Down by the Lake – Rund um die Großen Seen


Tag 14: Mon­tag, 11. Sep­tem­ber 2017
Cen­ter of the Hemi­sphe­re – Waus­au nach Dubuque

„Ame­ri­ca was foun­ded on immi­grants. The immi­grant expe­ri­ence is com­mon to all of us.” – Nia Vardalos

Der klei­ne Schlen­ker, den ich die näch­sten zwei Tage mache, ist dem Shut Down 2013 geschul­det. Damals waren für 17 Tage alle staat­li­chen Ein­rich­tun­gen geschlos­sen, so auch ein Ort, den ich unbe­dingt besu­chen woll­te. Dadurch habe ich statt­des­sen die Ama­na Colo­nies ent­deckt, aber dies­mal will ich die ursprüng­li­chen Zie­le besuchen.

Doch zuerst dre­he ich noch eine klei­ne Run­de durch Waus­au, das ich in 2013 auch nur durch­quert habe. Dazu fah­re ich in histo­ri­sche Innen­stadt und schaue mir eini­ge der schö­nen Häu­ser an.

Das 1900–1901 für Cyrus und Ali­ce Yaw­key erbau­te Her­ren­haus könn­te ich sogar besich­ti­gen, nur lei­der heu­te nicht, denn heu­te ist Mon­tag und mon­tags ist zu. So bleibt mir nur ein Blick von drau­ßen auf das einst teu­er­ste Haus in Waus­au, Wisconsin.

Noch ein wei­te­res Mal hal­te ich in der Innen­stadt, wo gera­de eine Kunst­ak­ti­on mit Regen­schir­men läuft. Die inter­es­siert mich aber nur am Ran­de, denn mein Ziel ist ein anderes.

Im Besu­cher­zen­trum der Stadt soll es ein Regi­ster für den 45x90 Club geben, dem ich ger­ne bei­tre­ten möch­te. 45x90 ist die Bezeich­nung für den 45. Brei­ten­grad und den 90. Län­gen­grad, die sich außer­halb von Waus­au tref­fen. Es gibt zwar vier sol­cher Orte auf der Erde, doch ein wei­te­rer liegt irgend­wo in Chi­na und auf der Süd­halb­ku­gel lie­gen die Orte sogar mit­ten im Oze­an. So bleibt Waus­au, oder bes­ser gesagt Poni­a­tow­ski, wo man genau auf solch eine Stel­le tref­fen kann.

Auf Nach­fra­ge kann ich mich dann auch in das lan­ge Club­re­gi­ster ein­tra­gen und bekom­me eine schö­ne Pla­ket­te geschenkt sowie die genau­en Anwei­sun­gen, wie ich den Ort denn nun auch fin­den kann.

So mache ich mich dann auf nach Poni­a­tow­ski, um genau auf dem Punkt zu ste­hen, wo sich der 45. Brei­ten­grad und der 90. Län­gen­grad tref­fen. Lei­der kann ich den ganz genau­en Punkt wäh­rend mei­nes Besuchs nicht aus­ma­chen, denn das Gelän­de wird gera­de umge­baut und die Mar­kie­rung wur­de für die­se Zeit entfernt.

Durch das länd­li­che Wis­con­sin fah­re ich schließ­lich wei­ter nach Spar­ta. Die Kreis­stadt ist als Bicy­cling Capi­tal of Ame­ri­ca, als Fahr­rad­haupt­stadt von Ame­ri­ka, bekannt und so wer­de ich auch gleich stan­des­ge­mäß begrüßt. Spar­ta ist näm­lich auch die Heimt der größ­ten Rad­fah­rer Sta­tue der Welt.

Bikin’ Ben, wie der far­ben­fro­he Rad­ler lie­be­voll genannt wird, ist aus Fiber­glas und stol­ze 9,75 Meter hoch. Er steht direkt am schö­nen River Trail, auf dem ich noch ein wenig spa­zie­ren gehe.

Auf dem Weg zurück zum Auto ent­decke ich dann noch die­se lusti­ge Figur, die für ein Drive-​in Restau­rant wirbt.

Wei­ter geht die Fahrt schließ­lich nach La Crosse, das direkt am Mis­sis­sip­pi liegt. Eine der Haupt­at­trak­tio­nen der Stadt ist der 1912 gegrün­de­te Grandad Park, der sich hoch oben auf einem Fel­sen befin­det. 180 Meter hoch erhebt sich die Fels­wand über die Stadt und den Fluss und soll einen schö­nen Aus­blick bieten.

Mit dem Auto geht es nach oben auf den Fel­sen. Die Stra­ße endet schließ­lich an einem klei­nen Park­platz, wo ich mein Auto abstelle.

Von hier aus geht es zu Fuß wei­ter. In der Fer­ne sehe ich schon den 1938 erbau­ten Unter­stand sowie den 1941 errich­te­ten Fahnenmasten.

Von hier oben reicht der Blick dann weit über das Land. Im Vor­der­grund liegt La Crosse, dahin­ter der Mis­sis­sip­pi und dahin­ter beginnt bereits Minnesota.

Auf Tafeln wird die Geschich­te der Stadt erzählt. Die Stadt wur­de einst als Handels- und Ver­sor­gungs­po­sten fran­zö­si­scher Pelz­händ­ler gegrün­det, die im 17. Jahr­hun­dert als erste Wei­ße in die­se Gegend kamen. Der Name aber stammt von einem Ball­spiel der India­ner ab, das Lacrosse genannt wur­de. Part­ner­ge­mein­de in Deutsch­land ist übri­gens Fried­berg in der Nähe von Augsburg.

Die Dame, die hier als Sta­tue ver­ewigt ist, ist Ellen Pennell-​Hixon, die 1859 als 31-​jährige Leh­re­rin nach La Crosse kam. Sie hei­ra­te­te den Säge­werks­be­sit­zer Gideon Hixon, erwarb 1909 das gan­ze Gebiet rund um den Fel­sen und schenk­te es 1912 der Stadt, damit die­se es als Park nut­zen konnte.

Das Haus der Fami­lie Hixon ist heu­te ein Muse­um, nur lei­der auch nicht geöff­net, denn erstens ist Mon­tag und zwei­tens der Labor Day längst vor­bei und damit bis zum näch­sten Memo­ri­al Day sowie­so geschlossen.

La Crosse ist aber noch für etwas ande­res bekannt und das ist Bier. Es gibt eine gro­ße Braue­rei in der Stadt, die auch heu­te noch in Betrieb ist. Zuerst wer­de ich vom König des Bie­res begrüßt. Die Sta­tue stellt Gam­bri­nus dar, der eigent­lich Jan Pri­mus hieß. Der Rit­ter war im 13. Jahr­hun­dert Mit­glied der Braue­rei Gil­de von Brüs­sel und ihm wird die Erfin­dung des Bie­res zugeschrieben. 

In unmit­tel­ba­rer Nähe steht die 1870 erbau­te Vil­la von Gott­lieb und Johan­na Hei­le­mann. Hei­le­mann kam aus Deutsch­land und grün­de­te hier eine Braue­rei. Sein Haus ließ er mit Holz­ar­bei­ten ver­zie­ren, die ihn an sei­ne Hei­mat Würt­tem­berg erinnerten.

Gleich gegen­über steht dann auch das Braue­rei­ge­bäu­de. 1858 erbaut, war die Braue­rei einst die dritt­größ­te in den gan­zen USA. Spä­ter erleb­te sie jedoch durch Ver­käu­fe und ver­än­der­te Markt­la­ge einen Nie­der­gang und wur­de 1996 zunächst geschlos­sen. Heu­te wird hier zwar wie­der gear­bei­tet, doch es wer­den kei­ne Hei­le­mann Pro­duk­te mehr her­ge­stellt. Die Mar­ken­rech­te an die­sen Bie­ren gehö­ren inzwi­schen ande­ren Firmen.

Gleich neben der Braue­rei steht auch der größ­te Six-​Pack der Welt. 1969 wur­den sechs Lager­tanks in Form von Bier­do­sen gebaut und ange­malt. Seit­dem wird der größ­te Six-​Pack der Welt als Markt­ing­flä­che für die Braue­rei genutzt.

Nach einer kur­zen Mit­tags­pau­se ver­las­se ich La Crosse und fah­re wei­ter am Mis­sis­sip­pi ent­lang. Auf einem Park­platz unter­wegs ist die­ses Gefährt abge­stellt und das eine PS, das es antreibt, grast dahin­ter im Gebüsch.

In der Nähe von Gen­oa errei­che ich Lock und Dam No. 8, eine Schleu­sen­an­la­ge am obe­ren Mis­sis­sip­pi. Die 1937 erbau­te Anla­ge besteht aus einem 285 Meter lan­gen Damm sowie einem 33,5 Meter brei­ten und 183 Meter lan­gen Schleusenbecken.

Durch das länd­li­che Wis­con­sin fol­ge ich immer wei­ter dem Mis­sis­sip­pi nach Süden. Auf der ande­ren Sei­te des Flus­ses liegt inzwi­schen nicht mehr Min­ne­so­ta son­dern Iowa.

Über die Black Hawk Bridge ver­las­se ich schließ­lich Wis­con­sin und set­ze die Fahrt am ande­ren Fluss­ufer fort.

Die Brücke ist die nörd­lich­ste Mis­sis­sip­pi­über­que­rung in Iowa und wur­de nach einem Häupt­ling der Sauk und Fox India­ner benannt. Die zwi­schen 1929 und 1931 erbau­te Brücke müss­te eigent­lich ersetzt wer­den und darf von schwe­ren Fahr­zeu­gen nicht mehr genutzt wer­den. Weder Iowa noch Wis­con­sin haben aber das Geld, um in die­ser struk­tur­schwa­chen Regi­on einen Neu­bau zu stem­men. Eine Schlie­ßung wür­de über 100 Fluss­ki­lo­me­ter ohne Brücke bedeu­ten. So dür­fen also wei­ter­hin nur PKW das Bau­werk nutzen.

Wäh­rend man von Wis­con­sin aus über eine lan­ge Zufahrt, die aus­gie­bi­ges Sumpf­land und Fluss­ne­ben­ar­me über­spannt, auf die Brücke gelangt, endet die Fahrt in Iowa ganz abrupt mit einer Kur­ve, die unmit­tel­bar auf die Main Street des klei­nen Ört­chens Lan­sing führt.

In Lan­sing ent­decke ich das 1851 erbau­te Lan­sing Haus, das frü­her ein Hotel war und in dem schon Ulysses Grant über­nach­tet hat. Seit inzwi­schen 85 Jah­ren gehört es jedoch der Clan­cy Fami­lie und wird als Wohn­haus genutzt.

Anson­sten gibt es einen schö­nen klei­nen Park am Fluss­ufer, in dem ich ein paar Minu­ten die Son­ne genie­ße und noch ein paar wei­te­re histo­ri­sche Gebäude.

Bald schon fah­re ich wei­ter. Hier in Iowa ver­läuft die Stra­ße oft dicht am Fluss ent­lang, sodass ich einen schö­nen Blick auf den Mis­sis­sip­pi habe, den mäch­tig­sten Strom der USA.

Unter­bro­chen wird die Fahrt dann immer mal wie­der durch ein paar Bau­stel­len, wo mich ein „Fol­low me” Fahr­zeug hin­durch leitet.

Direkt am Mis­sis­sip­pi gele­gen, kom­me ich zum Effi­gy Mounds Natio­nal Monu­ment. Viel habe ich mit die­ser archäo­lo­gi­schen Aus­gra­bungs­stät­te bei der Pla­nung nicht beschäf­tigt und so hal­te ich kurz­ent­schlos­sen an.

Ich schaue mich ein wenig im Muse­um um, das dem Visi­tor Cen­ter ange­schlos­sen ist. Die Fund­stücke stam­men aus den über 200 Begräbnis- und Kul­t­hü­geln, die das Gelän­de hier umfasst und die 500 v. Chr. bis 1200 n. Chr. hier ange­legt wur­den. Ein­und­drei­ßig der Hügel sind wie Tie­re geformt, was man jedoch nur aus der Luft sehen kann.

Zu eini­gen der Hügel kann man auch wan­dern, aber das schen­ke ich mir, denn so groß ist mein Inter­es­se dar­an nicht, zudem ich eine ähn­li­che Stät­te schon in Geor­gia besucht habe. So fah­re ich bald wei­ter und gelan­ge nach Froelich. Den klei­nen Ort hat­te ich gar nicht auf den Radar. Erst ein Fly­er im Visi­tor Cen­ter der Effi­gy Mounds hat mich dar­auf auf­merk­sam gemacht.

Froelich war einst ein leben­di­ges, klei­nes Städt­chen, zu dem ein Bahn­hof, eine Post, eine Schmie­de, eine Schu­le, ein Säge­werk und vie­le wei­te­re klei­ne Geschäf­te gehör­ten. Heu­te steht der ehe­ma­li­ge Orts­kern unter Denk­mal­schutz und kann besich­tigt werden.

Mein Besuch star­tet im Gene­ral Store. Hier gab es alles zu kau­fen, was die Bewoh­ner zum täg­li­chen Leben benö­tig­ten. Auch die Post war in die­sem Geschäft zu finden.

Etwas beson­de­res ist Froelich aber vor allem wegen sei­nes wohl berühm­te­sten Bewoh­ners, John Froelich. Er war der Sohn der deut­schen Aus­wan­de­rer Johan­nes Hein­rich Froeh­lich, 1813 in Kas­sel gebo­ren, und Kath­ryn Gut­heil. Das Ehe­paar sie­del­te sich 1847 in Iowa an. Ihr Sohn stu­dier­te am Col­lege von Iowa Maschi­nen­bau und wur­de dann zum Erfin­der. So erfand er eine Wasch­ma­schi­ne, einen Trock­ner, einen Geschirr­spü­ler und vie­les mehr. Sei­ne bedeu­tend­ste Erfin­dung aber war der mit Ben­zin betrie­be­ne Trak­tor. Zuvor wur­den Trak­to­ren mit schwe­ren Dampf­ma­schi­nen ange­trie­ben, doch John Froelich schaff­te es, die­sen kom­pak­ten Trak­tor zu ent­wer­fen, der mit Ben­zin ange­trie­ben wurde.

1893 grün­de­te er mit eini­gen Part­nern die Water­loo Gaso­li­ne Engi­ne Com­pa­ny, die die Land­ma­schi­nen fort­an her­stell­te. 1918 ver­kauf­te er sei­ne Erfin­dung schließ­lich an John Dee­re, wo die Trak­to­ren seit­dem her­ge­stellt wer­den. Noch heu­te gibt es ein Werk in Water­loo, Iowa.

Ich schaue mich noch ein wenig mehr in dem klei­nen Ört­chen um. Der Bahn­hof ist lei­der nur noch kei­ne Replik, denn das Ori­gi­nal wur­de vor vie­len Jah­ren abge­ris­sen, als die Bahn­li­nie ein­ge­stellt wurde.

Ori­gi­nal sind aber die vie­len Gerät­schaf­ten, die in der Schmie­de zu sehen sind. Dazu zählt auch ein wei­te­res Modell des Froelich Traktors.

Schon 1866 erbaut wur­de die Schu­le, die noch heu­te in Froelich steht. Im Schul­raum sind vie­le alte Bücher zu sehen und sogar die Schrift an der Tafel stammt aus dem Jahr 1906. Sie wur­de bei der Reno­vie­rung entdeckt.

Am klei­nen Bach ent­decke ich eine über­dach­te Brücke, von denen es in Iowa eini­ge gibt, wie ich bereits auf mei­ner Rei­se im Jahr 2013 fest­ge­stellt habe.

Am spä­ten Nach­mit­tag sage ich „Good bye” zu Froelich und fah­re wei­ter. Die deut­schen Namen las­sen mich jedoch so schnell nicht wie­der los. Auch hier in Iowa haben sich einst vie­le Sied­ler aus Deutsch­land niedergelassen.

Einen kur­zen Stopp lege ich noch an einem Aus­sichts­punkt hoch über dem Mis­sis­sip­pi ein. Der Blick auf den Fluss ist immer wie­der inter­es­sant, beson­ders wenn ich mir vor­stel­le, auf wie vie­len Rei­sen er mich schon beglei­tet hat. Ob Min­nea­po­lis oder New Orleans, Mem­phis oder St. Lou­is, der Mis­sis­sip­pi fließt von Nord nach Süd durch die gesam­ten USA und war einst die Gren­ze zum uner­forsch­ten Westen des Kontinents.

Auf der wei­te­ren Fahrt ver­ab­schie­det sich so lang­sam die Son­ne und der Tag neigt sich dem Ende zu. Noch immer kom­me ich durch klei­ne Ört­chen mit euro­päi­schen Namen und ab und zu hal­te ich an, um ein Foto zu machen.

Nach einem lan­gen Tag errei­che ich schließ­lich Dubu­que in Iowa, wo ich 2013 schon ein­mal war. Die­ses Mal habe ich das Hamp­ton Inn reser­viert, wo ich ein gemüt­li­ches Zim­mer beziehe.

Abend­essen gibt es heu­te im Oli­ve Gar­den, wo ich immer wie­der ger­ne zu Gast bin, bevor ich nach einem lan­gen aber schö­nen Tag das Licht lösche.

Mei­len: 344
Wet­ter: son­nig, 60–80 Grad
Hotel: Hamp­ton Inn

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