Tag 6 – Freitag, 12. Februar 2016
The night they drove old dixie down – Charleston
„Charleston is one of the best built, handsomest, and most agreeable cities that I have ever seen.” – Maquis de Lafayette
Der Wetterbericht hat tatsächlich Recht behalten. Na toll – es ist trübe draußen und sieht nach Regen aus. Ausgerechnet heute, wo ich doch den ganzen Tag in Charleston bin. Mit Außenaufnahmen wird es also heute wohl eher nichts. Ich fahre trotzdem erst einmal in die Stadt und zum Ft. Sumter Visitor Center. Schon seit ich 1999 zum ersten Mal in Charleston war, will ich an diesen historischen Ort, an dem der erste Schuss des Civil War abgefeuert wurde. Zwei Mal am Tag fährt ein Boot derzeit zum Fort. Ich gehe zur Kasse und will ein Ticket kaufen. Die nette Dame erzählt mir, dass am Morgen viele Schulklassen unterwegs sein werden, sodass ich mir ein Ticket für den Nachmittag kaufe.
Mit dem Ticket in der Tasche fahre ich zurück in die Altstadt, denn was kann man besser bei solchem Wetter machen als Häuser besichtigen. Ich entscheide mich das Heyward-Washington House zu besuchen, eines der Häuser, das ich in Charleston noch nicht von innen gesehen habe.
Neben der Eingangstür erklärt dann auch gleich ein Schild, warum das Haus nicht nur nach seinem Besitzer Thomas Heyward benannt ist, sondern ebenfalls nach George Washington. Der wohnte nämlich bei seinem Besuch in Charleston hier. Damals übernachtete man als Staatsgast noch nicht im Hotel, sondern mietete einfach ein ganzes Haus an. Das war im Mai 1791 und während dieser einen Woche zog Thomas Heyward mal schnell aus, denn das Haus wurde von der Stadt angemietet und das war ein nettes Nebeneinkommen.
Da die nächste Tour erst zur vollen Stunde beginnt, darf ich mir zuerst den Garten anschauen, der normalerweise das Ende der Tour ist. Aber der nette Guide bittet mich herein, da ich ansonsten auf der Straße hätte warten müssen.
In einem Nebengebäude ist eine Küche aus dem Jahr 1740 eingerichtet, der älteste Teil des ganzen Hauses, denn das Haupthaus wurde später nochmals abgerissen und im Jahr 1772 neu aufgebaut.
Im Garten entdecke ich eine kleine Statue von General William Moultrie. Dieser war der Vorsitzende der Society of the Cincinnati of the State of South Carolina, die hier ihr Hauptquartier hatte. Die Society wurde gegründet, um die Prinzipien der Freiheit aus der Amerikanischen Revolution aufrechtzuerhalten und das tut sie noch heute. In jedem der 13 Gründerstaaten sowie in Frankreich wurde eine solche Society gegründet. Der Vorsitzende aller 14 Societies war übrigens bis zu seinem Tod im Jahr 1799 George Washington. Die Society in South Carolina ist eine von sechs, die seit ihrer Gründung im Jahr 1783 durchgängig operiert.
Bereits seit 1929 ist das Heyward-Washington House ein Museum und damit das erste Hausmuseum in Charleston.
Zu den wertvollsten Stücken im Haus zählt ein unbezahlbarer Holmes Bücherschrank, der wohl eines der schönsten und am besten erhaltenen Möbelstücke aus dem kolonialen Amerika ist. Es ist schon faszinierend, was für handwerkliche Fähigkeiten die Menschen damals beherrschten. Der riesige Schrank kann zum besseren Transport in 6 Teile zerlegt werden.
Das Heyward-Washington House gehört wie das Joseph Manigault House zum Charleston Museum und aus diesem Grund ist ein Combi Ticket für beide Häuser preislich günstiger. So ist also die Entscheidung gegen das Aiken-Rhett und für das Joseph Manigault House gefallen.
Auch das Joseph Manigault House hat eine mehr oder weniger turbolente Geschichte hinter sich, bevor es zum Museum wurde. Die Abrissbirne stand hier sogar schon sprichwörtlich vor der Tür, bevor es gerettet wurde. Und der kleine Pavillion, durch den man das Grundstück betritt, war sogar einmal Teil einer Tankstelle mit angeschlossener KfZ-Werkstatt. Das kann man sich kaum vorstellen, doch ich sehe die Fotos davon im Haus.
Eine wunderschöne, freischwebende Treppe, ein beeindruckendes Treppenhaus und die Restaurierung bis ins kleinste Detail sind wohl die Highlights dieses fantastischen Antebellum Stadthauses. Besonders die Bedeutung des Rundbogens, den man in vielen Eingangshallen findet, ist hier deutlich zu erkennen. Er ist eine Grenze zwischen dem öffentlichen und dem privaten Teil eines Hauses. das kann man besonders an der viel schöneren Ausstattung der Halle von der Haustür bis zum Bogen erkennen. Kein Gast würde jemals ungebeten durch den Bogen treten.
Ich aber schon, denn mir ist es gestattet das ganze Haus anzuschauen. Und das auf einer ganz fantastischen Privatführung, denn die Touren werden nach Bedarf gestartet und neben mir ist gerade kein weiterer Gast da. Das ist besonders toll, weil ich eine super nette Dame erwischt habe, die sich lebhaft mit mir über das Haus unterhält.
Damals lebte man nicht im Erdgeschoss Wer es sich leisten konnte, lebte im ersten Stock. Hier sind auch die schönsten Räume. Das Ganze hatte einen simplen Grund und er heißt Staub. Bei ungeteerten Straßen wurden davon Unmengen aufgewirbelt und um die Hitze einzudämmen, waren die Fenster geöffnet. Eine schlechte Kombination, außer man wohnte etwas höher.
Da ich noch Zeit habe, fahre ich zur Battery. Hier steht das Edmondston-Alston House, das ich vor vielen Jahren schon einmal besucht habe. Da es gerade wieder zu regnen beginnt, gehe ich hinein und schließe mich einer Tour an. Leider kann ich hier nicht fotografieren, denn das Haus ist noch heute in Privatbesitz und wird in den oberen Stockwerken von den Eigentümern bewohnt.
Während meiner kurzen Fahrt zurück zum Hafen, hört der Regen glücklicherweise wieder auf. Ich parke das Auto und gehe direkt zum Schiffsanleger, da ich mein Ticket ja bereits in den Händen halte. Pünktlich um 13 Uhr startet die Überfahrt nach Fort Sumter.
Auf Grund des schlechten Wetters ist die Battery von Charleston leider nur schemenhaft zu erkennen. Mit Sonne würde das sicher fantastisch aussehen.
Am Kreuzfahrtanleger, von dem ich in 2005 auch einmal in See gestochen bin, liegt die Oriana von P&O Cruises. Was für ein Pech für die Passagiere, dass ausgerechnet heute so schlechtes Wetter ist.
Im Wasser sehe ich derweil die ersten Delphine. Schon auf früheren Reisen habe ich die Meeressäuger hier entdeckt und deshalb auch ganz bewusst danach Ausschau gehalten.
Immer näher kommen wir Fort Sumter und nach ca. 45 Minuten Überfahrt ist das Schiff bereit zum Andocken. Ich bin schon ganz gespannt auf diesen historisch so bedeutenden Ort.
Der Bau von Fort Sumter wurde 1829 begonnen und 1861 war die Verteidigungsanlage, die auf einer künstlichen Insel in der Hafeneinfahrt von Charleston liegt, so gut wie fertiggestellt. Benannt wurde das Fort nach Thomas Sumter, einem General aus dem amerikanischen Unabhängigkeitskrieg. Bis 1948 wurde Fort Sumter militärisch genutzt, bevor es vom National Park Service übernommen wurde. Seitdem ist das Fort für Besucher geöffnet.
Ich beeile mich vom Schiff zu kommen, damit ich ein paar Bilder ohne Menschen bekomme und das gelingt tatsächlich. So bin ich sogar die erste Besucherin unseres Schiffs, die das Fort betritt. Und da immer nur ein Schiff hier anlegt, ist keiner weiter hier. Es ist schon ein faszinierender Moment, diesen historisch so bedeutsamen Ort einmal selbst zu betreten. Hier stehe ich an einen weiteren Ort auf dieser Erde, der die Geschichte nachhaltig verändert hat.
Es war am 12. April 1861, als auf das Fort die ersten Schüsse des amerikanischen Bürgerkriegs abgefeuert wurden, dem, bis heute, blutigsten Konflikt der amerikanischen Geschichte. Noch heute kann man die Beschädigungen des Krieges deutlich erkennen. Es sind unglaubliche Zerstörungen, die hier stattfanden, doch davon erfahre ich erst im kleinen Museum so richtig.
Bevor ich dorthin gehe, klettere ich allerdings zum heute höchsten Punkt. Der ist die Spitze einer neueren Verteidigungsanlage, die in das alte Fort hineingebaut wurde. Während des Spanisch-Amerikanischen Krieges wurde beschlossen, das Fort weiter militärisch zu nutzen. Im folgenden Jahr begann der Bau eines massiven Betongebäudes, das unter dem Namen Battery Huger bekannt wurde. Die Battery diente als Fundament für schwere Geschütze und war in beiden Weltkriegen besetzt, kam jedoch nie militärisch zum Einsatz.
Im Inneren der Battery Huger befindet sich ein kleines Museum, das ich mir nun anschaue, da draußen sowieso überall Menschen umher wuseln. Hier wird die Geschichte des Forts sehr schön erzählt. Besonders beeindruckend finde ich das Modell des intakten Forts oder auch die Geschichte der Palmetto Flag. Die kannte ich schon von meinem Besuch in Fort Moultrie in 2010.
Schließlich drehe ich noch eine komplette Runde um die heute zerstörten Kasematten. Und da entdecke ich eine interessante Stelle. Hier ist noch ein original Geschütz aus dem Civil War zu sehen, genau dort, wo es einst in der Mauer stecken geblieben ist.
Einen Teil der Insel, auf der Fort Sumter steht, kann man auch erlaufen. Viel ist es nicht, aber es reicht, um einen Blick von außen auf das Fort zu werfen. Der Rest der Landflächen ist nur zu sehen, wenn Ebbe ist, aber selbst dann wird davon abgeraten, dort umherzuwandern. Und dann kommt doch tatsächlich zum ersten Mal heute die Sonne heraus. Nur für einen ganz kurzen Moment, aber genau in diesem Moment drücke ich auf den Auslöser und so werden die alten Mauern extra für mich angestrahlt.
Bald heißt es auch schon wieder Abschied nehmen. Wir fahren zurück nach Charleston. Durch den Dunst sind Sullivan Island und das dortige Fort Moultrie zu sehen.
Und dann sind sie plötzlich wieder da, die Delphine. Einer schwimmt sogar unter unserem Bug mit und taucht regelmäßig vor uns zum Atmen auf. Was für ein Erlebnis. Er begleitet uns über eine halbe Stunde, fast bis in den Hafen von Charleston.
Unterwegs begegnen uns einige Ozeanriesen, die aus dem Hafen auf dem Weg zum Atlantik sind.
Zum Schluß gibt’s noch einen Blick auf den Flugzeugträger USS Yorktown und die Oriana.
Und dann sehe ich sie wieder, die Arthur Revenel Jr. Bridge. Auch heute, 11 Jahre nach ihrer Eröffnung im Jahr 2005, kann ich mich nicht so recht entscheiden, ob ich die Brücke mag oder nicht. Einerseits verstehe ich ja, dass eine neue Brücke von Nöten war, andererseits vermisse ich die alten Brücken noch immer. Ich weiß noch ganz genau, als ich im Frühjahr 2005 hier war, bin ich einfach so ständig hin und her gefahren, weil ich wusste, dass es das letzte Mal sein wird. Für mich war es jedes Mal ein kleines Abenteuer, aber manche Menschen haben sich vor der kleineren der beiden Brücken wohl sogar gefürchtet. Nun ja, seitdem bin ich auch schon viele Male über die 4 km lange und 57 Meter hohe neue Brücke gefahren. Aber ein Erlebnis ist das irgendwie nicht mehr, denn einzigartig ist die Brücke irgendwie nicht.
Wieder an Land könnte ich komplett im Dreieck springen, jetzt kommt doch tatsächlich die Sonne raus! Das darf ja wohl nicht wahr sein, nach 30 Minuten ist der Himmel knallblau, kurz bevor die Sonne untergeht. Ich fahre ins Outback Restaurant nach Mount Pleasant, doch dieses Mal bin ich irgendwie enttäuscht. Ich hatte hier schon einmal gegessen, doch Service und Qualität des Essens haben irgendwie deutlich nachgelassen oder ich habe einen schlechten Tag erwischt.
Mein Hotel für heute Nacht liegt in Summerlin, etwas außerhalb von Charleston. Das hat zwei Gründe, denn 1. findet in der Stadt eine Messe statt und dementsprechend sind die Hotelpreise und 2. hatte ich ja ursprünglich vor, gleich am Morgen Charleston zu verlassen. Doch diese Entscheidung überdenke ich auf Grund des Regens noch einmal.
Meilen: 72
Wetter: bedeckt mit Nieselregen, abends heiter, 49–51 Grad
Hotel: Hampton Inn Summerville