Tag 4: Sonntag, 12. März 2017
Little Secrets – San Diego nach Los Angeles
„There is something about the sound of a train that’s very romantic and nostalgic and hopeful.” – Paul Simon
Heute Morgen begrüßt mich dicker Nebel draußen. Eigentlich hat man solch ein Wetter erst viel später im Jahr hier an der Küste, doch die derzeitige Hitzewelle sorgt dafür, dass man fast die andere Straßenseite nicht mehr sehen kann. So bummle ich etwas vor mich hin. Schließlich hat man mir in der vergangenen Nacht eine Stunde geklaut, denn in den USA wurde heute von Winter- auf Sommerzeit umgestellt. Zuerst gibt es ein leckeres Frühstück im Hilton Garden Inn, wie immer kostenlos, dank meines Hilton Status.
Dann fahre ich einfach eine Runde durch San Diego. Fotografieren tue ich gar nicht, einfach nur genießen wieder hier zu sein. Ich habe die meisten Orte hier sowieso schon ein Dutzend Mal oder mehr besucht. Am späten Vormittag lande ich in Coronado. Endlich kommt auch die Sonne etwas raus und ich trinke bei Starbucks einen Frappucino. Ich liebe Coronado. Das ist so ein Fleckchen, wo ich sofort leben könnte. Hier ist alles nett und ruhig und doch ist San Diego gleich nebenan.
Irgendwann reiße ich mich aber doch los. Auf dem Interstate 5 fahre ich nach Norden. Am Sonntagmorgen geht das recht zügig und so erreiche ich schon bald Dana Point. Hier fahre ich auf die California 1, doch der Nebel ist noch immer recht zäh, sodass ich weder in Laguna Beach noch in Huntington Beach anhalte, was ich eigentlich vorhatte. Stattdessen entscheide ich mich, etwas ins Inland zu fahren. Normalerweise verzieht sich der Nebel dann schnell und so ist es auch. Als ich Compton erreiche, strahlt die Sonne schon wieder vom blauen Himmel und es ist merklich wärmer.
Hier in Compton liegt die Rancho Dominguez, eine der alten Ranchos aus den Zeiten der Spanier, die hier in Südkalifornien Land Grants vergaben, sie verschenkten also große Teile Land an Menschen, die sich beim König besonders verdient gemacht hatten. Einige Ranchos, oder besser gesagt das, was von ihnen übrig geblieben ist, habe ich schon auf früheren Reisen besucht, doch diese hier ist eine ganz besondere. Rancho Dominguez war einmal Teil der Rancho San Pedro, dem ersten spanischen Land Grant in Kalifornien überhaupt. 1784 schenkte König Carlos III. dem ehemaligen spanischen Soldaten Juan Jose Dominguez über 30.000 Hektar Land, das auch den ganzen Hafen von Los Angeles mit einschloss. Juan Jose hatte keine Kinder, sodass das Land an seinen Neffen fiel. Dessen Sohn Manuel Dominguez baute 1826 schließlich das Haus, das ich heute besichtigen will.
An einigen Tagen in der Woche kann das Haus angeschaut werden. Ich treffe an diesem Nachmittag am Parkplatz ein und es stellt sich heraus, dass ich der einzige Gast bin. Ich bekomme also mal wieder eine Privatführung. Das macht viel Spaß, denn so kann ich Fragen stellen und besser auf bestimmte Aspekte eingehen.
Das Ranchhaus ist ein typisches Adobe Haus mit Zimmern, die hintereinander angeordnet sind. So starten wir in der Küche und gehen dann einmal durch das ganze Haus, das in U‑Form gebaut wurde.
Beim Rundgang sehe ich die verschiedenen Stile, mit denen die Familienmitglieder das Haus eingerichtet haben. Die Dominguez waren wohlhabende Leute und konnten sich Mobiliar von der Ostküste, aus Europa und sogar aus Asien leisten.
In einem Raum wird dann noch der Flugpioniere gedacht. Ab 1910 fand auf dem Gelände die erste Flugschau der Welt statt. Bis zu einer halben Million Zuschauer reisten mit dem Zug an, um diese historischen Events zu sehen. Alle Arten von Flugmaschinen stiegen in den Himmel auf und berühmte Flieger, wie die Wright Brüder, nahmen an den Treffen teil.
Wieder draußen gehe ich noch einmal um das Haus herum und schaue mir die Außenanlagen an. Hier erfahre ich auch noch, dass die Familie noch heute einiges Land aus dem historischen Land Grant ihr Eigen nennt. Drei Töchter von Manuel Dominguez heirateten und führten das Erbe in den Carson, Del Amo und Watson Familien weiter. Und wer sich in Südkalifornien ein wenig auskennt, der erkennt auch hier wieder die Namen, die heute Städte und Straßenzüge zieren. Das haben die Ranchos alle gemein, sie sind der Grundstock der Besiedlung Südkaliforniens und ihre Namen findet man hier an jeder Straßenecke.
Schließlich fahre ich weiter zu meinem nächsten Ziel. Auch das habe ich im Passport2History gefunden. Dieses kleine Büchlein ist einfach so ergiebig, besonders wenn man sich für die Geschichte Südkaliforniens interessiert. So lande ich nun also im Lomita Railroad Museum.
Das Lomita Railroad Museum war das Erste seiner Art westlich von Denver, als es 1966 von Irene Lewis gegründet wurde. Zuvor gründete sie mit ihrem Ehemann die Firma „Little Engines”, die Miniatur Eisenbahnzüge produzierte. Einer der prominentesten Kunden war Walt Disney und auch in Hollywoodfilmen waren die kleinen Züge zu sehen. Das Museum, das Irene Lewis in Erinnerung an ihren Mann, der 1949 verstarb, stiftete, soll an die große Zeit der Dampfeisenbahnen erinnern.
Eines der schönsten Ausstellungsstücke ist ein Wagon der Atchison, Topeka and Santa Fee aus dem Jahr 1949, der komplett restauriert, erst im Jahr 2016 eingeweiht und zugänglich gemacht wurde.
Wassertürme waren ein zentrales Bauwerk während der Zeit der Dampflokomotiven und so besitzt auch das Museum seit 2001 einen dieser Türme. Über 10 Meter ist er hoch und wurde originalgetreu nachgebaut.
Gleich daneben steht eine Southern Pacific Dampflokomotive aus dem Jahr 1902. Sie wurde in Philadelphia gebaut und hauptsächlich für Güterzüge und kurze Personenzüge eingesetzt. Dieses Exemplar war viele Jahre zwischen Los Angeles und San Bernadino im Einsatz, bevor es 1958 auf dem Schrottplatz endete. Dort entdeckten Mitarbeiter des Museums die Lok und kauften sie, um sie in Lomita auszustellen.
Zu den Highlights des Museums zählt auch dieser Wagon der Union Pacific, der 1910 in Dienst gestellt wurde. Als er in den 1960ziger ausgedient hatte, schenkte ihn die Bahngesellschaft dem Museum zu Weihnachten, anstatt ihn zu verschrotten.
Bevor das Museumsgebäude selbst errichtet wurde, studierte Irene Lewis viele Bahngebäude, um sich dann für einen Nachbau der Boston & Maine’s Greenwood Station in Wakefield, Massachusetts zu entscheiden. Der Bahnhof, der im Original um 1900 errichtet wurde, wurde hier in Lomita 1:1 bis ins Detail nachgebaut.
Im Museum gibt es unzählige große und kleine Erinnerungsstücke aus der Zeit der Dampflokomotiven zu bestaunen. Das reicht von alten Plakaten, über Tickets, Geschirr aus den Speisewagen, bis hin zu den berühmten kleinen Repliken, die Irene und Martin Lewis in ihrer Firma bauten.
Das kleine Eisenbahnmuseum in Lomita hat auch für die Zukunft noch große Pläne. So soll ein Erweiterungsbau errichtet werden, um noch mehr Ausstellungsfläche zu haben. Zwei große Wagons haben schon mal in einem Park auf der gegenüberliegenden Straßenseite einen Platz gefunden, ein Ölwagon von 1923 sowie ein Güterwagon von 1913.
Es ist schon später Nachmittag, als ich das kleine Museum verlasse. Weit habe ich es aber nicht zu meinem Hotel. Für heute Nacht habe ich das Courtyard in Torrance reserviert. Dort checke ich ein und stelle mein Gepäck ab, bevor ich noch einmal losziehe.
Ich fahre nach Palos Verdes, weil ich schauen will, ob ich einen schönen Sonnenuntergang erleben kann. Doch was mich begrüßt, ist wieder der Nebel. Der sieht jetzt aber recht interessant aus. Er hängt vor der Küste, als ob ein Netz ihn zurückhält und schwebt dabei über dem Meer, wie tiefhängende Wolken. Ein Naturschauspiel, das sich jede Minute verändert.
Das sehen auch viele andere Autofahrer und es kommt zu teils chaotischen Szenen, weil Leute einfach auf der Straße stehen bleiben. Das geht soweit, dass die Polizei auftaucht, damit der Verkehr nicht behindert wird. Ich aber weiß von meinen vielen Besuchen hier, wo die Parkplätze zu finden sind und so erwische ich auch einen an einem der kleinen Aussichtspunkte entlang der Küste. Hier kann ich das Farbenspiel und den Nebel in Ruhe beobachten bis es dunkel ist.
Auf dem Rückweg zum Hotel nehme ich mir dann noch eine Kleinigkeit zu Essen mit, bevor es an das Allabendliche Ritual des Bilder sichern und Akkus laden geht. Schnell überprüfe ich noch den Wetterbericht für morgen, der immer noch fantastisches Wetter für Südkalifornien anzeigt.
Meilen: 142
Wetter: sonnig mit Küstennebel, 13–26 Grad
Hotel: Courtyard Los Angeles Torrance/ Palos Verdes