Cross Country – Frühling in Schottland

Tag 4 – Mon­tag, 28. Mai 2018
You ain’t seen not­hing yet – Glas­gow nach Dundee

„I’m redis­co­ve­ring Scot­land; I’m fal­ling in love with it again.” – Sam Heughan

Als ich heu­te Mor­gen auf­wa­che, lacht die Son­ne wie­der vom strah­lend blau­en Him­mel. Wow, was für ein Wahn­sinn. Ich mache mich in Win­des­ei­le fer­tig und bre­che auf. Glas­gow las­se ich genau­so links lie­gen wie die süd­li­chen Gefil­de, denn lei­der habe ich nicht so viel Zeit wie ich gern hät­te. So muss ich selek­tie­ren und mei­ne Wahl fällt auf die High­lands, zumin­dest einen Teil davon.

Ich fah­re nach Nord­we­sten, ein­mal quer durch den Loch Lomond & The Trossachs Natio­nal Park. Unter­wegs genie­ße ich die tol­le Land­schaft. Es war abso­lut die rich­ti­ge Ent­schei­dung, nach Schott­land zu kommen.

Nach rund neun­zig Minu­ten Fahrt errei­che ich das klei­ne Ört­chen Invera­ray, das an einem Mee­res­arm des Loch Fyne liegt und sich heu­te male­risch im Was­ser spiegelt.

Haupt­at­trak­ti­on des Ortes ist Inera­ray Cast­le, das ich schon von der Stra­ße aus sehen kann. Das Schloss ist der Stamm­sitz der Her­zö­ge von Argyll, die ein Zweig des Clans Camp­bell sind.

Bereits 1457 errich­te­te Colin Cam­pell, 1. Earl von Argyll an die­ser Stel­le eine erste Befe­sti­gungs­an­la­ge. Doch erst zwi­schen 1745 und 1790 wur­de das heu­ti­ge Gebäu­de für den 3. Duke of Argyll erbaut. Nach einem gro­ßen Brand im Jahr 1877 wur­den noch­mals eini­ge bau­li­che Ver­än­de­run­gen vor­ge­nom­men. So erhiel­ten die Tür­me ihre spit­zen Dächer.

Nach­dem ich mei­ne HHA-​Mitgliedskarte gezeigt habe, erhal­te ich auch zu die­sem Anwe­sen Zutritt und schaue mir zuerst die schö­nen Gar­ten­an­la­gen an. Ende Mai steht hier vie­les in vol­ler Blüte.

Schön kann ich hier auch die beson­de­re Bau­wei­se des Schlos­ses erken­nen. Zuerst gab es einen Turm, in dem sich heu­te der gro­ße Saal befin­det. Um die­sen her­um wur­den vier Sei­ten­flü­gel mit jeweils vier Geschos­sen gebaut. An den Ecken des qua­dra­ti­schen Gebäu­des wur­den schließ­lich noch Tür­me errichtet.

Nach mei­ner Gar­ten­be­sich­ti­gung gehe ich zum Haupt­ein­gang, um mir das Schloss auch von innen anzu­schau­en. Zu mei­ner Freu­de ist das Foto­gra­fie­ren hier erlaubt, sodass ich auch Bil­der von der pracht­vol­len Aus­stat­tung zei­gen kann.

Der Rund­gang beginnt in der fan­ta­sti­schen Armory Hall, der Waf­fen­hal­le, in der unzäh­li­ge Waf­fen aus­ge­stellt sind. Mit einer Decken­hö­he von 21 Metern ist der Raum auch heu­te noch der höch­ste in ganz Schottland.

Zu den aus­ge­stell­ten Stücken zäh­len Waf­fen aus vie­len Jahr­hun­der­ten, von denen eini­ge dem berühm­ten Schot­ten Rob Roy McGre­gor gehörten.

Der Salon wur­de vom 5. Duke neu gestal­tet und ist das Äqui­va­lent eines moder­nen Wohn­zim­mers, in dem sich die Gäste tra­fen, um Gesell­schafts­spie­le zu spie­len, zu früh­stücken oder sich ein­fach nur zu unter­hal­ten. An den Wän­den hän­gen die Bil­der vie­ler Campbells.

Roben und Klei­der, die die Her­zö­gen zu offi­zi­el­len Anläs­sen, wie auch Krö­nun­gen, tru­gen, sind im nord­west­li­chen Durch­gang zu den näch­sten Räu­men zu sehen.

Das vik­to­ria­ni­sche Zim­mer ist Prin­cess Loui­se gewid­met, einer Toch­ter von Queen Vic­to­ria, die spä­te­re Her­zo­gin von Argyll.

Das tol­le Bett im Mac­Ar­thurs Room gehör­te einst den Mac­Ar­thurs und kam aus dem ersten Invera­ray Cast­le in das neue Schloss. Einer Sage nach soll sich in dem Zim­mer auch ein Geist aufhalten.

Der Tape­try Dra­wing Room wur­de 1780 mit den schön­sten und modern­sten Möbel und Wand­be­hän­gen der dama­li­gen Zeit ausgestattet.

In einem der Tür­me ist ein Por­zel­lan­zim­mer unter­ge­bracht, in dem eini­ge der wert­voll­sten Stücke aus der Samm­lung der Her­zö­ge zu sehen sind.

Nur einen kur­zen Blick kann ich lei­der in den prunk­vol­len Sta­te Dining Room wer­fen, da die­ser gera­de in Benut­zung war und dem­entspre­chend nicht kom­plett ein gerich­tet ist. Mehr Zeit habe ich dann wie­der in der histo­ri­schen Küche, wo ich mich nach Her­zens­lust umschau­en kann.

Nach die­sem tol­len Besuch set­ze ich mei­ne Fahrt nach Nor­den fort und gelan­ge schließ­lich zum Loch Awe. Eigent­lich woll­te ich nur vor­bei­fah­ren, doch dann ent­decke ich eine tol­le Aus­sicht auf eine alte Burg und so suche ich mir einen Park­platz am Wegesrand.

Über einen Wei­de­zaun, den man unter Hil­fe einer klei­nen Lei­ter über­quert, gelan­ge ich auf eine weit­läu­fi­ge Wie­se. Die­se hat jedoch eini­ge ziem­lich mora­sti­ge Stel­len, sodass hier bereits Euro­palet­ten ver­legt wur­den, damit man nicht völ­lig ein­sinkt. Mat­schig ist es trotz­dem und wei­ter kommt man hier nur mit festem Schuhwerk.

Schließ­lich gelan­ge ich an das Ufer des Loch Awe und haben einen schö­nen Blick auf Kilch­urn Cast­le. Die heu­ti­ge Rui­ne wur­de um 1450 als Nie­de­rungs­burg erbaut. 1760 wur­de die Burg durch einen Blitz­schlag und ein dar­aus resul­tie­ren­des Feu­er stark beschä­digt und danach aufgegeben.

Mit­ten durch die schot­ti­schen High­lands geht es nun noch wei­ter nach Nor­den, bis an den Rand des Cairn­gorms Natio­nal Parks.

Mein Ziel ist Blair Cast­le, das ich bereits auf mei­ner ersten Schott­land Rei­se 2012 besucht habe. Damals hat­te ich aber ziem­lich schlech­tes Wet­ter, sodass ich mich ent­schlie­ße noch ein­mal hier­her­zu­kom­men. Durch ein gro­ßes Tor fah­re ich auf das Anwe­sen, wo ich mei­nen Miet­wa­gen parke.

Schon nach einem kur­zen Fuß­weg kommt dann auch die Burg in mein Blick­feld, die heu­te in der Son­ne strahlt. Mit dem Bau von Blair Cast­le wur­de bereits 1269 durch John Comyn begon­nen. Und noch heu­te ist die Burg in pri­va­ter Hand und bewohnt. Sie ist der Stamm­sitz der Fami­lie Mur­ray, den Gra­fen von Atholl.

Über eine klei­ne Holz­brücke, die einen Bach über­quert, gelan­ge ich in den Burghof.

Blair Cast­le ist aber nicht nur als Burg­an­la­ge bekannt, son­dern auch dafür, dass hier die ein­zi­ge lega­le Pri­vat­ar­mee Euro­pas sta­tio­niert ist, die Atholl High­land­ers, die heu­te aber nur noch zere­mo­ni­el­le Zwecke wahrnehmen.

Ein Zere­mo­ni­ell ist auch der Auf­tritt des Dudelsack-​Bläsers in den Clan­far­ben, der mehr­mals täg­lich vor dem Ein­gang der Burg spielt.

Lei­der herrscht in Blair Cast­le mal wie­der abso­lu­tes Foto­ver­bot. Nur im gro­ßen Saal, der erst spä­ter ange­baut wur­de, darf ich eine Auf­nah­me machen. Einen Ein­blick in eini­ge der ande­ren Räu­me gibt es auf der Web­site.

Nach­dem ich die Burg von innen besich­tigt habe, will bei die­sem schö­nen Wet­ter end­lich auch die Außen­an­la­gen anschau­en. Zuerst lan­de ich an einem Wild­ge­he­ge, wo aber nur sehr weni­ge Tie­re zu sehen sind.

Danach geht es zurück über den klei­nen Bach, denn die Gar­ten­an­la­ge befin­det sich auf der ande­ren Seite.

So gelan­ge ich zum Her­cules Gar­den, einem meh­re­re Hekt­ar gro­ßen Wal­led Gar­den, der im geor­gia­ni­schen Design wie­der her­ge­stellt wurde.

Zu den High­lights des Gar­tens gehö­ren die chi­ne­si­sche Brücke …

… und eine gro­ße Her­cules Sta­tue, die die gesam­te Anla­ge überblickt.

Von Blair Atholl, dem klei­nen Ört­chen, das neben der Burg liegt, fah­re ich zurück auf die A9. An einem der Park­plät­ze habe ich noch­mals einen schö­nen Blick auf Blair Castle.

Auf mei­nem wei­te­ren Weg kom­me ich an einem Abzweig zum Queens View vor­bei. Neu­gie­rig gewor­den, bie­ge ich ab. Ende Mai sind die Tage ja lang hier im Nor­den und so habe ich noch Zeit mir etwas anzuschauen.

Der Queens View, der Aus­blick der Köni­gin, ist ein Aus­sichts­punkt am Loch Tum­mel. Bereits die Tafel am Park­platz erklärt die Geschich­te, der zwei Frau­en, die Namens­pa­tro­nin­nen die­ses tol­len Aus­blicks sind.

Ich stel­le mein Auto ab und lau­fe zum Besu­cher­zen­trum. Dabei kom­me ich an die­ser lusti­gen Bank vorbei.

Dann errei­che ich das Besu­cher­zen­trum, das teils Aus­stel­lung und Tou­ri­sten­bü­ro und teils Selbst­be­die­nungs­re­stau­rant ist.

Im Shop fin­de ich das ulti­ma­ti­ve Sou­ve­nir einer Schottlandreise.

Da sich bei mir aber auch der Hun­ger mel­det, keh­re ich gleich mal im ange­schlos­se­nen Restau­rant ein. Auf der Kar­te suche ich mir ein Gericht aus, bestel­le und zah­le gleich. Dann bekom­me ich eine Num­mer und mei­ne Bestel­lung wird mir an den Tisch gebracht. Das Sand­wich und der Salat sind frisch und super lecker, sodass ich sehr zufrie­den bin. Und dann kann ich auch noch im Son­nen­schein auf der Ter­ras­se in die­ser tol­len Land­schaft spei­sen. Was will man mehr?

Danach geht es aber zum eigent­lich Queens View. Um den Aus­sichts­punkt zu errei­chen, fol­ge ich einem klei­nen Pfad, der mich direkt auf eine Klip­pe hoch über dem Loch Tum­mel bringt.

Dann bin ich da und genie­ße die fan­ta­sti­sche Aus­sicht, auch wenn der schön­ste Blick am spä­ten Nach­mit­tag lei­der etwas im Gegen­licht liegt.

Aber kom­men wir noch ein­mal zurück zum Namen. Die berühm­te­ste Besu­che­rin die­ses Aus­sichts­punk­tes ist wohl Queen Vic­to­ria, die hier fünf Jah­re nach dem Tod ihres Man­nes, ganz in Schwarz geklei­det, her­kam. Bei die­sem herr­li­chen Aus­blick konn­te sie ihre Sor­gen jedoch für eine Wei­le ver­ges­sen. Und da es damals üblich war, aller­hand Plät­ze nach dem Mon­ar­chen zu benen­nen, ging die Köni­gin davon aus, dass man die­sen Platz ihr zu Ehren so genannt hatte.

Tat­säch­lich aber gibt es den Namen schon sehr viel län­ger. Es wird sogar ver­mu­tet, dass Isa­bel von Mar, die 1296 den spä­te­ren schot­ti­schen König Robert the Bruce hei­ra­te­te, die Namens­ge­be­rin ist. Die adli­ge Frau war zu jener Zeit viel in die­sen Wäl­dern unter­wegs. Ob die­ser Platz nun wirk­lich nach ihr benannt ist, ist aber auch umstrit­ten, mir jedoch eigent­lich auch ganz egal, denn allein die Aus­sicht zählt und die ist wahr­haft majestätisch.

Nach die­sem spon­ta­nen Zwi­schen­stopp führt mich die Fahrt erst ein­mal wie­der nach Süden und hin­aus aus den High­lands. Unter­wegs ent­decke ich eine wei­te­re Burg und hal­te an, um ein paar Bil­der zu machen.

Cast­le Men­zi­es ist der Stamm­sitz des Clans Men­zi­es und wur­de im 16. Jahr­hun­dert erbaut. Heu­te kann die Anla­ge auch besich­tigt wer­den, doch dafür ist es lei­der schon zu spät. So bleibt dies­mal nur der Blick über den Zaun.

Dann geht es zügig wei­ter nach Süden, mal über die Schnell­stra­ße, dann wie­der über klei­ne Land­stra­ßen mit teils ein­spu­ri­gen Brücken und Ampel­ver­kehr, wie man sie öfter in Groß­bri­tan­ni­en findet.

Schließ­lich errei­che ich Dundee, mei­nen heu­ti­gen Über­nach­tungs­ort. Reser­viert habe ich im Dou­ble­tree Hotel, das aus einem alten Her­ren­haus und einem moder­nen Anbau besteht.

Ich bekom­me ein schö­nes Zim­mer und stel­le mei­ne Sachen ab.

Dann fah­re ich aber gleich noch­mal los, denn ich habe zwar dies­mal nicht viel Zeit für die schot­ti­sche Stadt am Firth of Tay, will aber zumin­dest einen berühm­ten Aus­sichts­punkt, den Dundee Law noch kurz besu­chen. Dazu fah­re ich ein­mal quer durch die Stadt und dann über immer enger wer­den­de Stra­ßen auf eine Anhö­he hin­auf. Hier gibt es einen klei­nen Park­platz, wo ich mein Auto abstel­le. Und dann erstreckt sich auch schon die gan­ze Stadt zu mei­nen Füßen.

Die Anhö­he, auf der ich mich gera­de befin­de, ist aber nicht irgend­ein Berg. Dundee Law ist der Kegel es erlo­sche­nen Vul­kans, der vor 400 Mil­lio­nen Jah­ren zum letz­ten Mal aus­ge­bro­chen ist. Die 174 Meter hohe Erhe­bung wur­de schon seit Urzei­ten als Sied­lungs­platz genutzt. So wur­den an den Hän­gen Grä­ber aus der Zeit um 1500 vor Chri­stus gefun­den. Der Begriff Law hat hier übri­gens nichts mit dem Gesetz zu tun. Ein Law ist im schot­ti­schen ein weit sicht­ba­rer Vulkankegel.

Fas­zi­nie­rend ist heu­te Abend übri­gens auch, wie der Nebel von der Nord­see immer mehr ins Land zieht. Das erin­nert mich an San Fran­cis­co, wo man die­ses Natur­schau­spiel genau­so erle­ben kann.

Nach die­sem schö­nen Aus­flug mache ich mich wie­der auf den Rück­weg, denn so lang­sam wird es dun­kel und auch spät. Mor­gen ist schließ­lich wie­der ein vol­les Pro­gramm geplant, sodass ich nun doch ins Hotel zurück­keh­ren möchte.

Mei­len: 291
Wet­ter: son­nig, 14–26 Grad
Hotel: Dou­ble­tree by Hil­ton Dundee

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