Tag 2: Mittwoch, 07. Juli 2021
Planänderung – Helsinki – Teil 1
“Be fearless in the pursuit of what sets your soul on fire.” – Jennifer Lee
Der heutige Tag beginnt für mich mit dem Weg zurück zum Flughafen, denn hier werde ich meinen Mietwagen abholen. Den habe ich bei Enterprise gebucht und während die Preise in Südeuropa explodiert sind, war das in Finnland nicht der Fall. Absolut absurd, das Mietauto war sogar überhaupt nicht teurer als vor der Pandemie, während es an anderen Orten Steigerungen von mehreren hundert Prozent gab. Der Papierkram ist dann auch schnell erledigt und so stehe ich schon kurze Zeit später vor einem weißen Opel Astra, der mich in der nächsten Woche begleiten wird.
Nachdem ich ausgecheckt und mein Gepäck verladen habe, folgt nun gleich die erste Planänderung der Reise. Eigentlich hatte ich für heute einen Tag in Helsinki geplant und morgen ins Umland zu fahren. Der Wetterbericht sagt aber für morgen Vormittag Regen voraus, sodass ich die Fahrt ins Umland kurzerhand vorziehe.
So geht es für mich nun nicht in die Stadt hinein, sondern aus der Stadt heraus, und zwar in Richtung Westen. Schlösser und Herrenhäuser stehen auf dem Programm, von denen es mehr gibt in Finnland als anfänglich gedacht. Finnland selbst war zwar nie eine Monarchie, jedoch Spielball zwischen den Monarchen von Schweden und Russland, sodass es über die Jahrhunderte doch so einige Adlige in das Land zog. Mein erstes Ziel am heutigen Morgen ist das Sjundbyn Kartano, ein Herrenhaus, das sich noch heute in Privatbesitz befindet.
Die Geschichte des Anwesens beginnt bereits 1417, vielleicht sogar früher, seitdem ist sie jedoch belegt. In den 1560er Jahren baut Jakob Henrikinpoika, der Stallmeister bei Schwedens König Gustav Vaasas ist, hier ein Herrenhaus. Später wechseln die Besitzer häufig und eine der berühmtesten Eigentümerinnen ist wohl Sigrid Vaasa, Tochter von Schwedens König Eric XIV. Ende des 17. Jahrhunderts kam schließlich die Familie Adlercreutz in den Besitz von Sjundby und blieb es für über dreihundert Jahre.
Rund um das Haus, das einst der Mittelpunkt eines Gutes war, das über fünfhundert Menschen beschäftigte, ist es inzwischen sehr ruhig. Ein kleiner Fluss fließt nebenan dahin und die Reste einer Mühle sind zu sehen.
Auch Spuren der russischen Besatzung kann ich noch erkennen, denn Russland und Schweden kämpften über viele Jahrhunderte um Finnland. Entweder war das Königreich Schweden oder zuletzt das Zarenreich Russland Herrscher über das Gebiet. Die letzte russische Besatzung fand nach dem Winterkrieg statt und es dauerte einige Jahre, bis die Truppen überall abgezogen waren.
Weiter geht die Fahrt nun zum Svidja Kartano, das nur ein paar wenige Fahrminuten entfernt liegt. Auch dieses Haus ist nur von außen zu besichtigen, jedoch ist das Anwesen darauf angelegt, denn es gibt sogar einen Parkplatz. Von diesem geht es an einigen Nebengebäuden vorbei zum Haupthaus.
Die ältesten Teile von Svidja gehen auf das Jahr 1540 zurück, besiedelt war das Anwesen jedoch schon im Mittelalter. Bis 1933 war das Gutshaus in der Hand verschiedener adliger Familien, bevor es in den Besitz des finnischen Staates überging. Dieser war bis 2015 Besitzer und auf dem Hof waren lange Zeit universitäre Einrichtungen zu finden. Dann jedoch wurde Svidja wieder an private Eigentümer verkauft. Leider ist deshalb eine weitere Besichtigung des Anwesens momentan nicht möglich.
Nach diesen zwei Fotostopps fahre ich weiter zu dem Ort, der mir als erstes Schloss in Südfinnland aufgefallen ist, Mustion Linna. Das kleine Schloss wurde zwischen 1783 und 1792 für Magnus Linder erbaut und ist heute ein Museum. Eigentlich habe ich geplant, an einer Führung durch das historische Haus teilzunehmen, doch leider stellt sich heraus, dass heute nur für vorgebuchte Besucher Platz ist, sodass ich draußen bleiben muss. Auf eigene Faust kann ich nur den weitläufigen Schlosspark besuchen.
Neben dem Schloss gibt es noch einige andere historische Gebäude auf dem Anwesen, die heute als Hotel genutzt werden. Das wäre bestimmt toll, hier mal zu übernachten. Ich nehme mir vor, das mal abzuspeichern, falls ich noch einmal in diese Gegend komme.
Jetzt aber widme ich mich erst einmal dem Schlosspark. Das schöne Sommerwetter heute ist ideal, um den Park zu erkunden, der heute einer der größten Finnlands in Privathand ist. Angelegt wurde das Areal ursprünglich 1787 als Barockpark, im 19. Jahrhundert jedoch in einen englischen Landschaftspark umgewandelt.
Im Park sind viele exotische Bäume zu finden, die hier angepflanzt wurden. Weiterhin gibt es Teiche, verschlungene Wege und kleine Gebäude, die strategisch in Sichtachsen platziert wurden.
Auch eine Reihe von historischen Skulpturen sind im Park zu finden.
Mustion Linna gehört noch heute der Linder Familie, die den historischen Teil in eine Stiftung eingebracht hat. Somit soll das wunderschöne Anwesen auch für zukünftige Generationen erhalten bleiben.
Da der Besuch aufgrund der verpassten Innenbesichtigung etwas kürzer ausgefallen ist, beschließe ich noch zur Burg Raseborg zu fahren, einer mittelalterlichen Burgruine. Diese wurde auf einem Felsen erbaut, der ursprünglich völlig von Wasser umgeben war.
Die erste urkundliche Erwähnung der Raseborg stammt von 1378 und heute geht man davon aus, dass sie nur wenige Jahre zuvor erbaut wurde. Die Burg war Sitz des Kronvogts, der für die Verwaltung der südfinnischen Gebiete zuständig war. Sie hatte auch eine bedeutende Rolle im Handel mit der livländischen Stadt Reval.
Nach der Machtübernahme des schwedischen Königs Gustav I. Wasa verlor Raseborg jedoch an Bedeutung, denn er hielt die Burg für veraltet und wollte sie nicht mehr zur Verteidigung seiner Interessen nutzen. So wurde das Gebäude 1533 aufgegeben und für über drei Jahrhunderte dem Verfall preisgegeben.
Doch eine Art Burgenrenaissance hielt Ende des 19. Jahrhunderts auch in Finnland Einzug und so wurde 1890 mit einer Renovierung der Burg begonnen. Diese zog sich jedoch fast einhundert Jahre hin und erst 1988 wurden die Maßnahmen eingestellt. Abgeschlossen war die Renovierung jedoch nicht, man war allerdings der Ansicht, die Burg nicht mehr herstellen zu können, da weitere Unterlagen fehlen.
Zuvor wurden aber Teile der Burgmauer überdacht und im Inneren eine Galerie eingezogen. So zeigt sich die Burg noch heute, denn seit dem Ende der Arbeiten ist sie zur Besichtigung freigegeben.
Raseborg ist der westlichste Punkt meines heutigen Ausflugs und ich fahre nun wieder in Richtung Helsinki. Unterwegs habe ich aber noch einige Stopps geplant, doch davon erzähle ich im nächsten Teil des Reiseberichts.