Mediterranean Dreams – Malta und Gozo

Tag 9: Diens­tag, 07. Sep­tem­ber 2021
Salt and more – Vic­to­ria, Gozo – Teil 1

„Don’t listen to what they say, go see” – Chi­ne­se Proverb

Das Wet­ter ist auch heu­te schön, die Son­ne lacht und so wol­len wir gleich nach dem Früh­stück mit der Erkun­dung von Gozo begin­nen. Apro­pos Früh­stück, das hier im Kem­pinski Hotel eine klei­ne Her­aus­for­de­rung, zumin­dest wenn man auf der Ter­ras­se essen möch­te. Hier gibt es näm­lich ziem­lich vie­le fre­che Mit­es­ser, bestehend aus Scha­ren von Spat­zen. Und wenn man nur eine Sekun­de den Platz ver­lässt, dann wird schon über das Essen her­ge­fal­len. Heißt also, ent­we­der nichts ver­ges­sen am Buf­fet oder Tel­ler zum Abdecken mitnehmen.

Anschlie­ßend geht es für uns mit dem Auto ins Herz der Insel, nach Vic­to­ria, der klei­nen Insel­haupt­stadt. Rund sechs­ein­halb­tau­send Men­schen leben hier, ein Vier­tel der Bevöl­ke­rung von Gozo. Und nicht nur das, auch fast alle Stra­ßen füh­ren irgend­wie nach Vic­to­ria oder dicht dar­an vor­bei, sodass es zur Rush­hour tat­säch­lich Stau geben kann, etwas, das man auf so einer klei­nen Insel erst ein­mal gar nicht erwartet.

Vic­to­ria hieß übri­gens nicht immer so. Noch bis vor gut ein­hun­dert Jah­ren trug die Stadt den Namen Rabat, was auf Ara­bisch so viel wie „Vor­stadt” bedeu­tet. Der Name wur­de aber nicht etwa geän­dert, um Ver­wechs­lun­gen mit der gleich­na­mi­gen Stadt auf Mal­ta zu ver­hin­dern, son­dern im Jahr 1897, als die eng­li­sche Köni­gin Vic­to­ria ihr dia­man­te­nes Thron­ju­bi­lä­um fei­er­te. Ihr zu Ehren heißt die Stadt seit­dem Victoria.

Wie auch immer, Namen sind im Lauf der Geschich­te sowie­so oft Schall und Rauch, was aber Bestand hat, sind Sied­lungs­or­te wie die­ser. For­schun­gen deu­ten dar­auf hin, dass an die­sem Ort schon in der Bron­ze­zeit Men­schen leb­ten und bereits im drit­ten Jahr­hun­dert vor Chri­stus sie­del­ten hier die Römer. Bis 1127 war die Inseln von den Ara­bern besetzt, die der Stadt auch den Namen Rabat gaben. Und sie waren es auch, die hier eine Zita­del­le grün­de­ten, in der die Bewoh­ner bei Angrif­fen Schutz suchen konn­ten. Und eben jene Zita­del­le ist auch heu­te noch die Haupt­at­trak­ti­on von Vic­to­ria und die wol­len auch wir uns anschauen.

Die Zita­del­le, wie sie heu­te zu sehen ist, stammt aller­dings aus der Zeit des Johan­ni­ter­or­dens, denn jeder neue Macht­ha­ber auf der Insel ver­än­der­te auch deren Bau­ten. Der Grund für den mas­si­ven Aus­bau die­ser Zita­del­le ist jedoch noch heu­te auf Gozo nicht ver­ges­sen. Sogar ein Denk­mal vor den Toren der Zita­del­le erin­nert an jenen Vor­fall. Es war im Jahr 1551, als die Osma­nen unter Tur­gut Reis die klei­ne Insel über­fie­len. Wie immer flüch­te­ten die Ein­woh­ner in die Burg­an­la­ge, die sich an die­ser Stel­le befand. Doch die­ses Mal konn­ten die Mau­ern dem Angriff nicht stand­hal­ten. Am Ende des Kamp­fes wur­den fast sechs­tau­send Ein­woh­ner von Gozo in die Skla­ve­rei ver­schleppt, was prak­tisch einer Ent­völ­ke­rung der Insel gleich­kam. Wäh­rend der Bela­ge­rung von Mal­ta im Jahr 1565 fan­den hier kei­ne Kampf­hand­lun­gen mehr statt.

Nach die­sen trau­ma­ti­schen Ereig­nis­sen wur­de nicht nur Mal­ta, und hier beson­ders Val­let­ta, befe­stigt, auch auf Gozo wur­de mas­siv auf­ge­rü­stet. Eine rie­si­ge Festung ent­stand, die den Men­schen von nun an Schutz bie­ten soll­te. Erst 1722 wur­de die Anla­ge von den Johan­ni­tern auf­ge­ge­ben und ande­re Festun­gen an der Küste über­nah­men seit­her die Funk­ti­on der Ver­tei­di­gung. Die Zita­del­le aber wur­de in ande­rer Funk­ti­on wei­ter­ge­nutzt. Dazu gehö­ren das höch­ste Gericht, das hier ange­sie­delt ist, und frü­her auch ein Gefäng­nis, das aber heu­te nur noch Muse­um ist.

Das „Old Pri­son”, das alte Gefäng­nis, ist das älte­ste Gefäng­nis auf Gozo und wur­de schon kurz nach der Ankunft des Ordens auf der Insel gegrün­det. Recht und Ord­nung spiel­ten schon damals eine gro­ße Rol­le und so gab es auch recht berühm­te Insas­sen wie Fra Jean Par­isot de La Valet­te, der spä­ter Groß­mei­ster wur­de. Gan­ze vier Mona­te ver­brach­te er hier 1538, weil er einen Mann ange­grif­fen hat­te. Hin­ter die­ser recht unschein­ba­ren Tür gleich neben dem Justiz­pa­last ist der Ein­gang zum Muse­um zu finden.

Gleich hin­ter dem Ein­gang ver­birgt sich der Raum, der einst die Sam­mel­zel­le war. Bis 1962 war das Gefäng­nis übri­gens noch in Betrieb und wur­de des­halb auch immer wie­der umge­baut. So ist die ehe­ma­li­ge Sam­mel­zel­le heu­te Aus­stel­lungs­raum und Muse­ums­shop. Hier gibt es eine klei­ne Ein­füh­rung in die Geschich­te des Gefängnisses.

Beson­ders inter­es­sant sind dabei die zahl­rei­chen Graf­fi­ti frü­he­rer Insas­sen, die über­all an den Wän­den ent­deckt wur­den. Wäh­rend in der Sam­mel­zel­le nur Bruch­stücke zu sehen sind, bekom­men wir auf dem Rund­gang noch einen bes­se­ren Einblick.

Hin­ter der Sam­mel­zel­le führt ein Gang zum Gefäng­nis­bau, der noch­mal sechs Zel­len ent­hielt. Die­se befan­den sich hin­ter dicken Mau­ern, in klei­nen Kam­mern und ohne Tages­licht. Ledig­lich eine Holz­bank stand den Gefan­ge­nen zur Verfügung.

Der win­zi­ge Innen­hof bot die ein­zi­ge Mög­lich­keit, über­haupt etwas Frisch­luft zu bekom­men. Schön zu sehen auch, wie nied­rig die Türen zu den Zel­len sind, da eine schnel­le Flucht in gebück­ter Hal­tung schwie­ri­ger zu rea­li­sie­ren war.

Rich­tig fas­zi­nie­rend sind aller­dings die vie­len Graf­fi­tis an den Wän­den, die die Gefan­ge­nen hier über die Jahr­hun­der­te hin­ter­las­sen haben. Sie sind ein stil­les Zeug­nis jener Men­schen, die hin­ter die­sen Mau­ern ein­ge­sperrt waren. Oft wur­den auch Jah­res­zah­len hin­ter­las­sen, sodass man die Bil­der ein­ord­nen kann.

Gleich gegen­über dem Justiz­pa­last befin­det sich die Kathe­dra­le St. Mari­ja, die 1697 genau an der Stel­le errich­tet wur­de, an der sich schon zu Zei­ten der Römer ein Tem­pel befun­den hat.

Wir set­zen unse­ren Rund­gang durch die Zita­del­le fort. Zunächst schau­en wir noch in ein paar klei­ne Gas­sen, ent­schei­den uns dann aber zunächst, den Rund­weg auf der Festungs­mau­er einzuschlagen.

Zu Beginn ist der Weg auf der Festungs­mau­er recht schmal, auf einer Sei­te von einem moder­nen Zaun gesäumt, der vor Unfäl­len schützt. Alles sieht noch sehr neu aus und das hat auch sei­nen Grund, denn zwi­schen 2008 und 2013 wur­de die gesam­te Anla­ge auf­wen­dig saniert. Gan­ze 85 Pro­zent wur­de aus Mit­teln der Euro­päi­schen Uni­on finan­ziert. Doch die Aus­ga­be hat sich gelohnt, denn inzwi­schen ist sicher­ge­stellt, dass die Festung auch noch von zukünf­ti­gen Gene­ra­tio­nen bewun­dert wer­den kann.

Von den Mau­ern reicht der Blick weit über die Insel. Obwohl wir uns fast in der Insel­mit­te befin­den, kön­nen wir am Hori­zont sogar das Meer ent­decken. Noch sagen uns die mei­sten mar­kan­ten Punk­te nichts, denn wir haben mit unse­rer Insel­er­kun­dung ja erst begon­nen. Doch vie­le die­ser Orte wer­den wir in den näch­sten zwei Tagen noch besuchen.

Jetzt aber set­zen wir erst ein­mal unse­ren Weg auf dem histo­ri­schen Gemäu­er fort. Das Haupt­au­gen­merk bei der Restau­rie­rung lag übri­gens gar nicht in der Erhal­tung der Mau­ern, denn die sind auch nach rund fünf­hun­dert Jah­ren noch in bemer­kens­wert gutem Zustand. Viel­mehr ist es der Unter­grund gewe­sen, der Sor­gen berei­te­te. Das wuss­ten auch schon die alten Mal­te­ser, denn es war einer der Grün­de, war­um die Zita­del­le letzt­end­lich auf­ge­ge­ben wurde.

Das Gestein, auf dem das gewal­ti­ge Bau­werk thront, ist porös und begann über die Jahr­hun­der­te immer mehr zu ero­die­ren. Die­ser Pro­zess bedroh­te schließ­lich auch die Sta­bi­li­tät der gan­zen Anla­ge. Schon im 17. und 18. Jahr­hun­dert ver­such­te man, das Bau­werk zu sta­bi­li­sie­ren, aber erst moder­ne Tech­nik hat zum Erfolg geführt.

Von der ober­sten Festungs­mau­er haben wir auch einen schö­nen Blick auf die unte­ren Eta­gen der Festung, in denen klei­ne Gär­ten ange­legt wurden.

Und immer wie­der gibt es schö­ne Aus­blicke auf die­se kar­ge und doch so inter­es­san­te klei­ne Insel im Mittelmeer.

Manch­mal müs­sen wir auch Trep­pen erklim­men, um das näch­ste Level zu errei­chen. Das ist dann ganz schön schweiß­trei­bend bei drei­ßig Grad im Schat­ten und den gibt es hier ja nicht. Wie heiß es in der Son­ne ist, lässt sich nur erahnen.

Schließ­lich errei­chen wir den der Stadt abge­wand­ten Teil der Anla­ge. Hier sind nicht ganz so vie­le Bau­wer­ke erhal­ten. Bereits 1693 wur­den näm­lich gro­ße Tei­le der erst hun­dert Jah­re zuvor wie­der auf­ge­bau­ten Zita­del­le durch ein Erd­be­ben zer­stört. Wäh­rend die Mau­ern stand­hiel­ten, gaben die Mau­ern vie­ler Gebäu­de im Inne­ren doch nach.

Wir ver­las­sen hier die Festungs­mau­ern und lau­fen nun durch das Inne­re der Anla­ge. Zunächst durch eini­ge Grup­pen von Rui­nen, die größ­ten­teils noch aus dem Mit­tel­al­ter stammen.

Schließ­lich gelan­gen wir wie­der in den moder­ne­ren Teil der Anla­ge, der auch nach der Auf­ga­be als Ver­tei­di­gungs­stütz­punkt wei­ter genutzt wur­de. Auch heu­te noch woh­nen rund eine Hand­voll Men­schen in der Zita­del­le, die mei­sten Gebäu­de wer­den aber für staat­li­che Auf­ga­ben, von der Kir­che oder aber muse­al genutzt.

So auch das Grand Castel­lo Histo­ric Hou­se, das einen klei­nen Ein­blick in das Leben vor rund drei­hun­dert Jah­ren gibt. Eigent­lich han­delt es sich hier gar nicht um ein ein­zel­nes Haus, son­dern viel­mehr um eine Rei­he von Bau­ten, die im Inne­ren ver­bun­den wur­den, damit ein Rund­gang entsteht.

Das Erd­ge­schoss des Gebäu­des wird heu­te für eine Aus­stel­lung genutzt. Zunächst führt ein klei­ner Film in die Mate­rie ein. Anschlie­ßend wer­den in meh­re­ren Räu­men Gegen­stän­de des täg­li­chen Gebrauchs und der ver­schie­de­nen Gewer­ke ausgestellt.

Im Ober­ge­schoss wird hin­ge­gen eher auf das Leben der Bevöl­ke­rung ein­ge­gan­gen. So sind inter­es­san­te Klei­dungs­stücke zu sehen, aber auch Gegen­stän­de, die im Haus­halt genutzt wurden.

Hin­ter den Mau­ern ver­steckt befin­det sich auch ein klei­ner Gar­ten, etwas, das auf den Inseln den wohl­ha­ben­den Fami­li­en vor­be­hal­ten war. Süß­was­ser ist auf Mal­ta und Gozo nicht gera­de im Über­maß zu fin­den, die Inseln sind meist karg und trocken. So ist eine grü­ne Oase ein ganz beson­de­rer Luxus.

Ein wei­te­rer Teil der Räu­me ist so ein­ge­rich­tet, wie es wohl zur dama­li­gen Zeit der Fall gewe­sen wäre. So gibt es eine klei­ne Küche, Schlaf- und Arbeitsräume.

Mit der Besich­ti­gung des Grand Castel­lo Histo­ric Hou­se been­den wir unse­ren Rund­gang durch die Zita­del­le von Vic­to­ria und lau­fen zu unse­rem Auto zurück. Nach einer kur­zen Mit­tags­pau­se geht es für uns nun an die Nord­kü­ste von Gozo, wo wei­te­re inter­es­san­te Orte auf uns war­ten. Doch davon mehr im näch­sten Kapitel.

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