Cross Country – Frühling in Schottland

Tag 8 – Frei­tag, 01. Juni 2018
Tre­a­su­re Hou­ses – Sun­der­land nach Mil­ton Keynes

„The most expen­si­ve hob­by a rich man could have is a boat, and the second most expen­si­ve hob­by he could have is a very old hou­se.” – Bar­ba­ra Corcoran

Der Tag star­tet noch ein­mal etwas trü­be. Nebel hat sich über der Küste breit gemacht und hält sich recht hart­näckig. So bre­che ich recht früh wie­der auf und fah­re wei­ter nach Süden. Nor­th­um­ber­land und auch die Gegend um York las­se ich schnell hin­ter mir und dann tat­säch­lich auch den Nebel. Die Son­ne kommt zumin­dest etwas her­aus und das passt mir gut, denn als Näch­stes steht wie­der eines der Tre­a­su­re Hou­ses, der größ­ten und bekann­te­sten Her­ren­häu­ser Eng­lands, auf dem Plan.

Schon die Ein­fahrt nach Hare­wood Hou­se ist beein­druckend. Durch ein gro­ßes Tor­haus führt die Stra­ße auf das Anwe­sen, das sich nörd­lich von Leeds in Eng­land befindet.

Nach­dem ich mei­nen HHA-​Pass vor­ge­zeigt habe (ein Besuch im Jahr ist inklu­diert) und mein Auto geparkt habe, schaue ich kurz bei den alten Stal­lun­gen vor­bei, die heu­te ein Café und einen Shop beherbergen.

Lan­ge hal­te ich mich aber nicht auf, son­dern gehe direkt zum Her­ren­haus. Die schön­ste Ansicht hat man von der wun­der­schön ange­leg­ten Ter­ras­se, die sich momen­tan auch per­fekt in der Son­ne befindet.

Hare­wood Hou­se wur­de zwi­schen 1759 und 1770 für die Fami­lie Las­cel­les, die spä­te­ren Earls of Hare­wood, erbaut und ist beson­ders für sei­ne zahl­rei­chen Chip­penda­le Möbel bekannt. Noch heu­te bewohnt die Fami­lie das Anwe­sen, der­zeit ist der 8. Earl of Hare­wood Ober­haupt, der auch als Film­pro­du­zent bekannt ist.

Die herr­li­che Ter­ras­se, auf der ich gera­de ste­he, wur­de vom bri­ti­schen Archi­tek­ten und Land­schafts­gärt­ner Charles Ber­ry ent­wor­fen, wäh­rend der rest­li­che Gar­ten eine Arbeit von Capa­bi­li­ty Brown ist. Dreht man sich vom Haus weg, schweift der Blick weit über die Land­schaft. Da die Wie­sen zu den Län­de­rei­en von Hare­wood gehö­ren, ist der Blick auch heu­te noch völ­lig unverbaut.

Nach der Besich­ti­gung der schö­nen Ter­ras­se gehe ich durch einen klei­nen Gar­ten zurück zur Rück­sei­te des Hauses.

Lei­der hält der Son­nen­schein nicht lan­ge an und schon als ich auf der Rück­sei­te ankom­me, schie­ben sich wie­der dicke­re Wol­ken über den Him­mel. Erst ein­mal stört mich das aller­dings weni­ger, denn für mich steht die Innen­be­sich­ti­gung an.

Als ich das Haus betre­te, wer­de ich gleich dar­über infor­miert, dass ich selbst­ver­ständ­lich foto­gra­fie­ren darf. Das ist super und freut mich sehr. Die Ein­gangs­hal­le ist sehr opu­lent, wie es typisch für Archi­tekt Robert Adam ist. Die Skulp­tur in der Mit­te ist aller­dings neue­ren Datum. Unter dem Titel „Adam” wur­de sie 1938 von Sir Jacob Epstein geschaf­fen und vie­le Jah­re eher zöger­lich aus­ge­stellt, bevor der 7. Earl auf Hare­wood sie kauf­te. Die Stüh­le in der Hal­le sind die ersten von unzäh­li­gen Tho­mas Cip­penda­le Möbeln, die ich zu sehen bekomme.

Nach dem Durch­que­ren der Ein­gangs­hal­le lan­de ich zuerst in der alten Biblio­thek. Sie ist eine von drei Biblio­the­ken im Haus und wur­de bereits ab 1760 aus­ge­stat­tet. Der Raum ist im typi­schen Stil von Archi­tekt Robert Adam gestal­tet und die blau­en Stüh­le sind ech­te Tho­mas Chippendale.

Anläss­lich der Hoch­zeit von Prinz Har­ry gab es wäh­rend mei­nes Besu­ches in der Biblio­thek eine ganz beson­de­re Foto­aus­stel­lung, denn Hare­wood hat einst sei­ne eige­ne roya­le Hoch­zeit gese­hen. Es war 1921, als der Buck­ing­ham Palace bekannt gab, dass Prin­zes­sin Mary, die älte­ste Toch­ter von King Geor­ge V. und Queen Mary, sich mit Hen­ry, Vis­count Las­cel­les, dem spä­te­ren 6. Earl of Hare­wood, ver­lo­ben wür­de. Die Hoch­zeit fand am 28. Febru­ar 1922 in West­min­ster Abbey statt.

Wun­der­schön sind auch die Decken der ein­zel­nen Räu­me, wie hier in der alten Biblio­thek. Beim Bau des Hau­ses wur­den ein­fach kei­ne Mühen und Kosten gespart.

Der näch­ste Raum war einst das Schlaf­zim­mer von Edwin Las­cel­les, dem Bau­her­ren von Hare­wood Hou­se. Am bemer­kens­wer­te­sten ist die chi­ne­si­sche Tape­te, denn die­se befand sich einst in einem Schlaf­zim­mer im ersten Stock, wo heu­te die Fami­lie wohnt. Doch irgend­wann im 19. Jahr­hun­dert moch­ten die Bewoh­ner sie nicht mehr und so wur­de die Tape­te von den Wän­den geschnit­ten. Da man aber zu jener Zeit nie etwas weg­warf, wur­de sie ver­packt und ver­staut. Rund 200 Jah­re spä­ter wur­de die Tape­te wie­der ent­deckt und hier auf­ge­hängt. Erstaun­lich, wie gut sie erhal­ten ist.

Jetzt kom­me ich in das Wohn­zim­mer des Earls. Schon seit der 6. Earl Hare­wood hier wohn­te, wur­de die­ser Raum nach dem Geschmack des der­zei­ti­gen Haus­herrn ein­ge­rich­tet. Und so wur­de hier 2015 zuletzt umde­ko­riert, als der 8. Earl Hare­wood Hou­se über­nahm. An den Wän­den ist die pri­va­te Gemäl­de­samm­lung von David and Dia­ne Las­cel­les, dem 8. Earl und der Count­ess of Hare­wood zu sehen.

Die spa­ni­sche Biblio­thek ist ein wei­te­rer Raum, den ich besich­ti­ge. Hier waren nicht immer Bücher unter­ge­bracht. Wie es in einem bewohn­ten Haus so ist, hat jede Gene­ra­ti­on Zim­mer auch ein­mal umde­ko­riert und ver­legt. So war die­ses Zim­mer auch schon Früh­stücks­raum, Arbeits­zim­mer und vie­les mehr.

Der Sta­te Bed­room ist etwas, das vie­le Her­ren­häu­ser besa­ßen. Die­ses Schlaf­zim­mer wur­de nur sel­ten genutzt und war für ganz beson­de­re Gäste reser­viert. In die­sem Raum über­nach­te­ten 1835 Queen Vic­to­ria noch vor ihrer Krö­nung sowie 1816 Her­zog Nico­las von Russ­land. In der vik­to­ria­ni­schen Zeit war die­ses Zim­mer übri­gens ein Wohn­raum und das Bett wur­de aus­ein­an­der­ge­nom­men und ein­ge­la­gert. Erst 1999 restau­rier­te man den Raum wie­der in sei­ner ursprüng­li­chen Pracht.

Schließ­lich kom­me ich auch noch in die drit­te Biblio­thek des Hau­ses, die Haupt­bi­blio­thek. In den Bücher­re­ga­len der drei Räu­me lagern über 11.000 Bücher aus mehr als drei Jahrhunderten.

Der gel­be Salon ist wie­der ein Mei­ster­werk der Fami­lie Chip­penda­le, die sowohl Möbel als auch Spie­gel lie­fer­te. Nach dem Tod des Vaters been­de­te sein Sohn 1779 die Aus­stat­tung die­ses Raumes.

Das zimt­far­be­ne Zim­mer war einst als das wei­ße Zim­mer bekannt und kom­plett in Weiß und Gold gehal­ten. Spä­ter wur­den die Wän­de mit grü­nem Damast bespannt und schließ­lich wech­sel­te man zu die­ser Far­be. Auch hier wur­de in vik­to­ria­ni­scher Zeit noch vie­les mehr ver­än­dert. So kamen Spie­gel und die hal­ben Tische dar­un­ter erst 1989, nach über 150 Jah­ren, aus dem Lager zurück in die­sem Raum. Es dau­er­te zwei Jah­re, sie wie­der rich­tig zusam­men­zu­set­zen, denn sie waren in unzäh­li­ge Ein­zel­tei­le zerlegt.

Auch die wun­der­ba­ren Decken waren lan­ge Zeit über­tüncht und wur­den erst vor rund 30 Jah­ren restauriert.

Von die­sem Zim­mer habe ich auch einen tol­len Blick über die Ter­ras­se und dar­über hinaus.

Ein abso­lut beein­drucken­der Raum ist auch die 23 Meter lan­ge und sie­ben Meter brei­te Gale­rie, die sich über die gesam­te West­front des Hau­ses erstreckt. Die Spie­gel kom­men hier eben­falls aus dem Hau­se Chippendale.

Die sechs Meter hohe Decke ist wun­der­schön ver­ziert und sogar mit klei­nen Gemäl­den ver­se­hen. Die­ser Raum wird noch heu­te als ein Mei­ster­werk von Robert Adam angesehen.

Der vor­letz­te Raum der Bel­le Eta­ge ist das Ess­zim­mer. Die­ser Raum wur­de am mei­sten ver­än­dert, als Sir Charles Bar­ry das Haus in den 1840er Jah­ren umbau­te. Vom Robert Adam Design ist hier fast nichts erhal­ten geblie­ben. Mit Aus­nah­me des Mobi­li­ars, das auch hier von Tho­mas Chip­penda­le stammt.

Das letz­te Zim­mer ist das Musik­zim­mer und einer der am besten erhal­te­nen Robert Adam Räu­me im gan­zen Haus. Der gro­ße Stein­way Flü­gel wur­de vom 6. Earl und Prin­zes­sin Mary gekauft, die eine begab­te Pia­ni­stin war.

Nun geht es über das hin­te­re Trep­pen­haus wei­ter in das Reich der Bedien­ste­ten geht, noch ein klei­ner Fakt zu den herr­schaft­li­chen Räu­men. In allen Zim­mern gibt es heu­te über 400 Glüh­bir­nen und man benö­tigt rund 120 Stun­den im Jahr, um die­se aus­zu­tau­schen. Das sind rund 2 1/​2 Stun­den in der Woche.

Die­ser Raum war die kal­te Küche und wur­de frü­her dazu genutzt, klei­ne Mahl­zei­ten wie das Früh­stück vor­zu­be­rei­ten und auch zum Ein­wecken von Früchten.

In einem wei­te­ren Raum wur­de das fri­sche Obst und Gemü­se aus dem Gar­ten geputzt und zubereitet.

Der beein­druckend­ste Raum aber ist die gro­ße Küche. Da in Hare­wood Hou­se nur die besten Archi­tek­ten und Hand­wer­ker gebaut haben, ist selbst sie ein Kunst­werk. 1996 wur­de der Raum restau­riert und für Besu­cher geöff­net. Dazu wur­de der Zustand von 1774 wie­der hergestellt.

Ein inter­es­san­ter Fakt zur Küche: Es gibt über 250 Kup­fer­ge­fä­ße und im Win­ter, wenn das Haus geschlos­sen hat, braucht das Per­so­nal rund 50 Stun­den, um die­se zu rei­ni­gen und zu polieren.

Zu Hare­wood Hou­se gehört auch ein gro­ßer Gar­ten, der teil­wei­se auch eine Art Tier­park ist. So ist es hier bedeu­tend vol­ler als im Haus, denn vor allem Fami­li­en schei­nen die­sen Aus­flug gern zu machen. Trotz­dem fin­den sich in der Fül­le von Wegen immer wie­der ruhi­ge Plätzchen.

Das High­light der Anla­ge sind die Pin­gui­ne. Um das Becken herrscht gro­ßer Tru­bel und beson­ders die Kin­der sam­meln sich hier in Scha­ren. Es ist aber auch nied­lich, den Gesel­len im Frack zuzuschauen.

Schließ­lich mache ich mich aber doch auf den Weg zum Aus­gang, denn ich habe noch ein gan­zes Stück Strecke vor mir. Hare­wood hat mir aber auf jeden Fall sehr gut gefallen.

Auch in die­ser Gegend gibt es noch vie­le tol­le Orte zu besich­ti­gen und eini­ges habe ich auch schon ange­schaut, doch ich muss die­ses Mal wei­ter. Der Schott­land Abste­cher hat es ja nun mal mit sich gebracht, dass ich ein paar Fahr­ta­ge in der Rei­se habe. Einen wei­te­ren Stopp lege ich aber heu­te noch ein und der führt mich zu einem der letz­ten Tre­a­su­re Hou­ses, das ich noch nicht ken­ne, nach Chatsworth.

Schon die Anfahrt kann man ein­fach nur als spek­ta­ku­lär bezeich­nen, denn das Anwe­sen, das sich im Peak District Natio­nal Park befin­det, ist so groß, dass die Stra­ße mit­ten hin­durch­führt und schon ein­mal tol­le Aus­blicke erlaubt.

Ein­mal um das Haus her­um liegt der Park­platz, der lei­der kosten­pflich­tig ist. Als ich mit mei­ner Visa Card zah­len will, geht das jedoch nicht. Das Pro­blem habe aber nicht nur ich, denn in ganz Groß­bri­tan­ni­en gibt es anschei­nend ein mas­si­ves Pro­blem, sodass Visa Kar­ten nicht ein­ge­setzt wer­den kön­nen. Und da ich gera­de kein Klein­geld habe und der Herr auch nicht wech­seln kann, darf ich kosten­los par­ken. Das ist doch nett.

Vom Park­platz aus gibt es zwei Ein­gän­ge. Einer führt zum Gar­ten, der ande­re zum Haus. Wäh­rend der Besuch des Gar­tens ein­mal im Jahr in der HHA-​Mitgliedschaft inklu­diert ist, muss ich hier für das Haus ein Zusatz­ticket lösen. Zehn Pfund wer­den dafür noch ein­mal fällig.

Da sich die Son­ne gera­de mal wie­der etwas rar macht, beschlie­ße ich, mit der Haus­be­sich­ti­gung zu star­ten. Außer­dem hat der Gar­ten län­ger geöff­net als das Haus, sodass die­se Rei­hen­fol­ge auf jeden Fall Sinn macht.

Inter­es­san­te Tie­re hat man hier am Zugang zum Haus zu sit­zen. In Stein geschla­ge­ne Zie­gen habe ich auch noch nicht gesehen.

Chats­worth wur­de zwi­schen 1686 und 1707 für Wil­liam Caven­dish, 1. Duke of Devenshire im klas­si­zi­sti­schen Stil erbaut und wird noch heu­te von der Fami­lie bewohnt. Das Haus besitzt über 175 Räu­me und ist eines der bekann­te­sten Her­ren­häu­ser Eng­lands. Zu den Schät­zen gehö­ren neben der opu­len­ten Aus­stat­tung auch Wer­ke vie­ler bedeu­ten­der Künst­ler wie Renoir, Cana­let­to, Rem­brandt oder van Dyck.

Ich betre­te da Haus und zei­ge mei­ne Ein­tritts­kar­te vor. Ganz von den Socken bin ich dann, als man mir auch hier mit­teilt, dass ich hier eben­falls selbst­ver­ständ­lich foto­gra­fie­ren dür­fe. Na das ist doch mal eine tol­le Nach­richt, denn ich fin­de es immer total scha­de, wenn ich tol­len Häu­ser nicht im Bild fest­hal­ten kann.

Von der Ein­gangs­hal­le gelan­ge ich in den Haupt­ein­gangs­be­reich. Die­ser Raum ist der größ­te, der vom ersten Duke gebaut wur­de. Die rie­si­gen Wand- und Decken­ge­mäl­de soll­ten die Besu­cher des Hau­ses beein­drucken. Und das hat der Duke auf jeden Fall erreicht, denn beein­druckend ist die Hal­le noch heute.

Wäh­rend jedoch die Gemäl­de noch heu­te ori­gi­nal erhal­ten sind, haben sich Tei­le des Rau­mes grund­le­gend ver­än­dert. Die Trep­pe wur­de gleich zwei­mal umge­baut. Zuerst gab es zwei geschwun­ge­ne Auf­gän­ge, dann die­se eine Trep­pe, aber mit ande­ren Balu­stra­den. Die wie­der­um gefie­len einer spä­te­ren Her­zo­gin nicht und wur­den nun durch die heu­ti­gen ersetzt.

Hin­ter der Trep­pe gibt es übri­gens eine Grot­te mit einem klei­nen Brun­nen. Wäh­rend der Raum dazu da war, die Trep­pe zu stüt­zen, wur­de der Brun­nen ein­ge­baut, um die Besu­cher zu beein­drucken. Nur sehr weni­ge Häu­ser hat­ten zu jener Zeit flie­ßend Was­ser, der Duke of Devon­shire hat­te sogar war­mes und kal­tes. Doch zu jener Zeit zeig­te man nicht die Bäder und so wur­de die­ser Brun­nen installiert.

Die Gemäl­de an Decke und Wän­den zei­gen Sze­nen aus dem Leben von Juli­us Cesar. Und das hat­te einen ganz beson­de­ren Grund, denn mit die­ser Ein­gangs­hal­le woll­te der dama­li­ge Earl of Devon­shire den Mon­ar­chen beein­drucken. Wenn auch der Besuch des Königs nie zustan­de kam, so bekam der dama­li­ge Earl doch schon ein Jahr spä­ter den Titel eines Dukes verliehen.

Durch einen zum Innen­hof offe­nen Gang gehe ich wei­ter. Auch hier sind unzäh­li­ge Kunst­wer­ke ausgestellt.

Beson­ders inter­es­sant ist hier das klei­ne Fen­ster im Boden, dass die alten Roh­re zeigt, die das Haus bereits seit sei­ner Errich­tung mit flie­ßen­dem Was­ser versorgten.

Von hier geht es in die Kapel­le, der Raum, der noch am besten seit sei­ner Erbau­ung erhal­ten ist.

Der Eichen­raum zeigt am besten den Ein­fluss, den der 6. Duke auf das Haus hat­te. Die­ser Raum wur­de kom­plett von ihm gestal­tet und die Eichen­ver­tä­fe­lung kam aus einem deut­schen Klo­ster. Die geschnitz­ten Figu­ren an der Wand ver­kör­pern die Tugen­den. Die Bil­der hin­ge­gen wur­den vom Duke ein­ge­fügt und zei­gen Sze­nen aus Nor­th­um­ber­land und Nea­pel, den bei­den Orten, zu denen der Duke zu rei­sen liebte.

In einem Neben­raum steht ein Modell des Hau­ses. Hier kann man sehr schön die ver­schie­de­nen Bau­stu­fen sehen und auch die Grö­ße des Hau­ses erfassen.

Über den offe­nen Gang geht es nun zurück ins Haupthaus.

Im Innen­hof des Hau­ses hat der der­zei­ti­ge Duke eini­ge moder­nen Kunst­wer­ke auf­stel­len lassen.

Zurück in der gro­ßen Hal­le habe ich die Mög­lich­keit, mich noch ein­mal auf der ande­ren Sei­te des Rau­mes umzuschauen.

Die Trep­pen­ge­län­der, die der 9. Duke und sei­ne Frau Eve­lyn 1912 instal­lie­ren lie­ßen, sind übri­gens von der­sel­ben Fir­ma, die auch die Tore des Buck­ing­ham Palace herstellte.

Über die gro­ße Trep­pe geht es jetzt hin­auf in die erste Etage.

Der Sta­te Dra­wing Room und die anschlie­ßen­den Räu­me wur­den aus­ge­stat­tet, um einen König zu emp­fan­gen. Das war auch der Grund für die opu­len­te Aus­stat­tung, denn der erste Duke hoff­te, dass King Wil­liam III. und Queen Mary II. das Haus besu­chen wür­den. Dazu kam es jedoch nie.

Aus dem­sel­ben Grund wur­de auch der Sta­te Bed­room ein­ge­rich­tet. Hier soll­te das Königs­paar einst näch­ti­gen. So wur­de die­ser Raum am präch­tig­sten von allen aus­ge­stat­tet. Das heu­ti­ge Bett stammt aller­dings aus der Zeit des 4. Duke, der am Hofe von King Geor­ge II. dien­te. Der Duke schaff­te es, das Bett als Lohn für gelei­ste­te Dien­ste zu erhal­ten, nach­dem der König in ihm ver­stor­ben war. Die Wand­tep­pi­che wur­den übri­gens von der der­zei­ti­gen Her­zo­gin auf­ge­hängt und ver­deck­ten die Leder­ta­pe­te, die der 6. Duke instal­lie­ren ließ. Der Her­zo­gin gefiel die­se nicht und so ließ sie die kost­ba­ren Tep­pi­che anbringen.

Das vie­le Por­zel­lan stammt hin­ge­gen noch aus der Bau­zeit des Hau­ses, denn es erlang­te unter Queen Mary II. gro­ße Beliebt­heit unter den Adli­gen in Eng­land. Vie­le Tei­le sind übri­gens nur eine Imi­ta­ti­on und eigent­lich Delft Por­zel­lan. Das ist ein euro­päi­scher Nach­bau chi­ne­si­schen Por­zel­lans, das gün­sti­ger zu haben war. Jedoch waren die Euro­pä­er anfangs nicht in der Lage, ech­tes Por­zel­lan herzustellen.

Die süd­li­che Gale­rie zeigt den Stil des 5. Duke und sei­ner Frau Geor­gia­na und vie­le der Möbel stam­men aus deren Lon­do­ner Stadt­haus. Die Her­zo­gin sam­mel­te mit Vor­lie­be Mine­ra­li­en, von denen auch eini­ge hier zu sehen sind.

Die Unter­schrif­ten an der Wand stam­men hin­ge­gen aus dem Jahr 2009, als die­ser Bereich umfas­send reno­viert wur­de. Bevor man die Stof­fe an den Wän­den anbrach­te, durf­ten sowohl Ange­stell­te als auch Unter­stüt­zer von Chats­worth auf der Wand ihren Namen hin­ter­las­sen. Nur ein win­zi­ger Teil ist heu­te noch zu sehen.

Die west­li­che Gale­rie zeigt hin­ge­gen Kunst, die durch Hoch­zei­ten oder Erb­schaf­ten in die Fami­lie kamen. Meist erb­ten sie die Ehe­frau­en, wie die Frau des 4. Duke, die die Toch­ter des Earl of Bur­ling­ton war. So kom­men eini­ge der Gemäl­de ursprüng­lich von sei­nem Land­sitz Chis­wick Hou­se, der sich in West­lon­don befindet.

Das Haus ist ein­fach der Wahn­sinn. Kein Wun­der, dass es zu den bekann­te­sten des Lan­des zählt. Es ist unglaub­lich, wel­che Schät­ze hier zusam­men­ge­tra­gen wurden.

Als Näch­stes kom­me ich zu den Schlaf­zim­mern des Hau­ses, in denen die Her­zö­ge und Her­zo­gin­nen ver­gan­ge­ner Zei­ten näch­tig­ten. Die­se Räu­me sind nicht ganz so opu­lent wie die Sta­te Apart­ments, denn sie waren der Fami­lie vorbehalten.


Selbst­ver­ständ­lich gibt es in Chats­worth auch ein Musik­zim­mer, in dem kost­ba­re Instru­men­te zu fin­den sind.

Rich­tig beein­druckend ist dann aber wie­der die gro­ße Biblio­thek, die in solch einem Her­ren­haus natür­lich nicht feh­len darf.

Das gro­ße Ess­zim­mer gehör­te nicht zum ursprüng­li­chen Plan von Chats­worth und wur­de vom 6. Duke ange­baut. Es wird noch heu­te von der Fami­lie genutzt. In die­sem Raum erleb­te die spä­te­re Queen Vic­to­ria 1832 ihr erstes for­mel­les Din­ner, als sie drei­zehn Jah­re alt war. Am Tisch kön­nen bis zu vier­zig Per­so­nen Platz nehmen.

Den letz­ten Raum des Rund­gangs errei­che ich durch die­sen kur­zen Flur. Der Anbau ent­stand auf Anwei­sung des 6. Duke, der Chats­worth nicht nur reno­vier­te, son­dern auch Skulp­tu­ren bei den bekann­te­sten Künst­lern der dama­li­gen Zeit in Auf­trag gab. Und für die brauch­te er eine Ausstellungsfläche.

Zum Bau des Rau­mes als sol­ches wur­de der 1. Duke durch den Besuch des Vati­kans inspi­riert. Natür­lich, so gab es selbst zu, ist alles ein biss­chen klei­ner als dort. Die Wer­ke, die hier aus­ge­stellt sind, sind jedoch nicht weni­ger wert­voll. Vie­le stam­men von Anto­nio Cano­va, der ein guter Freund des Dukes war. Sei­ne Skulp­tu­ren ste­hen noch heu­te auch in den berühm­te­sten Muse­en der Welt, wie dem Lou­vre in Paris, dem Metro­po­li­tan Muse­um of Art in New York, dem V&A in Lon­don oder der Borg­he­se Gal­lery in Rom.

Schließ­lich bin ich dann doch mit der Haus­be­sich­ti­gung fer­tig. Wow, ich bin schwer begei­stert, denn solch ein fan­ta­sti­sches Haus sieht man selbst in Eng­land eher sel­ten. Die Aus­stat­tung eines Her­ren­hau­ses spie­gelt ja doch auch immer die Finan­zen sowie die Stel­lung der Fami­lie wider.

Fer­tig mit mei­ner Besich­ti­gung von Chats­worth bin ich aber noch lan­ge nicht. Und ich habe lang­sam Sor­ge, dass die Zeit knapp wird. Vier Stun­den für Haus und Gar­ten waren hier wohl doch etwas knapp ange­setzt. Doch nun ist es so und zum Glück hat der Gar­ten ja län­ger auf als das Haus.

Die Gar­ten­an­la­ge ist, wie auch das Haus, nicht das Pro­dukt eines ein­zel­nen Dukes, son­dern ent­stand über vie­le Jahr­hun­der­te und wur­de auch immer wie­der ver­än­dert. Selbst der der­zei­ti­ge Duke und sei­ne Frau haben wie­der ein klei­nes Stück Gar­ten neu anle­gen las­sen. Doch erst ein­mal begin­ne ich an der impo­san­ten West­fas­sa­de des Hauses.

Die­ser Teil des Gar­tens wur­de einst als Barock­gar­ten ange­legt. In den 1760er Jah­ren jedoch schuf Capa­bi­li­ty Brown einen Land­schafts­gar­ten und ent­fern­te fast alle Ele­men­te des frü­he­ren Gar­tens. Ganz weg sind sie jedoch nicht, denn im extrem trocke­nen Jahr 2018 erschie­nen im Spät­som­mer auf dem aus­ge­dörr­ten Rasen plötz­lich die alten Muster des Gar­tens. Die­se sind bei mei­nem Besuch jedoch nicht zu sehen. So kann ich nur den Brun­nen in der Mit­te des Rasens sehen, der als ein­zi­ges vom Barock­gar­ten erhal­ten blieb.

Hin­ter dem gro­ßen Rasen erstreckt sich ein wei­te­rer Teich mit einer rie­si­gen Fon­tä­ne, die bis 84 Meter hohe Emper­or Foun­tain. Sie wur­de 1826 anläss­lich des erwar­te­ten Besuchs von Zar Niko­laus I. von Russ­land gebaut. Der kam zwar auch nicht, aber der Bau des Beckens war ein wah­res Meisterwerk.

In nur sechs Mona­ten wur­de zu die­sem Brun­nen noch ein wei­te­rer 32.000 Qua­drat­me­ter gro­ßer See aus­ge­ho­ben, der 110 Meter höher liegt. Durch den natür­li­chen Druck­un­ter­schied wur­de die Fon­tä­ne gespeist, die rund 4000 Liter Was­ser pro Minu­te transportiert.

Der Blick über den Brun­nen ist die wohl schön­ste Sicht auf Chats­worth House.

Ich gehe wei­ter durch den Gar­ten, der in gro­ßen Tei­len als typisch eng­li­scher Land­schafts­gar­ten von Capa­bi­li­ty Brown geschaf­fen wur­de, lan­ge bevor man den Brun­nen mit der gro­ßen Fon­tä­ne baute.

Schließ­lich fol­ge ich den ver­wun­sche­nen Wegen durch einen wei­te­ren Teil des Gar­tens, der rund um einen natür­li­chen Gra­ben ange­legt wur­de. Hier blüht es über­all und es ergießt sich ein wah­res Farbenmeer.

Tei­le des Gar­tens wur­den hier erst 1997 neu ange­legt. So wur­den klei­ne Was­ser­fäl­le geschaf­fen, die ver­schie­de­ne Tei­che mit­ein­an­der verbinden.

Der gro­ße Irr­gar­ten wur­de 1962 ange­legt und erstand auf den Fun­da­men­ten des wohl größ­ten Pro­jekts, das die­ser Gar­ten je gese­hen hat. Der 6. Duke beauf­trag­te sei­nen Gärt­ner Joseph Pax­t­on ein gro­ßes Gewächs­haus zu bau­en, das sogar das Vor­bild des Cry­stal Palace war, der 1851 zur Welt­aus­stel­lung in Lon­don gebaut wur­de. Die­ses Gewächs­haus war so groß, dass man jähr­lich 300 Ton­nen Koh­len brauch­te, um es zu behei­zen. Das konn­te man sich im begin­nen­den 20. Jahr­hun­dert und vor allem zu Zei­ten des Ersten Welt­krie­ges jedoch nicht mehr lei­sten und da auch die Arbeits­kräf­te wegen des Krie­ges fehl­ten, ver­fiel das Gebäu­de zuse­hends. Im Jahr 1920 wur­de es schließ­lich abge­ris­sen. Die klei­nen Mau­ern im Vor­der­grund waren einst die Fundamente.

Durch die­ses Tor gelan­ge ich schließ­lich zum Stein­gar­ten. Die­ser wur­de eben­falls von Joseph Pax­t­on ange­legt, da Stein­gär­ten in der Mit­te des 19. Jahr­hun­derts modern waren.

Nur weni­ge Stein­gär­ten wur­den jedoch mit solch gro­ßen Stei­nen geschaf­fen. Sie sind so plat­ziert, dass sie wie in der Natur wir­ken. Teil­wei­se hat man das Gefühl, sie wür­den gleich kip­pen. Sie wur­den aber mit­hil­fe einer Dampf­ma­schi­ne, die Pax­t­on extra für die­sen Zweck erfun­den hat­te, genau so positioniert.

Durch eine Sicht­ach­se hin­ter dem Stein­gar­ten habe ich schließ­lich wie­der Blick­kon­takt mit Chats­worth House.

Kurz vor dem Ende mei­nes Rund­gangs kom­me ich noch an der gro­ßen Was­ser­kas­ka­de vor­bei, die wie­der­um so alt wie das Haus ist und vom 1. Duke in Auf­trag gege­ben wur­de. Durch ein aus­ge­klü­gel­tes System wur­de die über 200 Meter lan­ge Kas­ka­de mit Was­ser versorgt.

Lang­sam muss ich mich spu­ten, denn es ist kurz vor sechs und die Besu­cher wer­den gebe­ten, sich zum Aus­gang zu bege­ben. Mei­ne Güte ist das rie­sig hier, das ist mir so auch noch nicht pas­siert, dass ich ein Anwe­sen der­art unter­schätzt habe. Dage­gen war Hare­wood ja gera­de­zu niedlich.

Nun gut, lege ich halt einen Zahn zu, damit ich wenig­stens noch den letz­ten Teil des Gar­tens kurz sehen kann. Fünf­zehn Minu­ten habe ich ja noch. Da es im Som­mer so spät dun­kel wird, merkt aber auch gar nicht, wie die Zeit vergeht.

In der Fer­ne ent­decke ich ein moder­nes Gewächs­haus, für das die Zeit heu­te aber ein­fach nicht mehr reicht. Eben­so muss ich die Grot­te, das Kas­ka­den­haus, den Küchen­gar­ten und eini­ges mehr eben auf einen wei­te­ren Besuch verschieben.

Einen kur­zen Blick wer­fe ich noch in die alten Gewächs­häu­ser, die sich gleich neben dem Aus­gang befinden.

Und da ich tat­säch­lich am Ende noch fünf Minu­ten Zeit habe, ver­kauft man mir sogar noch ein Eis.

Chats­worth besitzt eben­so wie die mei­sten Her­ren­häu­ser auch noch tol­le Stal­lun­gen, in denen inzwi­schen ein Café und der Shop unter­ge­bracht sind. Heu­te reicht dafür die Zeit aber auch nicht mehr, denn dafür habe ich mich ein­fach zu lan­ge im Haus und dem tol­len Gar­ten auf­ge­hal­ten und selbst dort nicht alles gesehen.

Durch den süd­li­chen Peak District fah­re ich noch ein Stück wei­ter und dabei pas­siert mir etwas Selt­sa­mes. Es gibt ja in Eng­land vie­le enge Neben­stra­ßen, die oft nicht für LKW geeig­net sind und ein blau­es Schild mit ent­spre­chen­dem Text weist drauf hin. Mein Navi führt mich nun auf eine Stra­ße, an der ein sol­ches Schild steht, nur dass hier gene­rell gesagt wird, dass die Strecke für Fahr­zeu­ge nicht emp­foh­len wird. Die Durch­fahrt ist aber nicht ver­bo­ten und da ich so etwas bis­her nicht kann­te, habe ich mir nichts wei­ter dabei gedacht.

Also wei­ter, doch plötz­lich wird die Stra­ße extrem schmal. Links und rechts tür­men sich Stei­ne auf, rich­tig gro­ße Brocken und es scheint fast, als hät­te man die­sen Weg einst mit­ten­durch geschla­gen. Dann wird es so schmal, dass viel­leicht noch eine hand­breit Platz zwi­schen Auto und Wand ist, ich muss sogar die Spie­gel ein­klap­pen. Ich schwit­ze ganz schön, doch schaf­fe es, das Auto heil hin­durch­zu­brin­gen. Umdre­hen war auch kei­ne Opti­on, denn ran­gie­ren war an die­ser Stel­le nicht möglich.

Am Abend kom­me ich in Mil­ton Keynes an, wo ich mich im mir schon bekann­ten Dou­ble­Tree by Hil­ton ein­quar­tie­re. Die­ses Mal bekom­me ich aller­dings kei­ne Suite, son­dern ein Zim­mer mit Blick in das Sta­di­on. Das ist auch mal inter­es­sant, selbst wenn ich per­sön­lich die Sui­ten vor­zie­he, da ich jetzt nicht so der Fuß­ball Fan bin.

Anson­sten bin ich wie­der sehr zufrie­den im Hotel und gehen zum Abend­essen zu Bel­la Ita­lia, das gleich gegen­über liegt.

Mei­len: 262
Wet­ter: hei­ter, 14–24 Grad
Hotel: Dou­ble­tree by Hil­ton Mil­ton Keynes

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