Spring Fling – Unterwegs an der amerikanischen Atlantikküste


Tag 2: Sams­tag, 31.03.2018
Geschichts­stun­de – New York nach Washington

„Light­houses are not just stone, brick, metal, and glass. There’s a human sto­ry at every light­house; that’s the sto­ry I want to tell.” – Eli­nor DeWire

Als ich am Mor­gen auf­wa­che, wird es gera­de hell und der Mond ist noch zu sehen. Ich hole schnell die Kame­ra und mache ein paar erste Fotos, bevor ich mei­ne Sachen packe. Von Jet­lag ist auch kei­ne Spur zu mer­ken. Das ist immer wie­der toll, wenn ich Busi­ness Class flie­ge. Da gewöh­ne ich mich sofort an die neue Zeit­zo­ne, ganz ohne Probleme.

Als ich aus dem Hotel tre­te, ist es bereits kom­plett hell. Heu­te früh strahlt die Son­ne vom knall­blau­en Him­mel. So sieht die Welt doch gleich ganz anders aus. Durch New Jer­sey geht es nach Süden und über die Dela­ware Memo­ri­al Bridge errei­che ich schließ­lich Dela­ware. Hier ver­las­se ich die Inter­sta­te und fah­re nach New Cast­le. Die klei­ne Stadt an der Mün­dung des Dela­ware River in die Dela­ware Bay ist von gro­ßer histo­ri­scher Bedeu­tung für die jun­gen Ver­ei­nig­ten Staa­ten und schon vor der Grün­dung der ersten Kolo­nien gab es hier Bewoh­ner. Das India­ner­dorf Toma­konck hat sich hier befun­den, bevor sich die Nie­der­län­der 1651 als erste Euro­pä­er nie­der­lie­ßen. Ich fah­re direkt ins Herz der Stadt und par­ke mein Auto gegen­über des New Cast­le Com­mon. Das Zen­trum wird hier von alten Back­stein­häu­sern ein­ge­rahmt, die lie­be­voll restau­riert wurden.

Gleich um die Ecke sto­ße ich dann auch schon auf die Sta­tue eines der bekann­te­sten Sied­ler, der mit der Geschich­te von New Cast­le untrenn­bar ver­bun­den ist – Wil­liam Penn. Der Grün­der von Phil­adel­phia lan­de­te hier zuerst an der Küste, an einer Stel­le, die ich spä­ter noch besu­chen werde.

Zuerst ein­mal aber gehe ich in das schö­ne Visi­tor Cen­ter und hole mir ein paar zusätz­li­che Infor­ma­tio­nen. Hier erfah­re ich auch, dass ich genau ein Wochen­en­de zu früh bin, um die mei­sten Häu­ser von innen zu sehen. Wegen des frü­hen Oster­fe­stes hat man in die­sem Jahr lei­der noch nicht geöff­net. Nur das Court Hou­se kön­ne ich anschau­en, erklärt mir die net­te Dame, die hier arbei­tet. So las­se ich mir einen Stadt­plan geben, um zumin­dest einen Rund­gang durch die histo­ri­sche Alt­stadt zu machen, dass Wet­ter lädt heu­te gera­de­zu dazu ein.

Die ersten Schrit­te lege ich dann auch gleich auf Kopf­stein­pfla­ster zurück, mit dem hier noch eini­ge Stra­ßen gepfla­stert sind und kom­me an gepfleg­ten Häu­sern und Kir­chen vorbei.

Schließ­lich errei­che ich die Mün­dung des Dela­ware Rivers. Von hier kann ich bis zur 3281 Meter lan­gen Dela­ware Memo­ri­al Bridge schau­en, die ich schon öfter bei mei­ner Fahrt von New York nach Washing­ton selbst genutzt habe. Eigent­lich sind es heu­te zwei Hän­ge­brücken, die hier den Dela­ware River über­span­nen. Die erste wur­de 1951 eröff­net und die zwei­te im Jahr 1968, da schon damals 15 Mil­lio­nen Fahr­zeu­ge im Jahr gezählt wur­den und eine Brücke nicht mehr aus­reich­te. Heu­te kostet die Über­fahrt in Rich­tung Süden vier Dol­lar, in Rich­tung Nor­den ist sie kostenlos.

An der Ufer­stra­ße ent­decke ich dann auch eini­ge sehr schö­ne Häu­ser, die schon etwas Süd­staa­ten­flair versprühen.

Die Grün­flä­che am Ufer sowie eini­ge Relik­te im Fluss gehö­ren zum histo­ri­schen Fort Casi­mir. 1651 wur­de es von den Nie­der­län­dern gegrün­det und nach Ernest Casi­mir of Nas­sau benannt. Im Jahr 1654 nah­men die Schwe­den den Außen­po­sten ein und benann­ten ihn Fort Tre­fald­di­geth, doch schon ein Jahr spä­ter wur­de es zurück­er­obert, bis 1658 wie­der auf­ge­baut und Fort Amstel genannt. Erst 1664 über­gab man das Fort an die Bri­ten, die es in den 1680er Jah­ren aufgaben.

Ich lau­fe wei­ter, wie­der etwas vom Ufer weg und durch die Stra­ßen der Stadt, wo ich das Geor­ge Read Hou­se errei­che. Das heu­ti­ge Haus wur­de für Geor­ge Read Jr. erbaut, nach­dem ein Vor­gän­ger abge­brannt war. Es war einst das größ­te Pri­vat­haus in Dela­ware und zeig­te, wie wohl­ha­bend und bedeu­tend die Fami­lie Read war. Geor­ge Read Sr. war Staats­mann und Unter­zeich­ner der Unab­hän­gig­keits­er­klä­rung. Ger­ne hät­te ich mir das Haus auch von innen ange­schaut, doch lei­der hat auch die­ses Muse­um noch nicht geöffnet.

So bleibt mir nur noch ein kur­zer Blick über den Gar­ten­zaun in den ab 1847 von Wil­liam Cou­per ange­leg­ten Garten.

Als Näch­stes errei­che ich Packet Alley. Die klei­ne Gas­se war einst die wich­tig­ste Stra­ße in New Cast­le. An ihrem Fuße leg­ten die Han­dels­schif­fe an und hier befand sich der Halt der Post­kut­sche. Andrew Jack­son, David Crockett, Dani­el Web­ster, Hen­ry Clay, Lord Ash­bur­ton, Sam Hou­ston, Lou­is Napo­le­on, Stone­wall Jack­son, India­ner (ange­führt von Osceo­la und Black Hawk), sie alle kamen hier ent­lang. Und so fol­ge auch ich für einen kur­zen Moment die­sem histo­ri­schen Pfad, bevor ich wei­ter laufe.

Schließ­lich errei­che ich einen klei­nen Park, der sich wie­der bis zum Was­ser erstreckt. Dort steht ein klei­nes Gebäu­de und dane­ben befin­den sich eini­ge Hin­weis­ta­feln. Das will ich mir näher anschauen.

Die erste Tafel, die ich ent­decke, mar­kiert den Ort, an dem Wil­liam Penn 1682 zum ersten Mal ame­ri­ka­ni­schen Boden betrat. New Cast­le war auch Haupt­stadt sei­ner neu gegrün­de­ten Kolo­nie Penn­syl­va­nia, bevor er weni­ge Jah­re spä­ter Phil­adel­phia grün­de­te. Gegen­über erin­nern eben jenes klei­ne wei­ße Haus und ein Schie­nen­strang an die New Cast­le und French­town Rail­road, die zweit­äl­te­ste Bahn­li­nie der USA, die 1832 erbaut wurde.

Schließ­lich ste­he ich wie­der am New Cast­le Com­mon, doch bevor ich wei­ter­fah­re, will ich noch das Court Hou­se besich­ti­gen. Das histo­ri­sche Gerichts­ge­bäu­de ist Teil des First Sta­te Natio­nal Histo­ric Park und wird heu­te von Ran­gern des Natio­nal Park Ser­vice ver­wal­tet. 1732 erbaut, war das Gebäu­de bis 1777 auch das Par­la­ment von Dela­ware, denn bis zu jenem Jahr war New Cast­le die Haupt­stadt, bevor die Poli­ti­ker nach Dover umzogen.

Im Inne­ren des Gebäu­des wer­de ich von einer Ran­ge­rin emp­fan­gen und kurz in die Geschich­te ein­ge­führt. Zuerst besich­ti­ge ich den Gerichts­saal und ler­ne mehr über die ersten Ver­hand­lun­gen, die hier statt­fan­den. Im Ober­ge­schoss war hin­ge­gen das Par­la­ment ansäs­sig. Auch die­se Räu­me erzäh­len noch heu­te viel von der histo­ri­schen Bedeu­tung, denn Dela­ware war der erste Bun­des­staat der USA und die­ses Gebäu­de das erste Kapi­tol in der ersten Hauptstadt.

An das Gerichts­ge­bäu­de ange­schlos­sen ist das She­riffs Hou­se, in dem nicht nur die Geset­zes­hü­ter leb­ten, son­dern wo auch das erste Gefäng­nis des Staa­tes zu fin­den war.

Nun wird es Zeit für mich auf­zu­bre­chen. Doch bevor ich end­gül­tig abfah­re, stop­pe ich noch kurz am Dutch Hou­se. Die­ses Gebäu­de wur­de zwi­schen 1664 und 1682 noch für die ersten hol­län­di­schen Sied­ler erbaut und ist heu­te ein Museum.

Nur ein klei­nes Stück wei­ter steht die 1892 erbau­te Old Libra­ry, die heu­te als Aus­stel­lungs­raum der New Cast­le Histo­ri­cal Socie­ty genutzt wird.

Eigent­lich soll­te es nun ein wei­te­res Stück über die Inter­sta­te nach Süden gehen, doch kurz bevor ich auf­fah­re, sehe ich, dass es dort einen rie­si­gen Stau gibt. Ich dre­he um, checke schnell online die Lage und sehe, dass es wohl einen Unfall gege­ben hat. So ent­schei­de ich mich statt­des­sen über den High­way in Rich­tung Mary­land zu fah­ren. Etwas spä­ter als geplant errei­che ich so den Elk Neck Sta­te Park. Doch an der Ein­fahrt emp­fängt mich ein Ran­ger und erklärt mir, dass der klei­ne Park­platz voll sei und er nur jeweils drei Autos war­ten las­se. Ich bin ent­täuscht und will gera­de abdre­hen, als ein Wagen eine Park­lücke ver­lässt und somit nur noch 2 Autos vor mir war­ten. Glück gehabt, nun darf ich mich anstel­len und die Autos hin­ter mir müs­sen abdre­hen. Etwa 25 Minu­ten dau­ert es dann noch, bis ich in eine frei gewor­de­ne Park­lücke ein­bie­gen darf. Es gibt nur 21 Stell­plät­ze und an einem Sams­tag im strah­len­den Son­nen­schein sind doch eini­ge Wan­de­rer unterwegs.

So mache ich mich dann auf den 1,5 Mei­len lan­gen Trail, der mich zum Tur­key Point Light­house brin­gen soll. Sehr schwie­rig ist er nicht zu lau­fen, denn es gibt nur durch­schnitt­lich drei Pro­zent Stei­gung, aber die losen Stei­ne machen es manch­mal etwas beschwer­lich, sodass ich auf das Gras am Rand ausweiche.

Am Ende des Weges steht das 1833 erbau­te und elf Meter hohe Tur­key Point Light. Der klei­ne Leucht­turm wur­de erst vor kur­zem lie­be­voll restau­riert und erstrahlt in blen­den­dem weiß.

Inter­es­sant ist auch, dass der Turm auf einer 30 Meter hohen Klip­pe über der Che­sapea­ke Bay thront und so einen wei­ten Blick auf das Was­ser freigibt.

Über die US 40 fah­re ich wei­ter bis nach Hav­re de Grace. Hier war ich schon ein­mal, doch bei die­sem schö­nen Wet­ter möch­te ich noch­mal beim Con­cord Point Light­house vor­bei­schau­en. Lei­der hat das ange­schlos­se­ne Muse­um auch dies­mal nicht geöff­net, denn die Sai­son beginnt hier erst in einer Woche. Der foto­ge­ne Leucht­turm steht an der Stel­le, wo der Sus­queh­an­na River in die Che­sapea­ke Bay mün­det und wur­de 1827 erbaut. Der 11 Meter hohe Turm ist der zweit­äl­te­ste, der heu­te noch an der Che­sapea­ke Bay zu fin­den ist.

Rund um den Leucht­turm gibt es noch wei­te­re Monu­men­te zu ent­decken, die beson­ders an den krieg von 1812 erin­nern, als die Bri­ten ein letz­tes Mal ver­such­ten, die Kolo­nien wie­der zurück­zu­ge­win­nen. Auch hier in Hav­re de Grace gab es damals Kampf­hand­lun­gen. Die­ser Gedenk­stein erin­nert an John O’N­eill, der die Stadt gegen Rear Admi­ral Geor­ge Cockb­urn und sei­ne Trup­pen ver­tei­dig­te, die Tei­le von Hav­re de Grace plün­der­ten und niederbrannten.

Ich fah­re wei­ter über High­ways und Neben­stra­ßen bis nach Bal­ti­more, denn der Unfall auf der Inter­sta­te scheint immer noch nicht geräumt zu sein. Tief rot wird die Strecke auf der Kar­te ange­zeigt. Schließ­lich gelan­ge ich zur Ring­au­to­bahn von Bal­ti­more und fah­re über die Fran­cis Scott Key Bridge um die Stadt her­um. Für einen Halt bleibt auf die­ser Rei­se kei­ne Zeit, doch habe ich vie­le Orte wie den Inner Har­bor, Fort McHen­ry oder die Hamp­ton Natio­nal Histo­ric Site schon auf vor­he­ri­gen Rei­sen besucht.

Über den Geor­ge Washing­ton Park­way geht es schließ­lich bis in das Herz der ame­ri­ka­ni­schen Haupt­stadt. Eigent­lich woll­te ich mir hier die Kirsch­blü­te anschau­en, doch so rich­tig klappt das mit den Blü­ten in die­sem Jahr nicht. Außer­dem ist am Oster­wo­chen­en­de extrem viel los, es gibt vie­le Ver­an­stal­tun­gen und in der Son­ne sind unzäh­li­ge Men­schen unter­wegs. Dar­auf habe ich kei­ne Lust, zumal allein die Park­platz­su­che so zum Pro­blem wird. Ich war oft genug in Washing­ton, auch zur Kirsch­blü­te, sodass ich ein­fach wei­ter­fah­re nach Tysons Cor­ner, wo ich für heu­te Nacht das Mar­riott gebucht habe. Wie immer sind die Hotels rund um die Stadt am Wochen­en­de recht günstig.

Da es schon recht spät ist und ich auch ziem­lich geschafft, esse ich gleich im Hotel zu Abend. Ich habe einen sehr net­ten indi­schen Kell­ner, der mir erzählt, dass sei­ne Schwe­ster in Deutsch­land wohnt. So unter­hal­ten wir uns ein wenig über sein Leben in den USA und auch das Leben in Deutschland.

Für den mor­gi­gen Tag hat sich lei­der nicht so schö­nes Wet­ter ange­kün­digt, sodass ich froh bin, dass ich umge­plant habe. Den Oster­sonn­tag wer­de ich aber noch in Washing­ton ver­brin­gen, denn ich habe dort noch einen öster­li­chen Besuch geplant.

Mei­len: 290
Wet­ter: son­nig, 39–64 Grad
Hotel: Mar­riott Tysons Corner

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