TAG 6: 18. Juni 2012
Von Liebe, Leid und großen Dieben – Auf nach Glasgow
Heute Morgen fahre ich noch einmal in die Borders, denn hier gibt es einen ganz berühmten Ort, den ich unbedingt besuchen will, Gretna Green. Auf der alten Postkutschenroute von London nach Edinburgh war Gretna Green das erste Dorf in Schottland und so wurde es weltberühmt.
Lange Zeit galten in Großbritannien keine festen Regeln zur Schließung einer Ehe. Im Jahre 1753 verabschiedete das britische Parlament den Lord Hardwicke’s Marriage Act, der unter anderem für eine Heirat zwischen Minderjährigen die Einwilligung der Eltern forderte. Dieses Gesetz galt nur für England, nicht aber in Schottland. Dort durften weiterhin Jungen mit 14 und Mädchen mit 12 Jahren eine Ehe ohne elterliche Zustimmung schließen.
Diese Regelung sprach sich sehr schnell herum. Viele minderjährige Paare flohen aus England und das erste Dorf hinter der schottischen Grenze war Gretna Green. Das schottische Gesetz verlangte seinerzeit zu einer Eheschließung lediglich eine Erklärung in Anwesenheit von zwei Zeugen, sodass beinahe jeder zur Abnahme einer Ehezeremonie berechtigt war.
In Gretna Green hatte sich der Schmied als Amtsperson für die Eheschließung etabliert. Die Hochzeiten fanden in seiner Schmiede statt, und der Amboss bekam bei den dortigen Trauungen eine besondere Bedeutung.
Über mehr als 200 Jahre wurden Minderjährige hier getraut. Es kam immer wieder zu dramatischen Szenen, da Väter ihr Kind auf dem Weg verfolgten und versuchten, die Hochzeiten in letzter Minute zu verhindern. Ihre Geschichten erzählt ein kleines Museum, das der Schmiede angeschlossen ist.
Auch heute noch ist Gretna Green bei Hochzeitspaaren beliebt, selbst wenn sich an den Gesetzen doch einiges geändert hat. Jährlich werden hier über 5000 Ehen geschlossen. In Schottland liegt das gesetzliche Mindestalter für eine Hochzeit übrigens immer noch bei 16 Jahren. Ab diesem Alter braucht es auch keine Zustimmung der Eltern zu einer Eheschließung.
Als ich in der Broschüre meines Scottish Heritage Passes durchblättere, stoße ich noch auf eine weniger bekannte Abtei. Die Geschichte dahinter fasziniert mich aber irgendwie und ich beschließe, dort vorbeizufahren.
Sweetheart Abbey wurde im Jahr 1273 von Devorguilla von Galloway zur Erinnerung an ihren Ehemann John de Balliolals als letztes schottisches mittelalterliches Zisterzienser-Mönchskloster gestiftet. Devorguilla war so untröstlich, dass ihr geliebter Gatte so früh verstorben war, dass sie sein einbalsamiertes Herz in die Abtei brachte. Und so bekam dann auch die Abtei ihren Namen.
Als ich durch das kleine Örtchen New Abbey zurückfahre, entdecke ich eine Mühle am Straßenrand. Zuerst halte ich nur für ein Foto an, doch dann entdecke ich, dass die Mühle zum National Trust gehört und besichtigt werden kann. Das mache ich natürlich gleich, denn in meinem Heritage Pass ist der Eintritt schon inkludiert.
Die Kornmühle von New Abbey stammt aus dem 18. Jahrhundert. Sie wurde höchstwahrscheinlich auf einer Stelle gebaut, die den Mönchen der in der Nähe gelegenen Sweetheart Abbey gehörte. Die Wassermühle, die liebevoll in den 1970er Jahren restauriert wurde, ist vollkommen intakt und wird auch noch heute für die Besucher betrieben.
Ebenso wie die Sweetheart Abbey entdecke ich auch Caerlaverock Castle im Booklet des Heritage Passes. Und da die Sonne heute von einem strahlend blauen Himmel lacht, beschließe ich, mir die Schlossruine anzusehen.
Der Grundstein für die Burg wurde um 1270 gelegt. Sie ist die einzige dreieckige Wasserburg in Schottland. An der nördlichen Ecke befindet sich das Torhaus, das aus einem Doppelturm besteht. Die Burg ist komplett von einem wassergefüllten Graben umgeben und wurde nicht, wie viele andere Burgen, auf einem Felsen errichtet.
Caerlaverock hatte im Laufe der Jahre diverse Umbauten zu verzeichnen. 1290 hatten viele Gebäudeteile noch Strohdächer, die im Laufe der Zeit durch haltbarere Materialien wie etwa Steindächer ersetzt wurden. Die einzelnen Stilrichtungen der Epochen finden sich auch in bestimmten Gebäudeteilen wieder, insbesondere dem Haupthaus in der Burg, das 1634 fertiggestellt wurde und das von Experten als eines der aufwändigsten und schönsten Burggebäude seiner Zeit bezeichnet wird.
Nach diesem schönen Besuch mache ich mich auf den Weg in Richtung Glasgow. Unterwegs halte ich noch am Drumlanrig Castle, von dem ich ebenfalls in einer Broschüre ein Bild sah, das mich neugierig machte.
Drumlanrig Castle ist eine ehemalige Festung der Douglas und Heimat des Duke und der Dutchess of Buccleuch und Queensberry. Das Schloss wurde 1691 fertiggestellt und ist eines der eindrucksvollsten Renaissancebauwerke in Schottland. Heute beherbergt es außerdem eine der besten Kunstsammlungen in Großbritannien. Zu den berühmtesten Werken gehört Gemälde von Rembrandt und daVinci.
Drumlanrig war aber auch der Schauplatz des wohl spektakulärsten Kunstraubs in Schottland. Im Jahr 2003 nahmen einige Personen an einer Führung teil. In einem der Räume überwältigten sie die Museumsführerin und stahlen zwei der kostbarsten Werke, Leonardo daVincis „Madonna mit der Spindel” und Rembrandts „Alte Frau, lesend”. Erst 2007 wurden die Werke in Glasgow wieder gefunden und befinden sich heute wieder an ihrem angestammten Platz, allerdings unter vielfach verstärkten Sicherheitsvorkehrungen.
Umrahmt ist das Schloss von großartigen Viktorianischen Gärten, die in den letzten Jahren zu ihrer ursprünglichen Schönheit wieder erweckt worden sind.
Drumlanrig ist übrigens nur eines der Jagdschlösser des Duke und der Dutchess of Buccleuch und Queensberry, die auch heute noch zu den reichsten Familien in ganz Europa gehören. Sie besitzen mehrere Schlösser in Großbritannien und Ländereinen über ganz Europa verteilt.
Etwa eine Stunde südlich von Glasgow will ich noch ein letztes Schloss besuchen, das Culzean Castle. Im Gegensatz zu Drumlanrig ist es nicht mehr in Privatbesitz und ein Museum.
Culzean Castle, das Schloss auf den Klippen, wurde von 1772 bis 1790 für Robert Adam, den letzten Earl von Cassillis errichtet, doch schon seit dem 14. Jahrhundert gab es hier immer wieder Schlösser. Weltberühmt ist besonders das ovale Treppenhaus, welches sich über drei Stockwerke erstreckt. Heute ist das Schloss der Mittelpunkt eines riesigen Parks, zu dem auch wunderschöne Gärten, Strände, Wälder und Wanderwege sowie ein Park mit Rehen und Hirschen gehört.
Gegen 18 Uhr breche ich auch von hier wieder auf und fahre nun auf direktem Weg nach Glasgow. Hier habe ich mir ein Zimmer im Hilton Garden Inn reserviert. Das Hotel liegt direkt am River Clyde, den ich auch aus meinem Zimmer sehen kann.
Da es an meinem gestrigen Geburtstag nur ein Sandwich zum Abendessen gegeben hat, hole ich den Restaurantbesuch einfach heute nach. Hier ist die Wahl auf Tony Roma’s gefallen, denn ein bisschen Amerika Feeling muss einfach mal sein.
Meilen: 226
Wetter: heiter/ 9–17 Grad
HOTEL: Hilton Garden Inn, £69