Tag 8: Dienstag, 13. Juli 2021
Endspurt – Helsinki nach Berlin – Teil 1
“I am not the same, having seen the moon shine on the other side of the world.” – Mary Anne Radmacher
Nun ist er also da, mein letzter Tag in Finnland. Unglaublich, wie schnell diese Woche doch vorbeigegangen ist. Eigentlich ist das ja auch viel zu wenig Zeit, um so ein Land wie Finnland zu bereisen, doch aufgrund der unsicheren Lage war ich froh, überhaupt hierher reisen zu können.
Jetzt aber genug Trübsal geblasen, denn zum Flughafen muss ich erst am späten Nachmittag, sodass ich noch etwas Zeit für ein paar Erkundungen habe. Das Hotel gewährt mir auch einen Late Check-out, sodass ich sogar noch etwas mehr von Helsinki besichtigen kann.
Noch einmal führt mich der Weg zunächst zum Dom, der am Morgen von anderer Seite beleuchtet wird. So kann ich noch schöne Fotos vom Senatsplatz und den umliegenden Gebäuden zu machen.
Eines der Gebäude am Senatsplatz ist die finnische Nationalbibliothek, die ursprünglich 1640 als älteste und wichtigste wissenschaftliche Bibliothek Finnlands gegründet wurde. Das heutige klassizistische Gebäude geht auf einen Entwurf des Architekten Carl Ludwig Engel zurück und wurde zwischen 1840 und 1846 erbaut.
Durch eine kleine Gasse laufe ich jetzt weiter zum Hafen, denn ich habe mich dazu entschlossen, noch einen kleinen Ausflug zu machen.
Zunächst komme ich aber noch am Rathaus der Stadt Helsinki vorbei, das 1833 nach Plänen von Carl Ludwig Engel ursprünglich als Hotel gebaut wurde. Die Geschicke der Stadt werden von hier erst seit den 1930er Jahren gelenkt.
Gleich nebenan befindet sich die schwedische Botschaft, ganz leicht an der schwedischen Flagge auf dem Dach zu erkennen.
Das dritte Gebäude im Bunde gegenüber dem Hafenbecken ist das Präsidentenpalais, der Sitz des finnischen Präsidenten. Das Palais wurde zwischen 1816 und 1820 durch den Architekten Pehr Granstedt für den Unternehmer Johan Henrik Heidenstrauch errichtet. Im Jahr 1837 kaufte der russische Zar Nikolaus I. das Gebäude und ließ vom Architekten Carl Ludwig Engel umfangreiche Umbauarbeiten durchführen, die erst 1845 abgeschlossen waren. Anschließend wurde das Palais als Residenz des Zaren Alexander II. genutzt. Im Jahr 1915 nutze zum letzten Mal ein Zar das Palais, bevor es 1917 nach der finnischen Unabhängigkeit zuerst Sitz des Senats und ab 1919 Sitz des Präsidenten wurde. Heute wird das Gebäude vor allem für repräsentative Zwecke genutzt.
Am Hafen kaufe ich mir dann ein Ticket für die Fähre nach Suomenlinna, einer Festung, die sich auf mehreren miteinander verbundenen Inseln im Hafenbecken von Helsinki befindet. Erreicht werden kann die Festung mit den öffentlichen Fähren, aber auch mit dem Wassertaxi.
Unterwegs passiert die Fähre einige der vielen kleinen Inseln, die sich im Hafenbecken von Helsinki befinden.
Nach rund fünfzehn Minuten kann ich meinen ersten Blick auf Suomenlinna werfen und die Enttäuschung ist erst einmal groß, denn eines der Wahrzeichen der Insel ist leider komplett eingerüstet. Nun ja, jetzt nicht mehr zu ändern und die Insel hat ja hoffentlich noch mehr zu bieten.
Kurz vor dem Anlegen werfe ich noch einen Blick zurück in Richtung Helsinki. Besonders schön zu sehen sind der Dom und die Uspenski Kathedrale.
Nach dem Anlegen auf der Insel starte ich meine Entdeckungstour. Durch das Tor der Uferkaserne, in der sich heute eine Galerie befindet, betrete ich den Innenbereich der Festung.
Die Festung Suomenlinna entstand um das Jahr 1748 und umfasst heute fünf Inseln, die durch Brücken oder Landaufschüttungen miteinander verbunden sind. Insgesamt ist das Areal achtzig Hektar groß, umfasst rund zweihundert Gebäude, einhundert Kanonen und eine sechs Kilometer lange Bastion.
Davon ist im Herzen der Insel aber nicht viel zu merken, denn hier gibt es bunte Häuschen, die einst von der Armee genutzt wurden und heute kleine Geschäfte und Cafés beherbergen. Insgesamt leben noch immer rund 850 Menschen auf der Insel, die heute zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört.
Mein erster Stopp erfolgt an eben jenem Gebäude, das ich unbedingt sehen wollte, der Kirche von Suomenlinna. Ursprünglich wurde sie 1850 bis 1854 als russisch-orthodoxes Gotteshaus erbaut, in den 1920er Jahren aber grundlegend umgebaut und zu einer evangelischen Kirche geweiht. Das Besondere aber ist der Kirchenturm, der gleichzeitig als Leuchtturm dient und dessen Lichtsignal H wie Helsinki ist.
Auf einer Tafel neben dem Eingang wird sehr schön erklärt, wie sich das Aussehen der Kirche durch den Umbau verändert hat.
Die Kirche ist zwar komplett eingerüstet, da momentan Restaurierungsarbeiten stattfinde, das Innere kann jedoch besucht werden. So werfe ich also wenigstens einen Blick in die Kirche, wenn ich das ungewöhnliche Gebäude sonst schon nicht anschauen kann.
Anschließend setze ich meinen Rundgang über Suomenlinna fort, dessen Bau von den Schweden begonnen wurde. Ein befestigter Schutz des Hafens war damals nötig geworden, nachdem Peter der Große mit der Gründung von St. Petersburg seine Stellung im Ostseeraum vergrößerte und Russland zu einer Seemacht aufbauen wollte. Mit der Kontrolle über den Bau der Festung wurde der junge Leutnant Augustin Ehrensvärd betraut, dem ich später noch näher begegnen werde.
Erst einmal laufe ich über eine Brücke, die die zwei größten Inseln der Festung miteinander verbindet. Die Idee hier am Morgen herzukommen war übrigens sehr gut, denn noch sind nur wenige Menschen unterwegs. Das wird sich bald ändern, denn Suomenlinna ist ein beliebtes Ausflugsziel, nicht nur bei Touristen.
Ein Stückchen weiter kann ich dann die ersten Teile der mächtigen Festungsanlage bestaunen, die lange Zeit von der russischen Armee genutzt wurden. Die kam 1808 auf die Inseln, als Schweden seinen finnischen Besitz nach über sechshundert Jahren an das Zarenreich verlor. Unter russischer Herrschaft wurde die Anlage weiter ausgebaut und zeitweise waren hier bis zu 13.000 Soldaten stationiert.
Als Herz der Anlage kann man wohl den kleinen Ehrenhof bezeichnen, um den einige kleine Palais angesiedelt sind.
In der Mitte des Platzes befindet sich das Ehrengrab von Augustin Ehrensvärd, der zwar als Erbauer von Suomenlinna Bekanntheit erlangte, aber auch ein bedeutender schwedischen Feldherr und Künstler war. Das Monument wurde vom berühmten schwedischen Bildhauer Johan Tobias Sergels geschaffen, auf dem zu lesen ist: „Ein Geist, der konnte – ein Herz, das wählte, seinem Vaterland zu dienen.“
Gleich gegenüber befindet sich das Haus des Kommandanten, das zuerst von Ehrensvärd bewohnt wurde und heute ein Museum beherbergt. Das Gebäude wurde, wie der gesamte Ehrenhof, im Krimkrieg (1854–56) schwer beschädigt, als die Insel drei Tage lang unter Dauerfeuer der Engländer und Franzosen stand. Damals verlor auch dieses Gebäude seinen südlichen Anbau und wurde seitdem nicht mehr als Wohnhaus genutzt. Das Museum zog erst 1927 ein und zeigt heute, wie die ersten Kommandanten auf der Festung gelebt haben.
Zutritt zum Museum erhalte ich einmal mehr mit meiner Museum Card, denn während der Eintritt auf die Festung kostenlos ist, muss man für die Besichtigung der einzeln Museen Eintritt zahlen, oder kann eben die Museum Card nutzen.
Den Rundgang durch das Haus kann ich dann auf eigene Faust unternehmen. In den Zimmern sind Möbel und Gemälde aus der Zeit der Schweden zu sehen und in einige Zimmern wird das Leben im Haus mit kostümierten Puppen illustriert.
Nach dem Besuch des Museums setze ich meinen Rundgang über die Insel fort, denn es gibt noch vieles mehr zu entdecken und ein bisschen sitzt mir jetzt doch die Zeit im Nacken. Ich habe die Größe der Festung ein bisschen unterschätzt und so beschließe ich zugunsten der Außenbesichtigung auf weitere Museumsbesuche zu verzichten. Will man alles sehen, kann man hier locker einen ganz Tag verbringen.
Schließlich erreiche ich das Südende der Insel. Diese Seite ist dem offenen Meer zugewandt. Teilweise sieht es hier gar nicht wie auf einer Festung aus, sondern eher wie in einer lieblichen Schärenlandschaft. Sogar kleine Wildgänse laufen mir über den Weg und in der Ferne schimmert der Dom zu Helsinki.
Doch schnell werde ich wieder in die Realität zurückgeholt, als ich den Weg auf der Bastion fortsetze. Hier stehen die größten Kanonen, die zur Verteidigung der Festung eingesetzt wurden.
Dieser Teil der Festung nennt sich Bastion Zander und ist die größte Verteidigungsanlage der Festung. Sie wurde bereits 1748 bis 1750 erbaut. In den folgenden Jahrhunderten wurde die Bastion immer wieder aus- und umgebaut, was man hier bei genauerem Hinsehen auch gut erkennen kann.
Heute aber ist es unkompliziert möglich, die Bastion zu erkunden. Ich entschließe mich zumindest einen kleinen Rundgang zu machen, auch wenn das in der prallen Sonne recht anstrengend ist.
Als ich nach einer Weile auf die Uhr schaue, bekomme ich allerdings einen Schreck. Es ist schon viel später als gedacht, sodass ich schleunigst den Rückweg antreten muss, auch wenn ich längst nicht alles gesehen habe. Ein paar kleine Stopps lege ich dann aber doch noch ein, um anschließend alle Pläne noch ein letztes Mal über Bord zu werfen und einen letzten Umweg auf dem Weg zum Flughafen einzulegen.