The undiscovered Country

Tag 11: Sonn­tag, 06. Okto­ber 2013
Gre­at River Sto­ries – von Mus­ca­ti­ne nach Dubuque

Das schö­ne Wet­ter hat mich wie­der, glau­be ich zumin­dest, als ich heu­te Mor­gen aus dem Hotel kom­me. Zwar ist es wie­der emp­find­lich kalt, doch die Son­ne strahlt von einem blau­en Himmel.

Zuerst dre­he ich eine klei­ne Run­de durch Mus­ca­ti­ne, denn dazu war ich gestern ein­fach zu müde und mit Son­ne und blau­em Him­mel sieht sowie alles viel schö­ner aus. So fah­re ich rund um das Court­house, vor­bei an vik­to­ria­ni­schen Häu­sern und hin­un­ter zum Mis­sis­sip­pi, oder bes­ser gesagt erst ein­mal hin­auf, denn den schön­sten Blick auf Fluss und Brücke habe ich vom Mark Twa­in Overlook.

Muscatine Collage 2

Doch auch direkt ans Ufer des gro­ßen Flus­ses fah­re ich. Das kann man im Süden ja sel­te­ner, denn dort ist er mei­stens durch Däm­me ein­ge­fasst. Hier aber kann man direkt bis ans Was­ser gehen.

Muscatine Collage 1

Vor­bei an der gro­ßen Heinz Ketch­up Fabrik, hier wer­den die gan­zen klei­nen Tüt­chen her­ge­stellt, die es über­all gibt, fah­re ich wei­ter, wie­der tie­fer ins Lan­des­in­ne­re von Iowa. Dort gibt es ein klei­nes, unschein­ba­res Städt­chen, das der zukünf­ti­ge Geburts­ort eines welt­be­rühm­ten Herrn ist, James T. Kirk, Cap­tain des Raum­schif­fes Enter­pri­se und der Ort ist River­si­de in Iowa.

Viel zu sehen gibt es hier aller­dings nicht. Beson­ders die Main­street des Städt­chens scheint mir eher ver­las­sen. Kaum vor­stell­bar, dass hier ein­mal im Jahr das gro­ße Trek­fest statt­fin­det und dann Fans aus der gan­zen Welt hier­her strömen.

Riverside 1

Doch dann ent­decke ich zumin­dest die Enter­pri­se. Auf einem Park­platz steht, für jeder­mann sicht­bar und ganz nah, fast wie aus einer ande­ren Zeit.

Riverside 3

Dahin­ter ein klei­ner Shop mit Muse­um. Bei­des hat jedoch heu­te lei­der zu. Wie blöd, doch im Inter­net gab es kaum Infor­ma­tio­nen dar­über, sodass ich die Öff­nungs­zei­ten nicht vor­her her­aus­fin­den konnte.

Riverside 2

So bleibt mir nur die Bank vor der Tür anzu­se­hen, die von Wil­liam Shat­ner gestif­tet wurde.

Riverside 4

Etwas ent­täuscht fah­re ich wei­ter und mei­ne Lau­ne hebt sich auch nicht gera­de, als ich die dicke Wol­ken­front vor mir sehe. Na toll, eben noch azur­blau­er Him­mel und nur Minu­ten spä­ter ist alles grau in grau. Da hilft auch der kur­ze Stopp am ersten Kapi­tol von Iowa in Iowa City nicht wirk­lich mei­ne Lau­ne zu heben.

Iowa City

Eigent­lich hat­te ich vor, heu­te noch in die Her­bert Hoo­ver Pre­si­den­ti­al Libra­ry zu fah­ren, doch das fällt dank Shut­down ja nun lei­der auch ins Was­ser. Doch bevor ich mir so rich­tig über­le­gen kann wel­che Rich­tung ich denn nun ein­schla­gen will, huscht ein Schild an mir vorbei.

Amana Colonies Sign

Huch, das war doch Deutsch? Was hat das denn mit­ten in Iowa zu suchen? Ich bin neu­gie­rig und beschlie­ße dem Abzweig zu fol­gen. Von den Ama­na Colo­nies habe ich noch nie zuvor etwas gehört. Kur­ze Zeit spä­ter errei­che ich das Städt­chen Ama­na, wo ich zuerst zum Visi­tor Cen­ter fah­re. Dort hof­fe ich zu erfah­ren, was es mit den Ama­na Colo­nies auf sich hat. Schon bei rein­ge­hen springt mir über­all deut­sche Spra­che ins Auge. Das ver­spricht inter­es­sant zu wer­den. Bin ich doch immer auf der Suche nach deut­schem Erbe in den USA.

Amana Colonies 16

Im Visi­tor Cen­ter geht es dann gleich so wei­ter. Bevor ich über­haupt zum Desk kom­me und nach Bro­schü­ren fra­gen kann, sehe ich schon die­se Stücke an der Wand. So wer­den hier die Holz­ar­bei­ten der ansäs­si­gen Tisch­le­rei­en näher betrachtet.

Amana Colonies 13

Gleich dane­ben wird die Blech­schmie­de vor­ge­stellt, die haupt­säch­lich Arti­kel für die Gemein­de­kü­che her­stell­te. Mit dem Ende der Küche wur­de 1932 auch die Schmie­de geschlossen.

Amana Colonies 12

Die Ama­na Colo­nies bestehen aus ins­ge­samt sechs Sied­lun­gen, die auf einer 32 Mei­len lan­gen Rund­fahrt besucht wer­den kön­nen. Auch ich habe die­se Fahrt gemacht und fand beson­ders den Haupt­ort Ama­na sowie High Ama­na sehenswert.

Die Ama­na sind eine christ­li­che Glau­bens­ge­mein­schaft, die auf die pie­ti­sti­sche Bewe­gung der Inspi­rier­ten in Deutsch­land zurück­geht. Von Deutsch­land wan­der­te im 19. Jahr­hun­dert eine Grup­pe von etwa 800 Per­so­nen nach Ame­ri­ka aus. Die­se sie­del­ten von 1843 an unter dem Namen Ebe­ne­zer Socie­ty bei Buf­fa­lo, New York. Um 1854 wan­der­ten sie wei­ter nach Iowa.

Amana Colonies 1

Amana Colonies 2

In der Nähe von Iowa City grün­de­ten sie unter dem Namen Ama­na 6 Dör­fer, die bis heu­te bestehen. Die Kolo­nien wur­den nach dem im Hohen Lied Salo­mos genann­ten Hügel Ama­na benannt. Bis 1932 kann­te die Gemein­schaft kein Pri­vat­ei­gen­tum. Die Gro­ße Depres­si­on zwang jedoch zur Auf­ga­be der Güter­ge­mein­schaft, doch noch heu­te stel­len die Dör­fer der Ama­na eine kul­tu­rell eigen­stän­di­ge Struk­tur dar, die immer noch stark vom Deut­schen geprägt ist, auch wenn seit 1960 auf Eng­lisch gepre­digt wird.

Amana Colonies Collage 1

Die­ses hier ist übri­gens das älte­ste Haus in Ama­na und war bis in die 30ziger die Gemein­schafts­kü­che. Heu­te ist es, wie fast alle Häu­ser, in pri­va­ter Hand.

Amana Colonies 4

Amana Colonies 15

Viel­leicht ist es ja schon jeman­dem auf­ge­fal­len, dass auf kei­nem der Fotos Autos vor den Häu­sern ste­hen. Das gibt dem Städt­chen noch einen beson­de­ren Charme, denn hier hat man sich Gedan­ken gemacht und die Park­plät­ze hin­ter den Grund­stücken ein­ge­rich­tet. Das macht auch beim Foto­gra­fie­ren Spaß, denn so habe ich nicht immer mehr Auto als Haus im Bild.

Amana Colonies 8

Amana Colonies 11

Im Gene­ral Store fin­de ich dann auch neu­deut­sche Produkte.

Amana Colonies 14

Natür­lich gibt es auch authen­ti­sche Restau­rants und Bäcke­rei­en. Und die sind wirk­lich gut. Der Bäcker, bei dem ich mir ein paar Teil­chen hole hat wirk­li­che lecke­re Sachen, wie Wind­beu­tel, Blät­ter­teig­tört­chen und auch Schwarz­brot (das ich aber nicht kau­fe). In den Restau­rants gibt es alles vom Sau­er­bra­ten bis zum Wie­ner Schnit­zel, vom Rhabarber- bis zum Streu­sel­ku­chen und auch deut­sches Bier.

Amana Colonies 6

Man­che der Häu­ser sehen auch fast so aus, als ob man sie aus Deutsch­land impor­tiert hät­te. Beson­ders die, die aus Back­stein sind und die klei­nen Fen­ster haben, erin­nern mich schon sehr an eini­ge Dör­fer hier in der Gegend.

Amana Colonies 9

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Nach mei­ner Besich­ti­gung von Ama­na ent­schei­de ich mich dazu, auch die Rund­fahrt durch die 5 ande­ren Dör­fer noch zu machen. Beson­ders ein Besuch des High Ama­na Store wur­de mir im Visi­tor Cen­ter ans Herz gelegt. So bie­ge ich nun in das klei­ne Ört­chen ein und es dau­ert auch gar nicht lang, bis ich das Geschäft finde.

Der Tritt mit den zwei Stu­fen dran, der hier im Vor­der­grund zu sehen ist, wur­de übri­gens errich­tet, damit die Kun­den bes­ser aus ihren Kut­schen aus­stei­gen konn­ten, wenn sie ein­kau­fen gehen wollten.

High Amana 1

Der High Ama­na Store wur­de 1857 gegrün­det und ist seit­dem prak­tisch nicht mehr ver­än­dert wor­den. Alle Rega­le, der Boden, ja sogar eini­ge Aus­la­gen sind noch aus die­ser Zeit. Selbst die Kas­se ist noch ein Käst­chen, in dem das Geld ver­wahrt wird. Trotz­dem kann man hier auch ein­kau­fen. Der Laden ist sowas wie eine Mischung aus Muse­um und Geschäft.

High Amana 2

High Amana Store Collage

Irgend­wann rei­ße ich mich dann doch los von den Ama­na Colo­nies und beschlie­ße aber, hier nicht das letz­te Mal gewe­sen zu sein. Als ich auf die Uhr schaue, bin ich leicht erschrocken, wie spät es schon ist. Eigent­lich hat­te ich vor noch Bruce­mo­re in Cedar Rapids zu besich­ti­gen, doch die Tour muss nun aus Zeit­grün­den lei­der gestri­chen wer­den. Ein­zig ein Foto mache ich noch und muss wohl auch hier­her noch ein­mal kommen.

Brucemore

Mit­ten durch Iowa fah­re ich wei­ter gen Nor­den und bin erstaunt, wie hüge­lig es doch hier ist. Schon vor­her hat­te ich ja gele­sen, dass sich die Wäl­der des Staa­tes fast aus­schließ­lich im Osten befin­den und auch das kann ich bestä­ti­gen. Nir­gends sonst habe ich so vie­le Bäu­me gese­hen. Lei­der fängt es unter­wegs immer mal wie­der an zu tröp­feln, sodass ich auf Zwi­schen­stopps verzichte.

Am spä­ten Nach­mit­tag errei­che ich schließ­lich wie­der den Mis­sis­sip­pi. Hier oben grenzt aller­dings schon Wis­con­sin an Iowa und dort­hin will ich noch ein­mal einen Abste­cher machen.

Prairie du Chien

Hier in der Klein­stadt Prai­rie du Chien steht die Vil­la Lou­is, ein Her­ren­haus, dass man eher in New York, Chi­ca­go oder St. Lou­is erwar­tet. Es wird, genau wie Black Point, von der Wis­con­sin Histo­ri­cal Socie­ty ver­wal­tet, doch anders als in Black Point erklärt man mir hier gleich, dass ich innen nicht foto­gra­fie­ren dür­fe. Wenn ich die Tour trotz­dem machen wol­le, kostet das $10 und es geht sofort los. Natür­lich will ich trotz­dem, zumal ich nun schon so weit gefah­ren bin, nur um hier­her zu kommen.

Villa Louis 3

Die ita­lie­nisch ange­hauch­te Vil­la wur­de 1871 für H. Lou­is Dous­man erbaut, der hier unter ande­rem Pfer­de züch­te­te. Zum Grund­stück gehör­te sogar ein­mal eine eige­ne Pfer­de­renn­bahn. Heu­te ist davon aber nichts mehr erhalten.

Im Haus begrüßt mich Janet, die die heu­ti­ge Tour gibt. Sie ist eine wah­re Per­le und ich habe wirk­li­ches Glück gera­de in ihrer Grup­pe gelan­det zu sein. Janet erzählt alles über die Dous­man Fami­lie, die die­ses Anwe­sen hier drau­ßen im Nir­gend­wo errich­te­te. Zu jener Zeit erreich­te man das Haus nur per Boot auf dem Mis­sis­sip­pi und spä­ter auch per Bahn.

Villa Louis 2

Von der Ter­ras­se ist der Mis­sis­sip­pi dann auch direkt zu sehen. Bei Hoch­was­ser kommt das Was­ser manch­mal sogar bis an die Tür, erzählt Janet, über­flu­tet wur­de das Haus jedoch noch nie. Anders als vie­le der Häu­ser, die ehe­mals hier in der Gegend stan­den. Sie wur­den alle abge­ris­sen und die Men­schen etwas wei­ter vom Fluß ent­fernt angesiedelt.

Villa Louis 1

Erst zwei Stun­den spä­ter kann ich mich von der Vil­la Lou­is ver­ab­schie­den. Die Tour war wirk­lich ein­ma­lig und eine der Besten, die ich jemals in solch einem Her­ren­haus gemacht habe. Das war zum gro­ßen Teil natür­lich auch Janet zuzu­schrei­ben, die den Besuch zu einem ein­ma­li­gen Erleb­nis gemacht hat.

Als ich abfah­re fängt es wie­der an zu tröp­feln und umso näher ich mei­nem heu­ti­gen Etap­pen­ziel kom­me, desto kräf­ti­ger wird der Regen. Was solls, Plä­ne hat­te ich für heu­te sowie­so nicht mehr. Als ich über die Mis­sis­sip­pi­brücke nach Dubu­que fah­re, reg­net es so hef­tig, dass man den Fluss kaum sieht. Zum Glück hält die­ser Schau­er nicht lan­ge an und als ich am Fair­field Inn vor­fah­re, nie­selt es nur noch etwas.

Fairfield Inn Dubuque

Da ich kei­ne Lust habe noch­mal groß durch die Stadt zu fah­ren und der Oli­ve Gar­den gleich auf der ande­ren Sei­te des Park­plat­zes liegt, fällt die Ent­schei­dung auch nicht schwer, wo es heu­te Abend­essen gibt.

Mei­len: 279
Wet­ter: 7–10 Grad, früh son­nig, spä­ter wol­kig mit Schauern
Hotel: Fair­field Inn, $95.20