Tag 7: Mittwoch, 05. Oktober 2016
Grenzgänger – Watertown nach Ottawa
„It is wonderful to feel the grandness of Canada in the raw.” – Emily Carr
Die Sonne scheint von einem strahlend blauen Himmel und das schon früh am Morgen. Es ist zwar noch empfindlich kalt, aber auch das soll sich im Laufe des Tages ändern. Eigentlich war die Fahrt auf dem St. Lorenz ja heute geplant, doch da ich schon gestern auf dem Fluss unterwegs war, beschließe ich, bereits weiterzufahren. Nur eine halbe Stunde dauert es bis zur Grenze und die letzte Ausfahrt in den USA ist Wellesley Island.
Hier liegt auch das Bootshaus von Boldt Castle, das man durchaus besuchen kann. Doch leider öffnet es erst in knapp 2 Stunden und so lange will ich nicht warten.
Ich fahre aber noch zur Thousand Islands Bridge, oder besser gesagt dem schönsten Teil davon, denn eigentlich heißt das gesamte Brückenkonstrukt vom Festland über Wellesley Island bis nach Kanada so. Dreizehn Kilometer lang ist die gesamte Überfahrt. Die Brücke ist die erste Überquerung des St. Lorenz Stroms hinter dem Ontariosee und die einzige für weitere 60 Kilometer.
Schöne Häuser, sogar mit Leuchtturm im Vorgarten, und ein paar Tiere gibt es hier auch. Die meisten sind jedoch zu schnell, um aufs Foto gebannt zu werden.
Dann fahre ich zurück auf den Freeway und die Grenze naht.
Jetzt geht es über eine weitere Brücke nach Kanada.
Die Ausreise geht ganz schnell und auch die Einreise ist diesmal unproblematisch. Kurze Frage was ich hier mache und wie lange ich bleibe und schon habe ich den Einreisestempel im Pass. Hier in Ontario entscheide ich mich gegen die Autobahn und für die Landstraße am St. Lorenz entlang. Nette Häuser stehen nahe der Straße und plötzlich lese ich ein Schild: Thousand Islands National Park. Spontan biege ich ab und schaue mir den Park genauer an.
Der Parkplatz ist leer und auch sonst sieht alles verwaist aus. Das Visitor Center ist ebenfalls geschlossen und ein Schild verrät mir, dass hier die Saison schon vorbei ist. Umschauen darf man sich aber trotzdem und Eintritt kostet es jetzt auch nicht mehr.
Schon nach wenigen Minuten erreiche ich den St. Lorenz Strom. Groß ist der Park nicht, tatsächlich ist der 1904 gegründete Park der kleinste aller kanadischen Nationalparks.
Auch hier gibt es natürlich die berühmten roten Adirondack Chairs, die in fast allen Parks zu finden sind.
Bis 2013 hieß der Park übrigens St. Lawrence Islands National Park. Erst dann wurde er umbenannt, um den Namen der Gegend im Namen zu tragen.
Ich fahre weiter Richtung Ottawa. Viel Verkehr ist hier nicht. Die meisten Leute nehmen wohl eher die Autobahn. Aufgehalten werde ich nur durch ein paar Baustellen.
Nach einer guten Stunde Fahrt erreiche ich den Großraum Ottawa. Das merkt man schon daran, dass die Straßen breiter werden und der Verkehr zunimmt. Bevor ich in die Stadt fahre, biege ich aber noch in einen der Vororte ab. In Manotick steht die historische Watson’s Mill.
Die Mühle ist einige der wenigen in Nordamerika, die noch in Betrieb ist. Sie wurde bereits 1860 von Moss Kent Dickinson und Joseph Merrill Currier gegründet. Damals gab es mehrere Mühlen am Rideau Canal, die die Wasserkraft nutzten. 1946 kaufte Harry Watson die Mühle. Er war der letzte Betreiber der Mühle, bevor sie 1972 zum Museum wurde, das aber heute noch Mehl herstellt. Das Mehl kann im kleinen Shop der Mühle auch gekauft werden.
Wieder draußen überquere ich den Rideau Canal, um mir den kleinen Damm anzuschauen, mit dessen Wasserkraft die Mühle betrieben wird.
Gegenüber der Mühle steht das Dickinson Haus, das in der Nachsaison aber leider nur noch am Wochenende geöffnet ist.
Nur noch wenige Kilometer trennen mich nun von der Innenstadt von Ottawa. Ich habe mich allerdings dazu entschieden, heute nur eine kurze Runde zum Überblick zu machen. Einen Stopp lege ich bei den Rideau Falls ein. Hier fließt der Rideau River in den Ottawa River. Viel Wasser haben die Fälle heute nicht, auf Bildern sah das viel imposanter aus.
Auf der anderen Seite des Flusses liegt schon Quebec, eine Provinz, die ich noch nie besucht habe.
Ich gehe über die Brücke, um die Fälle von der anderen Seite anzuschauen.
Aber von hier sehen sie noch weniger imposant aus, sodass ich schnell weiterfahre.
So fahre ich zur Rideau Hall, die nur wenige Kilometer weiter in einem Park liegt. Das Haus ist die offizielle Residenz des Governor General of Canada, dem Vertreter der britischen Königin als Staatsoberhaupt. Eigentlich hatte ich vor, das Haus zu besichtigen, doch als ich ankomme, finde ich nur eine riesige Baustelle vor. Davon stand aber nichts im Internet. Nun gut, muss ich mir etwas anderes zum Anschauen suchen.
Ich entschließe mich jetzt nicht weiter in Ottawa umherzufahren. Momentan beginnt gerade die Rushhour und ich stecke ziemlich schnell im Verkehr fest. So habe ich Zeit, ein paar Fotos aus dem Auto zu machen.
Schließlich fahre ich über den Ottawa River nach Gatineau, das schon in Quebec liegt. Eine Première für mich, denn in der Provinz Quebec war ich bisher noch nie.
Ich fahre zum Gatineau Park, der grünen Lunge der Hauptstadtregion. Der Park ist riesig, sodass ihn mehrere Straßen durchqueren. Mein Ziel ist das Mackenzie King Estate, das ehemalige Heim von William Lyon Mackenzie King, einem der wichtigsten Politiker Kanadas im 20. Jahrhundert.
William Lyon Mackenzie King wurde am 17. Dezember 1874 in Berlin, Ontario (seit 1916 Kitchener) geboren. Zuerst schlug er eine Karriere als Beamter ein und erwarb bereits 1903 sein Grundstück hier in Gatineau. Im Jahr 1908 stieg King in die Politik ein. Bereits von 1909 bis 1911 war er der erste Arbeitsminister Kanadas und 1919 wurde er schließlich zum Vorsitzenden der liberalen Partei gewählt. Diese Position behielt er bis 1948 und 1921 wurde er schließlich erstmalig Premierminister und mit Unterbrechungen regierte er bis zum Jahr 1950 für sechs Amtszeiten. Kein anderer Politiker im Commonwealth war je länger im Amt. Sein größter Verdienst für Kanada aber war, dass er das Land von einem halbautonomen Dominion innerhalb des Vereinigten Königreiches zu einem autonomen Staat im Commonwealth führte. In seinem Testament vermachte King schließlich sein Anwesen dem kanadischen Volk. Auch seine anderen Häuser sind heute Museen. Ein weiteres davon werde ich morgen noch besichtigen.
Das Anwesen ist ein zwei Teile unterteilt. Zuerst besuche ich den Bereich, wo King sein erstes Haus baute. Dazu gehörte auch ein Gästehaus, welches ich als Erstes besichtige. Das Haus ließ King bauen, weil er Platz für seinen Besuch brauchte, der ihn oft zahlreich aufsuchte. Immer wieder stellte King sogar sein eigenes Schlafzimmer zur Verfügung.
Dann gehe ich hinüber zum ersten Haus, das King auf seinem Grundstück errichtete. Der erste Teil des Hauses wurde 1903, direkt nach dem Kauf des Grundstücks, erbaut. 1916 und 1924 ließ King das Haus erweitern. Dazu gehörten auch ein Badezimmer sowie eine moderne Küche.
Das Grundstück grenzt an einen kleinen See, an dem ich noch ein wenig entlanglaufe. Hier gab es einst ein Bootshaus, das allerdings noch auf seine Renovierung wartet.
Etwa zehn Minuten Fußmarsch sind es zum zweiten Wohnhaus von King auf seinem Grundstück. Über die Jahre kaufte er zuerst immer mehr Land auf und als King Premierminister wurde, brauchte er ein größeres Haus. Er nannte das Haus Mooreside und richtete in diesem Haus sowohl Privat- als auch Diensträume für sich ein. Hier empfing er nicht nur Privatgäste, sondern auch Staatsgäste aus aller Welt.
Da er Mooreside zu Repräsentationszwecken nutze, ließ King auch einen schönen Garten neben dem Haus anlegen.
Im Garten zu finden sind mehrere Ruinen. Diese hier ist ein Fenster der British American Bank Note Company in Ottawa. Das Gebäude wurde bereits 1936 abgerissen.
Vom selben Gebäude stammt auch dieses Portal.
Wenn Steine sprechen könnten, dann würden auch diese Ruinen viele Geschichten erzählen können. King hat sie zusammengetragen, um seine Bewunderung für Kanada und England auszudrücken.
Der Kaminsims zum Beispiel stammt vom 1916 abgebrannten kanadischen House of Commons, ein anderes Stück war einst das Wappen eines Speaker of the House im Palace of Westminster in London.
Zum Schluss komme ich noch an der Garage vorbei, in der heute ein Film über das Leben von William Lyon Mackenzie King gezeigt wird.
Ich fahre weiter durch den Park, denn auf der Karte habe ich gesehen, dass es hier auch schöne Aussichtspunkte geben soll.
Und der Champlain Lookout ist wirklich toll. Schade, dass es sich etwas zugezogen hat, aber der Blick über das Land ist trotzdem beeindruckend. Man überblickt hier das Ottawa Valley von den Gatineau Hills aus, die sich hier 335 Meter hoch erheben.
Am frühen Abend verlasse ich den Park wieder. Auch hier beginnt bereits die Herbstlaubfärbung, was mich für die folgenden Tage hoffen lässt.
Ich fahre schließlich zurück nach Ottawa, denn mein Hotel für heute liegt in Ontario. Übernachten will ich im Courtyard East, das ich über Marriott Rewards Punkte gebucht habe.
Von meinem Zimmer aus kann ich bis nach Downtown Ottawa schauen.
Ich fahre zur Perkins Restaurant & Bakery, wo ich zu Abend esse. Bei Perkins war ich schon lange nicht mehr, aber es schmeckt mir auch diesmal wieder gut.
Zurück im Hotel kann ich noch den Sonnenuntergang beobachten.
Meilen: 210
Wetter: 11–21 Grad, heiter
Hotel: Courtyard Ottawa East