum noch zu sehen. Auch der Wind hat ganz schön auf­ge­frischt, doch noch las­se ich mich nicht auf­hal­ten und set­ze mei­nen Rund­gang durch den Park fort. In der Fer­ne ent­decke ich den Temp­le of the Bri­tish Wort­hies. Ich habe aber nicht mehr die Muße den gan­zen Weg hin­zu­lau­fen und so bleibt es bei die­sem einen Foto.

Da das Wet­ter immer schlech­ter wird, inzwi­schen ist die Son­ne kaum noch zu sehen, und ich inzwi­schen auch ziem­lich geschafft, beschlie­ße ich, mei­nen Rund­gang nun abzu­kür­zen und auf direk­tem Weg zum Western Lake Pavi­li­on zu gehen. Jetzt ist es nur noch ein kur­zes Stück bis zum Aus­gang, der hin­term Eastern Lake Pavi­li­on liegt.

Kurz vor dem Aus­gang wird es dann plötz­lich immer win­di­ger, nein das ist nicht der rich­ti­ge Aus­druck, es stürmt, trifft es bes­ser. Der Him­mel hat sich ja schon seit einer Wei­le recht merk­wür­dig zuge­zo­gen. Jeden­falls ist es kei­ne Freu­de zu lau­fen, denn die Blät­ter und der Sand wir­beln nur so her­um. Und noch liegt der wei­te Weg zum Auto vor mir. Doch ich habe Glück, es fährt auch ein Golf-​Cart als Shut­tle. Das hat acht Sit­ze und für mich sowie ein wei­te­res Ehe­paar Platz. So kom­me ich schnel­ler zum Auto als gedacht.

Unter­wegs ver­färbt sich der Him­mel dann immer mehr. Es ist fast so, als wenn es dun­kel wird, mit­ten am Nach­mit­tag. Die Autos schal­ten alle das Licht an. Unter­wegs hal­te ich noch kurz bei Har­ry Ramsdens, um etwas zu essen.

Umso näher ich Lon­don kom­me, desto selt­sa­mer das Him­mels­schau­spiel. Der Him­mel wirkt nur fast gelb­lich. Spä­ter wer­de ich erfah­ren, dass das Sand ist, Unmen­gen an Sand, die durch einen Sturm von den Saha­ra bis nach Groß­bri­tan­ni­en gebla­sen wur­den sowie Rauch und Asche von Wald­brän­den. Jetzt aber ist es ein­fach nur ein beein­drucken­des Naturschauspiel.

In Lon­don hal­te ich am Hyde Park und lau­fe hin­über in den Ken­sing­ton Gar­den. Hier hat man eine schö­ne und unver­bau­te Sicht. Der ver­färb­te Him­mel mit der blas­sen Son­ne lässt sich so noch bes­ser bestaunen.

Es wird immer dunk­ler. Fast ist es, als ob es eine Son­nen­fin­ster­nis gäbe, doch die Son­ne leuch­tet ganz schwach am Him­mel. Der vie­le Sand in der Luft nimmt ihr nur die Inten­si­tät. Es ist 15 Uhr am Nach­mit­tag und sieht doch eher schon wie in der Däm­me­rung aus.

Die Men­schen, die im Park unter­wegs sind, schau­en gebannt zum Him­mel. Und auch die Tie­re sind mehr als irri­tiert. Ver­stärkt wird die Inten­si­tät des Phä­no­mens noch durch Asche und Rauch, die von hef­ti­gen Wald­brän­den aus Spa­ni­en stam­men. Der Grund, war­um die­ses Schau­spiel so weit nörd­lich zu sehen war, war übri­gens Hur­ri­kan Ophe­lia, der zuvor über den Atlan­tik bis nach Euro­pa gekom­men war und des­sen Win­de die Par­ti­kel in der Luft beförderten.

Am Abend fah­re ich wie­der in Rich­tung City Air­port, wo ich das Moxy noch ein­mal für mei­ne letz­te Nacht gebucht habe. Zwar muss ich hier für das Par­ken bezah­len, aber so kurz­fri­stig war die Zim­mer­ra­te nur hier gün­stig zu haben, sodass ich gebucht habe. Auch den gan­zen Abend über ist das Wet­ter noch selt­sam, wobei man nach dem Ein­bruch der Dun­kel­heit nicht mehr so viel davon mitbekommt.

Mei­len: 114
Wet­ter: hei­ter bis wol­kig und win­dig, 16–20 Grad
Hotel: Moxy Lon­don Excel Hotel

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