Tag 7: Montag, 12. Juli 2021
Von Russen und Schweden – Imatra nach Helsinki – Teil 2
“Do not follow where the path may lead. Go instead where there is no path and leave a trail.” – Ralph Waldo Emerson
Nach meinem Besuch der Fischerhütte des Zaren drehe ich noch eine kleine Runde durch Kotka, oder besser gesagt, ich versuche es. Die Zufahrten zur Stadt scheinen jedoch derzeit eine einzige Baustelle zu sein und dementsprechend staut sich der Verkehr. So verwerfe ich diesen Plan recht schnell und schlage den Weg gen Helsinki wieder ein.
So ganz direkt fahre ich aber nicht, denn bei meiner Planung habe ich entdeckt, dass es in dieser Gegend sehr viele interessante Herrenhäuser gibt. Einige, wie das Wohnhaus des Komponisten Sibelius, kann man derzeit leider nur sehr eingeschränkt besuchen, zu anderen wiederum finde ich erst gar keinen Zugang. Doch bei ein paar Häusern habe ich auch Glück und was ich da entdecke, gefällt mir doch ausgesprochen gut.
Mein erstes Ziel an diesem Nachmittag ist der Gutshof Anjala, den ich über eine wunderschöne Allee erreiche, die an diesem heißen Sommertag reichlich Schatten spendet.
Anjala hat eine interessante Geschichte, die auf das 1606 zurückgeht. Damals tobte die Schlacht von Riga und mittendrin König Karl IX., der inmitten der gegnerischen Reihen vom Pferd stürzte. Der Monarch wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit getötet oder gefangen genommen worden, wenn nicht Hendrik von Wrede ihm sein Pferd gegeben hätte. Der Deutsch-Baltische Adlige bezahlte seine Heldentat mit dem Leben.
König Karl IX. aber wusste sehr wohl, wem er sein Leben zu verdanken hatte, und schenke der Witwe seines Retters deshalb große Ländereien in Finnland. Außerdem ließ er für die Familie ein Herrenhaus errichten. Davon ist jedoch heute nichts mehr erhalten, denn es wurde 1789 durch russische Artillerie zerstört. Das heutige Haus wurde erst Anfang des 19. Jahrhunderts erbaut.
Als ich näher komme, sehe ich, dass das Haus heute geöffnet ist. Das lasse ich mir natürlich nicht entgehen und werfe gleich ml einen Blick in das historische Gebäude. Viel von der Einrichtung ist leider nicht erhalten, denn zwischen 1837 und 2017 war die Familie Wrede nicht Eigentümer des Anwesens, doch ich greife vor. Zunächst einmal fand noch ein anderes historisches Ereignis auf Anjala statt.
Zwischen 1788 und 1790 tobte ein Krieg zwischen Schweden und Russland, den der schwedische König Gustav III. begann. Anjala befand sich damals auf schwedischem Gebiet, aber an der Grenze zu Russland, sodass es hier zu Kampfhandlungen kam, bei denen, wie schon erwähnt, auch das Herrenhaus zerstört wurde. Schon ziemlich zu Beginn des Konflikts waren viele Offiziere gegen die Pläne des Königs. Der sogenannte Anjala-Bund forderte ein Ende des Krieges, doch die Aktion hatte keinen Erfolg und der Konflikt ging noch zwei Jahre weiter, bis er ohne Sieger oder nennenswerte Grenzverschiebungen endete.
In den folgenden Jahren wurde das Land der Familie Wrede immer wieder unter den Erben geteilt. Im Jahr 1837 heiratete Carl Gustav Creutz in die Familie Wrede ein und übernahm Anjala. Fünf Jahre später kaufte der Staat das Anwesen und schenkte es dem Generalgouverneur von Finnland, Prinz Alexander von Menschikow. Nur wenige Jahre später ging das Gut jedoch wieder in Staatsbesitz über.
Lange Zeit wurde das Gut wenig genutzt, bis 1954 eine Landwirtschaftsschule auf dem Anwesen gegründet wurde. Das Herrenhaus selbst wurde 1957 zu einem Gutshausmuseum umgebaut. Das Museum existierte bis 2010, als es geschlossen wurde. Vier Jahre später bot der Staat das sanierungsbedürftige Anwesen zum Verkauf an und so gelangte es zurück in die Hand der ursprünglichen Besitzer, der Familie Wrede, die noch heute in der Gegend ansässig ist.
Momentan ist das Haus, wie schon erwähnt, recht leer. Viele Jahre wurde nicht saniert, sodass hier noch einige zu tun ist. In der Zwischenzeit wird ein Teil der Räume für Ausstellungen genutzt. Ich aber kann mich auf beiden Etagen so lange ich möchte umsehen. So streife ich durch die Räume, denen hoffentlich irgendwann wieder etwas mehr Leben eingehaucht wird.
Rund um das Herrenhaus sind auch noch viele Gebäude des alten Gutshofes erhalten. Einige wurden lange Zeit von der Landwirtschaftsschule genutzt, heute stehen viele leer, andere haben bereits eine neue Funktion bekommen, wie dieses kleine Café.
Das war wirklich eine interessante Besichtigung und ich fahre zufrieden weiter. Schon von weitem ist mein nächstes Ziel zu sehen, das Herrenhaus Moisio. Ursprünglich gehörte das Land, auf dem das Haus steht, auch der Familie Wrede, die es aber schon 1767 an die Familie Forselles verkaufte.
Im Jahr 1820 wurde schließlich Herrenhaus erbaut. Architekt der war Deutsche Carl Ludwig Engel, der seit 1816 im Großherzogtum Finnland aktiv war und vor allem für seine Bauten im neoklassizistischen Empire-Stil bekannt ist. Sein wohl berühmtestes Werk ist die Gestaltung des Zentrums von Helsinki, mit dem Senatsplatz, der Kathedrale und auch dem Regierungspalast, der Universität sowie der Nationalbibliothek.
In finanzielle Schwierigkeiten geraten, musste die Familie Forselles das Anwesen 1880 an die Familie Berg verkaufen, die es 1907 an die Gemeinde Elimäki verkaufte. Die Gemeinde nutze das Gebäude auf viele Arten, so war hier lange Zeit ein Pflegeheim und auch für Veranstaltungen wurde das Haus genutzt. Momentan steht es leider leer und schaut in eine ungewisse Zukunft.
Nicht so viel Glück bei der Besichtigung habe ich an meinem nächsten Stopp. Das Herrenhaus Malmgard ist noch heute in Privathand und dementsprechend schwierig zu besichtigen. Zwar ist der Hof öffentlich zugänglich und hier gibt es sogar einen Hofladen, das Haus ist es jedoch nicht.
Von der Straße, die über das Gelände führt, kann ich das Erbbegräbnis der Familie Creutz sehen, in deren Besitz das Gut seit 1615 ist.
Das heutige Herrenhaus wurde zwischen 1882 und 1885 für den Grafen Carl Magnus Creutz im niederländischen Neo-Renaissance-Stil erbaut. Leider sehe ich durch die großen Bäume sehr wenig davon und näher ran komme ich nicht.
Schade, aber nicht zu ändern. Ein weiteres Gut erweist sich noch mehr als Sackgasse und auch zwei Herrenhäuser an der Küste kann ich nicht erreichen, denn sie sind auf großen Grundstücken und hinter hohen Hecken versteckt. Mehr Glück habe ich dann wieder am Haikko Manor, das heute ein Hotel und somit öffentlich zugänglich ist.
Am späten Nachmittag erreiche ich dann endlich Helsinki. Das war zwar eigentlich anders geplant, doch möchte ich den Tag, so wie ich ihn erlebt habe, bei diesem tollen Wetter auf keinen Fall missen. Da muss ich dann wohl in Helsinki etwas kürzen und einiges auf einen weiteren Besuch schieben, den es sicher irgendwann geben wird. Jetzt aber fahre ich erst einmal zum Helsinki Hilton, das ich für meine letzte Nacht in Finnland reserviert habe.
Das Hotel liegt direkt am Wasser nördlich der Altstadt. Viele Orte der Stadt sind so sehr gut fußläufig erreichbar. Zwar sieht das Haus von außen etwas altbacken aus, wurde aber innen komplett renoviert.
Ich bekomme ein sehr schönes Upgrade auf ein Zimmer mit direktem Blick auf das Wasser.
Lange hält es mich jedoch nicht im Hotel, denn ich will mich heute Abend noch ein wenig in Helsinki umsehen. Zugutekommt mir wieder, dass es ja sehr lange hell ist und ich so keine wirkliche Eile zu haben brauche. Während das Auto also schon in der Parkgarage schlummert, mache ich mich nun zu Fuß auf den Weg. Auf dem Weg zum Dom komme ich an der finnisch-orthodoxen Dreifaltigkeitskirche vorbei, die 1826 nach einem Entwurf von Carl Ludwig Engel erbaut wurde.
Das wohl berühmteste Bauwerk Carl Ludwig Engels ist aber der Dom zu Helsinki. Das heutige Wahrzeichen der Stadt gehört zum zwischen 1820 und 1850 erbauten klassizistischen Zentrum der finnischen Hauptstadt. Bereits 1819 lieferte Engel die ersten Pläne für das Gotteshaus, der Bau selbst dauerte von 1830 bis 1852. Engel erlebte die Fertigstellung nicht mehr, denn er verstarb bereits 1840 in Helsinki.
Als ich näher komme, sehe ich, dass die Tür zum Dom geöffnet ist. Und tatsächlich, der Dom ist an diesem lauen Sommerabend bis 21 Uhr geöffnet. So beschließe ich, mich gleich mal in der Kirche, die heute Sitz des Bistums von Helsinki ist, umzusehen.
Der Innenraum des Doms ist sehr schlicht gehalten und der Altar befindet sich an der Ostseite, der Haupteingang an der gegenüberliegenden Westseite.
Der einzige Schmuck des Gotteshauses sind die Statuen der Reformatoren Martin Luther, Philipp Melanchthon sowie Mikael Agricola, der auch Begründer der finnischen Literatursprache war.
Die heutige Orgel wurde erst 1967 in den Dom eingebaut, das Gehäuse stammt aber von dem Vorgängerinstrument aus dem Jahr 1847, das von den Orgelbauern Lohrmann und Walcker geschaffen wurde.
Das heutige Aussehen des Doms entspricht übrigens nicht so ganz dem Entwurf von Carl Ludwig Engel. Nach seinem Tod übernahm Ernst Bernhard Lohrmann, ebenfalls Deutscher, die Arbeiten und fügte dem Entwurf Veränderungen hinzu. So ist er für die vier kleinen Ecktürme, die zwölf Apostelstatuen und auch die zwei Seitenpavillons verantwortlich.
Neben dem Dom befindet sich hier am Senatsplatz auch der Regierungspalast mit dem Büro des Premierministers von Finnland. Das Gebäude selbst wurde abermals vom Architekten Engel entworfen und zwischen 1818 und 1822 erbaut.
Rund um den Platz gibt es auch noch andere interessante Gebäude und ganz in der Mitte diesem Herrn, heute mit Vogel auf dem Kopf.
Ich bin jedoch schon ziemlich geschafft und so verschiebe ich die weitere Besichtigung auf morgen, zumal auch das Licht momentan nicht so ideal für weitere Fotos ist.
Ein Stück laufe ich noch bis zum Hafenbecken, von wo ich einen schönen Blick auf die Uspenski-Kathedrale habe. Die hat aber heute schon geschlossen, sodass ich mir den Weg dorthin spare.
Ich setze mich stattdessen auf eine Bank und beobachte ein bisschen das Treiben am Hafen. Langsam machen meine Füße doch schlapp und der Rückweg steht ja auch noch an.
Irgendwann drehe ich dann wieder um. Es war ein langer Tag und ich habe einfach keine Energie mehr. Nachdem ich meine Sachen für meine morgige Abreise vorbereitet habe, genieße ich noch ein wenig den Ausblick, denn auch heute wird es wieder lange nicht dunkel.
Kilometer: 370
Wetter: heiter, 28 Grad
Hotel: Hilton Helsinki Strand