Tag 3: Montag, 17. Oktober 2016
Over- and Underground – Bermuda
„Anything is possible with sunshine and a little pink.” – Lily Pulitzer
Am frühen Morgen erreicht die Anthem of the Seas Bermuda. Diesmal stehe ich nicht die ganze Zeit an der Reling, denn die Fahrt bis zum Anleger dauert mehr als 1 Stunde, weil Schiffe nur an einer Stelle durch das Riff fahren können, das die Inseln hier umgibt. Ich gehe erst an Deck, als schon Kings Wharf in der Ferne zu sehen ist.
Vor 2 1/2 Jahren war ich zum ersten Mal auf Bermuda, auch damals mit einem Schiff, der Explorer of the Seas. Nun kehre ich zurück, denn bei meinem ersten Besuch sind ein paar Orte auf meiner Liste geblieben, die ich einfach nicht mehr geschafft habe. Nebenbei habe ich mich auch wohl gefühlt auf den Inseln. Warum also nicht die Möglichkeit wahrnehmen, noch einmal hierher zurückzukehren?
Nun bin ich also wieder hier. Noch vor einer Woche hatte ich die Befürchtung, dass die ganze Kreuzfahrt ins Wasser fallen würde. Hurrikan Nicole hatte am 13. Oktober Kurs auf die Inseln genommen und doch einige Schäden angerichtet. Zwei Tage vor der Abfahrt, teilte Royal Caribbean aber bereits mit, dass die Regierung von Bermuda grünes Licht gegeben hätte. Und so rückt ein weiteres Mal der Anleger Kings Wharf in mein Blickfeld. Dieses Mal sind wir aber nicht allein hier, die Norwegian Dawn liegt bereits am anderen Dock, sodass ich gespannt bin, wie voll es denn sein wird.
Wir docken direkt vor der Norwegian Dawn an. Es ist schon immer wieder faszinierend, wie man mit so einem Koloss so gezielt einparken kann. Früher brauchte es Schlepper dafür, heute reichen gute Seitenstrahlruder.
Während des Andockens fällt mein Blick einmal mehr auf das Bermuda Museum, das ich vor 2 1/2 Jahren ausgiebig erkundet habe. Heute aber habe ich andere Pläne.
Inzwischen werden auch die letzten Leinen befestigt sowie die Gangway ausgefahren. Jetzt kann es gleich von Bord gehen und das werde ich auch tun. Die Zeit an Land muss genutzt werden, an Bord kann ich mich noch am zweiten Seetag genug umsehen.
Im Terminal kaufe ich gleich wieder den 2‑Tages Pass für die öffentlichen Verkehrsmittel. Allerdings hat sich der Preis von $25 in 2014 auf $31 Bermuda Dollar erhöht. Trotzdem ist das die beste Möglichkeit die Inseln zu erkunden. Mit Blick auf die Clocktower Mall laufe ich zum Fähranleger.
Schon aus einiger Entfernung sehe ich, dass die Fähre nach St. George boarded. Ich laufe schnell zur Gangway und bin eine der Letzten, die noch mit an Bord darf.
Das mit den öffentlichen Verkehrsmitteln ist eigentlich ganz einfach. Es gibt Fähren und Busse mit denen man in so ziemlich jeden Winkel der Insel kommt. Autos dürfen Touristen nicht mieten, nur Motorroller und das ist auf den engen Inselstraßen nicht so ganz ungefährlich. Ansonsten gibt es noch Taxis. Die Fähren fahren nach einem festen Fahrplan, die Busse zum größten Teil auch. Haltestellen sind mit einer Stange gekennzeichnet, die pink ist, wenn der Bus in Richtung Hamilton fährt und blau, wenn er aus der Stadt raus fährt.
Gleich nachdem ich an Bord gegangen bin, geht die Fahrt auch schon los. Mit dieser Fähre bin ich noch nie gefahren, denn sie fuhr im April, bei meinem letzten Besuch, noch nicht. Zuerst habe ich einen schönen Blick auf die Anthem of the Seas. Hier sieht man einmal mehr, wie riesig sie ist. Auch die Norwegian Dawn ist schön zu sehen.
Umso weiter wir uns von Kings Wharf entfernen, desto mehr sieht man den Größenunterschied zwischen den beiden Schiffen. Eins haben sie aber gemeinsam, sie kommen beide aus Papenburg.
Schließlich verliere ich die Schiffe aus den Augen und sehe dafür Fort Catherine, das ich ebenfalls bereits bei meinem letzten Besuch besichtigt habe. Dann kommt St. George ins Blickfeld. So habe ich die Stadt noch nie gesehen, denn mit der Fähre komme ich hier zum ersten Mal an. Ansonsten bin ich immer mit dem Bus gefahren.
Sogar die Unfinished Church und den Nachbau der Deliverence kann ich schon erkennen.
St. George ist die älteste Stadt auf Bermuda und die fünftälteste der westlichen Hemisphäre. Der 1609 gegründete Ort gehört heute sogar zum UNESCO Weltkulturerbe. St. George war auch bis 1815 die Hauptstadt der Inseln, bevor diese nach Hamilton verlegt wurde.
Auf meinem Weg ins Stadtzentrum komme ich am Long House vorbei, das zwischen 1788 und 1794 für John Paynter, einen Geschäftsmann aus Bailey’s Bay, erbaut wurde. Im Erdgeschoss befanden sich Lagerräume für die Güter, die importiert und exportiert wurde und darüber Wohnräume.
Ich spaziere zuerst noch ein Stückchen am Wasser entlang, dann durch die engen Gassen der Altstadt, die noch heute so breit sind, dass gerade die Kutschen hindurchpassen. Autos sieht man deshalb kaum. Sie werden über andere Wege geleitet.
Und wieder komme ich am Tucker House Museum vorbei, doch auch heute stehe ich vor verschlossener Tür. Es erschließt sich mir einfach nicht, warum man das Museum nicht öffnet, wenn 4000 potentielle Kunden vor Ort sind, aber wenn die Anthem nicht vor Ort ist, dann haben sie angeblich offen. Ein merkwürdiges Geschäftskonzept, das ich allerdings etwas besser verstehe, als ich später den recht merkwürdigen Chef der historischen Gesellschaft treffe.
Ich laufe weiter zurück zum Wasser, wo noch immer Admiral Sir George Somers die Besucher begrüßt. Die Statue von Desmond Fountain wurde 1984 von Princess Margaret anlässlich des 375. Jahrestages der Besiedlung von Bermuda enthüllt.
Auch der Nachbau der Deliverence steht nach immer auf dem Trockenen. Das Schiff ist eines von Zweien, das aus den Resten der Sea Venture gebaut wurde, mit der die ersten Siedler von Plymouth in England nach Bermuda segelten. Sie erlitten hier Schiffsbruch und bauten zwei neue Schiffe, um weiter nach Jamestown, Virginia segeln zu können. Mit der Deliverence segelte man dann auch zurück von Jamestown nach Bermuda, um die Inseln zu besiedeln.
Während ich das hübsche Rathaus und einige andere Gebäude man Town Square diesmal links liegen lasse, …
… wende ich mich der St.Peter’s Church, die heute geöffnet ist. Mit vollem Namen heißt die kleine Kirche Their Majesties Chappell, St. Peter’s Church. Der Titel wurde ihr erst 2012 von Königin Elizabeth II. verliehen, als die Kirche im Jahr des Diamond Jubilee der Queen ihren 400. Geburtstag feierte. Die Kirche ist die älteste noch bestehende anglikanische Kirche außerhalb der britischen Inseln und die älteste protestantische Kirche der neuen Welt, die auch seit ihrer Gründung durchgehend in Benutzung ist.
Der Innenraum der Kirche ist recht einfach gehalten, aber dadurch nicht weniger schön. Die Balken sind aus einheimischem Zedernholz, das einst günstiges Baumaterial war. In den 1940 und 50ziger Jahren war es aber so beliebt, dass es die Bäume heute kaum noch gibt. Seitdem ist das Holz sehr wertvoll und jeder, der es in seinem Haus noch verbaut hat, zeigt es stolz.
In einem Nebenraum gibt es eine kleine Ausstellung, in der das Kirchensilber zu sehen ist, sowie zahlreiche Bilder von Besuchen der Königin. Und natürlich die Ernennungsurkunde der Kirche zur Majesties Chappell.
Umgeben ist die Kirche von einem alten Friedhof, auf dem heute keine Beisetzungen mehr stattfinden. Eine Ausnahme wurde nur 1973 für Governor Sir Richard Sharples und Captain Hugh Sayers gemacht, die am 10. März desselben Jahres einem Attentat zum Opfer fielen.
Etwas seltsam, unförmig und ungewohnt sieht hingegen der Glockenturm an der Seite der Kirche aus. Der Grund dafür ist, dass er neueren Datums ist. Die Kirche wurde nämlich nie mit einem Glockenturm gebaut. Die Kirchenglocke hing immer an einem großen Zedernbaum. Der jedoch stürzte 2003, während Hurrikan Fabian die Inseln traf, um und wurde durch diesem Turm ersetzt.
Schräg gegenüber der Kirche liegt ein kleines Museum zu St. George und Bermuda, das ich als nächstes besuchen wollte. Heute hatte es, erstaunlicherweise geöffnet, obwohl eigentlich an der Tür stand, dass geschlossen sei. Nun ja, hätte ich das mal lieber gelassen, denn der Herr hier war wohl so etwas wie die Ausnahme unter den sonst sehr netten und freundlichen Bewohnern der Inseln. Wie jemand, der eigentlich keine Menschen mag und schon gar nicht Touristen, einmal der Chef des Tourismusverbandes gewesen sein kann und nur der Chef eines Museums ist, ist mir ein absolutes Rätsel. Von mir hat der Herr jedenfalls keine $5 Eintritt bekommen. Nach der Unterhaltung mit ihm, ist mir die Lust auf einen Besuch vergangen. Dem Ehepaar das nach mir kam, übrigens auch. So bin ich dann also zur mir schon bekannten Bushaltestelle an der Hauptstraße gegangen, um wieder nach Hamilton zu kommen.
Unterwegs steige ich aber noch einmal aus, denn ich will die Fantasy & Crystal Caves besuchen, die ich beim letzten Mal ebenfalls aus Zeitmangel auslassen musste. Über eine tropische Zufahrt laufe ich zum Eingang.
An der Kasse zahle ich $30 für beide Höhlen. Ein ziemlich stolzer Preis. Aber Bermuda ist kein Billigreiseziel. Der hohe Lebensstandard als britische Kronkolonie schlägt sich auch in den Preisen nieder. Die Touren starten alle 20 Minuten und ich habe Glück, dass es immer mal wieder Einzeltickets gibt, sodass ich nicht warten muss. Die Höhlen sind erst seit etwas mehr als 100 Jahren bekannt. Im Jahr 1907, als die Teenager Carl Gibbons und Edgar Hollis Cricket spielten, verschwand ihr Ball plötzlich in einem Loch im Boden. Da der Ball jedoch für sie wertvoll war, begannen sie mit der Suche. Den Ball fanden sie zwar nicht, dafür aber eine bis dato völlig unbekannte Höhlenwelt, in die ich nun auch eintauchen will.
Mit einem Guide geht es zum Eingang der Fantasy Cave. Es ist ein aus Stein gebauter Eingang mit einem Eisentor, der auch zu einem Gebäude führen könnte. Dahinter verbirgt sich ein gepflasterter, aber glitschiger Weg mit vielen Stufen, der in die Tiefe führt.
Das Highlight der Höhle sind die unzähligen Gesteinsformationen, die sich teilweise in einem unterirdischen See spiegeln. Umso tiefer wir kommen, desto beeindruckender wird die Höhle. Natürlich gibt es größere und beeindruckendere Höhlen auf dieser Erde, von denen ich auch schon einige besucht habe, aber irgendwie sind die Höhlen hier schon faszinierend. Besonders wenn man bedenkt, dass dies hier eigentlich winzige Gesteins und Korallenblöcke im riesigen Ozean sind. Und die Kraft des Wassers bekommen wir auch zu spüren, denn auf Grund des vielen Niederschlags durch Hurrikan Nicole, sind einige Teile der Höhle noch geflutet.
Aber kommen wir zurück zur Geschichte der Höhlen. Mit der Entdeckung der beiden Jungs begann die Geschichte nämlich nur. Das Land hier gehörte bereits seit 1884 der Familie Wilkinson, die sofort mit weiteren Erkundungen begann. Julian Wilkinson band seinen 14-jährigen Sohn Bernard mit einem Seil an einem Baum fest und ließ ihn in die Höhle hinab. Nur mit einer Fahrradlampe in der Hand, wurde der Junge über 40 Meter abgeseilt und erkundete die Höhle. Das, was er fand, war mehr, als sich die Familie je erträumt hatte. Es war eine unterirdische Wunderwelt, die nun erschlossen wurde. Die Höhlen gehören übrigens auch heute noch der Familie Wilkinson, die sie nun schon seit über 100 Jahren Besuchern zeigt.
Nach einer knappen Stunde bin ich wieder im Tageslicht und warte auf meine zweite Tour. Sie hier lässt sich hingegen gar nicht von den Besuchern stören und blockiert mal locker eine der Bänke.
Der Eingang zur Crystal Cave verbirgt sich in diesem Gebäude. Diesmal läuft man eine gepflasterte Schräge herunter, die in die Tiefe führt. Die Crystal Cave ist besonders für ihre türkisblauen Seen bekannt und man bewegt sich auf schwimmenden Stegen auf dem Wasser.
Besonders interessant ist die optische Täuschung, die man hier hat. Während es so aussieht, als ob der Grund des Sees ganz nah ist, ist das Gewässer jedoch um die 15 Meter tief. Und beim Hinunterschauen tritt dann ein weiteres Phänomen auf. Unzählige Touristen lassen hier anscheinend ihre Sonnenbrillen unfreiwillig ins Wasser plumpsen. Es sind wohl so viele, dass einmal im Jahr ein Taucher kommt, um sie wieder herauszufischen. Auch ich sehe einige am Grund liegen.
Einer der ersten Prominenten, der die Höhlen besuchte, war übrigens der Schriftsteller Mark Twain, der gerne nach Bermuda reiste. Er sagte auch den berühmten Satz: „You can go to heaven if you want. I’d rather stay in Bermuda.”
Nach guten 2 Stunden habe ich meinen Besuch beendet und stehe wieder an der Straße, um auf den nächsten Bus zu warten. Puh, nach der kühlen Höhlenwelt ist es hier draußen ganz schön warm. Und der Bus lässt auf sich warten. Bald gesellen sich noch zwei Frauen zu mir und wir wundern uns, wo der Bus so lange bleibt. Auf der anderen Linie sind schon etliche vorbeigekommen. Doch dann kommt er endlich und wir fahren zurück nach Hamilton.
Zurück in Hamilton laufe ich noch etwas durch die Stadt. Die wichtigsten Sehenswürdigkeiten hatte ich ja schon 2014 besucht und so schlenderte ich durch einen Stadtpark, wo ich tatsächlich noch ein paar Schäden von Hurrikan Nicole sehe, der die Insel vor nicht einmal 4 Tagen traf. Ansonsten ist es erstaunlich, wie schnell man hier aufgeräumt hat. Aber man merkt, dass Bermuda und wohlhabende britische Kronkolonie ist und kein armer Karibikstaat ist. Da kann man verstehen, warum sich die Insulaner gegen die vollständige Eigenständigkeit entschieden haben. Der Lebensstandard auf Bermuda ist sehr viel höher als auf anderen Inseln.
Es ist schon später Nachmittag als ich beschließe die Fähre zurück nach Kings Wharf zu nehmen. Auf die Gezuckel mit dem Bus habe ich heute keine Lust mehr. Nach 25 Minuten bin ich zurück am Schiff, doch hier herrscht anscheinend gerade Hochbetrieb. Kein Wunder, denn viele Leute mögen gerne um 18 Uhr essen. Da ich nicht dazu gehöre, habe ich auch keine Lust mich da anzustellen und drehe noch eine Runde durch das Royal Naval Dockyard, das früher ein Stützpunkt der britischen Armee war.
Nach ein paar Minuten Fußweg erreiche ich den Victualling Yard, ein Gebäudekomplex, den es so überall gibt, wo die britische Navy einst vor Ort war. Hier wurden Lebensmittel hinter hohen Mauern gelagert, um Diebstahl zu verhindern. Heute liegt der Gebäudekomplex ziemlich verlassen da. Erst seit einigen Jahren erlebt das Gebiet um Kings Wharf eine Renaissance. Viele Jahre wurden die Gebäude vernachlässigt, doch seit hier der einzige Hafen für große Kreuzfahrtschiffe angelegt wurde, wird mehr und mehr saniert.
Ein bisschen England Feeling darf dann auch nicht fehlen.
Nach etwa einer Stunde bin ich wieder am Schiff. Jetzt gibt es keine Schlange mehr und ich kann direkt zur Ausweis- und Sicherheitskontrolle vorgehen. Na also, geht doch, trotz mehr Menschen an Bord. Nach den vielen Besichtigungen heute, habe ich keine Lust noch großartig ins Restaurant zu gehen, sodass ich mich heute mal am Buffet im Windjammer Café verpflege.
Hier an den Wänden hängen unzählige Bilder von Leuchttürmen an der Ostküste der USA. Die meisten von ihnen habe ich auch schon abgelichtet. Es scheint fast so, als hätte jemand meine Bilder aufgehängt.
Den Abend lasse ich ganz gemütlich auf meinem Balkon ausklingen. Und das hier ist nicht etwa die Sonne, sondern der Vollmond, der sich hinter den Wolken versteckt. In der Ferne glänzen die Lichter von Bermuda und auch das Signal des Leuchtturms ist deutlich zu sehen.
Heute Nacht bleiben wir im Hafen. Das ist immer etwas ungewöhnlich, denn normalerweise ist man nachts immer auf See. So aber fallen die typischen Schiffsgeräusche und ‑bewegungen aus. Nur das Meer plätschert ein ganz kleines Bisschen gegen die Schiffswand.
Wetter: 20–26 Grad, heiter