England on the Rocks – Gibraltar und England

Tag 6: Don­ners­tag, 13. Juni 2019
Resur­rec­tion – East­bourne nach Mil­ton Keynes

„An Englishman’s home is his cast­le.” – anonym

Mei­ne Rei­se führt mich heu­te in eine Stadt, die ich bis­her noch nicht besucht habe, nach Roche­ster, süd­öst­lich von Lon­don. Hier steue­re ich zuerst einen Park­platz an und mache mich dann ohne Umweg auf zum Restau­ra­ti­on Hou­se. Das alte Stadt­haus steht an weni­gen Tagen der Woche zur Besich­ti­gung offen und eigent­lich ist das Foto­gra­fie­ren ver­bo­ten. Doch für eine Stun­de, gleich nach der Öff­nung und nur an einem Tag in der Woche, dür­fen sich Foto­gra­fen in den histo­ri­schen Räu­men nach Her­zens­lust aus­to­ben. Das will ich natür­lich auch, sodass ich unbe­dingt als Erstes zu dem histo­ri­schen Gebäu­de gehe.

Das Restau­ra­ti­on Haus ist ein sel­te­nes Bei­spiel eines intak­ten eli­sa­be­tha­ni­schen Stadt­hau­ses. Sei­nen Namen erhielt es durch Charles II., der in der Nacht vor sei­ner Wie­der­ein­set­zung als König hier über­nach­tet haben soll.

Eigent­lich bestand das Haus aus zwei Gebäu­den, die 1454 und 1502 bis 1522 erbaut wur­den und nicht mit­ein­an­der ver­bun­den waren. Der Umbau zu einem Haus erfolg­te erst 1640 bis 1660. Bis 1986 hat­te es ver­schie­de­ne Besit­zer, doch in jenem Jahr soll­te es abge­ris­sen und durch einen Park­platz ersetzt wer­den. Der Enter­tai­ner Rod Hull ret­te­te das Gebäu­de, in dem er es kauf­te und reno­vier­te, ver­lor es jedoch 1994 wegen Steu­er­schul­den. Resto­ra­ti­on Hou­se ist auch heu­te noch in Pri­vat­be­sitz und wird bewohnt, wes­we­gen es nur im Som­mer für jeweils eini­ge Tage pro Woche zugäng­lich ist.

Den Rund­gang durch das Gebäu­de darf ich in Eigen­re­gie unter­neh­men. Er führt vor allem durch die erste Eta­ge, die mit vie­len histo­ri­schen Schät­zen ein­ge­rich­tet ist und inter­es­san­te bau­li­che Ele­men­te preisgibt.

Ich strei­fe durch die Räu­me, die wirk­lich fan­ta­stisch reno­viert sind. In den Zim­mern ste­hen Gui­des zur Ver­fü­gung, die Fra­gen beant­wor­ten und Geschich­ten preis­ge­ben. So wie die zu dem Fen­ster in die­sem Schlaf­zim­mer, das eigent­lich kein Fen­ster mehr ist, denn eines Tages bau­te ein Nach­bar sein Haus so dicht an die­ses, dass heu­te nur noch eine Mau­er hin­ter dem Glas ist. Der dama­li­ge Eigen­tü­mer war sehr erbost dar­über, doch zu ändern war die Sache nicht mehr, sodass die Mau­er hin­ter dem Fen­ster bis heu­te existiert.

Nach der Haus­be­sich­ti­gung set­ze ich mei­nen Rund­gang im Gar­ten fort. Der hat eine unge­wöhn­li­che Geschich­te, denn er ist in Tei­len erst in den letz­ten zehn Jah­ren ent­stan­den. Eigent­lich woll­te die Stadt um 2007 neben dem Grund­stück Wohn­häu­ser errich­ten und riss dazu auch eine uralte Wand ein. Die Eigen­tü­mer von Resto­ra­ti­on Hou­se ver­such­ten das zu ver­hin­dert und beka­men Hil­fe von Eng­lish Heri­ta­ge, doch der Ver­such das Land zu kau­fen schei­ter­te. Bis vor Gericht ging die Sache und das ent­schied zugun­sten des Ankaufs, sodass nun die­ser unge­wöhn­lich gro­ße Gar­ten mit vie­len histo­ri­schen Ele­men­ten existiert.

Bevor ich jedoch wei­ter den Gar­ten besich­ti­ge, suche ich erst ein­mal das Ört­chen auf. Nor­ma­ler­wei­se wür­de ich das in kei­nem Rei­se­be­richt erwäh­nen, doch die­ses Ört­chen ist so beson­ders, dass sogar ein Bild davon in die­sem Bericht auf­taucht. Ganz so häu­fig trifft man ja nicht auf solch eine öffent­li­che Toilette.

Aber zurück zum Gar­ten, der aus ver­schie­den gro­ßen Gar­ten­zim­mern besteht, die alle hin­ter gro­ßen Mau­ern ver­bor­gen sind. Gleich hin­ter dem Haus gibt es einen Teich, Blu­men­bee­te und ver­schie­de­ne Hecken im Formschnitt.

Auch ein klei­nes Laby­rinth wur­de auch Hecken ange­pflanzt. Eben­so wur­de der alte Baum­be­stand erhal­ten und durch neue Pflan­zun­gen ergänzt.

Etwas offe­ner und luf­ti­ger ist hin­ge­gen der ita­lie­ni­sche Gar­ten, der auf jedem Teil des Grund­stücks ent­stan­den ist, der erst vor rund zehn Jah­ren dazu­ge­kauft wur­de. Begrenzt wird durch Reste eben jener Mau­er, die den Streit um die Flä­che auslöste.

Alle Tei­le des Gar­tens sind durch Wege mit­ein­an­der ver­bun­den, sodass ich stän­dig zwi­schen den Gar­ten­zim­mern wech­seln kann. Die Anla­ge ist wirk­lich wun­der­schön ange­legt und passt eigent­lich eher zu einem Land­sitz denn einem Stadt­haus, wo die Gär­ten meist viel klei­ner sind.

Zurück im ita­lie­ni­schen Gar­ten erkun­de ich die in Ter­ras­sen ange­leg­te Flä­che. Was­ser­spie­le wech­seln sich hier mit klei­nen Brun­nen ab und wer­den durch histo­ri­sche Sta­tu­en ergänzt.

Es macht Spaß den Gar­ten zu erkun­den und so ver­brin­ge ich hier viel mehr Zeit an anfangs gedacht. Aber was solls, wird der Rest des Tages eben ein biss­chen umgeplant.

Es ist schon weit nach Mit­tag, als ich Resto­ra­ti­on Hou­se ver­las­se und mei­nen klei­nen Rund­gang durch das histo­ri­sche Zen­trum von Roche­ster fort­set­ze. Dabei ent­decke ich eine klei­ne Flä­che mit altem Pfla­ster. Die­se stammt aus dem Mit­tel­al­ter und wird heu­te als Denk­mal erhalten.

Ein wei­te­res Gebäu­de aus der eli­sa­be­tha­ni­schen Zeit ist das East­gate Hou­se. Im Jahr 1590 erbaut, ist es heu­te beson­ders für sei­ne Ver­bin­dung zu Charles Dickens bekannt. Der berühm­te Autor ver­ewig­te das Gebäu­de in eini­gen sei­ner Roma­ne und war hier auch selbst schrift­stel­le­risch tätig.

Nur weni­ge Schrit­te wei­ter gelan­ge ich zur Roche­ster Cathe­dral, die nach der Kathe­dra­le von Can­ter­bu­ry die zweit­äl­te­ste Kathe­dra­le Eng­lands ist. Gegrün­det wur­de sie bereits im Jahr 604 und ist in gro­ßen Tei­len noch heu­te nor­man­nisch, auch wenn eini­ge Umbau­ten vor­ge­nom­men wurden.

Ich schaue mir die beein­drucken­de Kathe­dra­le auch von innen an. Da hier jedoch gera­de ein Event mit Kin­dern statt­fin­det, kann ich lei­der nur begrenzt fotografieren.

Gleich gegen­über der Kathe­dra­le befin­det sich Roche­ster Cast­le. Die Rui­ne gilt heu­te als eine der am besten erhal­te­nen nor­man­ni­schen Bur­gen und hat­te beson­ders im frü­hen Mit­tel­al­ter gro­ße Bedeu­tung. Heu­te ist das Gelän­de frei zugäng­lich, nur für den Keep, das Wohn­haus, wird Ein­tritt fäl­lig. Lei­der ist es dafür heu­te bereits zu spät, sodass ich mich mit der Außen­an­sicht begnü­gen muss.

So wan­de­re ich über das Gelän­de und bestau­ne die alten Mau­ern, die teil­wei­se noch aus dem 10. und 11. Jahr­hun­dert stam­men. Wenn die­se Stei­ne reden könn­ten, was wür­den sie nur alles erzäh­len können?

Wem die Burg übri­gens aus Film und Fern­se­hen bekannt vor­kommt, der hat nicht ganz unrecht. Unter ande­rem in den Kino­fil­men Hen­ry VIII. und Ham­let war das impo­san­te Gebäu­de zu sehen.

Auf dem Rück­weg zu mei­nem Auto habe ich noch ein­mal einen schö­nen Blick auf die Kathe­dra­le im Abendlicht.

Ich kom­me noch an eini­gen wei­te­ren histo­ri­schen Häu­sern vor­bei und lan­de schließ­lich auf der High Street von Roche­ster, der Haupteinkaufsstraße.

Zwar sind vie­le der Läden bereits dabei zu schlie­ßen, doch macht es im schö­nen Abend­licht Spaß, noch ein wenig die Stra­ße entlangzubummeln.

Schließ­lich bin ich zurück an mei­nem Auto. Alle wei­te­ren geplan­ten Stopps für heu­te habe ich längst gestri­chen und ich fah­re ohne Unter­bre­chung nach Mil­ton Keynes, wo ich wie­der ein­mal das Dou­ble­tree Hotel reser­viert habe, in dem ich schon mehr­mals zu Gast war. Zum Abend­essen gehe ich noch zu Bel­la Ita­lia, da das Restau­rant hier direkt gegen­über des Hotels liegt.

Nach dem Essen gehe ich zurück auf mein Zim­mer, wo ich noch die Bil­der von heu­te siche­re und den näch­sten Tag vor­be­rei­te, der auf­grund mei­ner Plan­än­de­rung heu­te auch etwas anders aus­sieht. Eigent­lich hat es gar kei­nen Sinn mehr gemacht nach Mil­ton Keynes zu fah­ren, doch das Hotel war nicht mehr stor­nier­bar und so habe ich den klei­nen Umweg in Kauf genommen.

Mei­len: 150
Wet­ter: hei­ter bis wol­kig, 17–22 Grad
Hotel: Dou­ble­tree by Hil­ton Mil­ton Keynes

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