Tag 5: Dienstag, 03.04.2018
Island Dreams – Wilmington nach New Bern
„I travel, I read, I write, I have other lives. But when I have a camera, I know that’s my country, my island.” – Leos Carax
Ich bin, gelinde gesagt, etwas schockiert, als ich heute Morgen aus dem Fenster schaue, denn es ist schon wieder alles grau in grau. Was ist denn nur los? Diesmal sind es aber keine Wolken, die die Sonne verdecken, sondern Nebel. Der soll sich, laut Wetterbericht, aber bald verziehen, sodass ich die Hoffnung auf schönes Wetter und die damit verbundene Durchführung meines Plans, noch nicht so ganz aufgebe.
Nachdem ich ausgecheckt habe fahre ich aber erst einmal nur wenige Meilen aus der Stadt hinaus, bis ich mein erstes Ziel erreiche – die Poplar Grove Plantation. Ich kaufe eine Eintrittskarte und finde mich vor dem Haus ein, damit ich an einer Führung teilnehmen kann. Die erste Tour ist heute nicht besonders voll, es sind nur drei weitere Gäste da, was sehr angenehm ist.
Die Poplar Grove Plantage gehörte einst der Familie von Cornelius Harnett, einem Staatsmann aus North Carolina, der auch Mitglied des Kongresses von 1777 bis 1779 war. Später wurde die Plantage, auf der hauptsächlich Erdnüsse angebaut wurden, an die Familie Foy verkauf, die französische Hugenotten waren. Sie lebten hier von 1795 bis 1971, bevor sie das Anwesen in eine Stiftung übertrugen. Seitdem ist es als Museum geöffnet.
Nachdem wir das Haus, das in den 1850er Jahren erbaut wurde, nachdem sein Vorgänger abgebrannt war, betreten haben, geht es als Erstes in den sogenannten Parlor, das beste Zimmer im Haus. Hier wurden Besucher und Gäste empfangen.
Weiter geht es in den hinteren Teil des Hauses, wo sich in späteren Jahren die Küche befand. Im 19. Jahrhundert waren Küchen meist nicht im Haus, da die Feuergefahr zu groß war. Der große Schrank links im Bild ist ein Pie Safe, einen Kuchensafe, wie er genannt wurde. Daran wurden besonders Kuchen und andere Lebensmittel aufbewahrt, um sie vor Ungeziefer zu schützen. Gleichzeit gibt es aber winzige Löcher in den Metallplatten, damit die Lebensmittel durch die Luft gekühlt werden.
Und weiter geht die Tour. Dadurch, dass es eine kleine Gruppe ist, kann ich auch sehr gut in Ruhe fotografieren. Als Nächstes landen wir im Esszimmer, wo die Tafel für ein Festmahl gedeckt ist.
Der letzte Raum im Erdgeschoss ist dann das Herrenzimmer/ Bibliothek, in dem viele kleine Erinnerungsstücke an die Familie Foy zu finden sind.
Danach geht es in das Obergeschoss und zuerst einmal hinaus auf den schönen Balkon, der einen guten Ausblick über den Hof des Anwesens bietet.
Dann geht die Tour weiter durch die Schlafzimmer, die sich auf dieser Etage befinden.
Nach der Führung nehme ich mir noch etwas Zeit, die umliegenden Gebäude anzusehen. So schaue ich mir die ehemalige Küche sowie die Räucherkammer an, die noch hinter dem Haus erhalten geblieben sind.
Auch ein sogenanntes Tennant House gibt es noch auf der Plantage. es ist das letzte seiner Art, das hier erhalten geblieben ist. Solche Häuser bewohnten hauptsächliche ehemalige Sklaven, die nach dem Bürgerkrieg nun als freie Bürger auf den Plantagen arbeiteten.
In der großen Scheune sind dann noch alte Arbeitsgeräte zu sehen und es wird mehr über den Erdnussanbau erläutert.
Zum Schluss gehe ich noch zum kleinen Friedhof, auf dem viele Mitglieder der Familie Foy ihre letzte Ruhe gefunden haben.
Ich fahre weiter auf dem US17 nach Norden und mit jeder Meile, die ich zurücklege, wird es etwas heller, bis irgendwann tatsächlich wieder die Sonne scheint. Nun gibt es für mich kein halten mehr. Ich lasse alle potenziellen Ziele rechts und links der Straßen liegen und fahre schnurstracks nach Harkers Island, einer kleinen Insel vor der Küste North Carolinas. Hier befindet sich nicht nur das Visitor Center der Cape Lookout National Seashore, von hier starten auch die Fähren auf die kleinen Inseln, die zum Schutzgebiet gehören.
Ich parke mein Auto und gehe zum kleinen Schalter neben dem Eingang zum Visitor Center, an dem die Tickets für die Überfahrt auf die vorgelagerten Inseln verkauft werden. Ich habe die Wahl zwischen Shackleford Banks oder Cape Lookout und entscheide mich für letzteres, denn ich möchte gern den letzten Leuchtturm der Outer Banks sehen, den ich bisher noch nicht besucht habe.
Da noch etwas Zeit ist, empfiehlt mir die Dame das Visitor Center zu besuchen. Hier komme ich mit einer netten Rangerin ins Gespräch und sehe plötzlich durch die Scheibe mein Boot abfahren. Das kann doch jetzt nicht sein? Wieso legen die schon ab? Ich laufe nach draußen und tatsächlich verlässt das kleine Boot gerade den Hafen, überpünktlich. Ich gehe zurück zum Schalter, wo mir dieses bestätigt wird. Doch Grund zur Panik gibt es nicht, die nette Dame tauscht mein Ticket einfach aus und nun darf ich mit der nächsten Fähre mit, die nur 15 Minuten später startet.
Jetzt bewege ich mich aber keinen Millimeter mehr vom Anleger weg, denn diesmal möchte ich auf jeden Fall an Bord sein. Und tatsächlich wird auch jetzt wieder überpünktlich eingestiegen und wir legen auf die Minute zur Abfahrtzeit ab.
Kaum aus dem Hafen heraus gibt der Kapitän Gas. Wir überqueren den Intracoastal Waterway, der sich von Florida bis fast nach New York zwischen dem Festland und den vorgelagerten Inseln erstreckt. Schon bald entdecke ich die ersten kleinen Inseln und jede Menge Wildtiere, vor allem Seevögel, die hier im Naturschutzgebiet zu Hause sind. Dazu zählen auch größere Kolonien an Pelikanen.
Unterwegs begegnet uns ein weiteres Boot des Island Express Ferry Service, der die Besucher von Harkers Island auf die Inseln bringt.
Bevor wir jedoch nach Cape Lookout fahren, führt die Route erst noch nach Shackleford Banks, wo ein paar Wanderer abgesetzt werden und andere an Bord kommen. Shackelford Banks ist berühmt für seine wilden Pferde. An Bord halten wir Ausschau, um vielleicht eines der Pferde zu sehen. Insgesamt lebt eine rund 100 Tiere umfassende Herde auf der Insel und wird hier völlig sich selbst überlassen.
Und tatsächlich haben wir Glück. Schon von weitem entdecke ich etwas Braunes mit dem Teleobjektiv im Gras. Auch unser Kapitän entdeckt das Wildpferd und steuert das Boot näher heran, sodass wir einen guten Blick auf das Tier haben, das ganz gemütlich grast.
Als wir wieder abdrehen, habe ich dann auch einen ersten schönen Blick auf das Cape Lookout Lighthouse. Doch bevor wir dorthin fahren, geht es erst einmal zum Anleger auf Shackleford Banks.
Hier steigen einige Passagiere aus und ein anderes Paar zu, bevor wir über eine Meerenge zum Cape Lookout fahren.
Cape Lookout ist der südlichste Punkt der Outer Banks und liegt knapp 20 Kilometer östlich der Kleinstadt Beauford in North Carolina. Bereits seit 1966 ist das gesamte Gebiet als National Seashore unter Aufsicht des National Parkservice geschützt.
Schließlich erreichen wir den Anleger und ich steige aus. Ich betrete nun zum ersten Mal Cape Lookout, den Teil der Outer Banks, den ich schon seit meinem ersten Aufenthalt in dieser Gegend im Jahr 2001 einmal besuchen wollte. 17 Jahre später wird das nun Wirklichkeit. Und alles passt perfekt, das Wetter an diesem frühen Apriltag ist einfach traumhaft und ich freue mich schon darauf, zumindest einen Teil der Insel erkunden zu können.
Über einen Boardwalk, der hier zum Schutz der empfindlichen Dünen gebaut wurde, führt mich der Weg erst einmal zum Visitor Center. Hier bekomme ich eine Karte der Insel und stelle schnell fest, dass ich wirklich nur einen Teil sehen werde, denn das ganze Gebiet ist viel größer als gedacht. Auch den Leuchtturm kann ich leider nicht erklimmen, denn dieser ist nur von Mitte Mai bis Mitte September geöffnet. Aber egal, ich werde auch so genug zu tun haben.
Der Leuchtturm ist aber auf jeden Fall mein erstes Ziel. Gleich daneben steht das Leuchtturmwärterhaus, in dem es eine kleine Ausstellung zur Geschichte der Insel und des Turms gibt.
Dann stehe ich auch schon vor ihm, dem Cape Lookout Lighthouse, mit seinem so markanten Rautenmuster. Die meisten Leuchttürme haben nur eine Farbe oder ein Streifenmuster, doch dieser trägt eine besonders auffällige Farbgebung, damit ihn die Seeleute sofort zuordnen können. Cape Lookout ist auch der einzige Leuchtturm der Ostküste, der Tag und Nacht betrieben wird.
Der erste Leuchtturm am Cape Lookout wurde bereits 1812 erbaut, doch es stellte sich heraus, dass er mit 30 Metern zu niedrig war und ihn die Schiffe auf See nicht gut sehen konnten. So wurde er durch diesen knapp 50 Meter hohen Turm ersetzt, der 1859 zum ersten Mal erstrahlte. Seit 1950 ist der Leuchtturm zwar automatisiert, tut aber auch heute noch seinen Dienst.
Ich laufe einmal um den Turm herum und schlage auch einen größeren Bogen, um einen schöneren Blickwinkel zu bekommen. Dabei treffe ich einen weiteren Fotografen, mit dem ich ins Gespräch komme. Er stammt aus Alaska und besitzt dort in der Wildnis eine Lodge, die vor allem bei Anglern sehr beliebt ist. Es ist doch immer wieder faszinierend, auf was für Menschen man unterwegs so trifft. Alaska ist von diesem Ort bestimmt genauso weit weg wie Deutschland.
Schließlich laufe ich weiter über den Bordwalk und komme dabei am alten Fundament des Leuchtturms vorbei. Dieser wurde, genauso wie andere Türme auf den Outer Banks, schon versetzt, denn besonders Hurrikane, aber auch die Kraft des Meeres, verändern diese Inseln ständig.
Immer weiter führt mich der Weg dann durch die Dünen. Ich treffe kaum eine Menschenseele. Das Gebiet ist so groß, dass sich die Besucher gut verteilen. In der Ferne höre ich bereits das Meer rauschen, doch zu sehen ist noch nichts.
Schließlich erreiche ich eine Art Straße, sogar Verkehrszeichen gibt es hier. Nur der Untergrund besteht aus recht tiefem Sand, sodass nur Strandbuggys oder Jeeps hier fahren können. Das aber ist erlaubt und es gibt eine Fähre, mit der man übersetzten kann. So ein Fahrzeug wäre gar nicht schlecht, denn dann könnte ich bedeutend mehr von der Insel sehen, wie z.B. das alte Fischerdorf, das mich auch sehr interessieren würde.
Hinter der Straße führt ein seichter Anstieg noch einmal auf eine Düne hinauf und dann liegen der breite Sandstrand und der schier unendliche Atlantische Ozean vor mir.
Ich ziehe die Pantoletten aus und laufe barfuß hinunter an den Strand. Es ist einfach traumhaft schön hier. So richtig toll zum Seele baumeln lassen. Und so lasse ich mich nun einfach treiben und laufe ziellos am Strand entlang.
Es ist einmal super schön hier und so vergeht die Zeit wie im Fluge. Irgendwann muss ich mich aber doch trennen, denn ich muss zurück zur Fähre, die mich wieder nach Harkers Island bringen soll.
Am Anleger habe ich dann noch ein interessantes Erlebnis. Hier sitzen einige Angler, unter ihnen auch ein kleiner Junge, der so 7–8 Jahre alt sein mag. Er zeigt in einem Eimer ganz stolz seinen Fang in die Runde. Und was für ein Fang das ist, ein Puffer nennt er ihn und ich schaue im Handy nach, dass mir sagt, dass das ein brauner Kugelfisch sein soll. Interessant sieht das Tier, das da im Eimer schwimmt, auf jeden Fall aus.
Dann kommt auch schon die Fähre und es heißt Abschied nehmen von Cape Lookout. Eines Steht für mich aber schon fest, hierher möchte ich noch einmal zurück, dann aber mit etwas mehr Zeit, sodass ich auch einen Stopp auf den Shacklefords Banks einlegen kann.
Schließlich führt die Fahrt zurück nach Harkers Island, wo wir, für meinen Geschmack, viel zu schnell wieder ankommen. Ich gehe zum Auto zurück und will gerade losfahren, als ich noch ein paar neugierige Kanadagänse entdecke, die ich noch schnell aufs Foto banne.
Was für ein Trip. Ich bin absolut glücklich, nun auch diesen abgelegenen Teil der Outer Banks gesehen zu haben. Das war einfach fantastisch, nachdem ich zuletzt 2011 in der Ecke war und dieser Ausflug zum wiederholten Male nicht geklappt hat. Ich habe zwar noch ein Stück Fahrt vor mir bis ich New Bern erreiche, aber das macht mir momentan gar nichts aus.
New Bern wurde 1710 durch Auswanderer aus der Schweiz und Deutschland gegründet, unter ihnen Christoph von Graffenried und Franz Ludwig Michel aus Bern sowie der Entdecker und Schriftsteller John Lawson. Der britische Gouverneur William Tyron machte die Stadt 1765 zur Hauptstadt von North Carolina. Aus dieser Zeit stammen auch viele Prachtbauten, die noch heute erhalten sind. Das Wappen der Stadt entspricht fast vollständig dem der Stadt der Bern.
Mein erstes Ziel in der Stadt ist ein kleines Geschäft mitten in der historischen Altstadt. Hier erfand der junge Apotheker Caleb Bradham im Jahr 1898 die Pepsi Cola, die zuerst als Brad’s Drink bekannt war. Der historische Laden ist zwar heute keine Apotheke mehr, aber Pepsi gibt es hier noch immer zu trinken.
Und nicht nur zu trinken gibt es die braune Limonade, die zum größten Konkurrenten von Coca Cola aufsteigen sollte. Unzählige große und kleine Ausstellungsstücke sind in dem Geschäft zu finden, ebenso wie das ein oder andere Souvenir.
Ich setze meinen Stadtrundgang fort und lande am wohl bekanntesten Bauwerk der Stadt, dem Tyron Palace. Rund fünf Hektar ist das Gelände groß, auf dem der britische Gouverneur William Tyron sich seinerzeit sein Wohnhaus errichten ließ und kann heute besichtigt werden.
Zum Museum gehören auch einige weitere historische Wohnhäuser im Stadtzentrum.
Doch nicht nur die Museumshäuser sind schön restauriert. Auch unzählige Privathäuser versprühen hier Südstaatencharme.
Schließlich erreiche ich das Rathaus der Stadt, neben dem ein Denkmal für den Stadtgründer Christoph von Graffenried errichtet wurde.
Aus der Mauer des Rathauses ragt dann auch das Stadtwappen, der Bär. Doch nicht nur dort ist er zu finden, überall in der Stadt verteilt, gibt es die bunten Bären, die ähnlich den Berliner Buddy Bears von Künstlern gestaltet wurden.
Auf meinem weiteren Weg durch New Bern entdecke ich noch einige der lustigen Bären.
Als Hotel habe ich heute das Doubletree by Hilton New Bern reserviert. Das Hotel befindet sich direkt am River Trent und bietet einen schönen Blick über den Fluss und den Jachthafen.
Als Hilton Diamond bekomme ich hier ein sehr schönes Upgrade auf eine großzügige Suite, die mir sehr gut gefällt.
Auch der Ausblick aus dem Zimmer ist richtig schön. So lässt es sich aushalten.
Am Abend plane ich noch ein wenig für den nächsten Tag, denn der ganze Abstecher nach North Carolina war ja im Vorfeld so nicht geplant. Erst morgen Abend werde ich wieder an die ursprüngliche Route anknüpfen.
Meilen: 179
Wetter: Nebel mit Sprühregen, später heiter, 61–80 Grad
Hotel: Doubletree by Hilton New Bern