Into the unknown

Tag 6: Diens­tag, 04. Okto­ber 2016
Row, row, row your boat … – Scran­ton nach Watertown

„If my ship sails from sight, it does­n’t mean my jour­ney ends, it sim­ply means the river bends. ” Enoch Powell

Da ich nun also beschlos­sen habe, den Rest der Tour nicht umzu­bu­chen, steht am Vor­mit­tag eine län­ge­re Fahr­strecke auf dem Pro­gramm. Und das ist auch gut so, denn drau­ßen ist es schon wie­der bedeckt. Aller­dings fängt hier so lang­sam die Laub­fär­bung an. Das lässt hoffen.

Quer durch das nörd­li­che Penn­syl­va­nia und New York Sta­te fah­re ich bis zum St. Lorenz Strom an der Gren­ze zu Kana­da. Umso näher ich kom­me, desto schö­ner wird das Wetter.

Mit mei­ner Ankunft in Water­town bin ich jetzt wie­der auf der ursprüng­lich geplan­ten Rou­te ange­langt. Und auch wenn ich eini­ge Zie­le schwe­ren Her­zens strei­chen muss­te, so hat sich die Fah­re­rei doch gelohnt.  In der Gegend New York hat es näm­lich wirk­lich fast vier Tage durch gereg­net, wäh­rend ich doch sehr schö­nes Wet­ter hat­te und viel anse­hen konnte.

Hier, an der nörd­li­chen Gren­ze der USA, liegt das Städt­chen Alex­an­dria Bay. Von hier star­ten vie­le Tou­ren auf den St. Lorenz Fluss. Da ich nicht reser­viert habe, fah­re ich auf gut Glück zu Uncle Sams Boat Tour, doch jetzt in der Nach­sai­son ist es kein Pro­blem, Tickets auch spon­tan zu bekom­men. Es ist zwar nicht gera­de leer, aber so klein sind die Boo­te dann doch nicht. Das größ­te Pro­blem ist eher, sich für eine Tour zu ent­schei­den, denn alle klin­gen sehr viel­ver­spre­chend. Schließ­lich ent­schei­de ich mich für die Tour nach Sin­ger und Boldt Castle.

Bevor es los­geht, lau­fe ich noch zu Jreck Subs, um mir etwas zum Lunch zu holen. Die Sand­wi­ches sind wirk­lich lecker und der klei­ne Laden gefällt mir. Über­haupt macht es Spaß, in der Son­ne über die Main Street von Alex­an­dria Bay zu schlen­dern. Jetzt par­ke ich noch schnell das Auto um, denn es gibt einen kosten­lo­sen Park­platz für alle Tour­teil­neh­mer direkt am Anle­ger. Und dann heißt es auch schon: „Alle Mann an Bord.”.

Wäh­rend der Fährt aus dem Hafen auf den Fluss sieht man gleich die ersten Inseln, die der Gegend ihren Namen „Thou­sand Islands” geben. Ach ja, hier wur­de übri­gens auch das berühm­te „Thou­sand Islands” Salat­dres­sing erfun­den. Unter­wegs erfah­re ich jedoch, dass es viel­mehr um die 2000 Inseln sind, die hier im St. Lorenz ver­teilt lie­gen. Mit­ten im Fluss und in Sicht­wei­te des Hafens liegt dann auch Heart Island mit dem berühm­ten Boldt Cast­le, eine der Haupt­at­trak­tio­nen der Region.

Das Boot aber fährt wei­ter, hin­aus auf den Fluss, der hier min­de­stens so breit erscheint wie der Mis­sis­sip­pi. Und da der St. Lorenz die Ver­bin­dung zwi­schen dem Atlan­tik und den Gro­ßen Seen ist, gibt es hier auch viel Schiffs­ver­kehr. Damit die­ser nicht zu Scha­den kommt, fin­den sich des Öfte­ren Leucht­tür­me, wie das Sun­ken Rock Light, das den Schif­fen seit 1847 den Weg weist, auf klei­nen Inseln oder am Ufer.

Auf der Fahrt fluss­ab­wärts gibt es immer wie­der etwas zu ent­decken. Vie­le klei­ne Inseln säu­men den Weg. Die mei­sten Eilan­de sind in Pri­vat­be­sitz und die­nen als Som­mer­do­mi­zil. Unter­wegs erzählt unser Kapi­tän so eini­ges über das Leben am Fluss. So geht die Gren­ze zwi­schen den USA und Kana­da mit­ten durch den St. Lorenz, alle Inseln nörd­lich von uns befin­den sich also schon in Kanada.

Unter­wegs tref­fen wir auf ande­re Tou­ren, denn es wer­den die ver­schie­den­sten Rund­fahr­ten angeboten.

Das Leben auf so einer Insel ist übri­gens durch­aus inter­es­sant. Erst ein­mal macht es schon einen rie­sen Unter­schied, ob die Insel in den USA oder Kana­da liegt. Die Inseln in den USA sind dabei nur 1/​10 so teu­er wie die in Kana­da. Bekommt man so ein Eiland in den USA schon für $350.000 bis $450.000, muss man in Kana­da locker mal CAN$3,5 Mio. bis CAN$4,5 Mio. Dol­lar hin­le­gen. Das hat einen ein­fa­chen Grund. Für Ame­ri­ka­ner ist die­se Regi­on ganz im Nor­den des Lan­des, wo es im Win­ter doch sehr schnee­reich und bit­ter­kalt wer­den kann, für Kana­di­er aber ist das der süd­lich­ste Teil ihres Lan­des mit einem der mil­de­sten Kli­ma­ta über­haupt. Des­halb sind die Immo­bi­li­en beson­ders bei Kana­di­ern sehr begehrt.

Was die Häu­ser für Ame­ri­ka­ner dann aber doch teu­er macht, ist die Grund­steu­er. Die wird näm­lich recht inter­es­sant bemes­sen. Es ist erst ein­mal so, dass jeder Eigen­tü­mer (das ist übri­gens auch bei Ufer­grund­stücken so) zwei Grund­buch­ein­trä­ge besitzt, einen für das Haus mit Land und einen für die Was­ser­front. Und die Steu­er wird hier nach der Län­ge der Was­ser­front berech­net und die ist bei Inseln nun mal natur­ge­mäß län­ger. Umso grö­ßer also die Insel, desto höher ist auch die jähr­li­che Grundsteuer.

Auf den Inseln lässt es sich aller­dings sehr gut leben. Trink­was­ser hat man im Über­fluss, denn das kommt direkt aus dem St. Lorenz. Der Fluss ist sehr sau­ber und hat eine extrem gute Was­ser­qua­li­tät. Die bekommt er durch sei­nen beson­de­ren Unter­grund. Der ist näm­lich nicht wie bei den mei­sten Flüs­sen aus Erde und Schlamm, son­dern aus Stei­nen. Und die fil­tern das Was­ser so gut, dass es in Unter­su­chun­gen bes­ser abge­schnit­ten hat, als so man­ches Was­ser aus der Flasche.

Strom ist eben­falls kein Pro­blem. Ent­we­der gibt es ein Ver­bin­dungs­ka­bel zum Land oder aber Gene­ra­to­ren. Auch an die Müll­ent­sor­gung per Boot ist gedacht, eben­so wie die klei­nen Din­ge des Lebens. Es gibt eine Post per Boot und sogar einen Pizza-Lieferdienst.

Immer wei­ter führt uns die Fahrt den Fluss hin­auf. An eini­gen Stel­len ist er so breit, dass man am Ufer kaum noch etwas erken­nen kann. Dabei ist der St. Lorenz aber nicht son­der­lich tief. So kön­nen gro­ße Schif­fe auch nur in einer schma­len Fahr­rin­ne navi­gie­ren. Hier ist das Was­ser übri­gens rei­nes Süß­was­ser, die Ver­mi­schung zwi­schen Fluss- und Meer­was­ser beginnt erst kurz hin­ter Que­bec City.

Immer wie­der fällt der Blick auf klei­ne Inseln. Man­che sind so win­zig, dass gera­de ein paar Bäu­me dar­auf Platz haben, ande­re beher­ber­gen klei­ne Fischer­hüt­ten oder Häus­chen. Und manch­mal ist es dann schon eher ein klei­ner Palast, der da durch die Bäu­me schimmert.

Ein Blick zurück in die Rich­tung, aus der wir gekom­men sind, gibt nun auch den Blick frei auf die Thou­sand Islands Bridge, die die USA mit Kana­da ver­bin­det. Vor­aus hin­ge­gen erstreckt sich unend­lich weit der St. Lorenz Strom. Fast schon glaubt man, bald auf dem Atlan­tik zu sein, doch bis zur Mün­dung ist es noch weit.

So warm es heu­te in der Son­ne auf dem Fluss ist, so kalt kann es übri­gens im Win­ter wer­den. Minus 40 Grad sind dann kei­ne Sel­ten­heit und sogar der Fluss friert dann zu. Eis­bre­cher ver­su­chen mög­lichst lan­ge eine Fahr­rin­ne offen­zu­hal­ten. Auch Schnee gibt es in gro­ßen Men­gen, denn der soge­nann­te Lake-​Effekt sorgt auch in die­ser Regi­on für ergie­bi­gen Nie­der­schlag im Winter.

Schließ­lich taucht ein wei­te­rer Leucht­turm am Hori­zont auf. Das Sisters Island Light­house hat sei­nen Namen der Insel zu ver­dan­ken, auf der es steht. Oder bes­ser gesagt, den drei Inseln, die über Brücken mit­ein­an­der ver­bun­den sind. Der 1870 erbau­te Leucht­turm ist heu­te nicht mehr in Betrieb, son­dern in Pri­vat­hand. Seit 1966 gehört er der Fami­lie Wolos.

Dann end­lich, nach einer guten Stun­de Fahrt, erscheint das Ziel der heu­ti­gen Tour am Hori­zont – Dark Island mit dem Sin­ger Castle.

Sin­ger Cast­le wur­de zwi­schen 1903 und 1905 für Fre­de­rick Gil­bert Bourne erbaut. Er war der Direk­tor der Sin­ger Näh­ma­schi­nen Fabri­ken. Daher stammt auch der heu­ti­ge Name, denn das Haus wird erst seit etwa 20 Jah­ren so genannt. Bourne nutz­te das Anwe­sen bis zu sei­nem Tod im Jahr 1919 als Som­mer­do­mi­zil. Danach ging es in den Besitz sei­ner Toch­ter über. Nach ihrem Tod gehör­te es einer katho­li­schen Schu­le, die aber eigent­lich nur an dem Anwe­sen der Bour­nes auf Long Island nahe New York inter­es­siert war. Da aber bei­de Häu­ser als Paket kamen, kauf­te man die Insel mit, hat­te aber kei­ner­lei Nut­zen für das Haus. Schließ­lich wur­de es 1965 aber­mals ver­kauft, dies­mal an die reli­giö­se Harold Mar­tin Evan­ge­li­stic Asso­cia­ti­on. Ihr Lei­ter, Dr. Harold Mar­tin, leb­te vie­le Jahr­zehn­te auf der Insel, bis sie Ende der 90er Jah­re aber­mals zum Ver­kauf stand. Jah­re­lang fand sich, trotz ver­schie­den­ster Inter­es­sen­ten, zu denen auch Japa­ner oder sogar Micha­el Jack­son gehör­ten, nie­mand und ein Kauf kam erst im Jahr 2001 zustan­de. Käu­fer war der deut­sche Unter­neh­mer Far­had Vla­di, der in Ham­burg die Fir­ma Vla­di Pri­va­te Islands GmbH betreibt. Er ließ das Anwe­sen sanie­ren und 2006 erst­ma­lig für Besu­cher öffnen.

Als unser Boot am Steg fest­macht, wer­den wir schon emp­fan­gen, denn frei bewe­gen darf man sich als Tages­gast auf der Insel lei­der nicht. Nur wer hier ein Zim­mer bucht (bzw. die gan­ze Insel) hat die­se außer­halb der Besuchs­zei­ten ganz für sich allein.

In klei­ne Grup­pen auf­ge­teilt, beginnt die Tour des Hau­ses. Mein Tour­gui­de ist aller­dings sehr nett und hat auch nichts dage­gen, wenn man sich zum Foto­gra­fie­ren mal ein Stück­chen von der Grup­pe ent­fernt. Als ich so vor dem Ein­gang ste­he, kann ich mir vor­stel­len, war­um Mr. Bourne sein Schloss „The Towers” nann­te. Inspi­riert wur­de er zum Bau übri­gens durch den Roman „Wood­stock” von Sir Wal­ter Scott.

Gleich hin­ter der Ein­gangs­tür beginnt dann das rich­ti­ge Schlos­s­er­leb­nis. Man steht in einem Raum, der fast dem Mit­tel­al­ter ent­sprun­gen zu sein scheint, kom­plett mit Rit­ter­rü­stun­gen und einem gro­ßen Weinkeller.

Eine gro­ße Trep­pe führt den Besu­cher in den ersten Stock. Hier befin­den sich die Wohn­räu­me. Der Bau von „The Towers” fand zur sel­ben Zeit statt, wie der von Boldt Cast­le und vie­le von Mr. Boldts Bau­ar­bei­tern fan­den hier neue Arbeit, als die­ser die Arbei­ten stopp­te. Doch ich grei­fe vor, denn das ist eine ande­re Geschich­te, die erst heu­te Nach­mit­tag eine Rol­le spielt. Erst ein­mal geht die Tour wei­ter durch Sin­ger Castle.

Auf die­sem Foto sieht man Mr. Bourne zusam­men mit sei­ner Fami­lie, als sie hier auf der Insel ihre Som­mer verbrachten.

Vie­le Räu­me bie­ten einen atem­be­rau­ben­den Blick auf den Fluss, aus man­chen füh­ren Türen auf klei­ne Balkone.

Das Gebiet um Dark Island ist auch sehr fisch­reich, was es zu einem guten Angel­platz macht. Grund dafür ist das seich­te Was­ser auf der einen Sei­te der Insel, das im star­ken Kon­trast zur tie­fen Fahr­rin­ne auf der ande­ren Sei­te steht. Dark Island liegt auch nur weni­ge Meter von der Gren­ze zu Kana­da ent­fernt. Mr. Bourne gehör­te auch noch eine klei­ne Insel in kana­di­schen Gewäs­sern. Es wird gemun­kelt, dass man dort wäh­rend der Pro­hi­bi­ti­on Alko­hol brann­te und ihn nachts nach Dark Island schmuggelte.

Im zwei­ten Stock­werk befin­den sich die Schlaf- und Gäste­zim­mer. Und jedes ist natür­lich mit einer Sin­ger Näh­ma­schi­ne aus­ge­stat­tet, auch wenn die mei­sten sicher nur der Deko­ra­ti­on galten.

Ganz oben, unter dem Dach, befin­det sich schließ­lich ein gro­ßer Raum, in dem die weib­li­chen Ange­stell­ten unter­ge­bracht waren. Für die dama­li­ge Zeit war das äußerst luxu­ri­ös, denn das Per­so­nal hat­te hier nicht nur eige­ne, abschließ­ba­re Schrän­ke, son­dern ihm stand auch ein vol­les Bade­zim­mer zur Verfügung.

Nach einer guten Stun­de sind wir dann schließ­lich wie­der drau­ßen, dies­mal hin­ter dem Haus. Hier befand sich frü­her ein Ten­nis­platz und auch ein Boots­haus gehör­te zum Anwe­sen. Zu guter Letzt spa­zie­ren wir noch kurz durch einen klei­nen Teil des Gar­tens, bevor es zurück zum Anle­ger geht.

Fas­zi­nie­rend fin­de ich auch das Video auf der Home­page von Sin­ger Cast­le. KLICK Es ist von 1906 und zeigt Mr. Bourne mit sei­ner Fami­lie, wie sie The Towers zum ersten Mal besuchen.

Anfangs hat­te ich ja erwähnt, dass man auf der Insel auch über­nach­ten kann. Dazu gibt es eigens die Roy­al Suite, die auf der Tour lei­der nicht gezeigt wer­den konn­te, da sie gera­de bewohnt wurde.

Ganz zum Schluss der Tour bleibt noch genü­gend Zeit den klei­nen Shop zu besu­chen und ein Sou­ve­nir zu erste­hen, bevor es wie­der zurück auf das Schiff geht. Und dann heißt es auch schon Lei­nen los und Abschied neh­men von Dark Island, doch der Aus­flug auf den St. Lorenz Strom ist damit noch lan­ge nicht zu Ende.

Auf dem Rück­weg fährt der Kapi­tän eine leicht ande­re Rou­te, damit die Pas­sa­gie­re noch mehr von die­sem schö­nen Gebiet zu sehen bekom­men. Auch wird weni­ger erklärt, damit man ein­fach die Fahrt auf dem Fluss genie­ßen kann.

Unter­wegs begeg­nen uns dann eini­ge gro­ße Schif­fe, die vom Atlan­tik kom­men oder dort­hin unter­wegs sind. Bis nach Mon­tré­al wird der Fluss sogar von Kreuz­fahrt­schif­fen befah­ren, doch ist für die mei­sten Schif­fe dort wegen ihres Tief­gangs Schluss. Die deut­sche Colum­bus der Ree­de­rei Hapag-​Lloyd fuhr die Strecke aller­dings eini­ge Jah­re lang, als sie Kreuz­fahr­ten auf den Gro­ßen Seen anbot. Lei­der gibt es die nicht mehr, sonst hät­te ich das sicher ein­mal gemacht.

Nach mehr als drei Stun­den ist schließ­lich wie­der Alex­an­dria Bay in Sicht, doch dort­hin will ich noch nicht und Uncle Sam Boat Tours auch nicht, denn bevor es zurück in den Hafen geht, steht noch ein wei­te­rer Stopp auf dem Pro­gramm. Jetzt fah­ren wir nicht ein­fach an Heart Island vor­bei, son­dern umrun­den die Insel.

Am Anle­ger dann ein selt­sa­mes Bild. Hier steht eine Sta­ti­on der US-​Einreise. Ich muss da aber zum Glück nicht hin, denn mei­ne Tour star­te­te ja in den USA. Wer die Tour aber von Kana­da aus bucht, der muss hier erst ein­mal wie­der in die USA ein­rei­sen. Das soll­te man als Aus­län­der schon beden­ken, wenn man Heart Island besu­chen will.

Die Insel gegen­über gehört übri­gens auch noch zu den USA. Das ist Wel­les­ley Island. Die Gren­ze ver­läuft erst dahin­ter im St. Lorenz. Zu sehen ist von hier auch das Boots­haus von Boldt Cast­le, das eben­falls besich­tigt wer­den kann. Dafür wird mir aller­dings heu­te lei­der kei­ne Zeit mehr blei­ben, viel­leicht klappt es ja mor­gen noch.

Ich betre­te Heart Island und zah­le den Ein­tritt für Boldt Cast­le, denn im Gegen­satz zu Sin­ger Cast­le ist die­ser Ein­tritt nicht Teil der Tour. Alle Boots­tou­ren von Uncle Sam hal­ten hier und man kann aus­stei­gen oder zurück nach Alex­an­dria Bay fah­ren. Das Boot jeden­falls legt gleich wie­der ab, denn von hier fah­ren auch klei­ne Shut­tle­boo­te im 30-​Minuten-​Takt zurück zum Hafen.

Im Gegen­satz zu Sin­ger Cast­le ist Boldt Cast­le heu­te nicht mehr in pri­va­ter Hand. Bereits seit 1978 gehört es der Thou­sand Islands Bridge Aut­ho­ri­ty, die nicht nur die Brücke betreibt, son­dern eben auch die­se Touristenattraktion.

Erbaut wur­de das Haus von 1900 bis 1904 für Geor­ge C. Boldt, der es sei­ner gelieb­ten Frau schen­ken woll­te. Als die­se 1904 über­ra­schend ver­starb, stopp­te er sämt­li­che Arbei­ten und kehr­te der Insel mit gebro­che­nem Her­zen den Rücken. Seit jenem Tag bis ins Jahr 1978 stand das unfer­ti­ge Haus auf der Insel und ver­fiel. Auch Van­da­len bra­chen immer wie­der ein und beschmier­ten die Wän­de. Heu­te ist davon nur noch wenig zu sehen. Viel­mehr kann man sich nach der Restau­rie­rung nun wie­der leb­haft vor­stel­len, wie Heart Island ein­mal aus­se­hen sollte.

Ich lau­fe schnel­len Schrit­tes zum Haus, denn außer mir haben sich doch eine gan­ze Rei­he Leu­te zum Aus­stei­gen ent­schie­den. Und da ich ger­ne Bil­der ohne Men­schen dar­auf hät­te, will ich mög­lichst als Erste am Haus sein. Anson­sten ist hier nicht mehr viel los. Das ist der Vor­teil Anfang Okto­ber, denn die Sai­son näher­te sich dem Ende und auch Boldt Cast­le wird in weni­gen Tagen für den Win­ter schlie­ßen. Heu­te aber sind per­fek­te Bedin­gun­gen für eine Besich­ti­gung, die Son­ne scheint und es ist inzwi­schen 22 Grad warm. Nicht schlecht für Okto­ber am St. Lorenz Strom.

Das Haupt­haus ist den roman­ti­schen Bur­gen am Rhein zwi­schen Bonn und Koblenz nach­emp­fun­den und das ist kein Zufall, denn Geor­ge C. Boldt war deut­scher Aus­wan­de­rer. Betritt man das Erd­ge­schoss, glaubt man sich in einem fer­ti­gen Gebäu­de und tat­säch­lich konn­ten die unte­ren Eta­gen 1904 bereits bewohnt werden.

So histo­risch das Haus aus­sieht, so modern ist es doch, denn Mr. Boldt ließ alle tech­ni­schen Errun­gen­schaf­ten der dama­li­gen Zeit ein­bau­en. So gab es Elek­tri­zi­tät, einen Fahr­stuhl, flie­ßend Was­ser, ja sogar ein beheiz­tes Schwimm­bad befand sich im Kel­ler. Auch die­ses Ober­licht hat sei­ne ganz eige­ne Kon­struk­ti­on, wie ich spä­ter noch sehen werde.

Im Gegen­satz zu Sin­ger Cast­le kann ich Boldt Cast­le auf eige­ne Faust erkun­den und mir so Zeit las­sen, die ver­schie­de­nen Räu­me zu fotografieren.

Im ersten Ober­ge­schoss lagen dann die Pri­vat­räu­me der Fami­lie. Auch hier sind eini­ge schon kom­plett fer­tig­ge­stellt gewesen.

Geht man hin­ge­gen wei­ter und steigt in das zwei­te Ober­ge­schoss, sieht man, dass der Bau nie voll­endet wur­de. Am Tag als Loui­se Boldt starb, ließ ihr Mann alle Arbei­ten ein­stel­len und genau­so ist das Haus auch erhal­ten. Es wur­de ledig­lich so viel reno­viert, dass eine Besich­ti­gung mög­lich ist.

Das sind übri­gens Geor­ge C. Boldt und sei­ne Frau Loui­se. Boldt wur­de 1854 auf der Insel Rügen gebo­ren und wan­der­te spä­ter in die USA aus. Er arbei­te­te sich im Hotel­busi­ness nach oben und war schließ­lich der Besit­zer des berühm­ten Waldorf-​Astoria Hotels in New York sowie der Bellevue-​Stratford Hotels.

Im ober­sten Stock­werk hat man aber auch einen beson­de­ren Blick auf die Kon­struk­ti­on des Ober­lich­tes im Trep­pen­haus und es gibt einen klei­nen Bal­kon, der schö­ne Blicke über die Gegend erlaubt.

Zu Boldt Cast­le gehört aber nicht nur das Haupt­haus. Auf der Insel wur­den auch zahl­rei­che Neben­ge­bäu­de errich­tet. Eines der wich­tig­sten ist das Gene­ra­to­ren­haus, das wie ein Schlöss­chen im Was­ser thront. Zuvor kommt man durch den ita­lie­ni­schen Gar­ten. Hier wur­de extra Land auf­ge­schüt­tet, um die­se klei­ne Oase anzulegen.

Im Gar­ten steht auch der soge­nann­te Tau­ben­turm, das erste Neben­ge­bäu­de, das auf der Insel errich­tet wur­de. Der Tau­ben­turm hat sei­nen Namen von dem Tau­ben­schlag, der im obe­ren Teil des Turms unter­ge­bracht ist. Mr. Boldt lieb­te sel­te­ne Vögel und hat­te eine gan­ze Schar eige­ner Arten mit auf die Insel gebracht.

Vom Gar­ten hat man nicht nur schö­ne Aus­blicke auf den Fluss, auch das Sun­ken Rock Light ist von hier zu sehen.

Ich gehe wei­ter zum Gene­ra­to­ren­haus, das sei­ne Exi­stenz der Tat­sa­che ver­dankt, dass Mr. Boldt unbe­dingt Strom auf der Insel haben woll­te. Also wur­den hier mit Koh­le beheiz­ba­re Kes­sel instal­liert, sodass man Elek­tri­zi­tät erzeu­gen konn­te. Die ent­ste­hen­de Wär­me wur­de gleich­zei­tig zum Behei­zen des Haupt­hau­ses genutzt. Auch der Bau­platz wur­de nicht zufäl­lig gewählt. Es steht am wei­te­sten weg vom Haus, damit Lärm und Abga­se nicht stören.

Zum Gene­ra­to­ren­haus gehört auch der höch­ste aller Tür­me auf der Insel. Er hat eine beleuch­te­te Turm­uhr mit Glocken­spiel und ist schon von wei­tem zu sehen, wäh­rend ande­re Tei­le der Insel hin­ter Bäu­men ver­bor­gen sind.

Durch den Gar­ten set­ze ich mei­ne Insel­um­run­dung fort, denn es gibt noch wei­te­re Gebäu­de zu bestau­nen. Lang­sam wird die Zeit knapp, denn um 17 Uhr fährt das letz­te Boot zurück. Ich hat­te ja kei­ne Ahnung, dass es hier so viel zu sehen gibt.

Ein wei­te­res Neben­ge­bäu­de der Insel ist der soge­nann­te Alster­turm, der einer alten Befe­sti­gung an der Ham­bur­ger Alster nach­emp­fun­den sein soll. Das gan­ze Gebäu­de ist eine Art Spiel­haus für die Kin­der der Boldts.  Lei­der wur­de es auch nie voll­endet, doch die Bow­ling­bahn ist auch heu­te noch gut zu erkennen.

Ganz am ande­ren Ende der Insel steht ein Tri­umph­bo­gen, der nach römi­schem Vor­bild gestal­tet wur­de und von drei Hir­schen gekrönt wird. Er war als Tor vom Was­ser aus gedacht und soll­te als Ein­gang für die Gäste die­nen, die mit dem Boot anreisten.

Schließ­lich bin ich wie­der dort, wo mein Rund­gang vor fast 2 Stun­den begon­nen hat. Man hät­te durch­aus län­ger hier­blei­ben kön­nen, aber ich muss zurück zum Anle­ger, wenn ich das letz­te Boot zum Fest­land errei­chen will. Und das muss ich auch, denn seit der Abrei­se von Mr. Boldt im Jahr 1904 hat nie wie­der jemand auf der Insel über­nach­tet. Auch alle Ange­stell­ten ver­las­sen Heart Island jeden Abend.

So bleibt mir dann nur ein letz­ter Blick zurück nach Heart Island und auch zum Boots­haus, das ich heu­te nicht mehr besu­chen konn­te. Es ist ein tol­les Gefühl, end­lich hier gewe­sen zu sein und ein Geschenk, die Gegend bei solch groß­ar­ti­gem Wet­ter erle­ben zu können.

Die Son­ne steht schon ganz tief, als ich mich schließ­lich auf den Weg nach Water­town eine hal­be Stun­de süd­lich von hier mache. Eigent­lich ist es ein Umweg, denn mor­gen will ich ja wie­der nach Nor­den, doch ich woll­te nicht mehr umbu­chen und so viel Hotel­aus­wahl gibt es hier sowie­so nicht.

War heu­te Mor­gen schon nicht viel los auf dem Inter­sta­te, so ist er jetzt über wei­te Strecken kom­plett ver­las­sen. Nur auf der Gegen­fahr­bahn don­nert ab und zu mal ein Truck in Rich­tung Kana­da vor­bei. So ein Anblick ist im doch recht dicht besie­del­ten Osten der USA schon eher ungewöhnlich.

Heu­te Abend checke ich im Hamp­ton Inn ein, das ich schon von Deutsch­land aus reser­viert habe. Ab jetzt wird nicht mehr umge­bucht, son­dern wie­der nach Plan gefah­ren, zumin­dest für die kom­men­de Woche.

Zum Abend­essen fah­re ich zu Bob Evans. Ich esse bei die­ser Ket­te immer wie­der ger­ne. Das Essen ist gut und gün­stig. Auf der Kar­te steht typisch ame­ri­ka­ni­sches Essen, z.B. Hack­steak oder Trut­hahn. Ich habe mich heu­te für Rind­fleisch mit Kar­tof­fel­brei und Möhr­chen entschieden.

Zurück im Hotel geht heu­te recht bald das Licht aus, denn ich habe mor­gen viel vor. Mein letz­ter Gedan­ke gilt noch ein­mal dem Wet­ter und ich hof­fe, dass es mor­gen wirk­lich wie­der toll wird. Ich wün­sche es mir so sehr, denn ich woll­te hier schon so lan­ge hin und in die­se Gegend kommt man so schnell doch nicht wieder.

Mei­len: 269
Wet­ter: 11–22 Grad, Nebel, spä­ter heiter
Hotel: Hamp­ton Inn Watertown

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