Tag 8 – Freitag, 01. Juni 2018
Treasure Houses – Sunderland nach Milton Keynes
„The most expensive hobby a rich man could have is a boat, and the second most expensive hobby he could have is a very old house.” – Barbara Corcoran
Der Tag startet noch einmal etwas trübe. Nebel hat sich über der Küste breit gemacht und hält sich recht hartnäckig. So breche ich recht früh wieder auf und fahre weiter nach Süden. Northumberland und auch die Gegend um York lasse ich schnell hinter mir und dann tatsächlich auch den Nebel. Die Sonne kommt zumindest etwas heraus und das passt mir gut, denn als Nächstes steht wieder eines der Treasure Houses, der größten und bekanntesten Herrenhäuser Englands, auf dem Plan.
Schon die Einfahrt nach Harewood House ist beeindruckend. Durch ein großes Torhaus führt die Straße auf das Anwesen, das sich nördlich von Leeds in England befindet.
Nachdem ich meinen HHA-Pass vorgezeigt habe (ein Besuch im Jahr ist inkludiert) und mein Auto geparkt habe, schaue ich kurz bei den alten Stallungen vorbei, die heute ein Café und einen Shop beherbergen.
Lange halte ich mich aber nicht auf, sondern gehe direkt zum Herrenhaus. Die schönste Ansicht hat man von der wunderschön angelegten Terrasse, die sich momentan auch perfekt in der Sonne befindet.
Harewood House wurde zwischen 1759 und 1770 für die Familie Lascelles, die späteren Earls of Harewood, erbaut und ist besonders für seine zahlreichen Chippendale Möbel bekannt. Noch heute bewohnt die Familie das Anwesen, derzeit ist der 8. Earl of Harewood Oberhaupt, der auch als Filmproduzent bekannt ist.
Die herrliche Terrasse, auf der ich gerade stehe, wurde vom britischen Architekten und Landschaftsgärtner Charles Berry entworfen, während der restliche Garten eine Arbeit von Capability Brown ist. Dreht man sich vom Haus weg, schweift der Blick weit über die Landschaft. Da die Wiesen zu den Ländereien von Harewood gehören, ist der Blick auch heute noch völlig unverbaut.
Nach der Besichtigung der schönen Terrasse gehe ich durch einen kleinen Garten zurück zur Rückseite des Hauses.
Leider hält der Sonnenschein nicht lange an und schon als ich auf der Rückseite ankomme, schieben sich wieder dickere Wolken über den Himmel. Erst einmal stört mich das allerdings weniger, denn für mich steht die Innenbesichtigung an.
Als ich das Haus betrete, werde ich gleich darüber informiert, dass ich selbstverständlich fotografieren darf. Das ist super und freut mich sehr. Die Eingangshalle ist sehr opulent, wie es typisch für Architekt Robert Adam ist. Die Skulptur in der Mitte ist allerdings neueren Datum. Unter dem Titel „Adam” wurde sie 1938 von Sir Jacob Epstein geschaffen und viele Jahre eher zögerlich ausgestellt, bevor der 7. Earl auf Harewood sie kaufte. Die Stühle in der Halle sind die ersten von unzähligen Thomas Cippendale Möbeln, die ich zu sehen bekomme.
Nach dem Durchqueren der Eingangshalle lande ich zuerst in der alten Bibliothek. Sie ist eine von drei Bibliotheken im Haus und wurde bereits ab 1760 ausgestattet. Der Raum ist im typischen Stil von Architekt Robert Adam gestaltet und die blauen Stühle sind echte Thomas Chippendale.
Anlässlich der Hochzeit von Prinz Harry gab es während meines Besuches in der Bibliothek eine ganz besondere Fotoausstellung, denn Harewood hat einst seine eigene royale Hochzeit gesehen. Es war 1921, als der Buckingham Palace bekannt gab, dass Prinzessin Mary, die älteste Tochter von King George V. und Queen Mary, sich mit Henry, Viscount Lascelles, dem späteren 6. Earl of Harewood, verloben würde. Die Hochzeit fand am 28. Februar 1922 in Westminster Abbey statt.
Wunderschön sind auch die Decken der einzelnen Räume, wie hier in der alten Bibliothek. Beim Bau des Hauses wurden einfach keine Mühen und Kosten gespart.
Der nächste Raum war einst das Schlafzimmer von Edwin Lascelles, dem Bauherren von Harewood House. Am bemerkenswertesten ist die chinesische Tapete, denn diese befand sich einst in einem Schlafzimmer im ersten Stock, wo heute die Familie wohnt. Doch irgendwann im 19. Jahrhundert mochten die Bewohner sie nicht mehr und so wurde die Tapete von den Wänden geschnitten. Da man aber zu jener Zeit nie etwas wegwarf, wurde sie verpackt und verstaut. Rund 200 Jahre später wurde die Tapete wieder entdeckt und hier aufgehängt. Erstaunlich, wie gut sie erhalten ist.
Jetzt komme ich in das Wohnzimmer des Earls. Schon seit der 6. Earl Harewood hier wohnte, wurde dieser Raum nach dem Geschmack des derzeitigen Hausherrn eingerichtet. Und so wurde hier 2015 zuletzt umdekoriert, als der 8. Earl Harewood House übernahm. An den Wänden ist die private Gemäldesammlung von David and Diane Lascelles, dem 8. Earl und der Countess of Harewood zu sehen.
Die spanische Bibliothek ist ein weiterer Raum, den ich besichtige. Hier waren nicht immer Bücher untergebracht. Wie es in einem bewohnten Haus so ist, hat jede Generation Zimmer auch einmal umdekoriert und verlegt. So war dieses Zimmer auch schon Frühstücksraum, Arbeitszimmer und vieles mehr.
Der State Bedroom ist etwas, das viele Herrenhäuser besaßen. Dieses Schlafzimmer wurde nur selten genutzt und war für ganz besondere Gäste reserviert. In diesem Raum übernachteten 1835 Queen Victoria noch vor ihrer Krönung sowie 1816 Herzog Nicolas von Russland. In der viktorianischen Zeit war dieses Zimmer übrigens ein Wohnraum und das Bett wurde auseinandergenommen und eingelagert. Erst 1999 restaurierte man den Raum wieder in seiner ursprünglichen Pracht.
Schließlich komme ich auch noch in die dritte Bibliothek des Hauses, die Hauptbibliothek. In den Bücherregalen der drei Räume lagern über 11.000 Bücher aus mehr als drei Jahrhunderten.
Der gelbe Salon ist wieder ein Meisterwerk der Familie Chippendale, die sowohl Möbel als auch Spiegel lieferte. Nach dem Tod des Vaters beendete sein Sohn 1779 die Ausstattung dieses Raumes.
Das zimtfarbene Zimmer war einst als das weiße Zimmer bekannt und komplett in Weiß und Gold gehalten. Später wurden die Wände mit grünem Damast bespannt und schließlich wechselte man zu dieser Farbe. Auch hier wurde in viktorianischer Zeit noch vieles mehr verändert. So kamen Spiegel und die halben Tische darunter erst 1989, nach über 150 Jahren, aus dem Lager zurück in diesem Raum. Es dauerte zwei Jahre, sie wieder richtig zusammenzusetzen, denn sie waren in unzählige Einzelteile zerlegt.
Auch die wunderbaren Decken waren lange Zeit übertüncht und wurden erst vor rund 30 Jahren restauriert.
Von diesem Zimmer habe ich auch einen tollen Blick über die Terrasse und darüber hinaus.
Ein absolut beeindruckender Raum ist auch die 23 Meter lange und sieben Meter breite Galerie, die sich über die gesamte Westfront des Hauses erstreckt. Die Spiegel kommen hier ebenfalls aus dem Hause Chippendale.
Die sechs Meter hohe Decke ist wunderschön verziert und sogar mit kleinen Gemälden versehen. Dieser Raum wird noch heute als ein Meisterwerk von Robert Adam angesehen.
Der vorletzte Raum der Belle Etage ist das Esszimmer. Dieser Raum wurde am meisten verändert, als Sir Charles Barry das Haus in den 1840er Jahren umbaute. Vom Robert Adam Design ist hier fast nichts erhalten geblieben. Mit Ausnahme des Mobiliars, das auch hier von Thomas Chippendale stammt.
Das letzte Zimmer ist das Musikzimmer und einer der am besten erhaltenen Robert Adam Räume im ganzen Haus. Der große Steinway Flügel wurde vom 6. Earl und Prinzessin Mary gekauft, die eine begabte Pianistin war.
Nun geht es über das hintere Treppenhaus weiter in das Reich der Bediensteten geht, noch ein kleiner Fakt zu den herrschaftlichen Räumen. In allen Zimmern gibt es heute über 400 Glühbirnen und man benötigt rund 120 Stunden im Jahr, um diese auszutauschen. Das sind rund 2 1/2 Stunden in der Woche.
Dieser Raum war die kalte Küche und wurde früher dazu genutzt, kleine Mahlzeiten wie das Frühstück vorzubereiten und auch zum Einwecken von Früchten.
In einem weiteren Raum wurde das frische Obst und Gemüse aus dem Garten geputzt und zubereitet.
Der beeindruckendste Raum aber ist die große Küche. Da in Harewood House nur die besten Architekten und Handwerker gebaut haben, ist selbst sie ein Kunstwerk. 1996 wurde der Raum restauriert und für Besucher geöffnet. Dazu wurde der Zustand von 1774 wieder hergestellt.
Ein interessanter Fakt zur Küche: Es gibt über 250 Kupfergefäße und im Winter, wenn das Haus geschlossen hat, braucht das Personal rund 50 Stunden, um diese zu reinigen und zu polieren.
Zu Harewood House gehört auch ein großer Garten, der teilweise auch eine Art Tierpark ist. So ist es hier bedeutend voller als im Haus, denn vor allem Familien scheinen diesen Ausflug gern zu machen. Trotzdem finden sich in der Fülle von Wegen immer wieder ruhige Plätzchen.
Das Highlight der Anlage sind die Pinguine. Um das Becken herrscht großer Trubel und besonders die Kinder sammeln sich hier in Scharen. Es ist aber auch niedlich, den Gesellen im Frack zuzuschauen.
Schließlich mache ich mich aber doch auf den Weg zum Ausgang, denn ich habe noch ein ganzes Stück Strecke vor mir. Harewood hat mir aber auf jeden Fall sehr gut gefallen.
Auch in dieser Gegend gibt es noch viele tolle Orte zu besichtigen und einiges habe ich auch schon angeschaut, doch ich muss dieses Mal weiter. Der Schottland Abstecher hat es ja nun mal mit sich gebracht, dass ich ein paar Fahrtage in der Reise habe. Einen weiteren Stopp lege ich aber heute noch ein und der führt mich zu einem der letzten Treasure Houses, das ich noch nicht kenne, nach Chatsworth.
Schon die Anfahrt kann man einfach nur als spektakulär bezeichnen, denn das Anwesen, das sich im Peak District National Park befindet, ist so groß, dass die Straße mitten hindurchführt und schon einmal tolle Ausblicke erlaubt.
Einmal um das Haus herum liegt der Parkplatz, der leider kostenpflichtig ist. Als ich mit meiner Visa Card zahlen will, geht das jedoch nicht. Das Problem habe aber nicht nur ich, denn in ganz Großbritannien gibt es anscheinend ein massives Problem, sodass Visa Karten nicht eingesetzt werden können. Und da ich gerade kein Kleingeld habe und der Herr auch nicht wechseln kann, darf ich kostenlos parken. Das ist doch nett.
Vom Parkplatz aus gibt es zwei Eingänge. Einer führt zum Garten, der andere zum Haus. Während der Besuch des Gartens einmal im Jahr in der HHA-Mitgliedschaft inkludiert ist, muss ich hier für das Haus ein Zusatzticket lösen. Zehn Pfund werden dafür noch einmal fällig.
Da sich die Sonne gerade mal wieder etwas rar macht, beschließe ich, mit der Hausbesichtigung zu starten. Außerdem hat der Garten länger geöffnet als das Haus, sodass diese Reihenfolge auf jeden Fall Sinn macht.
Interessante Tiere hat man hier am Zugang zum Haus zu sitzen. In Stein geschlagene Ziegen habe ich auch noch nicht gesehen.
Chatsworth wurde zwischen 1686 und 1707 für William Cavendish, 1. Duke of Devenshire im klassizistischen Stil erbaut und wird noch heute von der Familie bewohnt. Das Haus besitzt über 175 Räume und ist eines der bekanntesten Herrenhäuser Englands. Zu den Schätzen gehören neben der opulenten Ausstattung auch Werke vieler bedeutender Künstler wie Renoir, Canaletto, Rembrandt oder van Dyck.
Ich betrete da Haus und zeige meine Eintrittskarte vor. Ganz von den Socken bin ich dann, als man mir auch hier mitteilt, dass ich hier ebenfalls selbstverständlich fotografieren dürfe. Na das ist doch mal eine tolle Nachricht, denn ich finde es immer total schade, wenn ich tollen Häuser nicht im Bild festhalten kann.
Von der Eingangshalle gelange ich in den Haupteingangsbereich. Dieser Raum ist der größte, der vom ersten Duke gebaut wurde. Die riesigen Wand- und Deckengemälde sollten die Besucher des Hauses beeindrucken. Und das hat der Duke auf jeden Fall erreicht, denn beeindruckend ist die Halle noch heute.
Während jedoch die Gemälde noch heute original erhalten sind, haben sich Teile des Raumes grundlegend verändert. Die Treppe wurde gleich zweimal umgebaut. Zuerst gab es zwei geschwungene Aufgänge, dann diese eine Treppe, aber mit anderen Balustraden. Die wiederum gefielen einer späteren Herzogin nicht und wurden nun durch die heutigen ersetzt.
Hinter der Treppe gibt es übrigens eine Grotte mit einem kleinen Brunnen. Während der Raum dazu da war, die Treppe zu stützen, wurde der Brunnen eingebaut, um die Besucher zu beeindrucken. Nur sehr wenige Häuser hatten zu jener Zeit fließend Wasser, der Duke of Devonshire hatte sogar warmes und kaltes. Doch zu jener Zeit zeigte man nicht die Bäder und so wurde dieser Brunnen installiert.
Die Gemälde an Decke und Wänden zeigen Szenen aus dem Leben von Julius Cesar. Und das hatte einen ganz besonderen Grund, denn mit dieser Eingangshalle wollte der damalige Earl of Devonshire den Monarchen beeindrucken. Wenn auch der Besuch des Königs nie zustande kam, so bekam der damalige Earl doch schon ein Jahr später den Titel eines Dukes verliehen.
Durch einen zum Innenhof offenen Gang gehe ich weiter. Auch hier sind unzählige Kunstwerke ausgestellt.
Besonders interessant ist hier das kleine Fenster im Boden, dass die alten Rohre zeigt, die das Haus bereits seit seiner Errichtung mit fließendem Wasser versorgten.
Von hier geht es in die Kapelle, der Raum, der noch am besten seit seiner Erbauung erhalten ist.
Der Eichenraum zeigt am besten den Einfluss, den der 6. Duke auf das Haus hatte. Dieser Raum wurde komplett von ihm gestaltet und die Eichenvertäfelung kam aus einem deutschen Kloster. Die geschnitzten Figuren an der Wand verkörpern die Tugenden. Die Bilder hingegen wurden vom Duke eingefügt und zeigen Szenen aus Northumberland und Neapel, den beiden Orten, zu denen der Duke zu reisen liebte.
In einem Nebenraum steht ein Modell des Hauses. Hier kann man sehr schön die verschiedenen Baustufen sehen und auch die Größe des Hauses erfassen.
Über den offenen Gang geht es nun zurück ins Haupthaus.
Im Innenhof des Hauses hat der derzeitige Duke einige modernen Kunstwerke aufstellen lassen.
Zurück in der großen Halle habe ich die Möglichkeit, mich noch einmal auf der anderen Seite des Raumes umzuschauen.
Die Treppengeländer, die der 9. Duke und seine Frau Evelyn 1912 installieren ließen, sind übrigens von derselben Firma, die auch die Tore des Buckingham Palace herstellte.
Über die große Treppe geht es jetzt hinauf in die erste Etage.
Der State Drawing Room und die anschließenden Räume wurden ausgestattet, um einen König zu empfangen. Das war auch der Grund für die opulente Ausstattung, denn der erste Duke hoffte, dass King William III. und Queen Mary II. das Haus besuchen würden. Dazu kam es jedoch nie.
Aus demselben Grund wurde auch der State Bedroom eingerichtet. Hier sollte das Königspaar einst nächtigen. So wurde dieser Raum am prächtigsten von allen ausgestattet. Das heutige Bett stammt allerdings aus der Zeit des 4. Duke, der am Hofe von King George II. diente. Der Duke schaffte es, das Bett als Lohn für geleistete Dienste zu erhalten, nachdem der König in ihm verstorben war. Die Wandteppiche wurden übrigens von der derzeitigen Herzogin aufgehängt und verdeckten die Ledertapete, die der 6. Duke installieren ließ. Der Herzogin gefiel diese nicht und so ließ sie die kostbaren Teppiche anbringen.
Das viele Porzellan stammt hingegen noch aus der Bauzeit des Hauses, denn es erlangte unter Queen Mary II. große Beliebtheit unter den Adligen in England. Viele Teile sind übrigens nur eine Imitation und eigentlich Delft Porzellan. Das ist ein europäischer Nachbau chinesischen Porzellans, das günstiger zu haben war. Jedoch waren die Europäer anfangs nicht in der Lage, echtes Porzellan herzustellen.
Die südliche Galerie zeigt den Stil des 5. Duke und seiner Frau Georgiana und viele der Möbel stammen aus deren Londoner Stadthaus. Die Herzogin sammelte mit Vorliebe Mineralien, von denen auch einige hier zu sehen sind.
Die Unterschriften an der Wand stammen hingegen aus dem Jahr 2009, als dieser Bereich umfassend renoviert wurde. Bevor man die Stoffe an den Wänden anbrachte, durften sowohl Angestellte als auch Unterstützer von Chatsworth auf der Wand ihren Namen hinterlassen. Nur ein winziger Teil ist heute noch zu sehen.
Die westliche Galerie zeigt hingegen Kunst, die durch Hochzeiten oder Erbschaften in die Familie kamen. Meist erbten sie die Ehefrauen, wie die Frau des 4. Duke, die die Tochter des Earl of Burlington war. So kommen einige der Gemälde ursprünglich von seinem Landsitz Chiswick House, der sich in Westlondon befindet.
Das Haus ist einfach der Wahnsinn. Kein Wunder, dass es zu den bekanntesten des Landes zählt. Es ist unglaublich, welche Schätze hier zusammengetragen wurden.
Als Nächstes komme ich zu den Schlafzimmern des Hauses, in denen die Herzöge und Herzoginnen vergangener Zeiten nächtigten. Diese Räume sind nicht ganz so opulent wie die State Apartments, denn sie waren der Familie vorbehalten.
Selbstverständlich gibt es in Chatsworth auch ein Musikzimmer, in dem kostbare Instrumente zu finden sind.
Richtig beeindruckend ist dann aber wieder die große Bibliothek, die in solch einem Herrenhaus natürlich nicht fehlen darf.
Das große Esszimmer gehörte nicht zum ursprünglichen Plan von Chatsworth und wurde vom 6. Duke angebaut. Es wird noch heute von der Familie genutzt. In diesem Raum erlebte die spätere Queen Victoria 1832 ihr erstes formelles Dinner, als sie dreizehn Jahre alt war. Am Tisch können bis zu vierzig Personen Platz nehmen.
Den letzten Raum des Rundgangs erreiche ich durch diesen kurzen Flur. Der Anbau entstand auf Anweisung des 6. Duke, der Chatsworth nicht nur renovierte, sondern auch Skulpturen bei den bekanntesten Künstlern der damaligen Zeit in Auftrag gab. Und für die brauchte er eine Ausstellungsfläche.
Zum Bau des Raumes als solches wurde der 1. Duke durch den Besuch des Vatikans inspiriert. Natürlich, so gab es selbst zu, ist alles ein bisschen kleiner als dort. Die Werke, die hier ausgestellt sind, sind jedoch nicht weniger wertvoll. Viele stammen von Antonio Canova, der ein guter Freund des Dukes war. Seine Skulpturen stehen noch heute auch in den berühmtesten Museen der Welt, wie dem Louvre in Paris, dem Metropolitan Museum of Art in New York, dem V&A in London oder der Borghese Gallery in Rom.
Schließlich bin ich dann doch mit der Hausbesichtigung fertig. Wow, ich bin schwer begeistert, denn solch ein fantastisches Haus sieht man selbst in England eher selten. Die Ausstattung eines Herrenhauses spiegelt ja doch auch immer die Finanzen sowie die Stellung der Familie wider.
Fertig mit meiner Besichtigung von Chatsworth bin ich aber noch lange nicht. Und ich habe langsam Sorge, dass die Zeit knapp wird. Vier Stunden für Haus und Garten waren hier wohl doch etwas knapp angesetzt. Doch nun ist es so und zum Glück hat der Garten ja länger auf als das Haus.
Die Gartenanlage ist, wie auch das Haus, nicht das Produkt eines einzelnen Dukes, sondern entstand über viele Jahrhunderte und wurde auch immer wieder verändert. Selbst der derzeitige Duke und seine Frau haben wieder ein kleines Stück Garten neu anlegen lassen. Doch erst einmal beginne ich an der imposanten Westfassade des Hauses.
Dieser Teil des Gartens wurde einst als Barockgarten angelegt. In den 1760er Jahren jedoch schuf Capability Brown einen Landschaftsgarten und entfernte fast alle Elemente des früheren Gartens. Ganz weg sind sie jedoch nicht, denn im extrem trockenen Jahr 2018 erschienen im Spätsommer auf dem ausgedörrten Rasen plötzlich die alten Muster des Gartens. Diese sind bei meinem Besuch jedoch nicht zu sehen. So kann ich nur den Brunnen in der Mitte des Rasens sehen, der als einziges vom Barockgarten erhalten blieb.
Hinter dem großen Rasen erstreckt sich ein weiterer Teich mit einer riesigen Fontäne, die bis 84 Meter hohe Emperor Fountain. Sie wurde 1826 anlässlich des erwarteten Besuchs von Zar Nikolaus I. von Russland gebaut. Der kam zwar auch nicht, aber der Bau des Beckens war ein wahres Meisterwerk.
In nur sechs Monaten wurde zu diesem Brunnen noch ein weiterer 32.000 Quadratmeter großer See ausgehoben, der 110 Meter höher liegt. Durch den natürlichen Druckunterschied wurde die Fontäne gespeist, die rund 4000 Liter Wasser pro Minute transportiert.
Der Blick über den Brunnen ist die wohl schönste Sicht auf Chatsworth House.
Ich gehe weiter durch den Garten, der in großen Teilen als typisch englischer Landschaftsgarten von Capability Brown geschaffen wurde, lange bevor man den Brunnen mit der großen Fontäne baute.
Schließlich folge ich den verwunschenen Wegen durch einen weiteren Teil des Gartens, der rund um einen natürlichen Graben angelegt wurde. Hier blüht es überall und es ergießt sich ein wahres Farbenmeer.
Teile des Gartens wurden hier erst 1997 neu angelegt. So wurden kleine Wasserfälle geschaffen, die verschiedene Teiche miteinander verbinden.
Der große Irrgarten wurde 1962 angelegt und erstand auf den Fundamenten des wohl größten Projekts, das dieser Garten je gesehen hat. Der 6. Duke beauftragte seinen Gärtner Joseph Paxton ein großes Gewächshaus zu bauen, das sogar das Vorbild des Crystal Palace war, der 1851 zur Weltausstellung in London gebaut wurde. Dieses Gewächshaus war so groß, dass man jährlich 300 Tonnen Kohlen brauchte, um es zu beheizen. Das konnte man sich im beginnenden 20. Jahrhundert und vor allem zu Zeiten des Ersten Weltkrieges jedoch nicht mehr leisten und da auch die Arbeitskräfte wegen des Krieges fehlten, verfiel das Gebäude zusehends. Im Jahr 1920 wurde es schließlich abgerissen. Die kleinen Mauern im Vordergrund waren einst die Fundamente.
Durch dieses Tor gelange ich schließlich zum Steingarten. Dieser wurde ebenfalls von Joseph Paxton angelegt, da Steingärten in der Mitte des 19. Jahrhunderts modern waren.
Nur wenige Steingärten wurden jedoch mit solch großen Steinen geschaffen. Sie sind so platziert, dass sie wie in der Natur wirken. Teilweise hat man das Gefühl, sie würden gleich kippen. Sie wurden aber mithilfe einer Dampfmaschine, die Paxton extra für diesen Zweck erfunden hatte, genau so positioniert.
Durch eine Sichtachse hinter dem Steingarten habe ich schließlich wieder Blickkontakt mit Chatsworth House.
Kurz vor dem Ende meines Rundgangs komme ich noch an der großen Wasserkaskade vorbei, die wiederum so alt wie das Haus ist und vom 1. Duke in Auftrag gegeben wurde. Durch ein ausgeklügeltes System wurde die über 200 Meter lange Kaskade mit Wasser versorgt.
Langsam muss ich mich sputen, denn es ist kurz vor sechs und die Besucher werden gebeten, sich zum Ausgang zu begeben. Meine Güte ist das riesig hier, das ist mir so auch noch nicht passiert, dass ich ein Anwesen derart unterschätzt habe. Dagegen war Harewood ja geradezu niedlich.
Nun gut, lege ich halt einen Zahn zu, damit ich wenigstens noch den letzten Teil des Gartens kurz sehen kann. Fünfzehn Minuten habe ich ja noch. Da es im Sommer so spät dunkel wird, merkt aber auch gar nicht, wie die Zeit vergeht.
In der Ferne entdecke ich ein modernes Gewächshaus, für das die Zeit heute aber einfach nicht mehr reicht. Ebenso muss ich die Grotte, das Kaskadenhaus, den Küchengarten und einiges mehr eben auf einen weiteren Besuch verschieben.
Einen kurzen Blick werfe ich noch in die alten Gewächshäuser, die sich gleich neben dem Ausgang befinden.
Und da ich tatsächlich am Ende noch fünf Minuten Zeit habe, verkauft man mir sogar noch ein Eis.
Chatsworth besitzt ebenso wie die meisten Herrenhäuser auch noch tolle Stallungen, in denen inzwischen ein Café und der Shop untergebracht sind. Heute reicht dafür die Zeit aber auch nicht mehr, denn dafür habe ich mich einfach zu lange im Haus und dem tollen Garten aufgehalten und selbst dort nicht alles gesehen.
Durch den südlichen Peak District fahre ich noch ein Stück weiter und dabei passiert mir etwas Seltsames. Es gibt ja in England viele enge Nebenstraßen, die oft nicht für LKW geeignet sind und ein blaues Schild mit entsprechendem Text weist drauf hin. Mein Navi führt mich nun auf eine Straße, an der ein solches Schild steht, nur dass hier generell gesagt wird, dass die Strecke für Fahrzeuge nicht empfohlen wird. Die Durchfahrt ist aber nicht verboten und da ich so etwas bisher nicht kannte, habe ich mir nichts weiter dabei gedacht.
Also weiter, doch plötzlich wird die Straße extrem schmal. Links und rechts türmen sich Steine auf, richtig große Brocken und es scheint fast, als hätte man diesen Weg einst mittendurch geschlagen. Dann wird es so schmal, dass vielleicht noch eine handbreit Platz zwischen Auto und Wand ist, ich muss sogar die Spiegel einklappen. Ich schwitze ganz schön, doch schaffe es, das Auto heil hindurchzubringen. Umdrehen war auch keine Option, denn rangieren war an dieser Stelle nicht möglich.
Am Abend komme ich in Milton Keynes an, wo ich mich im mir schon bekannten DoubleTree by Hilton einquartiere. Dieses Mal bekomme ich allerdings keine Suite, sondern ein Zimmer mit Blick in das Stadion. Das ist auch mal interessant, selbst wenn ich persönlich die Suiten vorziehe, da ich jetzt nicht so der Fußball Fan bin.
Ansonsten bin ich wieder sehr zufrieden im Hotel und gehen zum Abendessen zu Bella Italia, das gleich gegenüber liegt.
Meilen: 262
Wetter: heiter, 14–24 Grad
Hotel: Doubletree by Hilton Milton Keynes