Tag 6: Dienstag, 04. Oktober 2016
Row, row, row your boat … – Scranton nach Watertown
„If my ship sails from sight, it doesn’t mean my journey ends, it simply means the river bends. ” Enoch Powell
Da ich nun also beschlossen habe, den Rest der Tour nicht umzubuchen, steht am Vormittag eine längere Fahrstrecke auf dem Programm. Und das ist auch gut so, denn draußen ist es schon wieder bedeckt. Allerdings fängt hier so langsam die Laubfärbung an. Das lässt hoffen.
Quer durch das nördliche Pennsylvania und New York State fahre ich bis zum St. Lorenz Strom an der Grenze zu Kanada. Umso näher ich komme, desto schöner wird das Wetter.
Mit meiner Ankunft in Watertown bin ich jetzt wieder auf der ursprünglich geplanten Route angelangt. Und auch wenn ich einige Ziele schweren Herzens streichen musste, so hat sich die Fahrerei doch gelohnt. In der Gegend New York hat es nämlich wirklich fast vier Tage durch geregnet, während ich doch sehr schönes Wetter hatte und viel ansehen konnte.
Hier, an der nördlichen Grenze der USA, liegt das Städtchen Alexandria Bay. Von hier starten viele Touren auf den St. Lorenz Fluss. Da ich nicht reserviert habe, fahre ich auf gut Glück zu Uncle Sams Boat Tour, doch jetzt in der Nachsaison ist es kein Problem, Tickets auch spontan zu bekommen. Es ist zwar nicht gerade leer, aber so klein sind die Boote dann doch nicht. Das größte Problem ist eher, sich für eine Tour zu entscheiden, denn alle klingen sehr vielversprechend. Schließlich entscheide ich mich für die Tour nach Singer und Boldt Castle.
Bevor es losgeht, laufe ich noch zu Jreck Subs, um mir etwas zum Lunch zu holen. Die Sandwiches sind wirklich lecker und der kleine Laden gefällt mir. Überhaupt macht es Spaß, in der Sonne über die Main Street von Alexandria Bay zu schlendern. Jetzt parke ich noch schnell das Auto um, denn es gibt einen kostenlosen Parkplatz für alle Tourteilnehmer direkt am Anleger. Und dann heißt es auch schon: „Alle Mann an Bord.”.
Während der Fährt aus dem Hafen auf den Fluss sieht man gleich die ersten Inseln, die der Gegend ihren Namen „Thousand Islands” geben. Ach ja, hier wurde übrigens auch das berühmte „Thousand Islands” Salatdressing erfunden. Unterwegs erfahre ich jedoch, dass es vielmehr um die 2000 Inseln sind, die hier im St. Lorenz verteilt liegen. Mitten im Fluss und in Sichtweite des Hafens liegt dann auch Heart Island mit dem berühmten Boldt Castle, eine der Hauptattraktionen der Region.
Das Boot aber fährt weiter, hinaus auf den Fluss, der hier mindestens so breit erscheint wie der Mississippi. Und da der St. Lorenz die Verbindung zwischen dem Atlantik und den Großen Seen ist, gibt es hier auch viel Schiffsverkehr. Damit dieser nicht zu Schaden kommt, finden sich des Öfteren Leuchttürme, wie das Sunken Rock Light, das den Schiffen seit 1847 den Weg weist, auf kleinen Inseln oder am Ufer.
Auf der Fahrt flussabwärts gibt es immer wieder etwas zu entdecken. Viele kleine Inseln säumen den Weg. Die meisten Eilande sind in Privatbesitz und dienen als Sommerdomizil. Unterwegs erzählt unser Kapitän so einiges über das Leben am Fluss. So geht die Grenze zwischen den USA und Kanada mitten durch den St. Lorenz, alle Inseln nördlich von uns befinden sich also schon in Kanada.
Unterwegs treffen wir auf andere Touren, denn es werden die verschiedensten Rundfahrten angeboten.
Das Leben auf so einer Insel ist übrigens durchaus interessant. Erst einmal macht es schon einen riesen Unterschied, ob die Insel in den USA oder Kanada liegt. Die Inseln in den USA sind dabei nur 1/10 so teuer wie die in Kanada. Bekommt man so ein Eiland in den USA schon für $350.000 bis $450.000, muss man in Kanada locker mal CAN$3,5 Mio. bis CAN$4,5 Mio. Dollar hinlegen. Das hat einen einfachen Grund. Für Amerikaner ist diese Region ganz im Norden des Landes, wo es im Winter doch sehr schneereich und bitterkalt werden kann, für Kanadier aber ist das der südlichste Teil ihres Landes mit einem der mildesten Klimata überhaupt. Deshalb sind die Immobilien besonders bei Kanadiern sehr begehrt.
Was die Häuser für Amerikaner dann aber doch teuer macht, ist die Grundsteuer. Die wird nämlich recht interessant bemessen. Es ist erst einmal so, dass jeder Eigentümer (das ist übrigens auch bei Ufergrundstücken so) zwei Grundbucheinträge besitzt, einen für das Haus mit Land und einen für die Wasserfront. Und die Steuer wird hier nach der Länge der Wasserfront berechnet und die ist bei Inseln nun mal naturgemäß länger. Umso größer also die Insel, desto höher ist auch die jährliche Grundsteuer.
Auf den Inseln lässt es sich allerdings sehr gut leben. Trinkwasser hat man im Überfluss, denn das kommt direkt aus dem St. Lorenz. Der Fluss ist sehr sauber und hat eine extrem gute Wasserqualität. Die bekommt er durch seinen besonderen Untergrund. Der ist nämlich nicht wie bei den meisten Flüssen aus Erde und Schlamm, sondern aus Steinen. Und die filtern das Wasser so gut, dass es in Untersuchungen besser abgeschnitten hat, als so manches Wasser aus der Flasche.
Strom ist ebenfalls kein Problem. Entweder gibt es ein Verbindungskabel zum Land oder aber Generatoren. Auch an die Müllentsorgung per Boot ist gedacht, ebenso wie die kleinen Dinge des Lebens. Es gibt eine Post per Boot und sogar einen Pizza-Lieferdienst.
Immer weiter führt uns die Fahrt den Fluss hinauf. An einigen Stellen ist er so breit, dass man am Ufer kaum noch etwas erkennen kann. Dabei ist der St. Lorenz aber nicht sonderlich tief. So können große Schiffe auch nur in einer schmalen Fahrrinne navigieren. Hier ist das Wasser übrigens reines Süßwasser, die Vermischung zwischen Fluss- und Meerwasser beginnt erst kurz hinter Quebec City.
Immer wieder fällt der Blick auf kleine Inseln. Manche sind so winzig, dass gerade ein paar Bäume darauf Platz haben, andere beherbergen kleine Fischerhütten oder Häuschen. Und manchmal ist es dann schon eher ein kleiner Palast, der da durch die Bäume schimmert.
Ein Blick zurück in die Richtung, aus der wir gekommen sind, gibt nun auch den Blick frei auf die Thousand Islands Bridge, die die USA mit Kanada verbindet. Voraus hingegen erstreckt sich unendlich weit der St. Lorenz Strom. Fast schon glaubt man, bald auf dem Atlantik zu sein, doch bis zur Mündung ist es noch weit.
So warm es heute in der Sonne auf dem Fluss ist, so kalt kann es übrigens im Winter werden. Minus 40 Grad sind dann keine Seltenheit und sogar der Fluss friert dann zu. Eisbrecher versuchen möglichst lange eine Fahrrinne offenzuhalten. Auch Schnee gibt es in großen Mengen, denn der sogenannte Lake-Effekt sorgt auch in dieser Region für ergiebigen Niederschlag im Winter.
Schließlich taucht ein weiterer Leuchtturm am Horizont auf. Das Sisters Island Lighthouse hat seinen Namen der Insel zu verdanken, auf der es steht. Oder besser gesagt, den drei Inseln, die über Brücken miteinander verbunden sind. Der 1870 erbaute Leuchtturm ist heute nicht mehr in Betrieb, sondern in Privathand. Seit 1966 gehört er der Familie Wolos.
Dann endlich, nach einer guten Stunde Fahrt, erscheint das Ziel der heutigen Tour am Horizont – Dark Island mit dem Singer Castle.
Singer Castle wurde zwischen 1903 und 1905 für Frederick Gilbert Bourne erbaut. Er war der Direktor der Singer Nähmaschinen Fabriken. Daher stammt auch der heutige Name, denn das Haus wird erst seit etwa 20 Jahren so genannt. Bourne nutzte das Anwesen bis zu seinem Tod im Jahr 1919 als Sommerdomizil. Danach ging es in den Besitz seiner Tochter über. Nach ihrem Tod gehörte es einer katholischen Schule, die aber eigentlich nur an dem Anwesen der Bournes auf Long Island nahe New York interessiert war. Da aber beide Häuser als Paket kamen, kaufte man die Insel mit, hatte aber keinerlei Nutzen für das Haus. Schließlich wurde es 1965 abermals verkauft, diesmal an die religiöse Harold Martin Evangelistic Association. Ihr Leiter, Dr. Harold Martin, lebte viele Jahrzehnte auf der Insel, bis sie Ende der 90er Jahre abermals zum Verkauf stand. Jahrelang fand sich, trotz verschiedenster Interessenten, zu denen auch Japaner oder sogar Michael Jackson gehörten, niemand und ein Kauf kam erst im Jahr 2001 zustande. Käufer war der deutsche Unternehmer Farhad Vladi, der in Hamburg die Firma Vladi Private Islands GmbH betreibt. Er ließ das Anwesen sanieren und 2006 erstmalig für Besucher öffnen.
Als unser Boot am Steg festmacht, werden wir schon empfangen, denn frei bewegen darf man sich als Tagesgast auf der Insel leider nicht. Nur wer hier ein Zimmer bucht (bzw. die ganze Insel) hat diese außerhalb der Besuchszeiten ganz für sich allein.
In kleine Gruppen aufgeteilt, beginnt die Tour des Hauses. Mein Tourguide ist allerdings sehr nett und hat auch nichts dagegen, wenn man sich zum Fotografieren mal ein Stückchen von der Gruppe entfernt. Als ich so vor dem Eingang stehe, kann ich mir vorstellen, warum Mr. Bourne sein Schloss „The Towers” nannte. Inspiriert wurde er zum Bau übrigens durch den Roman „Woodstock” von Sir Walter Scott.
Gleich hinter der Eingangstür beginnt dann das richtige Schlosserlebnis. Man steht in einem Raum, der fast dem Mittelalter entsprungen zu sein scheint, komplett mit Ritterrüstungen und einem großen Weinkeller.
Eine große Treppe führt den Besucher in den ersten Stock. Hier befinden sich die Wohnräume. Der Bau von „The Towers” fand zur selben Zeit statt, wie der von Boldt Castle und viele von Mr. Boldts Bauarbeitern fanden hier neue Arbeit, als dieser die Arbeiten stoppte. Doch ich greife vor, denn das ist eine andere Geschichte, die erst heute Nachmittag eine Rolle spielt. Erst einmal geht die Tour weiter durch Singer Castle.
Auf diesem Foto sieht man Mr. Bourne zusammen mit seiner Familie, als sie hier auf der Insel ihre Sommer verbrachten.
Viele Räume bieten einen atemberaubenden Blick auf den Fluss, aus manchen führen Türen auf kleine Balkone.
Das Gebiet um Dark Island ist auch sehr fischreich, was es zu einem guten Angelplatz macht. Grund dafür ist das seichte Wasser auf der einen Seite der Insel, das im starken Kontrast zur tiefen Fahrrinne auf der anderen Seite steht. Dark Island liegt auch nur wenige Meter von der Grenze zu Kanada entfernt. Mr. Bourne gehörte auch noch eine kleine Insel in kanadischen Gewässern. Es wird gemunkelt, dass man dort während der Prohibition Alkohol brannte und ihn nachts nach Dark Island schmuggelte.
Im zweiten Stockwerk befinden sich die Schlaf- und Gästezimmer. Und jedes ist natürlich mit einer Singer Nähmaschine ausgestattet, auch wenn die meisten sicher nur der Dekoration galten.
Ganz oben, unter dem Dach, befindet sich schließlich ein großer Raum, in dem die weiblichen Angestellten untergebracht waren. Für die damalige Zeit war das äußerst luxuriös, denn das Personal hatte hier nicht nur eigene, abschließbare Schränke, sondern ihm stand auch ein volles Badezimmer zur Verfügung.
Nach einer guten Stunde sind wir dann schließlich wieder draußen, diesmal hinter dem Haus. Hier befand sich früher ein Tennisplatz und auch ein Bootshaus gehörte zum Anwesen. Zu guter Letzt spazieren wir noch kurz durch einen kleinen Teil des Gartens, bevor es zurück zum Anleger geht.
Faszinierend finde ich auch das Video auf der Homepage von Singer Castle. KLICK Es ist von 1906 und zeigt Mr. Bourne mit seiner Familie, wie sie The Towers zum ersten Mal besuchen.
Anfangs hatte ich ja erwähnt, dass man auf der Insel auch übernachten kann. Dazu gibt es eigens die Royal Suite, die auf der Tour leider nicht gezeigt werden konnte, da sie gerade bewohnt wurde.
Ganz zum Schluss der Tour bleibt noch genügend Zeit den kleinen Shop zu besuchen und ein Souvenir zu erstehen, bevor es wieder zurück auf das Schiff geht. Und dann heißt es auch schon Leinen los und Abschied nehmen von Dark Island, doch der Ausflug auf den St. Lorenz Strom ist damit noch lange nicht zu Ende.
Auf dem Rückweg fährt der Kapitän eine leicht andere Route, damit die Passagiere noch mehr von diesem schönen Gebiet zu sehen bekommen. Auch wird weniger erklärt, damit man einfach die Fahrt auf dem Fluss genießen kann.
Unterwegs begegnen uns dann einige große Schiffe, die vom Atlantik kommen oder dorthin unterwegs sind. Bis nach Montréal wird der Fluss sogar von Kreuzfahrtschiffen befahren, doch ist für die meisten Schiffe dort wegen ihres Tiefgangs Schluss. Die deutsche Columbus der Reederei Hapag-Lloyd fuhr die Strecke allerdings einige Jahre lang, als sie Kreuzfahrten auf den Großen Seen anbot. Leider gibt es die nicht mehr, sonst hätte ich das sicher einmal gemacht.
Nach mehr als drei Stunden ist schließlich wieder Alexandria Bay in Sicht, doch dorthin will ich noch nicht und Uncle Sam Boat Tours auch nicht, denn bevor es zurück in den Hafen geht, steht noch ein weiterer Stopp auf dem Programm. Jetzt fahren wir nicht einfach an Heart Island vorbei, sondern umrunden die Insel.
Am Anleger dann ein seltsames Bild. Hier steht eine Station der US-Einreise. Ich muss da aber zum Glück nicht hin, denn meine Tour startete ja in den USA. Wer die Tour aber von Kanada aus bucht, der muss hier erst einmal wieder in die USA einreisen. Das sollte man als Ausländer schon bedenken, wenn man Heart Island besuchen will.
Die Insel gegenüber gehört übrigens auch noch zu den USA. Das ist Wellesley Island. Die Grenze verläuft erst dahinter im St. Lorenz. Zu sehen ist von hier auch das Bootshaus von Boldt Castle, das ebenfalls besichtigt werden kann. Dafür wird mir allerdings heute leider keine Zeit mehr bleiben, vielleicht klappt es ja morgen noch.
Ich betrete Heart Island und zahle den Eintritt für Boldt Castle, denn im Gegensatz zu Singer Castle ist dieser Eintritt nicht Teil der Tour. Alle Bootstouren von Uncle Sam halten hier und man kann aussteigen oder zurück nach Alexandria Bay fahren. Das Boot jedenfalls legt gleich wieder ab, denn von hier fahren auch kleine Shuttleboote im 30-Minuten-Takt zurück zum Hafen.
Im Gegensatz zu Singer Castle ist Boldt Castle heute nicht mehr in privater Hand. Bereits seit 1978 gehört es der Thousand Islands Bridge Authority, die nicht nur die Brücke betreibt, sondern eben auch diese Touristenattraktion.
Erbaut wurde das Haus von 1900 bis 1904 für George C. Boldt, der es seiner geliebten Frau schenken wollte. Als diese 1904 überraschend verstarb, stoppte er sämtliche Arbeiten und kehrte der Insel mit gebrochenem Herzen den Rücken. Seit jenem Tag bis ins Jahr 1978 stand das unfertige Haus auf der Insel und verfiel. Auch Vandalen brachen immer wieder ein und beschmierten die Wände. Heute ist davon nur noch wenig zu sehen. Vielmehr kann man sich nach der Restaurierung nun wieder lebhaft vorstellen, wie Heart Island einmal aussehen sollte.
Ich laufe schnellen Schrittes zum Haus, denn außer mir haben sich doch eine ganze Reihe Leute zum Aussteigen entschieden. Und da ich gerne Bilder ohne Menschen darauf hätte, will ich möglichst als Erste am Haus sein. Ansonsten ist hier nicht mehr viel los. Das ist der Vorteil Anfang Oktober, denn die Saison näherte sich dem Ende und auch Boldt Castle wird in wenigen Tagen für den Winter schließen. Heute aber sind perfekte Bedingungen für eine Besichtigung, die Sonne scheint und es ist inzwischen 22 Grad warm. Nicht schlecht für Oktober am St. Lorenz Strom.
Das Haupthaus ist den romantischen Burgen am Rhein zwischen Bonn und Koblenz nachempfunden und das ist kein Zufall, denn George C. Boldt war deutscher Auswanderer. Betritt man das Erdgeschoss, glaubt man sich in einem fertigen Gebäude und tatsächlich konnten die unteren Etagen 1904 bereits bewohnt werden.
So historisch das Haus aussieht, so modern ist es doch, denn Mr. Boldt ließ alle technischen Errungenschaften der damaligen Zeit einbauen. So gab es Elektrizität, einen Fahrstuhl, fließend Wasser, ja sogar ein beheiztes Schwimmbad befand sich im Keller. Auch dieses Oberlicht hat seine ganz eigene Konstruktion, wie ich später noch sehen werde.
Im Gegensatz zu Singer Castle kann ich Boldt Castle auf eigene Faust erkunden und mir so Zeit lassen, die verschiedenen Räume zu fotografieren.
Im ersten Obergeschoss lagen dann die Privaträume der Familie. Auch hier sind einige schon komplett fertiggestellt gewesen.
Geht man hingegen weiter und steigt in das zweite Obergeschoss, sieht man, dass der Bau nie vollendet wurde. Am Tag als Louise Boldt starb, ließ ihr Mann alle Arbeiten einstellen und genauso ist das Haus auch erhalten. Es wurde lediglich so viel renoviert, dass eine Besichtigung möglich ist.
Das sind übrigens George C. Boldt und seine Frau Louise. Boldt wurde 1854 auf der Insel Rügen geboren und wanderte später in die USA aus. Er arbeitete sich im Hotelbusiness nach oben und war schließlich der Besitzer des berühmten Waldorf-Astoria Hotels in New York sowie der Bellevue-Stratford Hotels.
Im obersten Stockwerk hat man aber auch einen besonderen Blick auf die Konstruktion des Oberlichtes im Treppenhaus und es gibt einen kleinen Balkon, der schöne Blicke über die Gegend erlaubt.
Zu Boldt Castle gehört aber nicht nur das Haupthaus. Auf der Insel wurden auch zahlreiche Nebengebäude errichtet. Eines der wichtigsten ist das Generatorenhaus, das wie ein Schlösschen im Wasser thront. Zuvor kommt man durch den italienischen Garten. Hier wurde extra Land aufgeschüttet, um diese kleine Oase anzulegen.
Im Garten steht auch der sogenannte Taubenturm, das erste Nebengebäude, das auf der Insel errichtet wurde. Der Taubenturm hat seinen Namen von dem Taubenschlag, der im oberen Teil des Turms untergebracht ist. Mr. Boldt liebte seltene Vögel und hatte eine ganze Schar eigener Arten mit auf die Insel gebracht.
Vom Garten hat man nicht nur schöne Ausblicke auf den Fluss, auch das Sunken Rock Light ist von hier zu sehen.
Ich gehe weiter zum Generatorenhaus, das seine Existenz der Tatsache verdankt, dass Mr. Boldt unbedingt Strom auf der Insel haben wollte. Also wurden hier mit Kohle beheizbare Kessel installiert, sodass man Elektrizität erzeugen konnte. Die entstehende Wärme wurde gleichzeitig zum Beheizen des Haupthauses genutzt. Auch der Bauplatz wurde nicht zufällig gewählt. Es steht am weitesten weg vom Haus, damit Lärm und Abgase nicht stören.
Zum Generatorenhaus gehört auch der höchste aller Türme auf der Insel. Er hat eine beleuchtete Turmuhr mit Glockenspiel und ist schon von weitem zu sehen, während andere Teile der Insel hinter Bäumen verborgen sind.
Durch den Garten setze ich meine Inselumrundung fort, denn es gibt noch weitere Gebäude zu bestaunen. Langsam wird die Zeit knapp, denn um 17 Uhr fährt das letzte Boot zurück. Ich hatte ja keine Ahnung, dass es hier so viel zu sehen gibt.
Ein weiteres Nebengebäude der Insel ist der sogenannte Alsterturm, der einer alten Befestigung an der Hamburger Alster nachempfunden sein soll. Das ganze Gebäude ist eine Art Spielhaus für die Kinder der Boldts. Leider wurde es auch nie vollendet, doch die Bowlingbahn ist auch heute noch gut zu erkennen.
Ganz am anderen Ende der Insel steht ein Triumphbogen, der nach römischem Vorbild gestaltet wurde und von drei Hirschen gekrönt wird. Er war als Tor vom Wasser aus gedacht und sollte als Eingang für die Gäste dienen, die mit dem Boot anreisten.
Schließlich bin ich wieder dort, wo mein Rundgang vor fast 2 Stunden begonnen hat. Man hätte durchaus länger hierbleiben können, aber ich muss zurück zum Anleger, wenn ich das letzte Boot zum Festland erreichen will. Und das muss ich auch, denn seit der Abreise von Mr. Boldt im Jahr 1904 hat nie wieder jemand auf der Insel übernachtet. Auch alle Angestellten verlassen Heart Island jeden Abend.
So bleibt mir dann nur ein letzter Blick zurück nach Heart Island und auch zum Bootshaus, das ich heute nicht mehr besuchen konnte. Es ist ein tolles Gefühl, endlich hier gewesen zu sein und ein Geschenk, die Gegend bei solch großartigem Wetter erleben zu können.
Die Sonne steht schon ganz tief, als ich mich schließlich auf den Weg nach Watertown eine halbe Stunde südlich von hier mache. Eigentlich ist es ein Umweg, denn morgen will ich ja wieder nach Norden, doch ich wollte nicht mehr umbuchen und so viel Hotelauswahl gibt es hier sowieso nicht.
War heute Morgen schon nicht viel los auf dem Interstate, so ist er jetzt über weite Strecken komplett verlassen. Nur auf der Gegenfahrbahn donnert ab und zu mal ein Truck in Richtung Kanada vorbei. So ein Anblick ist im doch recht dicht besiedelten Osten der USA schon eher ungewöhnlich.
Heute Abend checke ich im Hampton Inn ein, das ich schon von Deutschland aus reserviert habe. Ab jetzt wird nicht mehr umgebucht, sondern wieder nach Plan gefahren, zumindest für die kommende Woche.
Zum Abendessen fahre ich zu Bob Evans. Ich esse bei dieser Kette immer wieder gerne. Das Essen ist gut und günstig. Auf der Karte steht typisch amerikanisches Essen, z.B. Hacksteak oder Truthahn. Ich habe mich heute für Rindfleisch mit Kartoffelbrei und Möhrchen entschieden.
Zurück im Hotel geht heute recht bald das Licht aus, denn ich habe morgen viel vor. Mein letzter Gedanke gilt noch einmal dem Wetter und ich hoffe, dass es morgen wirklich wieder toll wird. Ich wünsche es mir so sehr, denn ich wollte hier schon so lange hin und in diese Gegend kommt man so schnell doch nicht wieder.
Meilen: 269
Wetter: 11–22 Grad, Nebel, später heiter
Hotel: Hampton Inn Watertown