Tag 3: Sonntag, 01.04.2018
Easter Fun – Washington nach Richmond
„Easter is meant to be a symbol of hope, renewal, and new life.” – Janine di Giovanni
Es ist Ostersonntag und ich habe heute etwas Besonderes vor. Der erste Dämpfer kommt jedoch gleich beim Blick aus dem Fenster, von Sonne ist leider nichts zu sehen, es ist grau in grau. Hätte ich nicht schon vor Wochen ein Ticket für heute Vormittag bestellt, ich wäre gleich weitergefahren. Doch so fahre ich nun erst einmal in Richtung Washington DC, mein Gepäck bleibt auf dem Zimmer, das ich, dank meinem Gold Status, bis 16 Uhr behalten darf. Ich fahre über den Clara Barton Parkway in Richtung Georgetown, immer am Potomac entlang. Da ich noch etwas Zeit habe, halte ich an einer der alten Schleusen des Chesapeake und Ohio Canals.
Entlang des alten Kanals gibt es hier einen Rad- und Wanderweg, der auch über verschiedene Parkplätze am Clara-Barton-Parkway erreicht werden kann. Überall sind noch die alten Schleusenanlagen zu sehen und die ehemaligen Schleusenwärterhäuschen können heute als Ferienhäuser gemietet werden.
Der C&O Canal, wie der Chesapeake and Ohio Kanal kurz heißt, war ein Kanal für die Binnenschiffahrt, der zwischen 1836 und 1924 in Betrieb war. Rund 300 Kilometer ist er lang und verläuft zwischen Cumberland in Maryland und Washington DC parallel zum Potomac River. Der Höhenunterschied von 185 Metern wurde dabei von 74 Schleusen ausgeglichen und Kreuzungen von größeren Gewässern durch Aquädukte ermöglicht.
Ich fahre ein Stück weiter auf dem Parkway entlang, an dessen Rand es immer wieder Parkplätze gibt. Günstig ist es, in Richtung Washington DC zu fahren, da man nur so alle Haltebuchten erreichen kann. Einen zweiten Stopp lege ich am Lock 6 ein, einer weiteren Schleuse am Kanal.
Schließlich fahre ich weiter. Doch bevor ich mein eigentliches Ziel erreiche, halte ich noch an der Peirce Mill, die sich heute im Rock Creek Park befindet. Es gibt sehr viele große und kleine Ziele in Washington, die man außerhalb der berühmten Mall finden kann und viele habe ich auch schon besucht, aber hierher bin ich bisher noch nicht gekommen.
Die Mühle wurde in den 1820er Jahren für Isaac Peirce erbaut und war zu dieser Zeit sehr modern, denn viele Prozesse liefen automatisch ab. Bis 1897 war die Mühle in Betrieb, bevor sie bis 1930 als Teehaus genutzt wurde. Ein zweites Leben hatte die Mühle dann 1936–58, als sie nach einer Restaurierung nochmals in Betrieb war. Danach war das Gelände nur noch als Museum zugänglich, bis es 1993 geschlossen wurde.
Erst 2011 gab es eine Wiedereröffnung, nachdem eine umfassende Renovierung durchgeführt wurde. Heute wird wieder an einigen Tagen von den Rangern des National Park Service demonstriert, wie so eine Mühle funktioniert hat.
Während der Vorbereitung auf die Reise habe ich nach etwas Besonderem gesucht, das ich am Ostersonntag machen kann. Die Lotterie für den Easter Egg Roll am Weißen Haus hatte ich ja aufgrund der späten Buchung schon verpasst und so stieß ich auf den Ostergottesdienst in der National Cathedral. Die Kathedrale ist die sechstgrößte der Welt und die zweitgrößte der USA. Sie ist Hauptsitz der episkopalen Kirche und ihres Bischofs. Der Bau der Kathedrale begann 1907 mit der Grundsteinlegung, der auch Präsident Theodore Roosevelt beiwohnte. Die letzte Kreuzblume wurde 83 Jahre später, im Jahr 1990, im Beisein von Präsident George Bush eingesetzt.
Ich bin heute zum Ostergottesdienst hier, der an diesem Ostersonntag zweimal stattfindet. Die erste Messe war bereits um 8 Uhr, die zweite soll um 11:15 Uhr starten. Alles ist, wie von Amerika gewohnt, super toll organisiert. Damit es keine Überfüllung gibt und Menschen abgewiesen werden müssen, wurden zuvor kostenlose Tickets verschickt. Unter der Kathedrale befindet sich ein großes Parkhaus, das zur Messe kostenlos genutzt werden kann. Als ich vor der Kathedrale ankomme, sehe ich zwar eine lange Schlange, doch diese wird unheimlich schnell und effizient in die Kirche eingelassen und die Menschen zu ihren Plätzen geleitet.
Als ich in die Kathedrale komme, ist diese schon gut gefüllt. Es gibt aber kein Gedränge, alles ist super toll organisiert und ausgeschildert. So muss ich mir auch keine Sorgen um einen Sitzplatz machen und habe noch ein wenig Zeit, mich im Kirchenschiff umzusehen.
Die National Cathedral bietet nicht nur zu großen Feiertagen Gottesdienste an, hier wurden auch viele berühmte Persönlichkeiten verabschiedet. So gab es Staatsbegräbnisse für die Präsidenten Dwight D. Eisenhower, Ronald Reagan und Gerald Ford oder Gedenkgottesdienste für Warren G. Harding, William Howard Taft, Calvin Coolidge, Harry S. Truman und Richard Nixon. Auch viele andere Prominente wurde hier geehrt. Unter ihnen die ehemaligen First Ladies Edith Wilson und Eleanor Roosevelt, der Astronaut Neil Armstrong oder auch Nelson Mandela.
Eigentlich sah schon Pierre L’Enfants im Jahr 1792 in seiner Planung für die Hauptstadt Washington eine Kathedrale vor, doch es sollte noch über 100 Jahre dauern, bis der Bau überhaupt begann. Während des Baus wurden dann viele verschiedene Stile verwendet, so gibt es Einflüsse aus der Gotik des Mittelalters, die durch Spitzbögen, Deckengewölbe oder Glasmalereien zu erkennen sind und das Zentrum der Kirche bildet ein Vierungsturm.
Zu 11 Uhr werden dann alle gebeten ihre Plätze einzunehmen und pünktlich um 11:15 Uhr beginnt der Gottesdienst. Das ist in dieser Kathedrale wirklich ein Erlebnis. Die Prozessionen und der Einzug des Bischofs Michael Bruce Curry bilden den Anfang. Alles wird mit Live Musik und Chören untermalt. Wirklich eine tolle Akustik ist das und ich habe sogar einen Platz, von dem ich noch relativ gut nach vorn zu Altar schauen kann, ohne die Monitore nutzen zu müssen.
Wieder draußen schaue ich mich noch ein wenig rund um die Kathedrale um. Ich war vor vielen Jahren schon mal hier, es dürfte 2001 gewesen sein, an jenen schicksalhaften Tagen in DC, die ich nie vergessen werde. Inzwischen sind Teile der Kathedrale ja wieder eine Baustelle, denn nach dem Erdbeben 2011 trug das Gebäude einige Schäden davon, die noch immer nicht vollständig behoben sind. Vor allem viele filigrane Verzierung fielen damals herunter und müssen nun mühselig ersetzt werden.
In unmittelbarer Nähe der Kathedrale liegen auch viele der schönsten Herrenhäuser und Gartenanlagen von Washington DC. Einige haben jedoch am Ostersonntag geschlossen, sodass meine Auswahl heute etwas kleiner ausfällt. Schließlich entscheide ich mich dazu nach Dumbarton Oaks zu fahren, das nur wenige Autominuten entfernt liegt.
Dumbarton Oaks wurde um 1800 im Federal Style erbaut und war einer von vielen Landsitzen rund um die neu gegründete Hauptstadt. Wahrscheinlich wäre das Haus heute nicht einmal mehr erhalten oder in Apartments aufgeteilt, wenn es nicht 1920 von Robert Woods Bliss und seiner Frau Mildred Barnes Bliss gekauft worden wäre. Robert Bliss war jahrelang im diplomatischen Dienst tätig und seine Frau die Tochter des Abgeordneten Demas Barnes, der durch Beteiligungen am Abführmittel „Fletcher’s Castoria” ein Vermögen verdient hatte. Das Ehepaar Bliss ließ nicht nur fantastische Gärten anlegen, sondern trug auch eine der weltweit schönsten Sammlungen von Kunstwerken aus dem Byzantinischen Reich zusammen.
Zuerst schaue ich mir die Gärten an. Sie wurden zwischen 1922 und 1947 von der Landschaftsarchitektin Beatrix Farrand angelegt. Ich beginne meinen Rundgang in der kleinen Orangerie, die dem Haupthaus angeschlossen ist.
Dann folge ich den Terrassen hinunter in den vier Hektar großen Garten. Überall blüht es schon und der Frühling hat hier tatsächlich Einzug gehalten, nachdem es an der Ostküste in diesem Frühjahr sehr lange kalt gewesen ist.
Die Terrassen wurden in einen Hügel hinter dem Haus gebaut und haben alle verschiedene Themen. So gibt es Brunnen, Rosengärten, Statuen und Springbrunnen. Über 15 Meter Höhenunterschied liegen zwischen dem Haus und dem Rest des Gartens.
Als Nächstes erreiche ich den Lovers Lane Pool. Das kleine Wasserbecken war ursprünglich ein Teich auf dem Gelände und wurde mit Steinen eingefasst und von einem Ziegelsteinweg umgeben. Rings herum stehen Säulen, die mit Grünpflanzen umrankt sind.
Ich folge einem schmalen Weg durch einen verwunschenen Wald. Am Wegesrand blühen Osterglocken und Hyazinthen.
Ich erreiche Cherry Hill und den Plums Walk, wo derzeit Kirsch- und Pflaumenbäume in voller Blüte stehen.
Die Ellipse wurde von Farrand als Ruhepol im Garten angelegt. Abgeschottet durch Büsche und Bäume, sollte der Brunnen zum Ausruhen und Entspannen einladen.
Ein regelrechtes Kunstwerk ist der Pebble Garden. Ursprünglich befand sich hier der Tennisplatz, doch Mildred Bliss gestaltete das Areal 1959 zu diesem beeindruckenden Gartenzimmer um.
Ich erreiche die Gartenseite des Herrenhauses, das heute leider fast nicht zu besichtigen ist, denn in den meisten Räumen befinden sich Büros zur Verwaltung der Stiftung, des Gartens und des Museums.
Gleich daneben entdecke ich noch den tollen Pool, der tatsächlich heute noch in Benutzung ist. Es gibt eine Art Schwimmclub, der das Becken regelmäßig nutzt.
Von hier habe ich auch einen schönen Blick auf den Pebble Garden. Erst aus der Draufsicht kann ich das filigrane Muster richtig gut erkennen.
Schließlich kehre ich zum Ausgang zurück, um mir auch noch das Museum anzuschauen.
Der Eingang des Museums liegt an einer anderen Ecke des Grundstücks, sodass ich einmal mit dem Auto um die Ecke fahre. Das ist einfach praktischer, denn dann kann ich nach der Besichtigung gleich weiterfahren. Die Dumbarton Oaks Research Library and Collection beherbergt ein Museum sowie Studieneinrichtungen zu byzantinischer sowie präkolumbianischer Kultur und Landschaftsarchitektur, den Interessengebieten des Ehepaares Bliss. Es wird auch eine wissenschaftliche Zeitschrift, die Dumbarton Oaks Papers, herausgegeben. Für die Öffentlichkeit ist ein Museum zugänglich, das zu Teilen in einem Neubau, aber auch im alten Herrenhaus liegt.
Das Ehepaar Bliss hat während seines Lebens aber nicht nur Kunstwerke, sondern auch eine über 100.000 Bücher umfassende Bibliothek zusammengetragen, von der einige Teile im Museum zu sehen sind. Dazu gehören auch Erstausgaben sowie signierte Werke, die unter Glas ausgestellt sind.
Der wohl schönste Raum des Herrenhauses ist der Music Room. Schon der Zugang mit seinen bemalten Wänden ist beeindruckend.
Der Music Room wurde 1927 von Lawrence Grant White aus einem berühmten New Yorker Architekturbüro entworfen und 1928 vom Ehepaar Bliss in Auftrag gegeben. Im Raum werden Teile der großen Sammlung an Wandteppichen und andere historische Gegenstände gezeigt. Hier fanden auch regelmäßig Konzerte statt, wovon immer noch der große Konzertflügel zeugt.
Gleich nebenan befinden sich dann wieder moderne Ausstellungsräume mit Schätzen aus dem byzantinischen Reich sowie präkolumbianischer Kulturen. Es ist schon eine beeindruckende Sammlung, die es hier zu sehen gibt.
Dumbarton Oaks ist übrigens 1944 noch zu Weltruhm gekommen. Hier fand die Konferenz von Dumbarton Oaks statt. Die internationale Konferenz bereitete die Gründung der UNO vor. Teilnehmer waren die USA, Russland, das Vereinigte Königreich sowie China. Auf der Konferenz wurde ein erster Entwurf der Charta der Vereinten Nationen erstellt und die Teilnehmer einigten sich über Ziele, Struktur und Funktionsweise der neuen Weltorganisation.
Es ist schon später Nachmittag, als ich Washington schließlich hinter mir lasse. Wieder ist vieles auf meiner Liste geblieben, doch bei bedecktem Himmel macht es einfach nur halb so viel Spaß, sodass ich weitere Entdeckungen auf einen späteren Besuch verschiebe. Jetzt geht es für mich geradewegs auf den Interstate 95, der mich aus Washington hinaus nach Virginia führt. Schon unzählige Male bin ich diese Strecke gefahren und habe viele Orte rechts und links der Schnellstraße besucht, sodass ich heute nur durchfahre und rund zwei Stunden später Richmond, die Hauptstadt von Virginia erreiche. Hier habe ich das Virginia Crossings Hotel reserviert, das zur neu gegründeten Tapestry Collection von Hilton gehört und ich möchte schauen, was sich dahinter verbirgt.
Das Hotel ist ganz im Südstaatenstil gehalten und wirklich eine tolle Anlage, die mir sehr gut gefällt. Es gibt kostenlose Parkplätze, tolle Zimmer und teuer ist es auch nicht, vielleicht, wenn eine Tagung stattfindet, aber ansonsten war ich einfach rundum zufrieden.
Nach dem Abendessen in der Cheesecake Factory, das mal wieder sehr lecker war, setze ich meine Planung fort. Mal schauen, ob ich morgen die Sonne finde und was ich dann so anschauen kann.
Meilen: 173
Wetter: bedeckt, 52–74 Grad
Hotel: Virginia Crossings Hotel & Conference Center