Tag 4: Freitag, 09. Juli 2021
Burgenland – Turku nach Tampere – Teil 2
“Do more things that make you forget to check your phone.” – Unknown
Von Jokioinen geht es nun weiter über eine ziemlich langweilige Landstraße. Viel zu sehen ist nicht, bis ich in die Gegend um Hämeenlinna komme. Der Ort liegt zwar nicht auf direktem Weg nach Tamepere, aber wer will schon direkt fahren? Ich will ja was sehen. Bevor ich jedoch zur Hauptattraktion der Kleinstadt nördlich von Helsinki fahre, schaue ich mich ein bisschen im Stadtzentrum um. Nachdem ich mich durch das Gewirr an Einbahnstraßen gefädelt habe, finde ich tatsächlich einen sehr guten Parkplatz und schaue mich nun zu Fuß um. Mein Ziel ist das Geburtshaus des berühmten finnischen Komponisten Jean Sibelius.
Jean Sibelius wurde am 8. Dezember 1865 als Johan Julius Christian Sibelius geboren. Der Sohn eines Arztes stieg über die Jahre zum bekanntesten Komponisten Finnlands auf und war sogar auf der einhundert Mark Note verewigt, bevor der Euro eingeführt wurde.
Nachdem ich meine Museums Card vorgezeigt habe, kann ich das kleine Museum auf eigene Faust erkunden. Heute ist es wieder so eingerichtet, wie vor mehr als hundertfünfzig Jahren, als der Komponist hier das Licht der Welt erblickte. Schon seit 1965 ist das Haus für die Öffentlichkeit zugänglich und erzählt auch vom Werdegang von Sibelius, dessen Wohnhaus Ainola übrigens auch besichtigt werden kann.
Ansonsten ist die Innenstadt von Hämeenlinna aber nicht sonderlich interessant und scheint sogar ein wenig heruntergekommen. Auch in Finnland scheint es ein Innenstadtsterben zu geben. So sieht es jedenfalls hier aus. Und so fahre ich schnell weiter zur Burg Häme, die sich etwas außerhalb befindet.
Die mächtige Burg ist eines der wenigen Beispiele der finnischen Backsteingotik und wurde um 1260 gegründet. Die Burg wurde wahrscheinlich mit anderen Burgen wie Turku oder Hakoinen erbaut, um die schwedische Herrschaft in Finnland zu stärken. Im Jahr 1634 wurde jedoch die Verwaltung des Gebiets nach Helsinki verlegt und die Burg verlor ihre Bedeutung. Mehrmals wurde die Burg über die Jahrhunderte kampflos an die Russen übergeben und ab 1837 nutze man sie als Gefängnis. Dadurch wurden die Burg und das Umland stark verändert. Das Gefängnis existierte bis 1953 und noch heute gibt es ein Museum dazu. Ab dem Jahr 1956 wurde die Burg schließlich renoviert und seit 1979 als Museum betrieben.
Irgendwie kann mich die Burg Häme aber nicht so mitreißen. Vielleicht hätte ich sie vor Turku anschauen sollen? Aber vielleicht liegt es auch am Wetter und daran, dass ein großer Teil der Außenanlagen wegen einem Konzert abgesperrt war. Nun ja, fahre ich halt bald weiter in Richtung Tampere. Kurz vor der Stadt mache ich noch einen Schlenker, denn hier soll sich ein weiteres Herrenhaus, das Laukko Manor, befinden.
Weiter als bis zum Eingang komme ich jedoch nicht, denn im Besucherzentrum ist man sehr kurz angebunden. Mit knappen Worten wird mir mitgeteilt, dass man bald schließt. Ich könnte höchstens noch ein Bild machen, aber die fünfzehn Euro müsste ich dann trotzdem zahlen. Da verzichte ich dann dankend und fahre weiter.
So komme ich früher als geplant in Tampere an und entschließe mich deshalb, noch ein wenig vom Programm von morgen vorzuziehen. Da soll das Wetter eh nicht so toll sein und heute scheint sogar noch die Sonne. Ich fahre direkt zum Näsinpuisto, einem großen Park, in dem sich das Näsilinna, das man schon als das Schloss von Tampere bezeichnen kann. Zuerst aber muss ich mein Auto loswerden und habe Glück, dass direkt am Park eine Lücke frei wird. Zu Fuß geht es nun weiter, denn das Herrenhaus befindet sich etwa mittig auf dem Gelände, das heute als Stadtpark genutzt wird.
Nach kurzen Fußmarsch stehe ich schließlich vor dem Milavida, wie das Haus eigentlich genannt wird. Die Geschichte des Hauses beginnt 1893, als ein gewisser Peter von Nottbeck, seines Zeichens Besitzer einer großen Baumwollfabrik in Tampere, ein Grundstück kauft, um darauf ein Haus zu bauen. Nur wenige Jahre später, genauer gesagt 1897, war das Traumhaus bezugsfertig, doch da schlug das Schicksal grausam zu.
Bevor ich jedoch mehr über die von Nottbecks erfahre, stehe ich erst einmal im großen Eingangsbereich etwas verloren herum. Weit und breit ist niemand zu sehen. So mache ich mich auf die Suche und finde im Café, das sich heute in einem Teil des Erdgeschosses befindet, einen Mitarbeiter. Dieser bedeutet mir einfach nach oben zu gehen, denn das Museum würde sich im Obergeschoss befinden.
Der Weg nach oben über die große Treppe ist schon sehr beeindruckend. Wie muss das erst vor über hundert Jahren gewirkt haben?
Im Obergeschoss werde ich von zwei sehr netten Damen empfangen, die mir mitteilen, dass die Besichtigung heute kostenfrei ist, denn Freitagnachmittag wäre das so. Nett, aber wirklich was gespart hätte ich jetzt nicht, denn auch hier hätte wieder meine Museum Card gegolten, die sich inzwischen schon sehr bezahlt gemacht hat.
Nach kurzer Einweisung kann ich meinen Rundgang starten. Die Räume sind zwar historisch eingerichtet, aber nicht zwangsläufig komplett original. Es geht eher darum, ein wenig finnische Geschichte zu vermitteln.
In den ersten Räumen werde ich in die Familiengeschichte eingeführt und erfahre mehr über die von Nottbecks, deren Geschichte in Tampere 1836 beginnt. Zu jener Zeit trafen sich viele Investoren und Firmengründer in St. Petersburg, so auch der Deutsch-Balte Carl Samuel Nottbeck. Er hört von einer kleinen Baumwollfabrik, die in Tamepere zum Verkauf stehen soll und erwirbt sie wenig später mit zwei weiteren Partnern. Seinen zwanzigjährigen Sohn Wilhelm schickt er anschließend nach Tampere, damit dieser lernt, wie man eine Fabrik leitet. Die wächst und gedeiht sehr schnell und bald schon ist Finlayson ein bedeutender Arbeitgeber in der Stadt.
Wenige Jahre später ist die Fabrik so erfolgreich, dass die Nottbecks in bessere Kreise aufsteigen. Wilhelm Nottbeck heiratet die Gräfin Constance von Mengden und so gelangt die Familie schließlich auch in den Dunstkreis des Zaren von Russland. Im Jahr 1855 von Wilhelm Nottbeck schließlich in den Adelsstand erhoben und darf sich seitdem von Nottbeck nennen. Ein Jahr später kommt der Zar sogar persönlich nach Tampere und wird hier bei der Familie empfangen.
Im nächsten Raum lerne ich dann Peter von Nottbeck und seine Frau Olga kennen. Der Sohn von Wilhelm steigt in die Fußstapfen des Vaters und er ist es auch, der sich hier auf dem Kliff hoch über der Stadt sein Traumhaus erbauen will.
Olga und Peter hatten vier Kinder. Iris (1895), Andrée (1897) sowie die Zwillinge Alfred und Olga. Bei deren Geburt im Jahr 1898 schlug das Schicksal jedoch zum ersten Mal zu, denn Olga von Nottbeck verstarb noch am selben Tag im Kindbett. Nun war der Vater mit vier Kleinkindern und einem Neubau allein. Die Probleme rissen nicht ab, denn kurze Zeit später ging seine Baufirma in Konkurs. Frustriert, reiste von Nottbeck 1899 nach Paris, wo er an einem Blinddarmdurchbruch verstarb. So blieben seine vier kleinen Kinder als Erben zurück. Bis 1902 lebten sie noch mit Bediensteten im Haus, bevor sie die Stadt für immer verließen. Nur drei Jahre später wurde das Haus an die Stadt verkauft.
Schon 1908 eröffnete ein Museum in dem Haus, das seitdem Näsilinna genannt wurde. Doch zehn Jahre später brach der finnische Bürgerkrieg aus und die Türen des Museums wurden geschlossen. Stattdessen zog das Rote Kreuz ein und behandelte hier Verwundete. Schließlich war das Gebiet sogar heiß umkämpft, doch das Haus überlebte auch diese Zeit und konnte schon bald wieder als Museum öffnen. Erst 1998 schlossen sich die Türen wieder, denn es sollte eine Renovierung erfolgen. Doch lange geschah nichts und so war Näsilinna fast zwei Jahrzehnte geschlossen. Erst 2013 begannen die Arbeiten am Haus, die nun seit kurzem abgeschlossen sind.
Heute wird ein Teil der Ausstellungsfläche auch für Sonderausstellungen genutzt. Während meines Besuchs wurde Mode der Zwanziger Jahre thematisiert.
Nach meiner ausführlichen Innenbesichtigung mache ich noch einen kleinen Rundgang um das Gebäude, um es mir von allen Seiten anzuschauen.
Schließlich geht es aber doch zurück zum Auto. Und da es ja lange hell ist, beschließe ich noch ein weiteres Ziel anzusteuern. Eine ausgezeichnete Idee, wie sich am nächsten Morgen herausstellen soll.
Ich fahre einmal quer durch dir Stadt zum Hatanpään Park und Arboretum, wo sich noch zwei Herrenhäuser befindet sollen. Ein Parkplatz finden ist hier allerdings gerade gar nicht so einfach, denn am Freitagabend scheint es die Finnen im lauen Sommerwetter hier in Scharen herzuziehen. Doch nach kurzer Suche bin ich erfolgreich und laufe die wenigen Meter zum Hatanpää Kartano.
Das Gut geht auf die 1690er Jahre zurück, als hier ein erstes Herrenhaus erbaut wurde. Damals gehörte Hatanpää der Familie Boije, die sogar Verbindungen zum schwedischen Königshof hatte. Boije war auch Mitglied im Gründungskomitee für die Stadt Tampere und verkaufte einen Teil seiner Ländereien, damit die Stadt gegründet werden konnte.
Später verkaufte er jedoch das Gut und es ging durch mehrere Hände, bis es Nils Johan Idman kaufte. Drei Generationen der Familie lebten auf dem Land und 1885 wurde das neue Herrenhaus errichtet. Nachdem die Familie jedoch in finanzielle Schwierigkeiten kommt, wird das Haus an die Stadt Tampere verkauft, die es zuerst als Krankenhaus und später lange Zeit als Museum betreibt. Inzwischen ist das Museum allerdings geschlossen und das Haus wird für Veranstaltungen genutzt.
Auf dem Grundstück des Gutes steht noch ein weiteres Herrenhaus, die Villa Idman. Zwischen 1898 und 1900 wurde die Villa als Privatresidenz für Nils Idman fertiggestellt. Heute gehört sie ebenfalls der Stadt und beherbergt Büros der Parkverwaltung.
Nun geht es aber wirklich zum Hotel. Der Tag war lang genug und auch wenn es noch immer hell ist, will ich doch endlich mein Zimmer im Courtyard by Marriott beziehen. Das fast neue Hotel am Kongresszentrum konnte ich mit Punkten buchen, denn am Wochenende war Tampere ziemlich teuer. Anscheinend verbringen hier die Finnen gerne mal ein paar Tage.
Und da ich heute Abend keine Lust mehr habe noch irgendwo hinzugehen, nutze ich zum Abendessen gleich das Hotelrestaurant. Das Essen ist dann sehr lecker und preislich auch absolut in Ordnung für Finnland.
Nach dem Essen ziehe ich mich auf mein Zimmer zurück, wo ich noch ein wenig an der Tagesplanung für morgen feile. Morgen ist Regen angesagt und so muss ich schauen, ob alles so möglich ist, wie ich mir das denke.
Kilometer: 295
Wetter: heiter bis wolkig, 26 Grad
Hotel: Courtyard by Marriott Tampere